Zuletzt angesehen: Psalm 63

Psalm 63

Psalm 63

63:1 Ein Psalm Davids, da er war in der Wüste Juda. Gott, du bist mein Gott; frühe wache ich zu dir. Es dürstet meine Seele nach dir; mein Fleisch verlangt nach dir in einem trockenen und dürren Land, wo kein Wasser ist.

63:2 Daselbst sehe ich nach dir in deinem Heiligtum, wollte gerne schauen deine Macht und Ehre.
Wer in den Vorhöfen des Herrn gewesen ist, seine Nähe gekostet und aus seiner Fülle getrunken hat, der fühlt diesen Durst unaufhörlich, dem ist es außer ihm überall zu trocken und zu dürre. Wer das Heiligthum des Herrn, das er sich in gläubigen Seelen erbauet, geschaut, und seine Macht und Ehre, die er da offenbaret und mittheilet Jedem, der sich ihm da nahet, der liegt immer vor der Thüre desselben, um, so bald es ihm geöffnet wird, einzugehen und die Macht und Ehre des Herrn in seinem Heiligthume zu schauen. Sieht es nicht herrlich aus in diesem Heiligthume? Sieht es nicht erbärmlich aus außer diesem Heiligthume? Da, in den Vorhöfen, im Heiligthume des Herrn, fühlt man sich daheim; außer ihm wie in der Wüste, wie in der Fremde. Mit heißer Sehnsucht sucht man es und fühlt sich selig, so oft man es findet. Warum sind Viele so trocken, kalt und leer? weil sie nicht suchen das Heiligthum des Herrn, weil sie sich nicht sehnen nach seinen Vorhöfen, weil sie nicht liegen vor seiner Thüre, nicht warten, nicht harren seiner Gnade; darum wird ihnen nicht aufgethan, darum kommen sie nicht hinein, und schauen nicht seine Macht und Ehre. O kommet doch und verweilet nicht länger im Lande, da kein Wasser ist. (Johannes Goßner)

63:3 Denn deine Güte ist besser denn Leben; meine Lippen preisen dich.

63:4 Daselbst wollte ich dich gerne loben mein Leben lang und meine Hände in deinem Namen aufheben.

63:5 Das wäre meines Herzens Freude und Wonne, wenn ich dich mit fröhlichem Munde loben sollte.

63:6 Wenn ich mich zu Bette lege, so denke ich an dich; wenn ich erwache, so rede ich von dir.

63:7 Denn du bist mein Helfer, und unter dem Schatten deiner Flügel frohlocke ich.

63:8 Meine Seele hanget dir an; deine rechte Hand erhält mich.
In meinem innersten Geistesleben gib mir, o Herr, eine stille, sanfte Ruhe, in welche nie ein Sturm einzudringen vermag, eine Ruhe in Gott, die keinen Einflüssen von außen mehr unterworfen ist. Lass mich heute und immerdar ruhen in Dir. In meinem innersten Geistesleben gib mir eine Lebensmacht, die alles krankhafte Wesen, ja, die alles, was von Satans und der Sünde Zerrüttung herstammt, überwindet, eine Lebensmacht, welche den Tod besiegt und mich mit Dir, dem Lebensquell, untrennbar verbindet. In meinem innersten Geistesleben gib mir ein sanftes Wogen und Wallen Deiner Liebe. Dein Lieben bewege mich von Augenblick zu Augenblick, dass ich stets darauf bedacht sei, dir Liebe entgegenzubringen, in Liebe Dir zu dienen. In meinem innersten Geistesleben gib mir einen ewigen Sonnenschein, einen ununterbrochenen Tag. Um Dich allein will ich mich bewegen, lass mich wandeln in Deinem Licht, durchleuchte, durchsonne mich ganz. In meinem innersten Geistesleben gib mir Deine Klarheit. Nichts Unreines, nichts Gemeines beflecke mehr Deinen Tempel. Dann wirst Du, o Herr, in mir sein, und ich werde sein in Dir. Obwohl Du im höchsten Himmel thronest und ich hier im Staube walle, wirst Du doch in mir gegenwärtig sein. Ich werde im Bewusstsein und im Gefühle Deiner Gegenwart Dich immerfort anbeten und Deinen hohen Namen preisen. Von außen her wird nichts mehr den tiefsten Grund meines Geisteslebens berühren, trüben, erschüttern. Du bist in mir, und ich bin in Dir in alle Ewigkeit. (Markus Hauser)


Wenn es so zwischen Gott und dem Menschen steht, so steht es gut. Des Menschen Seele soll Gott anhangen durch das Vertrauen, das sie auf Ihn setzt, und die ehrerbietige, begierige und folgsame Liebe gegen Ihn, und wenn dieses geschieht, so wird die rechte Hand Gottes den Menschen in allen Gefahren, ja im Tod selbst erhalten. Der Mensch hat selber die rechte Hand nicht, die ihn erhalten könnte, ob er sich wohl zuweilen einbildet, sie zu haben und deßwegen geschäftig genug ist, sich eigenmächtig zu rathen und zu helfen: allein seine Pflicht ist, nur dem HErrn anzuhangen und dabei zu thun, wozu ihn Gott durch Seinen Geist antreibt, und zu leiden, was Sein Rath verhängt hat. Wenn der Mensch dieses thut, so wird Gott nie unterlassen, Seine rechte Hand, das ist Seine überschwengliche Kraft zu seiner Erhaltung anzuwenden. Es gibt viele gottesdienstliche Uebungen, welche nicht an Einem fort währen können. Man kann nicht an Einem fort mit dem Munde beten und singen, oder Gottes Wort mit den Ohren hören und mit den Augen lesen; aber das Anhangen an dem HErrn kann und soll Tag und Nacht, in der Einsamkeit und unter den Geschäften, bei dem wirklichen Angedenken an Gott und in Minuten, darin man wegen anderer Bemühungen nicht an Ihn denken kann, fortwähren. Die Seele soll ihr Vertrauen zu Gott, ihr Verlangen nach Ihm, ihr Bestreben, Ihm zu gefallen, nie verlieren, und wenn wir es nach der Sprache des Neuen Testaments ausdrücken wollen, welche viel mehr sagt, als Davids Ausspruch, so soll sie dem HErrn so anhangen, daß sie immer Ein Geist mit Ihm sei, 1 Kor. 6,17. Wie nöthig ist aber die Wachsamkeit, bei welcher man Alles schnell beobachtet und Allem ausweicht, was vom HErrn abführen kann? Wie viele scheinbare Beredungen des Teufels, wie viele unschuldig scheinende, aber doch schädliche Lüste des Fleisches, und wie viele böse Eindrücke von der Welt, die schrecken und locken kann, und mit einer falschen Gerechtigkeit, oft aber auch mit einem scheinbaren Glück prangt, werden bei derselben entdeckt, da dann auf die Entdeckung immer eine neue Enthaltung oder eine Flucht folgen, und der lautere Sinn des Christen sagen muß: das lasse der HErr ferne von mir sein. Wer aber nicht wacht, und wenn die Gefahr entdeckt ist, nicht flieht, fällt von einer Sünde in die andere, weicht von dem HErrn, verläßt Seine Gnade, entfällt aus seiner Festung, beredet sich, er sei noch Etwas, weil er das Angedenken des vorigen Gnadenstandes und die fromme Sprache noch hat, ist aber ein zweimal erstorbener Baum, und das Letzte ist mit ihm ärger, denn das Erste. Wenn er aber endlich merkt, daß er abgewichen sei, und alsdann über das rechtschaffene Wesen, und diejenigen, die darin stehen, spottet, so ist er beinahe unheilbar und dem Fluch nahe. Wie nöthig ist’s also, daß man immer redlich zu Gott sagen kann: meine Seele hanget Dir an; denn man wird alsdann immer auch dasjenige erfahren, was David hinzu gesetzt hat: Deine rechte Hand erhält mich. Der HErr, der Allmächtige, der nicht müde noch matt wird, gibt Allen, die auf Ihn harren und Ihm anhangen, von Zeit zu Zeit neue Kraft, und läßt Niemand sie aus Seiner Hand reißen. Er erhält sie, wenn sie fallen, richtet sie auf, wenn sie niedergeschlagen sind, behütet sie in Gefahren, und erlöset sie endlich aus allem Uebel. Nun HErr, wessen soll ich mich außer Dir trösten? Meine Seele hanget Dir an: Deine rechte Hand erhalte mich.(Magnus Friedrich Roos)

63:9 Sie aber stehen nach meiner Seele, mich zu überfallen; sie werden unter die Erde hinunterfahren.

63:10 Sie werden ins Schwert fallen und den Füchsen zuteil werden.

63:11 Aber der König freut sich in Gott. Wer bei ihm schwört, wird gerühmt werden; denn die Lügenmäuler sollen verstopft werden.1)
Der 63. Psalm ist köstliches Bekenntniß eines nach Gott und seiner Gnade schmachtenden und seine Erquickung in der innerlichen Gemeinschaft mit Ihm findenden Herzens, das in seinen Händen auch sein äußerliches Schicksal wohl aufgehoben weiß; verbunden mit der Erinnerung an die gesegneten Stunden in seinem Heiligthum und an die Verheißungen, die ihm zu Theil geworden. Und ist das nicht Adventstimmung? Soll uns jetzt nicht auch das Bewußtsein durchdringen, daß die Gemeinschaft mit Gott in jeder Lage ein sicheres Unterpfand des Heils ist, und daraus ein inneres Suchen und Sehnen nach solcher Gemeinschaft entstehe? – Nach der Ueberschrift hat den Psalm David gedichtet, als er war in der Wüste Juda, auf der Flucht vor Absalom. Jahrelang war jene Einöde an der westlichen Seite des todten Meeres Davids Zuflucht gewesen in den Zeiten, wo Saul ihn verfolgte. Nachdem er einmal die Krone trug, hatte er wohl nicht daran gedacht, daß er sie noch einmal würde betreten müssen. Dennoch aber hatte er sie abermals betreten als flüchtiger König. Eine traurige Lage! Die Krone war ihm vom Haupt gerissen, der leibliche Sohn selbst ein Empörer, vor seiner Seele stand eine trübe Gegenwart, eine ungewisse Zukunft, ringsumher öde Wüste, - dennoch ist sein Herz gesättigt und sein Mund bricht in Loblieder aus; er ist voll Hoffnung und Wehmuth, voll Sehnsucht und Gewißheit zugleich. Sein ganzer Sinn ist: nichts soll mir den seligen Genuß Gottes hindern, obgleich mich verlangt nach feierlichem Gemeinschafts-Gottesdienst (V. 2-6); ich hange auch hier Tag und Nacht an meinem Gott und Helfer (V. 7-9), der meine tückischen Feinde wiedervergeltend so stürzen wird, wie sie mich stürzen möchten (V. 10-12). Ist das nicht Adventslage? – Der Psalm soll ein Leibpsalm des seligen M. Schade in Berlin zu Speners Zeit gewesen sein, den er täglich mit solcher Brünstigkeit gebetet und sich zugeeignet, daß es nicht ohne innige Bewegung anzuhören gewesen. – Gieb mir denn auch solche Adventstimmung je mehr und mehr, daß ich an Dich denke, wenn ich mich zu Bette lege, und, wenn ich erwache, noch von Dir rede. Amen. (Johann Friedrich Wilhelm Arndt)

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
bibel/at/19_psalter/psalm_63.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain