Brenz, Johannes - Fünfter Epiphanias-Sonntag.

Brenz, Johannes - Fünfter Epiphanias-Sonntag.

Matth. 13, 24-30.

Er legte ihnen ein ander Gleichnis vor, und sprach: Das Himmelreich ist gleich einem Menschen, der guten Samen auf seinen Acker säte. Da aber die Leute schliefen, kam sein Feind, und säte Unkraut zwischen den Weizen, und ging davon. Da nun das Kraut wuchs, und Frucht brachte, da fand sich auch das Unkraut. Da traten die Knechte zu dem Hausvater, und sprachen: Herr, hast du nicht guten Samen auf deinen Acker gesät? Woher hat er denn das Unkraut? Er sprach zu ihnen: Das hat der Feind getan. Da sprachen die Knechte: Willst du denn, dass wir hingehen, und es ausgäten? Er sprach: Nein! auf dass ihr nicht zugleich den Weizen mit ausraufet, so ihr das Unkraut ausgätet. Lasst beides mit einander wachsen, bis zu der Ernte; und um der Ernte Zeit will ich zu den Schnittern sagen: Sammelt zuvor das Unkraut, und bindet es in Bündlein, dass man es verbrenne; aber den Weizen sammelt mir in meine Scheuern.

Das Evangelium, das wir vorangestellt haben, scheint von einer gar einfachen und alltäglichen Sache zu handeln, nämlich, was den Landleuten bei der Bestellung ihrer Äcker zu geschehen pflege. Diese streuen nämlich niemals so guten Samen auf ihre Äcker, dass nicht zugleich auch Unkraut aufwüchse. Was ist gewöhnlicher oder bekannter als dieser Umstand? Und dennoch, wenn wir solches Gleichnis recht erforschen, so werden wir finden, dass Christus dadurch dem allergefährlichsten Anstoß und Ärgernis des Glaubens abhilft. Denn die Propheten, und vornehmlich Jesaias, haben über die Zeit von der Zukunft Christi geweissagt: wenn Christus käme, würden alle Menschen, die ihn anerkennen, gerecht und heilig sein. Jes. 54,13.14: „(Ich will geben) alle deine Kinder gelehrt vom Herrn, und großen Frieden deinen Kindern. Du sollst durch Gerechtigkeit bereitet werden.“ Ferner Jes. 60, 21: Dein Volk sollen eitel Gerechte sein.“ Und Jer. 31, 33. 34: „Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben, und sie sollen mein Volk sein, so will ich ihr Gott sein. Und wird keiner den Andern, noch ein Bruder den andern lehren und sagen: Erkenne den Herrn; sondern sie sollen mich Alle kennen, beide Klein und Groß, spricht der Herr.“ Solche und ähnliche Stellen der Propheten bezeichnen deutlich, alle Christen würden bei Christi Zukunft heilig und gerecht sein. Als aber Christus bereits in diese Welt gekommen war und sein Evangelium predigte, da war Nichts unwahrscheinlicher, als dass Alle gerecht würden, sondern die, welche Christum erkannten, schienen vielmehr immer schlechter und ungehorsamer zu werden. Völlig ebenso scheint es auch zu unseren Zeiten, dass, je länger das Christentum besteht, und je klarer das Evangelium gepredigt wird, die Christen desto schamloser und verruchter werden. Daher kam es zur Zeit der Zukunft Christi, dass solcher Zeitrichtung halber ein großer Teil der Menschen Christum nicht als den wahren Messias anerkennen wollte. Und Diejenigen, welche sich zu dieser unserer Zeit klüger dünken, meinen, Alles gehe durch Zufall seinen Gang, und Christus sei weder gekommen, noch herrsche er im Himmelreiche, da sie sehen, dass Christen nicht allein unglücklich, sondern auch die verruchtesten Schälke sind. Und obwohl Niemand Etwas der Art wirklich ausspricht, schütteln doch die, welche sich für weise halten, die Köpfe und gedenken bei sich: Alles sei gar erlogen, was nur immer von den Priestern gepredigt wird. Darum geben sie mit einigen anderen Redensarten die Gesinnung ihres Herzens unverhohlen kund. Die Einen nämlich sagen: sie schenken allen Priestern, den neuen sowohl als den alten, Glauben. Und fragt man sie, wie, so antworten sie: weil die alten sagen: die neuen sind Schälke, und weil die neuen sagen: die alten sind Schälke; und das glaubten sie Beides. Solches Wort erklärt man für witzig und lächerlich, aber es zeigt unverkennbar Verachtung der Religion an. Andere legen ein Rätsel vor: welches der wahre und gerade Weg zum ewigen Leben sei? Das lösen sie in der Weise, dass sie sagen: würden die alten Priester auf der einen und die neuen auf der andern Seite an Bäume gehangen, so wäre der Weg, der mitten durch die Gehängten ginge, der geradeste zum Himmel. Wo Solches erwähnt wird, da lacht, da klatscht man Beifall, da erachtet man es für gar witzige Worte. Siehst du aber die Sache recht an, so ist es ein Gräuel unter Christen. Nun verschlüge es freilich nicht viel, ergössen dergleichen Reden sich nur wider die, welche Priester oder Diener der Kirche heißen; allein das ist erst der größte Frevel, dass sie sich auf Christum selbst und sein Evangelium ergießen. Denn jene Worte bedeuten, es sei Alles eitel und ganz falsch, was über Christum und sein Evangelium gesagt wird, weil ja doch Alles ein Spiel des Zufalls werde und, seitdem die Väter entschlafen sind, Alles so verbleibe von Anbeginn der Schöpfung her. Christus also hilft so großem Ärgernis ab durch sein Gleichnis, damit er anschaulich lehrt: erstlich, woher so viele Übel und Sünden unter den Christen entstehen; danach, wann die Sünden aus seinem Reiche völlig sollen ausgerottet werden.

„Das Himmelreich, sagt er, ist gleich einem Menschen, der guten Samen auf seinen Acker säte.“ Das Himmelreich dürfen wir hier nicht verstehen als jenes verborgene Reich im Himmel, darin Gott und die Engel in unbegreiflicher Majestät leben. Denn in diesem Reiche wächst kein Unkraut, sondern Alles geschieht in Gerechtigkeit und Glückseligkeit. Allein das Himmelreich ist zu verstehen, welches Christus mit sich auf die Erde gebracht hat, nämlich die Stellung des durch Christum und seine Apostel offenbarten Evangeliums. Im Propheten Daniel (Kap. 2 und 7) werden vier irdische Reiche aufgezählt: das babylonische, das persische, das Alexanders und seiner Nachfolger, und diesen wird ein fünftes Reich hinzugefügt, welches das Reich Gottes oder das Himmelreich heißt. Und der Prophet spricht: in jenen Reichen, und zwar vornehmlich in dem letzten, müsse das Evangelium offenbart werden. Und es ist damals offenbart worden, als Christus kam und sein Evangelium verkündigte. Wird jetzt also die frohe Botschaft von der Vergebung der Sünden um Christi willen und vom ewigen Leben gepredigt, so sagen wir in Wahrheit, das Himmelreich sei auf Erden und wir verweilen in demselben. In diesem Reiche nun, d. h. in der Kirche, pflegt ohngefähr dasselbe zu geschehen, was einem wackeren Landmanne geschieht. Denn hat auch ein Landmann guten Samen auf seinen Acker gesät, so hat er doch einen schlimmen Nachbar, der ihm sein Glück neidet und bei Nacht argen Samen unter den guten streut.

So ergeht es auch in der Kirche; denn nach Christi Auslegung ist der Landmann Christus, der Acker ist die Welt. Christus nämlich hat, so viel an ihm ist, den besten Samen auf den Weltacker gesät, und es ist kein Fehl an diesem Hausvater. Zuvörderst hat ja Christus das Gesetz Gottes aufs Bündigste ausgelegt, so dass ein Jeglicher deutlich einsehen kann, was ihm von Gott geboten ist, wie im Matthäus (Kap. 5) und im Lukas (Kap. 6) geschrieben steht. Sodann hat das Evangelium aufs Klarste gelehrt, dass wir allein seinetwegen einen versöhnten Vater und das ewige Leben haben. Dazu hat er sich nicht mit seiner Lehre begnügt, sondern hat uns auch durch seine Taten das Heil bereitet. Denn er hat sich mancherlei Plagen ausgesetzt und sowohl dem Kreuze als dem Tode unterworfen, um unsere Sünden zu sühnen und uns durch sein Leiden mit Gott, seinem Vater, zu versöhnen. Endlich hat er, nachdem er von den Toten erstanden war, den Heiligen Geist auf die Apostel gesandt, eine wunderbare Sendung, dadurch er sein Evangelium bekräftigt hat, auf dass es über den ganzen Erdkreis verbreitet würde. So haben denn auch die Apostel gar eifrig und treu jenen guten Samen des Evangeliums oder der Lehre Christi auf die ganze Welt ausgesät. Und wer nur immer dieser durch Christum verkündigten und durch die Apostel ausgesäten Lehre Glauben schenkt, der wird gewiss gerecht und selig. Soviel daher Christum als den Landmann angeht, ist Nichts verabsäumt, dass nicht Alles im Himmelreich, in der Kirche, sehr gut ist. Woher also entstehen täglich so viel Übel? Es heißt weiter: „Da die Leute schliefen, kam sein Feind, und säte Unkraut zwischen den Weizen, und ging davon.“ Und dieser Feind ist, nach Christi Auslegung, der Satan. Denn dass so viel Übel in der Kirche entstehen und so viele Sünden begangen werden, das kommt nicht von Gott dem Vater her oder von Christo, dem Sohne Gottes, sondern vom Satan. Obwohl nämlich Gott über Alles herrscht, ist er doch nicht der Urheber der Sünden. Denn Gott ist von Natur gut, wie sollte er also Übles oder Sünden tun? Überdies hat er die Sünden durch sein öffentliches Gesetz verboten. Und das Gesetz der zehn Gebote ist das öffentliche Zeugnis des Willens Gottes, dass er die Sünden verabscheut; wie könnte er daher Sünden tun? Psalm 5,6: „Du bist feind allen Übeltätern.“ Und kurz zuvor (Ps. 5,5): „Du bist nicht ein Gott, dem gottlos Wesen gefällt; wer böse ist, bleibt nicht vor dir.“ Woher stammen deshalb die Sünden? Wahrlich, wenn du auf ihren Ursprung achtest, von keinem Anderen, als von ihrem Urheber, dem Satan. 1. Mose 3 hat er unseren Erzvater durch seine Lüge betrogen. Und Joh. 8,44: „Derselbige ist ein Mörder von Anfang, und ist nicht bestanden in der Wahrheit, denn die Wahrheit ist nicht in ihm. Wenn er die Lügen redet, so redet er von seinem Eigenen, denn er ist ein Lügner und Vater derselbigen.“ Und hier sät der Feind argen Samen, damit Unkraut aufgehe. So ist ja, wirst du sagen, das Leben, darin Satan lebt, nicht von Gott? Gewisslich ist es von Gott, aber die Sünde ist nicht von Gott. Denn er hat den Satan gut erschaffen und erhält denselben noch in seinem Leben oder, wie man sagt, in seinem Wesen. Er aber ist nicht bestanden im Guten. Sein Dasein also ist von Gott, was er aber sündigt, das sündigt er aus sich selbst. So behaut der geschickteste Zimmermann, der eine schartige Doppelaxt hat, zwar die Hölzer, was ihn betrifft, aufs Beste; weil aber die Doppelaxt schartig ist, wird die Arbeit schlecht. Also ist auch Gott der Herr der beste Meister; allein, weil er schlechtes Werkzeug hat, d. i. den Satan, wird auch das Werk schlecht durch den Satan, nicht durch Gott.

Du möchtest jedoch wiederum sagen: Warum ändert denn Gott den Satan nicht, oder vertilgt ihn nicht ganz und gar, auf dass auch alle Übel vertilgt würden? Das ist eben dasjenige, was im Evangelio folgt. Da traten die Knechte zu dem Hausvater und sprachen: Herr, hast du nicht guten Samen auf deinen Acker gesät? Woher hat er denn das Unkraut? Er sprach: Das hat der Feind getan. Da sprachen die Knechte: Willst du denn, dass wir hingehen und es ausgäten? Durch solche Worte wird die Gemütsstimmung der Frommen in der Kirche ausgedrückt. Denn, sehen die Frommen so große Übel in der Welt und zumal in der Kirche, so wundern sie sich gar sehr, wie es zugehe, woher es so viel Übel gebe, da doch Gott nicht der Urheber derselben ist, und Christus Alles aufs Beste leitet. Und antwortet man ihnen, der Satan sei der Urheber, so denken sie alsbald, wie es zugehe, dass Gott nicht den Satan zugleich mit allen Übeln ausrotte. Daher begehren sie selbst, wenn sie könnten, durch ihren Dienst alle Übel in der Welt zu vertilgen, sogar durch Blitze. Luk. 9,54 sagen Johannes und Jakobus: „Herr, willst du, so wollen wir sagen, dass Feuer vom Himmel falle und verzehre sie, wie Elias tat.“ Hierher gehören auch Jer. 12 und Habak. 1. Hier aber hören die Knechte: Lasst beides miteinander wachsen bis zur Ernte; und um der Ernte Zeit will ich zu den Schnittern sagen: Sammelt zuvor das Unkraut, und bindet es in Bündlein, dass man es verbrenne; aber den Weizen sammelt mir in meine Scheuern.“ Das ist der Grund, weshalb Gott die Übel duldet und auch uns sie dulden heißt. Denn so er selbst oder wir alle vernichten wollten, dann würde das Gute samt dem Bösen vernichtet. Deshalb will er, dass die Übel geduldet werden bis ans Ende der Welt. Und wir sehen hier, dass, so lange diese Welt dauert, die Sünden und Frevel in derselbigen dauern werden. Und wie es in einem Siechenhause steht, dass der größere Teil schwach ist, so ist auch die Kirche, der Staat, ein jegliches Haus ein Siechenhaus, darin mehr gesündigt als recht getan wird. Sollen denn aber, möchtest du sagen, weder der Prediger, noch die Obrigkeit, noch der Hausvater nach ihrem Berufe die Vergehen strafen? Das sei ferne! Ein Jeglicher tue, was seines Amtes ist. Der Prediger züchtige durchs Wort, die Obrigkeit nach ihrer Ordnung, der Hausvater strafe nach seinem Berufe die Frevel; doch also, dass sie nicht die Schranken ihres Berufes überschreiten. Das ist's, woran sie hier erinnert werden; denn in den menschlichen Verhältnissen ist's also bestellt, dass immer Unkraut zusamt dem Weizen aufwächst. Zuerst also mögen sich die Obrigkeit und Andere auf ihren Beruf beschränken, vermöge dessen sie nicht alle Übel ausrotten können; sodann mögen sie sich trösten und, haben sie ihre Pflicht getan, nicht verzweifeln um der Übel willen, sondern Vertrauen hegen ob dieses Ausspruches Christi. Und doch, wirst du sagen, ist mir noch nicht Genüge geschehen. Denn warum verwandelt Gott, da er doch könnte, den Satan nicht, auf dass nicht das Böse zunehme? Hier vernimm nun den Paulus (Röm. 11,33.34): „welch' eine Tiefe des Reichtums, beide der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie gar unbegreiflich sind seine Gerichte, und unerforschlich seine Wege! Denn wer hat des Herrn Sinn erkannt? Oder wer ist sein Ratgeber gewesen?“ Gott hat sich die Ursache davon vorbehalten, und wir werden in der zukünftigen Welt dieselbe erkennen; inzwischen müssen wir Gott untertan sein. Wie Untertanen nicht die Gründe aller Handlungen ihrer Obrigkeit einsehen, noch Soldaten die Pläne ihrer Führer: so dürfen auch wir nicht alle Ratschlüsse Gottes erforschen.

Wie lange jedoch sollen diese Übel währen? Bis zum Ende der Welt. So lange diese Welt bestehen wird, werden Kirche und Staat Siechenhäuser sein; beim Weltende aber wird Alles recht geordnet werden. Es erscheint auch das lächerlich), so oft vom jüngsten Gerichte die Rede ist, weil dasselbige verzieht. Allein wir wollen bedenken, dass man sagt: Einen Tag lang ist nicht ewig. Tausend Jahre, spricht Petrus, sind wie Ein Tag (2. Petri 3, 8). Die Vergangenheit ist verflossen, also verfließt auch die Zukunft. Was nützt es dem gottlosen Saul, dass er König gewesen ist? Was dem Nero? Das Alles ist vorbei und nun droht das Gericht. Da wird die Ungerechtigkeit ewiglich vernichtet. Da ist Rechenschaft zu geben von jedem müßigen Worte, vom Lachen und vom Hohn über die Religion. Da wird nicht frommen jener Pfad mitten durch die an Bäume gehangenen Priester, sondern Ein Weg wird sein zum Leben: „Kommt her, ihr Gesegneten!“ Ein anderer zum Feuer: „Geht hin, ihr Verfluchten!“ Darum lasst uns in der Zeit Buße tun und den Weg lernen, der uns im Evangelio durch Christum vorgestellt wird, auf dass wir in ihm und durch ihn, als unseren einigen Heiland, das ewige Heil gewinnen. Amen.

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