Krummacher, Friedrich Adolph - Der Hauptmann Cornelius - XIII.

Krummacher, Friedrich Adolph - Der Hauptmann Cornelius - XIII.

„Gott ist Licht! Gott ist Liebe!“ So spricht die heilige Schrift1), und hiermit hat sie in der einfachsten Weise das Höchste und Erfreulichste ausgesprochen, was zu uns Menschen von dem Wesen Gottes gesagt werden mag. Licht und Liebe können nicht sein, ohne sich zu offenbaren, ohne zu leuchten und zu wirken, und somit neues Licht und Leben zu schaffen; denn das eben ist ja des Lichts und der Liebe Sein und Leben. Aber was hilft es mir, von dem Wesen Gottes zu wissen, wenn ich nicht auch mein Verhältnis zu demselben und dessen Wirkungen und Ausflüsse erkenne? Auch hier hat das Wort der Wahrheit ausgeholfen, indem es uns in dem geheimnisvollen dreifachen Namen: als des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes, die Persönlichkeit des einen lebendigen Gottes offenbaret. Diese schriftgemäße Offenbarung einer heiligen Dreieinigkeit umfasst zugleich die Grundlage, sowie die unterscheidende Eigentümlichkeit und den Umfang der christlichen Lehre und unseres Glaubens. Dafür hat der Herr Jesus selbst, da er nach Vollendung seines Werks in seine Herrlichkeit zurückkehrte, sie feierlich erklärt. Drei sind, die da zeugen im Himmel, der Vater, das Wort und der heilige Geist, und diese Drei, sind eins, sagt Johannes, und mit ihm alle Apostel.

Freilich ist diese Wahrheit, die menschlich zählend sich aussprechen will, und zugleich die Zahl wie: der aufhebt - ihrem innersten Wesen nach ein Geheimnis, über alles menschliche Verstehen so weit erhaben, als der Himmel höher ist denn die Erde. Aber es ist ein den Menschen geoffenbartes Geheimnis, und hat eben darum zwei Seiten, deren eine Gott, die andere dem Menschen zugewendet ist. Die göttliche Seite kannst du eben so wenig fassen, als du das Wesen Gottes zu begreifen vermagst. Aber dessen bedarf es auch eben so wenig, als du den inneren Bau und das Wesen der Sonne zu verstehen brauchst, um ihres Lichts zu genießen; oder, als du das Verband deines Geistes und Leibes erkennen kannst, dessen du doch ungezweifelt gewiss bist. Dagegen ist uns in die sei drei heiligen Worten die Geschichte Gottes, fein Tun und Wirken unter den Menschenkindern, kund getan. Sie umfassen die großen Taten und Offenbarungen der Liebe Gottes, die er von Anfang zum Heil der Menschen beschlossen, und deren Erfüllung er“ in der Zeit begonnen hat und in der Ewigkeit vollenden wird.

Hieran haben wir Unmündigen uns zu halten und in dem einen lebendigen Gott den Vater zu erkennen, der uns von Ewigkeit erwählt, zur Kindschaft gegen ihn selbst verordnet, und zu seinem Ebenbilde erschaffen hat; und den Sohn, der uns durch seine Menschwerdung, Leiden und Sterben von Sünde und Tod erlöst hat; und den heiligen Geist, der, als das Pfand unserer Erlösung, die Heiligung und Erneuerung zum Ebenbilde Gottes in uns vollendet. Also Ein lebendiger Gott, dem wir dreierlei Gnadengüter, unsere Erwählung, Erlösung und Heiligung verdanken. Der Apostel fasst sie zusammen in dem Segenswunsch: Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi, und die Liebe Gottes, und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch allen2)!

Wie mit der Ausgießung des heiligen Geistes das größte Liebeswerk der Offenbarung Gottes im Fleische, und die sichtbare Erscheinung seiner Gnade erfüllt ward; so kann auch nur durch die Kraft und in der Gemeinschaft des heiligen Geistes das Herzensbündnis des Gläubigen mit dem Vater in dem Sohne vollendet werden. Niemand kann Jesum einen Herrn heißen, ohne durch den heiligen Geist; und dieser Geist gibt Zeugnis unserer Geiste, dass wir Gottes Kinder sind. Solch Zeugnis sollte nun auch der gläubige Hauptmann empfangen.

Apostelgesch. X, 44-46. Da Petrus noch diese Worte redete, fiel der heilige Geist auf alle, die dem Wort zu: hörten. Und die Gläubigen aus der Beschneidung, die mit Petro gekommen waren, entsetzen sich, dass auch auf die Heiden die Gabe des heiligen Geistes ausgegossen ward. Denn sie hörten, dass sie mit Zungen redeten, und Gott hoch preisten.

Dieser Abschnitt beschreibt nun die nächsten Folgen und Wirkungen, sowohl der Sendung und Predigt des Apostels Petrus, als auch der gläubigen Annahme des Evangeliums, bei Cornelius und seinen Hausgenossen und Freunden. Wir sehen in dieser einfachen historischen Darstellung ein erneuertes Leben in Christo, erweckt durch die Gabe des heiligen Geistes.

1. Indem Petrus noch diese Worte redete, und wahrscheinlich seine Rede noch fortsetzen wollte ward er unterbrochen. Es war genug; er hatte das Evangelium und den Mann, durch welchen Gott den Frieden hat verkündigen lassen, Jesum den gekreuzigten und auferstandenen, gepredigt, und, in seinem Namen, Allen, die an ihn glauben, Vergebung der Sünde verheißen. Der ihm gewordene Auftrag, und der Wunsch des Cornelius: „Worte von ihm zu hören“ (V. 22.) „waren erfüllt. Cornelius und seine Hausgenossen hatten gewiss tiefbewegt, mit steigender Andacht und Rührung dem heiligen Apostel, zugehört, und der Herr hatte der Wahrheit und Friede suchen: den kleinen Herde, wie der Purpurkrämerin Lydia, das Herz aufgetan. Das Wort, immerdar der Anfang und das Mittel jeder göttlichen Schöpfung, hatte, wie ein unvergänglicher Same in ihren Herzen Wurzel gefasst, und bedurfte nur noch des Segenblicks von oben, der Befruchtung des heiligen Geistes.

Wir erblicken hier gleichsam ein anderes Pfingstfest unter den Heiden. Warum hätten diese auch der Feuertaufe entbehren sollen? Die Zeit war gekommen, wo das Wort von der Versöhnung in aller Welt aufgerichtet, der Zaun hinweggebrochen, die Feindschaft getötet, und das Evangelium des Friedens Allen, die ferne und die nahe waren, verkündigt werden sollte3). Dies war der Auftrag des Herrn, und zur Vollendung desselben hatte er ihnen einen unsichtbaren Stellvertreter seiner Person, den heiligen Geist, verheißen. Der solle sie in alle Wahrheit führen, den Herrn in ihnen verklären, und ihnen Kraft und Weisheit geben zu ihrem Beruf. Am Pfingstfest zu Jerusalem wurde diese Verheißung sichtbar in herrlicher Weise erfüllt. Die Apostel, voll heiligen Geistes, traten im Angesicht von Golgatha und dem hohen Rat auf, und predigten Jesum von Nazareth, den gekreuzigten und auferstandenen, als den Herrn, dem alle Macht gegeben sei im Himmel und auf Erden. Und die Wirkung, und Folge dieser neuen Gottestat war, dass an dem einen Tage bei dreitausend, und bald darauf fünftausend Seelen aus allen Weltgegenden gläubig wurden. So begann die Wiedergeburt der Welt durch die Kraft des heiligen Geistes zuerst in den Aposteln. Der Herr war nun der Geist, - und der Geist der Herr4).

2. Aber nicht bloß den Jüngern, die mit ihm gegessen und getrunken hatten, war die Gabe des heiligen Geistes verheißen, sondern allen, nahe und ferne, die Buße tun und glauben würden an den Namen Jesu Christi5). Wie den Aposteln die Erstlinge des Worts, so waren ihnen auch die Erstlinge des Geistes zur Mitteilung vertraut. Als Petrus und Johannes auf die, welche zu Samaria das Wort Gottes angenommen hatten, betend die Hände legten, empfingen jene den heiligen Geist6). Unser lieber Hauptmann und sein Haus wurden eine besonderen Vorzug gewürdigt, als hätte der Herr für die heilsbegierigen Heiden, wie ja auch für jenes Kanaanäische Weiblein, eine eigene Zärtlichkeit gehabt. Denn ohne Gebet und Händeauflegen des Apostels - wie er selbst erzählt7) „indem ich anfing zu reden, fiel der heilige Geist auf sie; gleichwie auf uns am ersten Anfang.“ Also ist dieser Anfang, nämlich das Ereignis des Pfingstfestes und was an den Jüngern geschah, das Maß dessen, was von Cornelius und seinem Hause berichtet wird.

Aber wir stehen hier auf einem heiligen Boden und zwischen den Geheimnissen der Haushaltung Gottes, wo uns geziemt, die Schuhe auszuziehen. Es will uns dünken, als ob der die Geschichte des Cornelius erzählende Apostel das Wörtlein: am Anfange (unsere Übersetzung hat auch noch das Wort: „am ersten“ hinzugesetzt) nicht so obenhin gebraucht habe. Wir finden in unserem Gottesbuche, wenn wir dieses hinzunehmen, ein merkwürdiges dreifaches: „am Anfang.“ Mit dem ersten beginnt die heilige Schrift; mit dem zweiten eröffnet der Jünger, der an des Herrn Brust lag, sein herrliches Evangelium; und mit dem dritten bezeichnet der Apostel, der die erste Predigt hielt, und dem Herrn die ersten Schafe aus dem Heidentum zuführte, die große Gottestat der Ausgießung des heiligen Geistes. Alle drei sind Anfänge ewiger Gotteswerke, der Schöpfung, Erlösung und Heiligung.

Jeglicher Anfang, selbst in dem stetig beginnenden und fortgehenden Kreislauf der Natur, ist unseren Blicken gänzlich verborgen; sogar der Anfang der Entwicklung eines einfachen Weizenkörnlein entzieht sich ganz unserem Auge und Verstande, und wenn wir ihm nachgehen, so verlieren wir uns in den Schoß einer unsichtbaren Welt, von wannen das Körnlein seine Kraft empfängt. Und eben so wenig wissen wir das Band und den Zusammenhang zwischen Kraft und Wirkung, Ursache und Folge anders, als bloß durch die Erfahrung und äußere Erscheinung. Gott allein sind alle seine Werke bewusst von der Welt her8).

Aber darin offenbart sich noch immerdar die Sündlichkeit des Menschen, und unsere kindisch-hochmutige Unart, dass wir sein und sehen wollen, wie Gott.

Das ist die Lust und Begierlichkeit der Augen, in welchen nicht ist die Liebe des Vaters9). Wäre diese, und mit ihr die wahrhafte kindliche Demut in uns, so würde unser beschränkter und gebundener, von den Täuschungen der sichtbaren Welt befangener und irregeleiteter Verstand nicht, wie wir pflegen, Natur und Wunder, ordentliche und außerordentliche Gaben und Offenbarungen Gottes, auch Leib und Seele nicht, von einander scheiden. Das einfältige, Gott zugewendete Auge würde seine Kraft und Gnade eben so uns das Brot aus der Erde bringt, als wenn es ihm gefiele, mit fünf Broten fünftausend Menschen zu speisen. Wohl aber würden wir erkennen, wie dann, wenn der Menschheit von oben her ein neues Leben gegeben werden soll, das Oben in dem Unten sich kund tun müsse in Zeichen und Wundern, und uns nicht darüber entsetzen und verwundern und irre werden, wie auch die Jünger des Herren nicht taten, obwohl sie öfter über seine Reden sich wunderten.

3) Als der Sohn Gottes auf Erden wandelte, da geschah, was er seinen Jüngern gesagt hatte: „Von nun an werdet ihr den Himmel offen sehn, und die Engel Gottes hinauf- und herabfahren auf des Menschen Sohn“10). Die Jünger und ganz Judäa waren Zeugen seiner Gottestaten, sie sahen die Erweisungen seiner Herrlichkeit mit ihren Augen.

Diese himmlischen Zeichen und Erscheinungen gehörten so natürlich und notwendig zu dieser Zeit; als die Blüte der Pflanzen und Bäume, und der Gesang der Lerchen und Nachtigallen zu der Zeit gehören, wann Gott die äußere Gestalt der Erde erneuert.

Das allergrößte Werk der Liebe Gottes, die alle Erkenntnis übersteigt, war geschehen in der Zeit, und zwar in einem dazu erkorenen kleinen und abgeschlossenen Bezirk unserer Erde, um das Eigentum und der ewige Segen der gesamten, unsterblichen Menschheit zu werden. Was in Judäa sich ereignet hatte, wurde kein Eigentum weltlicher Historie, sondern, wie Cornelius es aus dem Munde des Petrus vernahm, in einen kleinen einfachen Bericht gefasst, der den demütigen Namen: Evangelium, d. i. gute Botschaft, empfing. Die Männer, welche den Völkern sie überbrachten, hießen darum auch nur Apostel, d. i. Boten, Sendlinge. Der Herr, dessen Wort und Werk sie verkündigten, beglaubigte sie dadurch, dass sie in seinem Namen dieselben Gottestaten vollbringen konnten, die er selbst getan hatte. Ein anderes Mittel, sie zu beglaubigen, ist auch nicht einmal denkbar. So taten sie eben so große, ja, nach der Verheißung des Herrn, größere Werke, als er selbst getan hatte. Dies waren die geistlichen Wundertaten, welche die Sache Gottes und ihr Fortgang nun erforderte.

So wie der Herr Jesus in den Tagen seines Fleisches seine Kraft und Herrlichkeit an dem Äußeren der Menschen, an ihren kranken Leibern und Gliedern, vorzüglich und fast ausschließlich erwiesen hatte; so wurde nun an dem Innern, an dem geistigen und geistlichen Leben der Menschen, die an ihn gläubig wurden, offenbar: dass er, der Herr, Geist sei. Es galt nun zunächst dem inneren Zuge der blinden und blindgebornen Juden und Heiden, und was der Herr den Johannisjüngern gesagt hatte11), geschah jetzt in umgekehrter Ordnung. Als den Armen die gute Botschaft verkündigt ward, da geschah zuerst die Erweckung aus dem Todesschlaf des Juden, und Heidentums zum neuen Leben; die Tauben hörten das Wort der Wahrheit; dem folgte die Reinigung vom Sündenaussatz, dann der fröhliche Wandel auf dem neuen Wege, und endlich das volle Licht des Glaubens und das Schauen von Angesicht. An den Jüngern und Aposteln, welche die leiblichen Wunder des Herrn schon getan hatten, und denen selbst die Geister untertan gewesen12), geschahen diese Offenbarungen und Wunder des Geistes zuerst, sichtbar, am Pfingstfest zu Jerusalem, und erwiesen sich besonders, außer den anderen äußern sie begleitenden Zeichen, in der Erhöhung und Verklärung der Zunge, der Rede, der Sprache, des Worts.

Den sollten, mussten sie zuvor empfangen, und was sie empfingen, sollten sie mitteilen. Also geschah es auch in Cäsarien,

4) Der heilige Geist fiel auf alle, die dem Worte zuhörten.

Der Evangelist, und später auch Petrus, bedienen sich hier eine sehr einfachen, von körperlicher Schwere entlehnten, sinnlichen Worts, um das Geistigste, was an Cornelius geschah, damit zu bezeichnen: Der heilige Geist fiel auf alle. So ist es oft die Weise der Schrift. „Er wird herabfahren, wie Regen auf die Matte, und wie Tropfen, die das dürre Land feuchten.“13) Vor ihr ist die erscheinende zeitliche, und die unsichtbare ewige Welt, beide Gottes Werk, nicht also geschieden, wie von dem zerstückelnden Verstande des Menschen. Da selbst das Wort, das von Anfang war, Fleisch geworden; wie sollte, sie nicht das Kommen und Wesen des Geistes von oben her in ein irdisches Wort kleiden? So redet sie freilich eine für den natürlichen Menschen unverständliche und grobe Sprache, aber desto verständlicher und bestimmter für den geistlichen Menschen.14) Und denen, die dem Worte zuhörten, geschah in geistlicher Weise dasselbe Gotteswerk, was leiblicher Weise jenem Gichtbrüchigen, der auf das Wort Jesu seine Bett nahm und heimging, oder, auf Petrus und Johannes Wort, dem Lahmen an der Tempeltür wiederfuhr, welcher plötzlich aufstand, sprang, wandelte, und Gott lobte. Gleichwie in diesen Geheilten zunächst ein neues leibliches Leben offenbar wurde, so in jenen das geistliche, wovon jenes Andeutung und Zeichen war, das neue Leben in Christo.

Der Jünger, der an der Brust des Herrn lag, nennt Ihn selbst das leben, und sagt: in ihm, in und mit der Person Jesu, den ihre Augen geschaut und ihre Hände betastet, sei das Leben erschienen, und sie hätten es gesehen und verkündigten es.15) Folglich war der alte Bund nur die Vorbereitung und Verheißung, nur Wort von dem Leben, das da kommen sollte. In dem neuen Bunde ward das Wort Fleisch; das Leben erschien, um das Leben der Welt zu werden. Das Dritte musste nun noch geschehen, nämlich die Ausgießung des Lebens auf alles Fleisch. Das ist abermals Geschichte Gottes unter den Menschen. Cornelius und die Seinigen waren die Erstlinge unter den Heiden, die es empfangen sollten. Ein höchst wichtiger Moment und Fortschritt des Reiches Gottes! Darum musste dieser Durchgangspunkt zu einem neuen Leben der Heidenwelt auch sichtbar bezeichnet werden. An der kleinen Gemeine geschah, was an den Aposteln zu Jerusalem geschehen war. Ihr ganzes, bisher so schwaches und demütiges Wesen ward in himmlischer Weise erhöht, Herz, Mund und Zunge ihnen verklärt, also dass sie von lautem Lobe und Preise Gottes überflossen. In solcher Weise ist diese göttlich-menschliche Geschichte auch in Cäsarien geschehen, damals, als die Erde von den Strahlen der Sonne der Gerechtigkeit, die auf sie herabgekommen, noch warm war, und von den Fußstapfen des Gesalbten glänzte.

5) und die Gläubigen aus der Beschneidung,

die mit Petro gekommen waren, entsetzten sich, dass auch auf die Heiden die Gabe des heiligen Geistes ausgegossen ward. So fehlte es auch hier, wie am Pfingstfeste, nicht an solchen, die sich entsetzten über das, was geschah. Jedoch nicht sowohl die Tatsache selbst, deren Zeugen diese noch jung- und schwachgläubige Christen aus dem Judentum waren, erregte in ihnen diese Verwunderung, sondern das befremdete sie, dass auch Heiden, ohne Gesetz und Beschneidung, gleicher Gnade und Vorzüge mit den Juden von Gott gewürdigt wurden. Obgleich sie aus dem Munde des Apostels, und durch die Tat selbst erfahren hatten, dass Gott die Person nicht ansehe, und der Gläubige in allerlei Volk ihm angenehm sei; so trat dennoch auch in ihnen das alte Vorurteil mit aller Kraft des dunklen Gefühls wieder hervor. So zeigt unsere Geschichte auch hier teils die herablassende Erbarmung Gottes zu den schwachen, kleingläubigen Menschenkindern; teils aber auch, wie die sichtbare Offenbarung der Hand Gottes durchaus notwendig war, um seinem Worte, wodurch alles neu werden sollte, den Eingang in die Welt zu eröffnen. Der sündige Mensch ist von Natur geneigt zu einer Vergötterung des Verstandes, welche nicht besser und dabei hartnäckiger ist, als jene abgöttische Kunst, welche Ihn, der Himmel und Erde erfüllt, im Tempel oder Marmor und Erz zu beschließen wähnt. Dieselbe Verstandesabgötterei sucht die Wirksamkeit des lebendigen Gottes, entweder dem gewöhnlichen Laufe der Natur, wie der Mensch diesen aus Erfahrung und Beobachtung seither erkannt und unter selbst erdachte Gesetze gestellt hat, oder dem gewohnten Gange der Geschichte und Begebenheiten unterzuordnen, und somit die Kraft und Herrlichkeit des unvergänglichen Gottes, nach einem selbstgeschaffenen Verstandesgebilde, in die gemeine Zeitlichkeit herabzuziehen.

Jenes erstere ist die Art der ungläubigen Weltweisheit neuerer Zeit; das letztere war der Grund und Vorwand des Hasses, womit die Juden das Evangelium verwarfen, und bis auf den heutigen Tag ihm widerstehen. Dass solch Vorurteil auch in unseren Gläubigen sich regte, beweist ihr Entsetzen; hoffentlich dass letzte bei ihnen, und durch Gottes Gnade die Vollendung ihrer Bekehrung. O törichter Menschendünkel, welcher sich bereden möchte, es gebe kein ander Licht, als Sonnen-, Sternen- und Lampenlicht, und keine andere Geschichte, als die Weltgeschichte, worin freilich die evangelische keinen Raum findet! Wohin könnte man auch nur die unsrige stellen! Würden sich nicht die Halbgläubigen entsetzen, und die Ungläubigen von süßem Wein reden!

6) Wir kehren zu unserem Hauptmann zurück.

In seinem Hause war nun der Tag angebrochen, und in Aller Herzen der Morgenstern, Christus, aufgegangen. Weiland Finsternis, waren sie nun allzumal ein Licht in dem Herrn! Diesem Tage des Heils war eine, wer weiß wie lange Nacht voll Seufzen und Sehnen nach dem Angesichte des lebendigen Gottes vorhergegangen. Da hatte der Herr diesen Abraham aus dem Götzentum seines Vaterlandes seinem Kanaan näher geführt, und eine leise Dämmerung war in ihm aufgegangen. Aber diese vermehrte nur seine Sehnsucht nach dem Lichte, ohne sie zu stillen. Sein Fasten und Beten und Almosen, und sein demütiger fußfälliger Empfang des Mannes, zu welchem er gesendet hatte, sein Hören und Aufmerken auf das Wort des Apostels, und der ihn umgebende Kreis der gleichgesinnten Hausgenossen, Diener und Kriegsknechte, wie zeugt alles dieses von dem aufrichtigen Verlangen dieser Seelen nach der guten und vollkommenen Gabe, die von oben kommt! Wie könnte ein Vater seinem Kinde einen Stein geben, das ihn um Brot bittet! Wie könnte Er, der die Lilien schöner, denn Salomo kleidet, einer hungernden Seele das Licht versagen!

Darum musste der Tag der Salbung und Krönung von oben dem Cornelius so gewiss kommen, als der Morgen der Nacht und Dämmerung folgt. Und wie der Schöpfer den stillen Anbruch des neuen Lebens der Natur zur Frühlingszeit mit mancherlei lieblichen Tönen, Farben und Wohlgerüchen schmückt, so musste auch der Anbruch des Reiches Gottes in der Heidenwelt durch Wunder und Zeichen, Zungenreden und Lobgesang verherrlicht werden. Freilich diese äußeren Zeichen hörten bald auf, wie Stephanus Engelsangesicht, welches auch die sahen, die ihn zum Tode verdammten; nicht aber das innere friedsame Leben, dessen Zeugnisse sie waren. Dieses, bestehend in Glauben, Hoffnung und Liebe, blieb und wuchs und nahm zu, und brachte die Früchte des Geistes, und ward von nun an den Neugeborenen eine lebendige Quelle des Heils und Friedens im Leben und im Sterben, für Zeit und Ewigkeit.

Heil allen, welche der Geist treibt; sie sind Gottes Kinder, und tragen das Zeugnis davon in ihrem Herzen, so wie das Abba auf ihren Lippen. Nur durch den Geist Gottes, von welchem unser Geist stammt, kann die Wiedergeburt zum wahrhaftigen Leben, die neue Schöpfung in uns, vollbracht werden.

Der heilige Geist muss unser Bundesgenosse werden in dem Kampfe des Fleisches mit dem Geist, und uns ausrüsten mit Kraft aus der Höhe, auf dass wir den Sieg gewinnen, und, verklärt werden von einer Klarheit zur anderen.

Um diesen Geist der Kraft, der Weisheit und Offenbarung zu erlangen, dazu gibt es keinen anderen Weg, als den, welchen Cornelius wandelte. Zunächst das Gefühl des natürlichen inneren Unfriedens und die Sehnsucht nach dem Frieden Gottes, den nicht die Welt, und eben so wenig wir selbst uns geben können, und der uns von oben kommen muss. Cornelius fand ihn nicht durch seine eigenen Werke, Fasten und Beten, Buße und Almosen, dies waren nur Ausleerungen des Gefäßes, welches mit dem göttlichen Salböl erfüllt werden sollte; sondern allein durch Petri Predigt von dem Frieden durch Jesum Christum im Glauben an die Vergebung der Sünden. So wie der demütig-gläubige Blinde, der sich zu dem Herrn wandte, durch sein Wort sehend ward, und der Gichtbrüchige sein Bett nahm und wandelte, und der Herr dann sagte: Dein Glaube hat dir geholfen; so war auch das Wort des Apostels in den gläubigen Herzen der Heiden und durch ihren Glauben Geist und Leben, und das Evangelium ihnen eine Kraft Gottes zur Seligkeit geworden.

Wir können auf näherem Wege, als Cornelius, zu der Gabe des heiligen Geistes gelangen, und brauchen nicht, wie er, gen Joppen zu senden. Seine erste Gabe, Anfang und Bedingung aller anderen, haben wir in unseren Wohnungen bei der Hand: das Wort, von dem Herrn selbst und von seinen Aposteln und Evangelisten geredet. Petrus und Johannes, Paulus und Jakobus müssen uns Rede stehen, sobald wir es verlangen. Ist nur dieses Verlangen recht dringend und lebendig in uns, und nehmen wir das Wort, als die erste Gabe, freudig auf, so wird und muss der Geber selbst kommen, und wir werden seine Freundlichkeit sehen und schmecken. Und halten wir fest daran, als an dem besten Teile, so wird uns immer mehr gegeben werden. Ja, wenn wir nur lernen wollen, so wird der Geist Gottes uns lehren; folgen wir, so wird er uns leiten; öffnen wir ihm das bekümmerte Herz, so wird er uns trösten; bleiben wir getreu, so wird er uns kräftigen, gründen, stärken, vollbereiten. Und dann werden auch wir mit Zungen reden, und mit Lob und Dank, mit Wort und Tat, die Tugenden des verkündigen, der uns berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht. Demselbigen sei Ehre und Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

1)
1 Joh. 1,5. 4,16.
2)
2. Kor. 13,13
3)
Eph. 2,16. f.
4)
2. Kor. 2, 17. 18.
5)
Apostg., 2, 38. 39.
6)
Apostg. 8, 17.
7)
Kap. 11,15
8)
Apostg. 15, 18
9)
1. Joh. 2,16
10)
Joh. 1, 51
11)
Matth. 11, 5
12)
Luk. 10,20
13)
Psalm 72,6
14)
1. Kor. 2,14.15
15)
1. Joh. 1,1
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