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Brenz, Johannes - Sonntag Cantate.

Brenz, Johannes - Sonntag Cantate.

1537.

Joh. 16,5-15.
Nun aber gehe ich hin zu dem, der mich gesandt hat; und Niemand unter euch fragt mich: Wo gehst du hin? Sondern, dieweil ich Solches zu euch geredet habe, ist euer Herz voll Trauerns geworden. Aber ich sage euch die Wahrheit: Es ist euch gut, dass ich hingehe. Denn so ich nicht hingehe, so kommt der Tröster nicht zu euch. So ich aber hingehe, will ich ihn zu euch senden. Und wenn derselbige kommt, der wird die Welt strafen, um die Sünde, und um die Gerechtigkeit, und um das Gericht: Um die Sünde, dass sie nicht glauben an mich; um die Gerechtigkeit aber, dass ich zum Vater gehe, und ihr mich hinfort nicht seht; um das Gericht, dass der Fürst dieser Welt gerichtet ist. Ich habe euch noch viel zu sagen; aber ihr könnt es jetzt nicht tragen. Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, kommen wird, der wird euch in alle Wahrheit leiten. Denn er wird nicht von ihm selbst reden; sondern was er hören wird, das wird er reden; und was zukünftig ist, wird er euch verkündigen. Derselbige wird mich verklären; denn von dem Meinen wird er es nehmen, und euch verkündigen. Alles, was der Vater hat, das ist mein. Darum habe ich gesagt: Er wird es von dem Meinen nehmen, und euch verkündigen.

Das Evangelium, das wir jetzt verlesen haben, ist ein Abschnitt der herrlichen Predigt, welche Christus nach seiner letzten Mahlzeit gehalten hat. Und wie er in dem Abschnitte, den wir am vorigen Sonntage ausgelegt haben, von seinem Tode und seiner Auferstehung geweissagt und über den Nutzen seiner Auferstehung belehrt hat: so weissagt und lehrt er in dem heutigen, welcher Nutzen aus der Predigt des Evangeliums auf dem ganzen Erdkreise hervorgehen solle.

„Es ist euch gut (spricht er), dass ich hingehe,“ d. h.: dass ich leide und durch mein Leiden zur Herrlichkeit und Majestät meines Vaters eingehe. Denn so ich nicht hingehe, so ich nicht die Sünden der Menschen durch mein Leiden sühne und euch mit meinem Vater versöhne, wird jener Tröster nicht kommen; ihr werdet nicht mit dem heiligen Geiste begabt, das Evangelium dem ganzen Erdkreise nicht offenbart werden. Denn spricht Christus, er wolle den heiligen Geist senden, so meint er den Tag der Pfingsten, an welchem die mit einander versammelten Jünger durch den heiligen Geist mit großen Wundern beschenkt worden sind. Derselbe hat auch mancherlei Gaben mit sich gebracht, nämlich die verschiedenen Sprachen, die Zuversicht, Christum öffentlich zu predigen, und Kräfte, die Kranken zu heilen im Namen Christi; und durch solche Gaben ist das Evangelium von Christo mit so großem Gewichte bekräftigt worden, dass seine Predigt zu Jerusalem anhub und von da über den ganzen Erdkreis verbreitet ward. Sagt also Christus, er wolle den heiligen Geist senden, welcher die Welt strafen werde um die Sünde, um die Gerechtigkeit und um das Gericht, so versteht er nicht nur den Begriff des heiligen Geistes selbst, versteht auch nicht nur seine Gaben, sondern allermeist versteht er die Predigt des Evangeliums, welche am Pfingsttage durch die Gaben des heiligen Geistes bekräftigt, zu Jerusalem begonnen und danach über den ganzen Erdkreis ausgesät und verbreitet ist. Das ist aber das vom heiligen Geiste bekräftigte Evangelium, dass Jesus Christus für unsere Sünden gelitten, sie gesühnt, uns mit seinem Vater versöhnt und verdient hat, dass der Vater uns zu Kindern annimmt und uns das Erbe des Himmelreichs schenkt. Dieses Evangelium hat der heilige Geist also bestätigt, dass, ob ein Engel vom Himmel uns ein anderes verkündigte, auch dem Engel nicht zu glauben wäre. Weil solches das Evangelium des heiligen Geistes, der heilige Geist aber größer ist als alle Engel, darum müssen wir auch dem heiligen Geiste mehr Glauben schenken. Wenn also Christus in diesem Schriftabschnitte weissagt, was die Predigt des Evangeliums in der Welt ausrichten werde, so lasst uns Solches in der Ordnung durchnehmen, welche Christus aufstellt.

Und zwar wird fürs Erste der heilige Geist, d. i. die vom heiligen Geiste bekräftigte und über den Erdkreis verbreitete Predigt des Evangeliums, die Welt strafen um die Sünde, und wird öffentlich kundtun, dass die Welt von der Sünde nicht recht denke. Denn die Welt hält nur Diebstahl, Raub, Ehebruch, Mord und Anderes dergleichen für Sünden. Und es ist wohl wahr, dass Solches gar abscheuliche Sünden sind, und nicht nur der äußerlichen, bürgerlichen, sondern auch der ewigen Strafe wert. Denn das Gesetz sagt: „Verflucht ist Jedermann, der nicht bleibt in den Worten des Gesetzes.“ Und Paulus spricht (1. Kor. 6,9.10): „Weder die Hurer, noch die Abgöttischen, noch die Ehebrecher, noch die Weichlinge, noch die Knabenschänder, noch die Diebe, noch die Geizigen, noch die Trunkenbolde, noch die Lästerer, noch die Räuber werden das Reich Gottes ererben.“ Deshalb sind das Alles schreckliche Sünden; und dennoch sind es nicht die allergrößten Sünden. Was aber die größte Sünde ist, das lehrt Christus hier: „um die Sünde (spricht er), dass sie nicht glauben an mich.“ Also: nicht glauben an Christum; nicht glauben, dass er der wahre Messias ist; nicht glauben, dass er selbst allein die Sünden gesühnt und uns mit Gott dem Vater versöhnt hat, das erst ist die größte Sünde. Denn wo diese Sünde ist, da ist alles Andere vor Gott Sünde, ob es auch Gerechtigkeit zu sein scheint. Die Heiden waren mit vielen gar herrlichen Tugenden begabt, welche nach ihrer Art zu empfehlen und nachzuahmen sind; allein weil ihnen der Glaube an Christum gebrach, konnten sie durch ihre Tugenden nicht ins Himmelreich gelangen. Marcus Atilius Regulus1) wollte lieber zu den Feinden zurückkehren und das Äußerste dulden, als wortbrüchig sein; das ist eine große Tugend und mit vielem Lobe zu zieren; er hat aber durch diese Tugend die höchste Seligkeit nicht erlangt, weil er verschlungen ist durch die größte Sünde, d. h., nicht zu glauben an den Samen Abrahams, an Christum. Wo dagegen die größte Sünde nicht ist, da bleiben auch die anderen Sünden nicht, sondern werden getilgt; denn wo Glaube an Christum ist, da ist Vergebung der Sünden, da ist der heilige Geist, der von den Sünden zum Gehorsam Gottes führt. Viele Sünder sind im Himmel, die zwar gesündigt, und dennoch, weil sie an Christum geglaubt, das Heil erlangt haben. David ist ein Sünder durch Ehebruch und Mord und hat trotzdem, weil er geglaubt und im Glauben Buße getan hat, das Heil. Petrus ist ein Sünder, Zachäus ist ein Sünder, Magdalena ist eine Sünderin; weil sie aber wahrhaftigen Glauben an Christum gehabt haben, darum haben sie auch Vergebung der Sünden. Deshalb sagt Christus (Joh. 3,17.18): „Gott hat seinen Sohn nicht gesandt in die Welt, dass er die Welt richte, sondern dass die Welt durch ihn selig werde. Wer an ihn glaubt, der wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubt, der ist schon gerichtet, denn er glaubt nicht an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes.“ Daher ist's die größte Sünde, nicht zu glauben an Christum, den Sohn Gottes. Und da das Evangelium die Welt straft um diese Sünde, so ist offenbar, dass es alle anderen Religionen außer dem wahren Christentum als gottlos und verderblich für das Heil der Seele bezeichnet. So hat denn die Predigt des Evangeliums das Judentum vernichtet, nicht das der Erzväter, sondern das der Heuchler, welche die Verheißung vom Samen Abrahams verachtet und auf ihre eigenen Werke vertraut haben. Sie hat auch das Heidentum vertilgt, das sich von seinen Götzen das Heil versprach; dieses hat die Predigt des Evangeliums also zunichte gemacht, dass kaum noch die Namen der Götzen übrig sind; und das Heidentum hat doch Macht gehabt über den ganzen Erdkreis. Darum achte hier auf die Weissagung Christi. Die Predigt des Evangeliums verstört auch den Islam, der von seinen muhamedanischen Heiligtümern das Heil erwartet. Sie vernichtet ingleichen das Papsttum und den Aberglauben der falschen Christen, die ihr Heil in den Verdiensten eigener Werke suchen. Von diesen Allen hat Christus hier geweissagt; und da Solches teils wirklich bereits geschehen ist, teils noch in Erfüllung geht, so wollen wir dafür halten, dass Nichts wahrer ist als Gottes Wort, dass wir Nichts gewissenhafter ehren und befolgen sollen.

Fürs Zweite wird die durch den heiligen Geist veröffentlichte Predigt des Evangeliums die Welt strafen um die Gerechtigkeit. Denn wie die Welt nicht recht denkt über die Sünde, so denkt sie auch nicht recht über die Gerechtigkeit. Sie vermeint nämlich, die wahre Gerechtigkeit sei nur äußerliche Ehrbarkeit: Niemanden zu töten, die Ehe heilig zu halten, Keinem Unrecht zu tun, gegen Alle leutselig zu sein und Anderes der Art.

Nun ist es wohl wahr: diese Ehrbarkeit ist Gerechtigkeit in gewissem Sinne, und Gott fordert selbige und wägt sie auch mit Belohnungen auf; z. B. die den Eltern erwiesene Ehre vergilt er mit langem Leben, das Almosen erstattet er mit dem täglichen Brot. „Lass dein Brot über das Wasser fahren; so wirst du es finden auf lange Zeit“ (Pred. Sal. 11,1). Und Paulus: „Wer da sät im Segen, der wird auch ernten im Segen“ (2. Kor. 9,6). Gerechten Handel in Maß und Gewicht wägt er mit Segen in allen Dingen auf. „Wenn du der Stimme des Herrn, deines Gottes, gehorchen wirst, gesegnet wirst du sein auf dem Acker“ (5. Mose 28,1.3). „Gebt, so wird euch gegeben“ (Luk. 6,38). „Wer trunken macht, der wird auch trunken werden“ (Spr. 11,25). Daher muss diese Gerechtigkeit durchaus getan werden, ist jedoch keine solche Gerechtigkeit, welche die Sünden sühnen und das ewige Leben verdienen kann, weil sie unvollkommen ist sowohl bei den Ungläubigen, als bei den Gläubigen. Denn die Summa des Gesetzes ist: „Du sollst lieben Gott, deinen Herrn, von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt; und: Du sollst deinen Nächsten lieben als dich selbst“ (Matth. 22,37-39). Diese Summa hat keiner jemals vollkommen erfüllt; wo aber keine vollkommene Erfüllung ist, da ist keine vollkommene Gerechtigkeit, sondern vielmehr Fluch, weil geschrieben steht: „Verflucht ist Jedermann, der nicht bleibt in allen Worten dieses Gesetzes.“ Deshalb sind alle Gerechtigkeiten aller Menschen unvollkommen. Was aber die wahre Gerechtigkeit ist, lehrt Christus an dieser Stelle. Ich gehe, spricht er, zum Vater, und fortan werdet ihr mich nicht sehen, d. h., die wahre Gerechtigkeit ist mein Leiden und meine Auferstehung von den Toten, dadurch ich zum Vater gehe und für euch bitte. Denn Paulus sagt (Röm. 4,25): „Er ist um unserer Sünde willen dahin gegeben, und um unserer Gerechtigkeit willen auferweckt.“ Denn da wir keine eigene Gerechtigkeit haben, müssen wir eine fremde aufsuchen. Eine fremde aber ist die, welche Christus Jesus hat, nämlich, weil er seinem Vater bis zum Tode gehorcht und unsere Sünden durch seinen Tod gesühnt hat, und danach zum ewigen Leben auferstanden ist. Das ist Christi Gerechtigkeit, diese teilt er uns mit, so wir an ihn glauben. Unsere wahre Gerechtigkeit ist also Christi Tod und Auferstehung, die wir durch den Glauben haben. Wo diese Gerechtigkeit ist, da werden wir auch von Sünden rein, und gute Werke sind Gott angenehm. Wo aber diese Gerechtigkeit nicht ist, da ist keine andere Gerechtigkeit Gotte angenehm. Deshalb weissagt Christus hier wiederum, dass durch die Predigt des Evangeliums alle anderen Religionen auf dem ganzen Erdkreise vernichtet werden müssen.

Endlich wird der heilige Geist die Welt strafen um das Gericht, d. h. mit Verdammnis; denn die Welt denkt übel vom Gerichte und von der Verdammnis. Erstlich, weil sie meint, das sei wahre Verdammnis, wenn Jemand durch menschliches Urteil wegen einer äußerlichen Missetat verdammt und dem Tode überantwortet, wenn z. B. ein Dieb gehängt, ein Räuber mit dem Rade getötet wird. Das ist zwar eine bürgerliche Verdammung, und der Christ muss sich hüten, dass er nicht durch eigene Schuld und ob seiner Übeltaten mit solchem Urteil verdammt werde. „Niemand aber unter euch leide als ein Mörder oder Dieb oder Übeltäter“ (1. Petri 4,15). Keine wahre Verdammnis jedoch, weil sie Viele unverdienter Weise getroffen hat, ist z. B. die des Naboth, der Propheten, Christi, der Apostel usw. Und trifft sie etliche mit Recht, so können sie dieselbe, wenn sie wollen, in Segen verwandeln, wie der Schächer, der neben Christo am Kreuze hing. Die wahre Verdammnis aber ist, dass der Fürst dieser Welt, der Satan, gerichtet und verdammt ist. Das ist keine bürgerliche und zeitweilige, sondern eine ewige Verdammnis; es ist jenes höllische Feuer, welches dem Teufel und seinen Engeln bereitet ist, und in welches auch Die gestürzt werden sollen, die dem Satan durch Gottlosigkeit anhangen. Ferner hält die Welt Das für töricht, was vom Gericht und von der Verdammnis in einer künftigen Welt geredet wird. Wo ist die Verheißung seiner Zukunft? „Denn nachdem die Väter entschlafen sind, bleibt Alles, wie es von Anfang der Kreatur gewesen ist“ (2. Petri 3,4). Man spricht auch: Die Hölle ist nicht so heiß, als gesagt wird. Allein Christus redet hier davon, wie das Evangelium die Welt strafe um das Gericht, weil Jenes Gottes Gericht und Verdammnis als sehr streng offenbart; denn der Fürst dieser Welt ist gerichtet und verdammt worden. Hat Gott aber des Fürsten nicht geschont, wie sollte er der Anderen schonen? Der Fürst dieser Welt, der Satan, war das edelste Geschöpf und sündigte nur durch Gedanken und seine Anmaßung; der Herr aber hat ihn darum also gestürzt, dass ihm keine Hoffnung des Heils mehr übrig gelassen ist. Hat der Herr seines vornehmsten Engels nicht geschont, so wird er sicherlich auch der sündigenden und unbußfertigen Menschen nicht schonen; denn die Menschen werden durch die Sünde Kinder und Glieder des Satans. „Ihr seid von dem Vater, dem Teufel, und tut eures Vaters Werke“ (Joh. 8,44.41). „Wer Sünde tut, der ist vom Teufel, denn der Teufel sündigt vom Anfang“ (1. Joh. 3,8). Wo aber der Vater hingeht, dahin geht auch der Sohn, und wohin das Haupt, dahin auch die Glieder. Da nun die unbußfertigen Sünder des Teufels Kinder und Glieder sind, werden sie auch das gleiche Erbteil mit dem Teufel haben. Und obwohl solches Gericht noch nicht mit äußeren Sinnen wahrgenommen wird, so soll dennoch, weil alles Übrige, was Christus vorausgesagt hat, erfüllt ist, auch das erfüllt werden, was sein Gericht anlangt.

So lasst uns denn die wahre Sünde meiden, der wahren Gerechtigkeit jedoch nachjagen, auf dass wir der Verdammnis entrinnen und das ewige Leben haben durch Jesum Christum, unseren Herrn. Amen.

1)
Marcus Atilius Regulus († um 250 v. Chr.) war ein römischer Politiker und Feldherr während des Ersten Punischen Krieges. Regulus wurde gefangen genommen. Mehrere antike Autoren (vor allem Marcus Tullius Cicero und Titus Livius) berichten, dass Regulus auf Ehrenwort freigelassen und als Unterhändler nach Rom geschickt wurde; dort habe er den Senat entgegen seinem Auftrag aufgefordert, den Kampf fortzusetzen, sei pflichtgetreu nach Karthago zurückgekehrt und dort getötet worden.
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