Luther, Martin - Kraft für fromme, gottselige Frauen, denen es unrichtig in Kindesnöthen ergangen ist.

Luther, Martin - Kraft für fromme, gottselige Frauen, denen es unrichtig in Kindesnöthen ergangen ist.

Anno 1542.

Jen. VIII. S1. Wittenb. XII. 179. Altenb. VIII. 48. Leipz. XXII. 635. Walch X. 86g. Erlang. XXIII. 338.

Zuletzt, weil uns auch oft vorkömmt, und um Trost ersuchet werden von etlichen frommen Eltern, sonderlich von den Weibern, so vorhin in Kindesnöthen, ohn ihren Willen, ja wider ihren Willen und mit großem Leide ihres Herzens habens leiden müssen, daß ihnen mißrathen und unrichtig mit der Geburt gegangen ist, also daß die Frucht in der Geburt gestorben, oder todt von ihnen kommen ist. Solche Mütter, weil es ihre Schuld nicht ist, noch durch ihr Versäumniß oder Lässigkeit die Frucht verwahrloset ist, soll man nicht schrecken noch betrüben mit unbescheidenen Worten, und hie ein Unterscheid machen zwischen den Frauen oder Weibsbildern, so die Frucht ungern tragen, muthwillens verwahrlosen, oder zuletzt auch böslich erwürgen und umbringen; sondern also und dermaßen mit ihnen reden:

Erstlich, wiewohl man nicht wissen soll noch kann Gottes heimlich Gericht in solchem Fall, warum er solche Kindlein, dabei aller möglicher Fleiß geschehen ist, nicht hat lassen lebendig geborn und getauft werden, so sollen sich die Mütter doch deß zufrieden geben, und glauben, daß Gottes Wille allzeit besser sei, weder unser Wille ist, ob es uns nach fleischlichem Dunkel viel anders ansiehet; und zuvörderst daran nicht zweifeln, daß Gott darum weder über die Mutter noch Andere, so dazu gethan, erzürnet sei, sondern sei eine Versuchung zur Geduld. So wissen wir auch, daß solcher Fall vom Anfang nicht seltsam gewesen, also, daß auch die Schrift solches zum Exempel braucht, als Ps. 58, 9., und St. Paulus sich selbs ein Abortivum, eine Mißgeburt oder unzeitige Geburt nennet, 1 Cor. 15,8.

Zum Andern, so ists auch zu hoffen, weil die Mutter eine Christin und gläubig ist, daß ihr herzlich Seufzen und gründlich Sehnen, das Kind zur Taufe zu bringen, für ein recht Gebete vor Gott angenommen sei. Denn wiewohl es wahr ist, daß ein Christ in seiner hohen Noth die Hülfe nicht nennen, noch wünschen, noch hoffen darf, wie ihn dünkt, die er doch so herzlich gern und mit eigenem Leben gern käufte, wo es möglich, und ihm deß ein Trost gegeben würde; so soll hie der Spruch gelten St. Pauli Röm. 8, 26.: der Geist hilft unserer Schwachheit, denn wir wissen nicht, was wir beten sollen (das ist, wie droben gesagt, wir dürfen es nicht wünschen), wie sichs gebührt, sondern der Geist selbst vertritt uns mächtiglich mit unaussprechlichem Seufzen. Der aber die Herzen forschet, der weiß, was der Geist meinet oder will rc. Item Ephes. 3, 20.: der überschwenglich thun kann über alles, das wir bitten oder verstehen.

Ah, man solle ein Christenmenschen nicht so geringe achten, wie einen Türken, Heiden, oder gottlosen Menschen. Er ist theuer vor Gott geacht, und sein Gebet ein allmächtig groß Ding, denn er ist mit Christus Blut geheiliget, und mit dem Geist Gottes gesalbet. Was er ernstlich bittet, sonderlich mit dem unaussprechlichen Seufzen seines Herzens, das ist ein groß unleidlich Geschrei vor Gottes Ohren, er muß es hören; wie er zu Mose spricht, 2 Mos. 14, 15.: Was schreiest du zu mir? so doch Moses vor Sorgen und Zittern nicht wohl konnte zischen, denn er in der höchsten Noth war. Solch sein Seufzen, und seins Herzens gründlich Schreien zerriß auch das rothe Meer, und machets trocken, führet die Kinder Jsrael hindurch, und ersäufet Pharao mit aller seiner Macht rc. Das und noch mehr kann und thut ein recht geistlich Seufzen. Denn Mose wußte auch nicht, was und wie er beten sollt. Denn er wußte nicht, wie die Erlösung sollte zugehen, und schrie doch von Herzen.

Also that Jesaia wider den König Sanherib, und andere viel Könige und Propheten, die durch ihr Gebete unbegreifliche, unmögliche Ding ausgerichtet haben, deß sie sich hernach verwundert, aber zuvor nicht hätten Gott anmuthen oder wünschen dürfen. Das heißt höher und mehr erlangen, weder wir bitten oder verstehen, wie St. Paulus sagt Ephes. 3, 20. ,e. Also schreibt St. Augustinus von seiner Mutter, daß sie für ihn betet, seufzet und weinet, doch nicht weiter begehret, denn daß er möchte vom Irrthum der Manichäer bekehret und ein Christ werden: da gab ihr Gott nicht allein, was sie begehret, sondern, wies St. Augustinus nennet, Cardinem desiderii ejus, das ist, was sie mit unaussprechlichem Seufzen begehrt, nämlich, daß Augustinus nicht allein ein Christ, sondern ein Lehrer über alle Lehrer der ganzen Christenheit ward, also, daß die Christenheit nächst den Aposteln keinen seines gleichen hat.

Und wer will zweifeln, daß die Kinder Israel, so vor dem achten Tage unbeschnitten gestorben, durch ihrer Eltern Gebet, auf die Verheißung, daß er ihr Gott hat sein wollen, selig worden sind? Gott hat nicht, spricht man, an die Sacramente seine Macht gebunden. Darum sollen wir mit Christenleuten anders und tröstlicher reden, denn mit den Heiden oder (das gleichviel ist) mit ruchlosen Leuten, auch in den Fällen, da wir seine heimliche Gerichte nicht wissen. Denn er spricht und leuget nicht, alle Dinge sind möglich denen, die da glauben, ob sie es schon nicht alles also gebetet, gedacht oder gewünscht haben, wie sie es wohl gerne gesehen hätten, wie jetzt gnug gesagt ist. Darum sollte man solche Fälle Gott heimstellen, und uns trösten, daß er unser unaussprechlich Seufzen gewißlich erhöret, und Alles besser gemacht habe, weder wirs haben mögen nennen. Summa, siehe du allermeist darauf, daß du ein rechter Christ seist, und also in rechtem Glauben zu Gott beten und herzlich seufzen lernest, es sei in diesem oder allen andern Nöthen; alsdenn laß dir nicht leide sein, und sorge nichts, weder für dein Kind, noch für dich selbst, und wisse, daß dein Gebet angenehm ist, und Gott Alles viel besser machen wird, weder du begreifen oder begehren kannst. Rufe mich an (spricht er Psalm 50,15.) in der Noth, so will ich dir helfen, daß du mich loben und mir danken sollst.

Darum soll man solche Kindlein, bei und über welchen solch Seufzen, Wünschen, Beten von den Christen oder Gläubigen geschieht, nicht also dahin verdammen, gleich den andern, dabei kein Glaube, Gebet noch Seufzen von Christen und gläubigen Leuten geschieht. Denn er will sein Verheißen und unser Gebet oder Seufzen, darauf begründet, unveracht und unverworfen, sondern hoch und theuer gehalten haben.

So hab ich auch droben gesagt, gepredigt, und sonst gnugsam geschrieben, wie durch eines Andern oder Fremden Glauben und Seufzen Gott viel thut, da noch kein eigener Glaube ist, aber flugs durch andere Fürbitt gegeben wird; wie im Evangelio Luc. 7,11 ff. Christus der Wittwen Sohn zu Nain, durch seiner Mutter Seufzen, ohn seinen eigen Glauben vom Tode erweckt, und des cananäischen Weibs Töchterlein vom Teufel los macht, durch der Mutter Glauben, ohn der Tochter eigenen Glauben, Matth. 15, 22 ff., also auch des Königischen Sohn, Joh. 4, 47., und den Gichtbrüchigen, und viel mehr, davon hie nicht länger zu reden ist.

Quelle: Luthers Volksbibliothek, Band 13 + 14

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