Brenz, Johannes - Sonntag nach dem Neujahrstag.

Brenz, Johannes - Sonntag nach dem Neujahrstag.

1540.

Joh. 1,29-36.
Des andern Tages sieht Johannes Jesum zu sich kommen, und spricht: Siehe, das ist Gottes Lamm, welches der Welt Sünde trägt. Dieser ist es, von dem ich gesagt habe: Nach mir kommt ein Mann, welcher vor mir gewesen ist; denn er war eher, denn ich. Und ich kannte ihn nicht; sondern auf dass er offenbar würde in Israel, darum bin ich gekommen, zu taufen mit Wasser. Und Johannes zeugte, und sprach: Ich sah, dass der Geist herab fuhr, wie eine Taube, vom Himmel, und blieb auf ihm. Und ich kannte ihn nicht; aber der mich sandte, zu taufen mit Wasser, derselbige sprach zu mir: Über welchen du sehen wirst den Geist herab fahren, und auf ihm bleiben, derselbige ist es, der mit dem Heiligen Geist tauft. Und ich sah es, und zeugte, dass dieser ist Gottes Sohn. Des andern Tages stand abermal Johannes, und zween seiner Jünger. Und als er sah Jesum wandeln, sprach er: Siehe, das ist Gottes Lamm.

Wir haben noch zu tun mit der Behandlung und Auslegung der Geburt unseres Herrn Jesu Christi. Weil nun die Propheten geschrieben haben, Christus würde mit der größten Majestät auf dem Erdkreise herrschen: so müssen wir das Amt Christi sorgfältig kennen lernen, um ihn nicht, wenn wir hören, er sei in großer Not und Armut geboren und auferzogen, für Nichts weniger als für Christum zu halten. Etliche nämlich sind der Meinung gewesen, Christi Reich würde ein leibliches und weltliches sein. Denn sie haben geglaubt, sie könnten durch ihre eigenen Kräfte und durch gute Werke die geistlichen Feinde besiegen und die ewige Glückseligkeit erwerben. Darum haben sie keinen geistlichen, sondern einen leiblichen Retter verlangt, um von äußerlichen Drangsalen befreit zu werden. Das ist die verderblichste Ansicht, und deshalb müssen wir Christi Amt auf das Sorgfältigste kennen lernen.

An einem früheren Tage haben wir ausgelegt, was von Christo zu halten sei nach der Rede des Engels, wodurch er Christo den Namen Jesus beigelegt und auseinander gesetzt hat, er würde sein Volk selig machen von seinen Sünden. Heute wollen wir Johannes des Täufers Rede und Zeugnis von Jesu Christo hören. Johannes aber ist von Allen für einen so großen Propheten gehalten worden, dass sie ihm sogar die Ehre des Messias anboten; allein er war dazu göttlich berufen, nicht, dass er sich Christi Majestät anmaßte, sondern von Jesu Zeugnis gäbe, dass er Christus sei. So steht denn seine Rede und sein Zeugnis von Christo bei Johannes im ersten Kapitel. Des anderen Tages sieht Johannes Jesum zu sich kommen und spricht: „Siehe, das ist Gottes Lamm, welches der Welt Sünde trägt.“ Diese Rede Johannes des Täufers ist auf das Sorgfältigste zu beachten. Sie ist zwar kurz, enthält jedoch den Kern des ganzen Evangeliums und der wahren Religion von Christo. Das haben unsere Altvordern erkannt und diese Rede des Täufers auf verschiedene Weise der Kirche empfohlen.

Feierten sie das Mahl des Herrn, so trugen sie dieselbe in öffentlichem Gesange vor. Sie taten das auch in öffentlichen Gebeten. Sie sahen nämlich, dass in diesem Zeugnis die wahre Lehre unseres Heils aufs Kürzeste zusammengefasst sei. So fromm indessen unsere Altvordern diese Rede gebraucht haben, so gottlos haben die heuchlerischen Papisten dieselbe missbraucht. Denn da sie vernommen, diese Rede werde als Inbegriff unseres Heils anempfohlen, haben sie nicht Fleiß getan, um den Glauben und die rechte Erkenntnis der Religion daraus zu erlangen, sondern haben Wachs und, ich weiß nicht was sonst noch, mit ihren Beschwörungen geweiht, haben es „das Lamm Gottes“ genannt und geurteilt: wenn man dergleichen trüge, so wäre es dazu wirksam, böse Geister zu vertreiben und Bezauberungen abzuwehren. Das ist der gottloseste Aberglaube. Denn die Worte der heiligen Schrift und die Rede des Johannes vom Lamme Gottes sind nicht dazu gegeben, dass wir sie um den Hals hängen, sondern dass wir sie hören, die wahre Religion daraus lernen und so den Glauben erlangen. Paulus spricht (Röm. 1,16): „Das Evangelium ist eine Kraft Gottes, die da selig macht Alle, die daran glauben.“ Das verstehen die Heuchler also, dass auf Pergament geschriebene und am Halse hängende Worte des Evangeliums zu körperlichem Wohlbefinden wirksam seien. Das ist jüdischer Aberglaube; denn auch die Juden legen einen Teil des Gesetzes, auf Pergament geschrieben, auf die Stirn, weil das Gesetz (5. Mose 6,6-9) spreche: „Diese Worte sollen dir ein Denkmal vor deinen Augen sein.“ Denn die Worte des Evangeliums sind dann wirksam, wenn sie gehört werden. So nämlich sind sie das Werkzeug des heiligen Geistes, wodurch uns der Glaube, die Gerechtigkeit und das wahre Heil gelehrt werden. So müssen wir denn die Rede des Johannes vom Lamme Gottes hören und im Herzen anhängen, um daraus Christi wahres Amt und den wahren Glauben an Christum zu lernen. Und zwar erklärt Johannes zuerst in dieser Rede oder in seinem Zeugnisse mit einem Worte alle Einrichtungen des Gesetzes, welche in Opfern bestanden. Denn im Gesetz (2. Mose 29,38.39 und 4. Mose 28,3.4) war verordnet, dass an jedem Tage zwei jährige unbefleckte Lämmer, das eine Morgens, das andere Abends, als Brandopfer dargebracht würden. Überdies sind auch sonst oft, außer diesem täglichen und beständigen Opfer, Lämmer geschlachtet worden als Brandopfer, wie 3. Mose 1,10 davon gehandelt wird. Was also wollte der Heilige Geist mit diesen Einrichtungen? Die Heuchler freilich haben gemeint, diese Werke wären Sühnungen ihrer Sünden, und als solche Gottlosigkeit von den Propheten gerügt wurde, haben sie dieselben getötet. Allein der Lämmer Blut kann die Sünden nicht sühnen, wie im Brief an die Ebräer (9,11.12) steht. Johannes also deutet es in dieser kurzen, kleinen Rede von Christo, dass diese Brandopfer von Lämmern nur Schatten und Reden von Christo Jesu gewesen sind. Er nämlich ist das wahre Lamm, welches die Sünden sühnt und reinigt uns von Sünden.

Ferner setzt Johannes in dieser Rede nicht nur alle Opfer des Gesetzes auseinander, sondern sezt sie sogar zurück und außer Kraft. Weil nämlich dieses Lamm, d. i. Jesus Christus, der in dem beständigen Opfer von Lämmern abgeschattet war, gekommen ist, sind die Schatten nicht mehr notwendig. Denn wie man beim Sonnenaufgang die Lampen auslöscht, deren man nur in der Nacht bedarf: so sind bei der Ankunft Christi die Schatten des Gesetzes gewichen und beendet. Dazu legt Johannes in dieser Rede das Amt und die Majestät Christi dar. Wie nämlich der Engel gesagt hat, er sei der Versöhner, welcher trägt die Sünde der Welt. Unsere Sachen stehen ja nicht also, dass, wenn wir nur einen weltlichen Heiland hätten, wir selbst durch unsere eigenen Kräfte das himmlische Heil erlangen könnten; sondern also stehen sie, dass, wenn alle Helden dieser Welt all' ihre Hilfsmittel zusammentrügen, und wir selbst all' unsere Kräfte zusammenbrächten, wir dadurch von der Sünde, vom Tode und von der Hölle dennoch nicht könnten errettet werden. So ist uns denn ein himmlischer Heiland vonnöten, und ein solcher ist Jesus Christus, der in diese Welt gekommen ist, nicht, um ein weltlicher Held, sondern ein himmlischer Befreier zu sein; nicht, um zu herrschen über äußerliche Reiche, nach Weise äußerlicher Majestät, sondern um über die Sünden zu herrschen und die Sünden zu tilgen. Werden diese nämlich erhalten, so hilft äußerliches Glück zu Nichts; werden sie aber getilgt, so schadet Nichts, sei es nun leibliche Drangsal, oder gar der Tod selbst.

Johannes seht außerdem in dieser Rede nicht nur die Opfer des Gesetzes außer Kraft, sondern verdammt auch die Meinung der Heuchler (und damit das ganze Papsttum) über die Verdienste ihrer Werke. Denn was die Heuchler Gutes getan haben, das erachten sie für eine Sühne ihrer Sünden, und sprechen von ihren Werken: Siehe, Gottes Lamm sind sie, die da tragen die Sünden der Welt. Allein Johannes spricht von Christo: „Siehe, das ist Gottes Lamm, welches der Welt Sünde trägt.“ Da nun Johannes das Zeugnis der Wahrheit hat, so beschuldigt wahrlich diese seine Rede alle Heuchler der Gottlosigkeit. Zuletzt weissagt er auch in dieser Rede von Christi Tod und Auferstehung. Wenn er ihn nämlich ein zum Opfer bestimmtes Lamm nennt, so bedeutet das, er werde sein Blut vergießen. Sagt er aber, dass er die Sünden trage und hinwegnehme, so heißt das, er werde vom Tode zum Leben und zu seinem himmlischen Reiche auferstehen. Denn er hätte die Sünde nicht überwunden, wenn er den Tod nicht überwunden hätte. Sagt er daher, Christus werde die Sünde überwinden, so lehrt er deutlich, dass er auch den Tod überwinden werde.

Doch welche Sünde trägt er? Die Sünde, spricht Johannes, der Welt. Mit diesem Worte fasst er auf ein Mal alle Sünden zusammen und schließt keine aus. Was nur immer die Sünde der Welt heißt, das hat Christus gesühnt. Die Sünde der Welt ist die Sünde, welche wir mit uns auf diese Welt bringen; die Sünde der Welt ist ferner die, welche wir in dieser Welt begehen. Alle Sünden der Menschen sind daher von Christo gesühnt, weil all' ihre Sünden dieser Welt Sünden sind. Kommt her (spricht er) zu mir, Alle, die ihr mühselig und beladen seid! Und: Christus Jesus ist gekommen, die Sünder selig zu machen. Ferner: Er erleuchtet alle Menschen, die in diese Welt kommen. Und (1. Joh. 2,2): Nicht allein für unsere Sünden, sondern für die der ganzen Welt. Wie aber trägt er diese Sünde? Trägt er sie also, dass wir tun dürfen, was uns beliebt? Keineswegs. Trägt er sie also, dass wir fürder keine Sünde unter uns wahrnehmen? Auch also nicht, was diese Welt betrifft, sondern er trägt sie auf folgende Weise: zuerst, dass er sie vor Gott sühnt; und glauben wir an ihn, dann wird sie uns, obgleich wir sie noch empfinden, dennoch um Christi willen erlassen, so dass wir für gerecht gelten. Danach schenkt er uns die himmlische Kraft des Geistes, dass wir uns von der noch übrigen Sünde reinigen und Gutes tun; und obwohl auch diese Werke nicht vollkommen sind, so ist doch, was Gutes daran ist, angenehm, was aber unvollkommen daran ist, das wird um Christi willen vergeben. Wer jedoch in Sünden und im Fleische wandelt, hat Christi Geist nicht und ist nicht Christi, wie Paulus sagt.

Da hast du die Rede des Johannes vom Lamme Gottes. Obschon dieselbe sehr kurz ist, umfasst sie dennoch die ganze Lehre des Evangeliums und ist Wahrheit, bekräftigt mit himmlischem Siegel. Denn Gott hat dem Johannes den heiligen Geist offenbart, welcher in Gestalt einer Taube auf Christum herniedergekommen ist und bezeugt hat, dass dieser Christus sei Gottes Lamm, welches die Sünden der Welt trägt, und dass wir durch den Glauben an ihn das ewige Leben haben. Amen.

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