Diedrich, Julius - Der zehnte Psalm.

Diedrich, Julius - Der zehnte Psalm.

In diesem Psalme fühlt der Sänger mehr als in dem vorigen die Schwere seiner Not, er hält sie deshalb ausführlich klagend seinem Gotte vor; indem er aber seinen Gott auf alle seine Bedrängnisse ansieht, erkennt er auch im Glauben, dass sie vor Diesem allzumal wie Nichts sind und bricht endlich in Preis Seines Namens aus.

Warum o HErr stehst Du ferne, verbirgst Dich in den Zeiten der Not? Ach es sollte wohl anders sein, nach dem wie ich dich sonst kannte. So klagt die gläubige Seele, wenn ihr mitten im Kampf das Gefühl der Nähe Gottes, die Gewissheit Sein Werkzeug zu sein, entschwunden ist. Im Übermute des Gottlosen leidet 2. der Elende und geistlich Arme, sie werden gefangen, die auf Dich ihre einige Hoffnung setzten und Dein Wort in dieser Welt bekannten, in den Tücken, welche jene Frevler erdacht haben, werden sie elend gefangen und damit gepeinigt. Da scheint Gott selbst durch den Erfolg den Gottlosen Fortgang und Sieg zu geben: eine schwere Anfechtung für den geistlichen Kämpfer, welcher so schon gar sehr im Nachteile gegen die großen Haufen der Feinde zu stehen scheint. Denn es rühmt sich der Gottlose des 3. Mutwillens seiner Seele, all sein Trachten ist ja Mutwille gegen Gottes Wort und Diener, und der gewinnende lästert ja verachtet den HErrn, ohne Den, ja wider Den es ihm nun gelungen ist, und doch soll der Bekenner und Verehrer der gewinnende sein. Darüber kommt einem oft ein gar schmerzliches „Warum ins Herz, wenn man mit Gottes Wahrheit kaum Luft zum Atmen in dieser Welt behalten kann. Der Gottlose 4 spricht in seinem Hochmute: Er wird nicht heimsuchen,“ was kümmert sich Gott um die Menschen? „es ist kein Gott,“ das sind alle seine Gedanken; ja so liegt's ihnen zu Grunde, allen jenen Gedanken des Ehrgeizes, der Wollust und Habsucht, denn wer nur Gottes Sein wirklich erkennt, muss auch solche Gedanken verfluchen. Es gelingen seine Wege zu aller Zeit, und dadurch hat er immer mehr Bestärkung in seinem Wesen: hoch und fern sind Deine Gerichte vor ihm, und er träumt von ewigem Sonnenschein. Alle seine Widersacher, wenn er auch welche hat, nun die haucht er spöttisch an, als könnte er sie wie leichte Federn wegblasen. Wie gar anders geht es uns in dieser Welt! Wir wissen kaum unsers Bleibens, so ernstlich fechten uns Welt und 6. Not an. Er spricht in seinem Herzen: Ich werde nicht wanken, von Geschlecht zu Geschlecht bin ich derjenige, welcher nimmer im Unglück ist. Er denkt, es müsse ihm schon immer wohl gehen und auch seine Kinder müssten wohl gedeihen; Unglück sei nur für andre 7. Leute. Fluchens ist sein Mund voll, voll Truges und Unterdrückung, herzlos redet er alle andern nieder in den Grund, unter seiner Zunge ist Unheil und Verderben, und wenn er nur den Mund öffnet, so bekommt es der arme Nächste zu fühlen. So ist das Wesen des natürlichen Menschen, wenn er zu seinem Gerichte eine 8. Zeit lang obenauf ist. Er liegt gleichsam wie ein Wegelagerer im Hinterhalte der Dörfer hinter Hecken und Zäunen, in Schlupfwinkeln würgt er den Unschuldigen, seine Augen spähen nach den Ohnmächtigen, wie er ihnen das Blut aussauge und sie hart 9. übervorteile. Ja er lauert im Schlupfwinkel wie ein Löwe im Dickicht, er lauert den Elenden zu fangen, ja er fängt den Elenden auch wirklich, indem er ihn in seinem Netze hinzieht. Und das alles sieht 10. Gott mit an. Zermalmt sinkt der Arme hin, und es fallen durch seine Macht die Ohnmächtigen, dass er nach seiner Lust das ihrige an sich reißt. Das sieht Gott 11. mit an. Er spricht in seinem Herzen: Gott vergisst es, Er verbirgt Sein Antlitz, in Ewigkeit sieht Er nicht, wer wird sich vor Gott noch fürchten? Man kann alles tun, wozu man nur die Macht hat. 12. Kann das Gott der HErr wohl auf die Länge mit ansehen? Nein, stehe auf HErr! Du Heiland Deiner Gläubigen, der Du Dich uns zugesagt, Gott, Du allmächtiger, erhebe Deine Hand, vergiss nicht der Elenden, wenn Du sie auch lange Zeit in die Presse gibst! Der heilige Geist lehrt's uns so durch Gottes Wort, dass wir Seines Dreinfahrens begehren. Warum verachtet der Gott- 13. lose Gott, und spricht in seinem Herzen: Er wird's nicht heimsuchen? ach es scheint, Du selbst habest ihm durch Dein langes Zuwarten Ursache dazu gegeben. Nun, Du hast es alles gesehen, dessen bin ich doch 14. gewiss, Du schauest Elend und Jammer der armen Menschenkinder und wirst es wenden, Du schauest es, um sie bald in Deine Hand zur Strafe zu geben, dessen bin ich doch gewiss. Dir überlässt es der Ohnmächtige, für die Waise bist Du ein Helfer, denn Du bist ja die ewige Liebe und Gerechtigkeit selber.

So zerbrich denn den Arm des Gottlosen, 15. und der Böse nun, suche seine Bosheit und finde sie nicht mehr, so völlig rotte sie durch Deine Gerichte aus! Solchen Gott haben wir doch in unserm Gott! Der HErr (Jehova) ist König immer und 16. ewiglich, es kommen um die Heiden aus Seinem Lande, wenn sie auch eine Zeit lang ganz zu triumphieren schienen und schon meinten, vor ihnen müssten die Gerichte Gottes stille stehen. Gott stellt Sein Reich auf Erden immer wieder her und fegt Seine Tennen wiederholt. Das Verlangen der Sanftmütigen hörst Du 17. HErr, welche allein zu Dir seufzen und Dir ihre Sache samt der Rache befehlen. Du machst ihr Herz fest, dass sie auch in der Anfechtung und Übung nicht ganz verzagen, Du lässt Dein Ohr doch aufmerken, wenn sie unter der Verfolgung lange seufzen müssen. Du 18. hörest also, dass Du die Waise und den Bedrückten zu ihrem Heile und ihrer Rettung richtest. Nicht wird fürder noch trotzen der Mensch von der Erde, die Kreatur aus dem Staube gegen Dich, den HErrn im Himmel. So machst Du es, mein Gott, sicherlich, dass Du endlich als der allmächtige König und allertreuste Bundesgott Deines Volkes dastehest, welches auf Dich in größter Not traute. Dessen alles ist David im Anschauen Gottes und im Gebete gewiss geworden, seinen Gott hat er sich wieder als solchen erschaut, der nimmer die Seinigen verlassen kann, wenn auch alle Welt schon ihrer mit ihrem Glauben spottete. Ihr Spotten bringt ihr baldiges Gericht herbei, und dann zeigt sich's, dass Gott doch nimmer fern stand, nimmer sich verbarg, und wenn Er unsre Nöte auf immer hinnimmt, so sind damit die Spötter dem ewigen Gerichte übergeben. So zeigt Gott an den Elenden und geistlich Armen Seine Liebestreue; aber an den Spöttern den ewigen Ernst Seiner strafenden Gerechtigkeit. Darum lass dir auch zu deiner Zeit das Kreuz noch wohlgefallen, wir haben Seiner not, dass wir in Wahrheit nach Gott ausschauen und recht beten lernen.

Gebet. O HErr, gib uns Deiner Treue in aller Niedrigkeit und Bedrückung täglich wieder gewiss zu werden, dass wir uns auf den Tag Deines Gerichtes voll Hoffnung freuen mögen: durch JEsum Christum. Amen.

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autoren/d/diedrich/psalmen/psalm_10.txt · Zuletzt geändert: von aj
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