Luger, Friedrich - Der Brief des Jakobus - Zehnte Betrachtung.

Luger, Friedrich - Der Brief des Jakobus - Zehnte Betrachtung.

Wie sich die Lehrweise die Lehrweise des Jakobus vom Glauben und und von den Werken zu der des Paulus verhalte, und wie wir uns gegen beide verhalten sollen.

Über Jak. 2,14-26.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesu Christo! Amen.

Jak. 2,14-26.
Was hilft's, liebe Brüder! so Jemand sagt, er habe den Glauben, und hat doch die Werke nicht? Kann auch der Glaube ihn selig machen? So aber ein Bruder oder Schwester bloß wäre, und Mangel hätte der täglichen Nahrung, und Jemand unter euch spräche zu ihnen: 'Gott berate euch; wärmt euch und sättigt euch!' gäbt ihnen aber nicht, was des Leibes Notdurft ist, was hilft ihnen das? Also auch der Glaube, wenn er nicht Werke hat, ist er tot an ihm selber. Aber es möchte Jemand sagen: 'Du hast den Glauben, und ich habe die Werke!' Zeige mir deinen Glauben mit deinen Werken, so will ich auch meinen Glauben dir zeigen mit meinen Werken! Du glaubest, dass ein einiger Gott ist; du tust wohl daran; die Teufel glauben es auch, und zittern. Willst du aber wissen, du eitler Mensch! dass der Glaube ohne Werke tot sei? Ist nicht Abraham, unser Vater, durch die Werke gerecht geworden, da er seinen Sohn Isaak auf dem Altar opferte? Da siehst du, dass der Glaube mitgewirkt hat an seinen Werken, und durch die Werke ist der Glaube vollkommen geworden. Und ist die Schrift erfüllt, die da spricht: 'Abraham hat Gott geglaubt, und ist ihm zur Gerechtigkeit gerechnet, und ist ein Freund Gottes geheißen.' So seht ihr nun, dass der Mensch durch die Werke gerecht wird, nicht durch den Glauben allein. Desselbigengleichen die Hure Rahab; ist sie nicht durch die Werke gerecht geworden, da sie die Boten aufnahm, und ließ sie einen anderen Weg hinaus. Denn gleichwie der Leib ohne Geist tot ist, also auch der Glaube ohne Werke ist tot.

Hier stehen wir, in dem Herrn Geliebte! vor den Worten unseres Briefes, um deren willen vor Allem Luther in demselben keine rechte apostolische Art erkennen konnte. So ganz ruhte der in den schwersten inneren Kämpfen errungene Friede seiner Seele auf dem Glauben an die freie und unverdiente Gnade Gottes in Christo; so ganz war seine Seele erfüllt von dem gewaltigen Kampfe seines Lebens gegen die Werkgerechtigkeit der römischen Kirche, dass er sich in Worte nicht zu finden vermochte, wie wir sie hier im 24. Verse unseres Textes lesen: „So seht ihr nun, dass der Mensch durch die Werke gerecht wird, nicht durch den Glauben allein“. Scheint doch auch in der Tat ein unauflöslicher Widerspruch zu sein zwischen solchen Worten des Jakobus und der Lehre des Paulus, wie sich dieselbe zum Exempel aus den allbekannten Worten seines Briefes an die Römer (Kap. 3,28.) ergibt: „So halten wir es nun, dass der Mensch gerecht werde ohne des Gesetzes Werke durch den Glauben“, - „allein durch den Glauben“, wie Luther, um den Gedanken des Apostels in voller Klarheit zum Ausdruck zu bringen, übersetzt hat. Ja, während sich Paulus auf Abraham beruft zum Zeugnisse dafür, dass der Mensch „durch den Glauben gerecht“ werde, wählt Jakobus denselben Vater der Gläubigen zum Beweise, dass der Glaube ohne Werke tot sei, und fragt: „Ist nicht Abraham, unser Vater, durch die Werke gerecht geworden?“ Und während Jakobus von der Hure Rahab, welche die Boten des Volkes Gottes bei sich aufnahm, sagt, „sie sei durch die Werke gerecht“ geworden, heißt es im Briefe an die Hebräer: „Durch den Glauben ward die Hure Rahab nicht verloren mit den Ungläubigen, da sie die Kundschafter freundlich aufnahm“. (Hebr. 11,31.)

Gewiss ein merkwürdiger und auf den ersten Eindruck höchst befremdender Gegensatz! Und doch so unversöhnlich nicht, noch die Lehre des Paulus mit der Heilslehre unserer Kirche so unverträglich, als es den Anschein hat, und unser Luther meinte. Das wird sich uns ergeben, wenn wir, bevor wir in den folgenden Betrachtungen auf die einzelnen Verse unseres Tertabschnittes näher eingehen, zunächst diesen Gegensatz in der Lehrweise der beiden apostolischen Männer, und seine Bedeutung für die christliche Erkenntnis, wie für das Leben des Christen betrachten. Wir sehen zu dem Ende,

Wie sich die Lehrweise des Jakobus vom Glauben und von den Werken zu der des Paulus verhalte, und wie wir uns gegen beide verhalten sollen.

1.

Wenn wir, in dem Herrn Geliebte! uns klar machen wollen, wie sich die Lehrweisen dieser beiden apostolischen Männer vom Glauben und von den Werken zu einander verhalten, so müssen wir zunächst darauf Acht haben, worin beide mit einander eins sind. Beide sind darin eins, dass sie den Glauben und die Werke nicht von einander trennen, sondern in ihrer Verbindung mit einander zum wahren Christentum erforderlich achten. Wenn Paulus sagt, dass „in Christo weder Beschneidung noch Vorhaut etwas gelte, sondern der Glaube,“ so fügt er hinzu: „der Glaube, der durch die Liebe tätig ist“ (Gal. 5,6.) und wenn er den Ephesern zugerufen hat: „Aus Gnaden seid ihr selig geworden durch den Glauben!“ so fährt er alsbald fort: „Denn wir sind sein Gottes Werk, geschaffen in Christo Jesu zu guten Werken, zu welchen uns Gott zuvor bereitet hat, dass wir darinnen wandeln sollen“. (Eph. 2,8.10.) So wenig leistet er dem Irrtum und dem Selbstbetruge derer Vorschub, gegen welche sich das warnende Wort des Jakobus richtet, „ob denn der Mensch durch einen Glauben ohne Werke selig werden könne“. Im Gegenteil: Ein Glaube, der nicht Werke hat, ein toter Glaube, wie ihn Jakobus nennt, ist dem Paulus gar kein Glaube. Ihm ist der Glaube die innerste sittliche Tat, durch welche der Mensch die Gnade Gottes ergreift, also dass er sich nun mit seinem ganzen Herzen und Leben in Gehorsam und dankbarer Liebe ihm zu eigen gibt. So eifert auch Paulus nicht gegen die guten Werke, welche es in Wahrheit sind, als Frucht des Glaubens, sondern gegen des Gesetzes Werke, will sagen: nicht bloß gegen die Beschneidung und die Satzungen des alten Bundes, sondern gegen alle Werke, welche nicht aus dem Glauben kommen, durch welche der Mensch meint, sich vor, neben und außer dem Glauben seine Gerechtigkeit vor Gott erwerben zu können. Dem aber widerstreitet die Lehre des Jakobus nicht. Ist doch nach ihm dem Christen das Gesetz des alten Bundes zum Gesetz der Freiheit geworden, und die Werke, welche er fordert, sind Werke des Glaubensgehorsams und der dankbaren Liebe, wie auch Paulus sie als Frucht des Glaubens fordert. Vom Glauben rühmt Jakobus gleich am Eingange seines Briefes, dass er „Geduld wirke“. Er verkennt nicht, dass Abrahams Glaube die wirkende Kraft war, aus welcher die große Tat seines Gehorsams gegen Gott hervorging. Der Glaube ist es, der durch die Werke vollkommen werden soll; und der ist der wahre Christ, der aus den Werken seinen Glauben zeigen kann. Wie wenig Recht haben also die, sich auf den Jakobus zu berufen, die, den Glauben verachtend, sprechen: „Was soll der Glaube? Lasst doch einen Jeden glauben, was er will! Die guten Werke sind es, die Frömmigkeit des Lebens und des Wandels worauf es vor Gott ankommt!“

Aber doch, in dem Herrn Geliebte! sagt nun Jakobus nicht wie es der Lehrweise des Paulus entsprechender wäre „So seht ihr nun, dass der Mensch nicht durch einen bloßen Glauben (einen toten Glauben) gerecht werde, sondern nur durch einen lebendigen Glauben, welcher Werke hat“; er sagt vielmehr: „So seht ihr nun, dass der Mensch durch die Werke gerecht wird, und nicht durch den Glauben allein“, durch einen toten Glauben, der keine Werke hat, und darum kein Glaube ist. Es liegt eben der Unterschied in der Lehrweise beider Männer doch nicht bloß in dem verschiedenen Gebrauche der Worte: „Glaube“ und „Werke“; es liegt auch dem Gebrauche des Wortes: „Gerecht werden“ eine Verschiedenheit der Anschauung zum Grunde. Nicht so, als ob bei Einem von Beiden das Wort etwas Anderes, als was sonst in der Schrift dadurch bezeichnet wird, bedeutete, nämlich: „für gerecht erklärt werden“. Aber während Paulus bei diesem Worte auf den Vorgang im Leben des Christen zurückblickt, in welchem er Gottes Gnade im Glauben ergreift, und von Gott aus Gnaden angenommen, und von seiner Sündenschuld losgesprochen wird, blickt Jakobus vorwärts auf das Ziel des Christenlaufes, an welchem es offenbar werden soll, dass der Glaube, welcher sich der Gnade Gottes getröstete, und Christum als seinen Heiland ergriff, auch ein lebendiger Glaube war, welcher Geduld wirkte, und sich als Kraft eines neuen Lebens in willigem Gehorsam, dankbarer Liebe und jeder Tugend christlicher Vollkommenheit bewährte. Um uns diese Verschiedenheit zu erklären, müssen wir sowohl die verschiedene Lebensführung und Lebensstellung beider Männer, als auch die Verschiedenheit der Leserkreise, für welche ihre Briefe bestimmt waren, uns vergegenwärtigen.

Als Paulus auf dem Wege nach Damaskus von der Hand des Herrn ergriffen, und zum Glauben an ihn als den Sohn Gottes bekehrt ward, da hatte er keine Werke getan, die ihn vor Gott hätten gerecht machen können; im Gegenteil, er erkannte nun erst recht, dass alle Werke des Gesetzes, in welchen er bisher seine Gerechtigkeit vor Gott gesucht hatte, ihm dieselbe nicht hatten erwerben können. Dennoch sandte der Herr den Ananias zu ihm, und er empfing in seiner Taufe die Vergebung seiner Sünden und die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt. Nun wusste er, dass er ein begnadigtes Kind Gottes sei, gerecht vor ihm und ein Erbe des ewigen Lebens, nicht um irgend welcher guten Werke willen, deren er keine getan hatte, sondern aus Gnaden um Jesu Christi willen, welchen er bisher verfolgt, nun aber im Glauben als seinen Heiland ergriffen hatte. Aus dieser seiner Gerechtigkeit durch den Glauben floss ihm dann ein Leben reich, wie kein anderes, an guten Werken. Die Liebe Christi, welche er in seiner Begnadigung erfahren hatte, drang ihn, dass er fortan nur dem lebte, der um unserer Sünde willen dahingegeben, und um unserer Gerechtigkeit willen auferweckt ist. Der Grund aber seines Heils war und blieb ihm allein die rechtfertigende Gnade Gottes, welche er im Glauben ergriffen hatte. Daher der Eifer, mit welchem er nun den judaisierenden Irrlehrern begegnete, die ihm überall in seiner apostolischen Arbeit entgegentraten, durch deren gesetzlichen Eifer die Seelen in den Irrtum verführt wurden, als ob der Mensch außer und neben dem Glauben, welcher Christum als Heiland ergreift, noch Werke bedürfe, um gerecht zu werden vor Gott.

Anders Jakobus, der mit seiner Wirksamkeit in Jerusalem hineingestellt, als Säule der Gemeinde in der dem göttlichen Gerichte entgegenreifenden Stadt zurückblieb, auch als die Apostel Alle dieselbe verlassen hatten. Mitten in dem Gewirre und dem Hader der Parteien, in welchen seine an den Herrn Jesum gläubig gewordenen Volksgenossen je länger je mehr mitverwickelt zu werden Gefahr liefen, ist sein Auge auf das Ende gerichtet. Wie er im Eingange des Briefes, zur Bewährung im Glauben ermahnend, seine Leser „auf die Krone des Lebens“ hinweist, welche „Gott denen verheißen hat, die ihn lieb haben“, (Kap. 1,12) und gegen den Schluss desselben noch einmal in sie dringt: „Die Zukunft des Herrn ist nahe! Seufzt nicht wider einander, liebe Brüder, auf dass ihr nicht verdammt werdet! Siehe, der Richter ist vor der Tür!“ (Kap. 5,8.9.) so leitet ihn bei den Worten unseres Textes eben der Gedanke an das Ziel unseres Christenlaufs und das endliche Offenbarwerden des Herrn zum Gericht. „Es wird aber“, schrieb er V. 13, „ein unbarmherziges Gericht über den gehen, der nicht Barmherzigkeit getan hat, und die Barmherzigkeit rühmt sich wider das Gericht“.

Wie musste es darum ihn, der wegen seines heiligen Wandels mit dem Ehrennamen des Gerechten bezeichnet wurde, ergreifen, wenn angesichts des drohenden Gerichtes ihm Seelen begegneten, die sich darauf verließen, dass sie an den Herrn Jesum glaubten, während ihr Leben diesem Glauben nicht entsprach! An sie denkt er, wenn er in großer Bewegung ausruft: „Was hilft es, liebe Brüder! so Jemand sagt, er habe den Glauben, und hat doch die Werke nicht; kann auch der Glaube ihn selig machen?“ ihn erretten am Tage des Gerichts und der Offenbarung der Herrlichkeit des Herrn?

In diesem Zusammenhange und Sinne will es also gefasst sein, wenn Jakobus lehrt, dass der Mensch der Werke bedürfe und nicht eines bloßen Glaubens an den Herrn Jesum Christum, um vor Gott gerecht, für gerecht erklärt, zu werden. Wie schwindet aber dann die Verschiedenheit seiner Lehrweise von der des Paulus auch hier dem einen Grunde gegenüber, auf welchem beide Männer stehen! Denn wo er auf das Ziel des Christenlaufes blickt, da warnt auch Paulus mit ganzem Ernste seine Leser, sich Zorn zu häufen auf den Tag des Zorns und der Offenbarung des gerechten Gerichtes Gottes, „welcher geben wird einem Jeglichen nach seinen Werken“, (Röm. 2,4.5.) und stimmt also ihrer Beider Lehre zu dem Worte des Herrn Jesu selber, welcher will, dass die Seinen „an ihren Früchten zu erkennen“ seien, und warnend ausruft: „Es werden nicht Alle, die zu mir sagen: Herr! Herr! in das Himmelreich kommen, sondern die den Willen tun meines Vaters im Himmel!“ (Matth. 7,20.21.)

2.

Nun wohlan, in dem Herrn Geliebte! Haben wir denn so gesehen, wie sich beide, die Lehrweise des Jakobus und die des Paulus vom Glauben und von den Werken zu einander verhalten, so ergibt sich leicht, wie wir uns gegen beide zu verhalten, und was wir von einem Jeden zu lernen berufen sind.

Wo es den Grund unseres Heils gilt, da sollen wir festhalten an dem Bekenntnisse des Paulus, dass der Mensch allein durch die Gnade Gottes, welche wir im Glauben ergreifen, gerecht wird. Denn auch unsere besten Werke sind vor Gott ein mit Sünde beflecktes Gewand, und wir bedürfen es immer wieder, Christum als unseren einigen Heiland im Glauben zu ergreifen, und uns seines Verdienstes und seiner Gerechtigkeit zu getrösten, wenn unsere Sünden wider uns aufstehen, und der alte böse Feind unsere Seele verklagen will. Denn: Jakobus aber warne uns immer wieder vor einem toten Glauben, und mahne uns, ein Jeglicher sein selbst Werk zu prüfen, ob sich der Glaube auch in seinen Früchten als einen lebendigen bewähre. Denn er kommt, der Tag der Herrlichkeit des Herrn, da wir nach unseren Werken, der Frucht unseres Glaubens, werden gerichtet, und entweder gerechtfertigt oder verdammt werden. Darum siehe, ob dein Glaube, wie Luther sagt, solch „ein lebendig, geschäftig, tätig, mächtig Ding sei, dass unmöglich ist, dass er nicht ohne Unterlass sollte Gutes wirken!“ Er aber, der Herr der Herrlichkeit, segne dazu das Wort seines Knechtes an uns, und bewahre uns vor allem Glauben, welcher nicht Werke hat, wie vor allen Werken, welche nicht aus dem Glauben kommen, und lasse uns die Kraft des lebendigen Glaubens, welcher Werke hat, und in der Liebe tätig ist, immer völliger und seliger erfahren! Amen.

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