Riggenbach, Johannes - Der apostolische Glaube nach Geschichte und Bedeutung - II. Das Geschichtliche.

Riggenbach, Johannes - Der apostolische Glaube nach Geschichte und Bedeutung - II. Das Geschichtliche.

Wenn wir mehrmals für unser Taufbekenntniß den Ausdruck brauchten: der apostolische Glaube, so wollen wir hoffen, es werde niemand den wohlfeilen Verdacht gegen uns erheben, als schienen wir Anhänger jener Legende zu sein, nach welcher die zwölf Apostel selbst die Formel verfaßt oder gar in solcher Art zusammengestellt hätten, daß jeder seinen Artikel als Beitrag lieferte. Gegen Ende des vierten Jahrhunderts taucht diese Meinung auf; Rufinus, Ambrosius, Hieronymus sind ihre Zeugen; seltsamer Weise zertheilt der zweitgenannte die Sätze des älteren kürzeren Bekenntnisses auf die zwölf Apostel; später gab man ihnen jedem seinen Antheil an der größeren Formel. Es ist das ganz naiv in Holz geschnitzt z. B. in der schönen Hauptkirche von Lausanne zu sehen; da hat jeder Apostel sein Spruchband mit seinem besondern Artikel. Sogar den Namen wollten solche, die es mit dem Griechischen nicht genau nahmen, in dieser Richtung auslegen; Symbols nämlich bedeutet einen solchen Beitrag, z. B. zu einer gemeinsamen Mahlzeit. Symbolum aber hat einen ganz andern Sinn; es bezeichnet wie das lateinische tessern, das Erkennungszeichen, die Parole, das Losungswort des Kriegers Christi. Wie heute diese Bedeutung des Namens zweifellos erkannt ist, so denkt Niemand mehr an eine Abfassung durch die Apostel persönlich. Schon vor der Reformation hat Laurentius Valla die Legende bestritten; nach ihm Erasmus, und von den Reformatoren besonders Calvin (Institut. 2, 16, 18); und Luther hat seine Freiheit von der Ueberlieferung damit praktisch bewiesen, daß er in seinem Katechimus das Bekennntniß statt in zwölf nur in drei Artikel theilte.

An eine Abfassung des Bekenntnisses selber durch die Apostel denkt also heute kein Mensch. Wohl aber fragt es sich, ob wir nicht vom apostolischen Glauben in einem andern Sinne zu reden wohl berechtigt sind; wie schon Augustin es ausdrückt, der völlig frei von jener Fabel seinen Katechumenen (in der Einleitung zur Erklärung des Symbolums sagt: diese Worte, die ihr gehört habt, sind durch die heiligen Schriften hin zerstreut, aber von daher gesammelt und in Eines verfaßt worden, daß jeder Mensch lernen und behalten könne, was er glaubt. So sagen auch wir Evangelische: um den apostolischen Inhalt handelt es sich, nicht um die apostolische Abfassung. An den apostolischen Schriften muß der Inhalt gemessen werden und die Prüfung bestehen.

Da wird es sich auch zeigen müssen, ob etwas katholisches darin sei im verwerflichen Sinn, etwas römisch-katholisches, abergläubisches. Sonst wäre es ein Unrecht, den Namen: katholisch, als ein Schreckwort zu brauchen, mit welchem man unverständige Leser einschüchtern, blinde Parteigänger aufstacheln möchte. Unsere Väter waren gar nicht geneigt, sich absprechen zu lassen, daß sie zur katholischen, das ist zur allgemeinen Kirche gehörten. Den Gegnern, welche sich die Bezeichnung ausschließlich anmaßten, warfen sie vor: ihr seid vielmehr römisch, päpstlich. Erst infolge der unglücklich geführten Kriege mußten sie sich gefallen lassen, daß jene die Katholischen hießen, sie dagegen die Lutheraner, Protestanten oder Reformierte, Um so wichtiger ist es bei dem Elend der Spaltung, daß wir festhalten, was echt apostolisch und eben darum echt katholisch ist, und nur das falsch katholische verwerfen. Darauf werden wir achten müssen.

In eigenthümlicher Weise haben Neuere eine Abstammung des apostolischen Symbolums von Christo selbst behauptet; zuerst in Deutschland Lessing (1778) und nach ihm Delbrück (1825), in ganz entgegengesetzter Richtung (seit 1825) der Däne Grundtvig und seine Schule. Lessing und sein Nachfolger beriefen sich auf das Ansehen, das diesem von Christo überlieferten Symbol gebühre, um es der Schrift entgegenzusetzen, die so vielen kritischen Bedenken unterliege; Grundtvig umgekehrt wollte dieses lebendige und lebengebende Wort als das Panier aufstellen, dazu sich die Gläubigen halten, und als einzige Regel der Auslegung gegenüber rationalistischer Willkür in Behandlung der Bibel. Während also die Deutschen sich auf das Symbol beriefen, um sich der Schrift gegenüber in umgehemmter Freiheit zu bewegen, versuchte der Däne durch Berufung auf das gleiche Symbol jene Freiheit zu zügeln.

Seinen ungeschichtlichen Behauptungen ist der norwegische Theologe Caspari entgegengetreten, mit dessen Untersuchungen Zezschwitz uns bekannt macht. Casvari begehrt nicht das Ansehen des Symbolums zu untergraben; wohl aber weist er nach, wie dasselbe bei aller Gleichheit des wesentlichen Gehalts doch in der Form vielfache Wandlungen durchgemacht und erst allmälig seine schließliche Gestalt gewonnen habe. Auch für uns kann es sich nicht darum handeln, wie jener Däne will: das Bibelwort gutzuheißen, wenn und soweit es mit dem apostolischen Symbolum übereinstimmt, und es darnach zu deuten; vielmehr werden wir das Symbol am Schriftwort prüfen.

Fragen wir nun nach der geschichtlichen Entwicklung des Symboltextes, so ist uns der Ausgangspunkt in dem Taufbefehl Matth. 28, 19 gegeben; „taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des h. Geistes“, das ist so zu sagen der Grundriß des Ganzen. Freilich begegnet uns gleich an dieser Schwelle schon eine Anfechtung. Es ist begreiflich, daß diejenigen, welche nicht an Christi Auferstehung glauben, auch die Einsetzung der Taufe durch den Auferstandenen verwerfen. Zudem kann es auffallen, daß außer jener einzigen Stelle sonst nirgends, weder in der Apostelgeschichte noch in den Briefen, vom Taufen auf den dreifachen Gottesnamen geredet wird, sondern immer nur vom Taufen auf den Namen Jesu Christi, auf den Namen des Herrn, oder gar vom Taufen in Jesum Christum (Apostgesch. 2, 38; 8, 16; 10, 48; Röm. 6, 3; Gal. 3, 27). Neuerlich hat der Holländer Schölten durch eine Reihe von grundlosen Sophistereien, die Herr Lang beifällig anführt (Zeitstimmen XI, 90 ff.), zu beweisen versucht: nicht nur es sei das Stück, worin der Taufbefehl enthalten ist, einer der spätesten Zusätze im ersten Evangelium, sondern gar: bis zu den Zeiten des Justin, also bis gegen die Mitte des zweiten Jahrhunderts, seien nur erwachsene Heiden oder Juden getauft worden, keine Kinder von Christen, weder als neugeborne, noch in reiferen Jahren. Die letztere Behauptung berührt uns hier wenig, außer insofern sie uns zeigen kann, wie leichtfüßig das Verfahren ist, bei der Dürftigkeit der Quellen ein ganzes Gebäude auf gewagte Folgerungen zu gründen, und weiter nicht sowohl auf das, was berichtet wird, als auf den Mangel an bestimmten Berichten.

Doch auch was wir von Quellen besitzen, wird uns zu andern Ergebnissen führen als die genannten sind. Von Alters her hat man den Unterschied zwischen jenen Stellen der Apostelgeschichte und dem Schluß des Matthäus dahin auszugleichen versucht, daß in der apostolischen Zeit noch eine Abwechslung stattgefunden habe, sei es frei, sei es nach gewissen Regeln, zwischen dem Taufen auf den dreifachen Namen oder demjenigen auf den Namen Jesu Christi allein. Es habe dies unbefangen geschehen können, denn das Bekenntniß zu Jesus als dem Herrn und Christus sei ja der charakteristische Mittelpunkt des Glaubens gewesen, und habe das Bekenntniß zu dem Vater, der ihn geschenkt, und zu dem Geist, der von ihm ausgehe, schon in sich geschlossen. Man konnte sich mit dieser Auslegung zufrieden erklären, wenn es nicht Spuren gäbe, die uns rathen, eine andere vorzuziehen.

Zuerst im Neuen Testamente. In Apg. 19, 2. 3. fragt Paulus die Johannesjünger in Ephesus: habt ihr den heiligen Geist empfangen, da ihr gläubig wurdet? und wie sie antworten: wir haben auch nie gehört, ob ein heiliger Geist sei; fragt er abermals verwundert: worauf seid ihr denn getauft? Es ist an dieser Geschichte mehr als eines räthselhaft. Was aber klar scheint, das ist, daß der Apostel nicht verstehen kann, wie einer christlich getauft sei und vom h. Geiste nicht einmal gehört habe. Setzt das nicht voraus, daß in dem christlichen Taufbekenntniß, wie er es kannte und brauchte, vom heiligen Geist ausdrücklich die Rede war? Gleichwohl fährt die Erzählung fort (v. 5): da sie dies hörten, ließen sie sich taufen auf den Namen des Herrn Jesu. Ist es nun nicht am natürlichsten, wir verstehen den letzten Ausdruck hier und anderwärts, wie wenn es hieße: sie empfiengen die christliche Taufe; nicht aber als ob uns damit eine andere von Matth. 28 abweichende Bekenntnißformel angezeigt würde; sondern wenn wir fragen: wie geschah denn die Taufe? so lautet die Antwort: auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des h. Geistes.

Eine Bestätigung für dieses Verständniß gewinnen wir durch zwei Zeugen des zweiten Jahrhunderts. Der eine ist Justinus der Märtyrer, der in seiner größeren Apologie Kap, 61 das Taufverfahren mit den Worten beschreibt: auf den Namen Gottes des Herrn, des Vaters über alles, und unsres Heilands Jesu Christi und des heiligen Geistes empfangen sie das Wasserbad. Da ist offenbar Matth. 28 vorausgesetzt, wenn uns auch nicht der Wortlaut der Taufformel selbst gegeben wird. Justin hat alle Provinzen der Kirche durchreist und muß nirgends einen andern Brauch gefunden haben, denn er gedenkt keiner andern Form der Taufe.

Daß die beschriebene Weise die allgemeine war, dürfen wir um so sicherer glauben, wenn wir den zweiten Zeugen vernehmen, den Verfasser der pseudo-clementinischen Homilien, jener Schrift aus dem zur Sekte gewordenen Judenchristenthum. Derselbe bezeichnet die Taufe als eine Wiedergeburt aus lebendigem Wasser auf den Namen hin des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes (Hom. 11, 26.); anderwärts redet er von dem dreimalseligen Bekenntniß (13, 4; vgl. Recogn. 1, 67. 69). Das ist um so auffallender, wenn wir sonst bemerken können, wie unitarisch seine Denkart ist, so daß das eigentliche anbetende Verehren nach ihm nur Gott (dem Vater) zukommt, wahrend er sich in Bezug auf Jesum darauf beschränkt, zu sagen, daß wir ihm als dem einzigen Propheten der Wahrheit glauben (Hom. 7, 8). Diese Lehrweise hatte niemals dazu geführt, auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes zu taufen, wäre das nicht ein unantastbares Herkommen der allgemeinen Christenheit gewesen. Denn offenbar bezeugt das Bekenntniß Matth. 28, daß dem, der es ausspricht, Vater, Sohn und heiliger Geist als gemeinsame göttliche Heilsursache und als Gegenstand des Glaubens auf einer Linie stehen.

Selbst Herr Lang muß die Schwierigkeit gestehen, „eine Formel, die mehr als ein Jahrtausend lang nur als der Ausdruck der Dreieinigkeitslehre gehört worden ist, dieses Sinnes zu entkleiden“ (Zeitst. XI, 96). Er versucht es dann gleichwohl (S. 222 ff.) und berührt sich dabei, vielleicht ohne daß er es ahnt wie nahe, mit jenem Pseudo Clemens, dem Judenchristen, indem er das Taufbekenntniß Matth. 28, auf die Bedeutung herabsetzt: es sei der Ausdruck einer Religion, „deren Gegenstand Gott unser Vater, deren höchstes Vorbild und Vollender Jesus ist, deren Entwicklung und Sieg durch den Geist der Wahrheit gewährleistet ist“ (S. 256). Wir treten hier nicht in eine Bestreitung dieser Auslegung ein. Uns genügt für jetzt der Nachweis, daß wir berechtigt sind, die Taufformel Matth. 28. als den Ausgangspunkt aller weitern Entwicklung festzuhalten.

Einen vorläufigen Endpunkt derselben finden wir in dem altrömischen Taufbekenntniß, das uns gegen das Jahr 400 von Rufinus bezeugt wird. Es ist dasselbe etwas kürzer als das jetzt übliche, und lautet übersetzt wie folgt: Ich glaube an Gott Vater den allmächtigen; und an Jesum Christum, seinen einigen Sohn, unsern Herrn, der geboren ist vom heiligen Geist aus Maria, der Jungfrau, gekreuzigt unter Pontius Pilatus, begraben, am dritten Tage auferstanden von den Todten, aufgefahren gen Himmel, sitzt zur Rechten des Vaters; von dannen er kommen wird zu richten die Lebendigen und die Todten; und an den heiligen Geist, eine heilige Kirche, Verzeihung der Sünden, Auferstehung des Fleisches. (Zezschwitz S. 87).

Wir werden darauf achten müssen, wie es mit der Ergänzung durch die wenigen Ausdrücke oder Sätze, die hier noch fehlen, zugegangen. Zuerst aber fragen wir, wie weit zurück sich wohl der Ursprung dieser kürzern Formel verfolgen lasse. Gegen 400 wird uns ihr Wortlaut bezeugt; sie ist aber offenbar viel älter. Rufinus, Ambrosius, Augustinus melden einstimmig und bestimmt, daß die Römer fest an der unversehrten Überlieferung hielten, und daß eine Verfälschung um so weniger leicht war, als das Bekenntniß recht öffentlich in der Gemeinde abgelegt wurde, wo das Ohr der älteren Christen durch jede Veränderung verletzt worden wäre. Weiter zurück weist uns der Umstand, daß das Symbol von Nicäa (325) zwar als Richtschnur für die Lehrer der Kirche auch im Abendlande Geltung gewann, nicht aber vermochte, die gleiche Stellung wie im Morgenland auch bei der Taufe zu erringen, das heißt, das apostolische Glaubensbekenntniß aus dieser heiligen Handlung zu verdrängen (Zezschwitz S, 107. 111). Das zeigt am besten, wie fest sein Ansehen schon gewurzelt war.

Werden wir so in's dritte Jahrhundert zurückgeführt, so geht es zwar nicht an, sich für diese Zeit auf das Taufbekenntniß der sogenannten apostolischen Constitutionen (Buch 7) zu berufen; denn die genauere Forschung weist dasselbe dem vierten Jahrhundert zu und darin speziell der Provinz Syrien (Zezschwitz, S. 100). Wohl aber werden wir auf Cyprian, den Bischof von Carthago, und auf seinen Zeitgenossen und Gegner, den römischen Presbyter Novatian (um 250) zurückgeführt. Der letztere schrieb eine Auslegung der Wahrheitsregel, so drückt er sich aus, worin er Schritt für Schritt den Sätzen der angeführten altrömischen Taufformel folgt. Der nordafrikanische Bischof seinerseits, in Fragen der Kirchenzucht ein heftiger Gegner von Novatian, bezeugt nichts desto weniger, daß man in beiden Kirchen das gleiche Taufbekenntniß abfragte, für welches uns hier zum ersten Mal im Abendland die Bezeichnung Symbolum begegnet (Hahn, S. 74 ff.). Daß die Erwähnung der Kirche eine etwas andere Stellung am Schlüsse des Ganzen einnimmt, ist bei der sonstigen Übereinstimmung eine Abweichung von untergeordneter Bedeutung. Sie ändert nichts an der Thatsache, daß in der Hauptsache die gleiche Formel schon um 250 in Rom wie in Carthago Geltung hatte.

Aber noch früher war dieß der Fall. Der Nordafrikaner Tertullian (um 200) beschreibt in einer Stelle seiner Schriften (de corona 3) die Taufe mit den Worten: Wir werden dreimal untergetaucht, indem wir etwas mehr bekennen, als der Herr im Evangelium verordnet hat (amplius aliquid respondentes, quam dominus in evangelio determinavit). An einem andern Orte (de bapt. 6) theilt er uns mit, daß zu dem Namen des Vaters, des Sohnes und des h, Geistes auch die Erwähnung der Kirche hinzutrat. Doch der einzige Artikel von der Kirche wäre, so scheint es, ein allzudürftiger Zusatz, um jenes amplius aliquid zu rechtfertigen. Und in der That läßt eine dritte Stelle uns merken, daß das Taufbekenntniß allbereits ausführlicher war. Er redet (de praescipt. haeret. 36) von dem Einverständniß der römischen Kirche mit den afrikanischen, und dabei heißt es von der ersteren: laßt uns sehen, was sie gesagt, was sie gelehrt, welches Losungswort sie auch mit den afrikanischen Kirchen vereinbart hat (quid cum Africanus quoqwue ecclesiis contesserarit, so lautet die richtige Lesart); und jetzt folgt der Inhalt der gemeinsamen tessera: Einen Gott kennt sie, den Schöpfer des Weltalls, und Christum Jesum aus der Jungfrau Maria, den Sohn Gottes des Schöpfers, und die Auferstehung des Fleisches. Daraus schöpft sie den Glauben, versiegelt ihn mit Wasser u. s. w. Hier ist offenbar vom Taufbekenntniß die Rede. Des Artikels von der Kirche ist dießmal nicht gedacht, also macht auch diese Anführung nicht den Anspruch, vollständig zu sein. Wir sehen: nicht erst um die Mitte des dritten Jahrhunderts, sondern schon um 200 besteht im Taufbekenntniß eine Uebereinstimmung zwischen Rom und Afrika. An das Taufbekenntniß nöthigt uns besonders der Ausdruck contesserarit zu denken. Sonst könnte man wohl meinen, die Worte Tertullians beziehen sich auf das, was man damals regula fidei nannte, und was mit dem Taufbekenntniß zwar nahe verwandt, jedoch nicht einerlei war.

Mit der Benennung Glaubensregel nämlich oder Richtschnur der Wahrheit bezeichnen seit der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts Irenäus, Tertullian, Origenes und andere Väter einen gemeinsamen Grundstock der Lehre, auf den sie sich im Gegensatz zu den Gnostikern berufen: das sei die recht apostolische Überlieferung. Darauf kommen sie immer zurück, ohne daß die einzelnen Lehrstücke jedesmal gleich vollständig oder in gleicher Ordnung wiederkehrten. Die Leser mögen selbst urtheilen.

Einmal (de virgin. vel. 1) heißt es bei Tertullian: Die Regel des Glaubens ist nur eine, unbewegliche: zu glauben an Einen Gott, den allmächtigen Schöpfer der Welt, und an seinen Sohn Jesum Christum, geboren aus der Jungfrau Maria, gekreuzigt unter Pontius Pilatus, am dritten Tag auferweckt von den Todten, aufgenommen in den Himmel, sitzend jetzt zur Rechten des Vaters, der kommen wird zu richten die Lebendigen und die Todten durch die Auferweckung auch des Fleisches.

An einer andern Stelle (adv. Prax. 2) sagt er ausführlicher: Wir glauben an den einigen Gott, doch in der Weise, daß es auch einen Sohn des einigen Gottes gebe, der sein Wort ist, von ihm ausgegangen, durch welchen alles gemacht ist und ohne den nichts gemacht ist. Von diesem glauben wir, daß er gesandt sei vom Vater in eine Jungfrau und aus ihr geboren als Mensch und Gott, Menschensohn und Gottessohn, und Jesus Christus genannt sei, und daß er gelitten habe, gestorben und begraben sei nach der Schrift, und daß er auferweckt sei vom Vater, und in den Himmel aufgenommen, zur Rechten des Vaters sitze und kommen werde zu richten Lebendige und Todte. Derselbe habe von dannen nach seiner Verheißung vom Vater den heiligen Geist gesandt, den Beistand, welcher den Glauben derjenigen heiligt, die da glauben an den Vater und den Sohn und den heiligen Geist.

Noch weiter und in eigentümlicher Reihenfolge führt Irenaus (adv. haer. 1,10,1) die Glaubensregel aus, welche die Kirche von den Aposteln und ihren Schülern bekommen habe; den Glauben nämlich an Einen Gott, Vater, den Allmächtigen, der erschaffen hat Himmel und Erde und die Meere und Alles, was darinnen ist; und an Einen Jesum Christum, den Sohn Gottes, Fleisch geworden zu unserm Heil; und an den h. Geist, der durch die Propheten verkündiget hat die Heilsanstalten und das Kommen und die Geburt aus der Jungfrau und das Leiden und die Auferweckung aus den Todten und die leibhaftige Himmelfahrt unseres geliebten Herrn Jesu Christi, und seine Wiederkunft vom Himmel in der Herrlichkeit des Vaters, auf daß er Alles unter Ein Haupt verfasse und alles Fleisch der ganzen Menschheit auferwecke; damit vor Jesu Christo, unserm Herrn und Gott und Heiland und König nach dem Wohlgefallen des unsichtbaren Vaters jedes Knie sich beuge derer, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, und jede Zunge ihn bekenne, und damit er ein gerechtes Gericht über alle halte; daß er die Geister der Bosheit, die gefallenen und abtrünnigen Engel und die Gottlosen und Ungerechten und Sünder und Lästerer unter den Menschen in das ewige Feuer werfe, den Gerechten aber und Heiligen, die seine Gebote gehalten und in seiner Liebe beharrt haben, sei es von Anfang oder daß sie sich durch Buße erneuerten, Leben gebe und Unsterblichkeit schenke und ewige Herrlichkeit ertheile.

Noch länger ist die Ausführung bei Origenes (in der Einleitung seiner Schrift de principiis); manche Auslegungen, die er einflicht, sind offenbar ihm eigenthümlich; aber einen Kern der Lehre gibt er dazwischen, der durchaus mit seinen Vorgängern übereinstimmt.

Wir haben etliche Wiederholungen nicht gescheut in der Absicht, den Lesern die Möglichkeit zu bieten, daß sie selbst einen Eindruck von der Beschaffenheit jener sogenannten Glaubensregel bekämen. Es muß uns ja beides auffallen, sowohl die Aehnlichkeit des Hauptgehaltes, als die freie Mannigfaltigkeit der Form; Hier eine ungewöhnliche Ausbreitung, dort eine starke Kürzung, auch eine Uebergehung manches Lehrstücks, wenn es dem Schriftsteller im Zusammenhang der einzelnen Stelle entbehrlich schien. Es ist darin ein gemeinsamer Kern der Lehre, mit den neutestamentlichen Schriften zusammenstimmend, aber fest formuliert ist noch nicht, was hier vorliegt. Doch zeigen diejenigen Sätze, die immer wiederkehren, eine merkwürdige Uebereinstimmung mit jener früher erwähnten altrömischen Taufformel, welcher die nordafrikanische sehr ähnlich muß gewesen sein.

Denn soviel können wir nun sagen: schon vor Tertullian, schon im zweiten Jahrhundert muß in Rom und in Nordafrika die Bereicherung des Taufsymbols, die Ausfüllung des Rahmens von Matth. 28 durch weitern Inhalt, ungefähr wie es später Rufin bezeugt, geschehen sein. Ob bereits Irenäus (um 180) die gleiche oder eine ähnliche Taufformel kenne und gebrauche? das ist jetzt die Frage; mit andern Worten: ob auch bei ihm das Taufbekenntniß die Grundlage bilde für! seine Glaubensregel (so nimmt es Hahn), oder ob er noch bloß die Einsetzungsworte Matth. 28 als Taufbekenntniß brauche, daneben die apostolische Lehrüberlieferung, aus welcher dann erst später die Einschaltungen in die Taufformel eingedrungen waren; (das hat Stockmeyer vertreten.)

Es könnte scheinen, darüber sei von Irenäus selber schon entschieden, wenn er doch (1, 9, 4) kurz vor der oben erwähnten Stelle sagt: der Gläubige halte in sich selber unbeweglich fest die Richtschnur der Wahrheit, die er durch die Taufe empfangen habe. Doch folgt die Glaubensregel nicht unmittelbar auf diese Erwähnung der Taufe, und insofern wäre es nicht unmöglich, daß Stockmeyer recht hätte (S. 52 ff.), wenn er unter dem, was der Gläubige durch die Taufe empfangen habe, nur die Einsetzungsworte Matth. 28 versteht. Bei näherer Betrachtung jedoch verliert sich die Wahrscheinlichkeit dieser Annahme. Irenäus hauenden Gnostikern vorgehalten, sie verfälschten die biblische Wahrheit wie einer, der eine bunte Menge homerischer Verse aus den verschiedensten Büchern zusammenlese und in den widersinnigsten Zusammenhang bringe. Wer den Homer selber kenne, der wisse jeden Vers an seine rechte Stelle zu weisen; so werde jeder, der die Richtschnur der Wahrheit festhalte, welche er durch die Taufe erhalten, die biblischen Worte und Sätze recht verstehen und sich nicht durch den Mißbrauch der Irrlehrer verführen lassen. Das weist offenbar auf eine Taufformel hin, die sich nicht mehr auf die Einsetzungsworte beschränkt, sondern bereits durch eine Anzahl biblischer Sätze bereichert ist. Die Haupteinwendung, die Stockmeyer dagegen erhebt, geruht darauf, daß Irenäus sich gegenüber den Gnostikern so gar nicht auf das apostolische Symbolum berufe, auf welches sie ja selber getauft seien, sondern sie auf die Glaubensregel verweise, die bei den ältesten Gemeinden Geltung habe. Aber beides fällt ihm gar nicht so weit auseinander. Nur zieht ihm die Disciplin der Kirche gewisse Schranken; wohl kann er die apostolische Lehre in freier Gestaltung wiedergeben, dagegen die präzise Taufformel verschweigt er, weil dieselbe schon damals, eben als geheimes Erkennungszeichen in der Zeit der Verfolgung, nur mündlich unter den Gläubigen und ja nicht schriftlich mitgetheilt wurde (Zezschwitz I, 183 ff; II, 83).

Eben darum darf es uns nicht wundern, daß Tertullian mit jenem amplius aliquid (etwas mehreres) nur eine so unbestimmte Andeutung gibt; und wir dürfen aus den kurzen Winken hier auf diese, dort auf jene Artikel nicht folgern, es sei nur so wenig Inhalt des Symbols vorhanden gewesen, als der Schriftsteller jeweilen andeutend berührt.

Wir werden somit auf die Annahme geführt, daß in der gleichen Zeit, nämlich in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts beides geschah: es wird gegenüber der Irrlehre ein gemeinsamer Kern apostolischer Lehre geltend gemacht, wo beider gleiche Hauptinhalt je nach dem Schriftsteller und je nach dem besondern Anlaß bald kürzer gefaßt, bald reicher ausgeführt wird. Zugleich aber wird bereits ein Taufsymbol gebraucht, das ausführlicher ist als die Einsetzungsworte. Die Grundzüge der Glaubensregel treffen mit dem zusammen, was uns gleichzeitig, wenigstens im Abendland, als das erweiterte Taufbekenntniß entgegentritt. Fest abgeschlossen ist diese Gestaltung noch nicht. Wir finden noch später in den Taufbekenntnissen der verschiedenen Städte und Provinzen hier einen Artikel mehr, dort einen weniger üblich; hier einen näher bestimmenden Zusatz, dort eine Kürzung des Ausdrucks.

Besonders zeigt uns das Morgenland eine eigenthümliche Entwicklung. Es stehen uns hier für den frühern Bestand der Taufformel weniger Zeugnisse zu Gebote; vom vierten Jahrhundert an, wo sie zahlreicher werden, geben sie uns von einer größern Veränderung Kunde. Der Geist der morgenländischen Kirche erscheint viel stärker als derjenige der abendländischen von den theologischen Streitigkeiten beherrscht. So dringen auch in die verschiedenen Taufbekenntnisse eine Reihe von theologischen Lehrbestimmungen ein, die in die abendländischen Taufformeln keinen Eingang finden; bis endlich das nicäno-konstantinopolitanische Bekenntniß dasteht, welches im Morgenland sowohl die bisher fließende Lehr- und Glaubensregel zum festen Abschluß bringt, als auch allmälig zum ausschließlichen Taufbekenntniß wird. Im Abendland dagegen gewann es nur in jener ersten Beziehung Geltung; als Taufsymbol blieb die uralte Formel in Kraft, deren einzelne Satze nicht aus den theologischen Kämpfen stammten, sondern aus der populären apostolischen Lehrüberlieferung geschöpft waren.

Wie frühe das geschehen sei, das fanden wir nicht mit voller Sicherheit zu bestimmen. Bis gegen die Mitte des zweiten Jahrhunderts reichen die Spuren zurück. Aber ganz mit dem, was gemeinsamer Lehrtypus der apostolischen Schriften ist, stimmt das Bekenntniß überein. Und auch die Variationen haben nicht die Bedeutung, welche heutiges Tages eine Veränderung oder Weglassung hätte. Es ist nicht als Verwerfung dieses oder jenes Satzes gemeint, wenn er in dem und dem lokalen Bekenntniß fehlt. Sie schöpfen alle aus einerlei Substanz der Lehre. Ihre Mannigfaltigkeit bildet eine vielstimmige Harmonie, deren einfachsten Grundton wir in der oben mitgeteilten alt-römischen Formel finden.

Es bleibt uns nur noch ein Blick zu werfen auf die spätern Zusätze, die derselben im Verlauf eines weitern Jahrhunderts etwa beigefügt wurden; und zwar nicht ans den theologisch-polemischen Lehrbestimmungen von Nicäa, sondern, entsprechend dem populären Charakter aus andern Quellen. Fast alle die einzelnen Zusätze kommen schon früher in dem und jenem Lokalbekenntniß vor, die meisten im südgallischen, und nur in das römische, das für das Abendland immer mehr maßgebend wurde, fanden sie erst später Eingang. Etliche derselben wurden in den Auslegungsreden wiederholt, bis sie zuletzt in den Text vordrangen. Zum Theil sind es Erweiterungen durch einzelne Worte, bei denen kein anderer Zweck zu erkennen ist, als der Sprache mehr Fülle und Rundung, den Gliedern mehr Ebenmaß zu geben; hier leitet der Wohlklang für das liturgische Sprechen oder Singen. Dahin gehört im Artikel vom Vater der Zusatz: der erschaffen hat Himmel und Erde; in demjenigen vom Sohn die Erweiterung: empfangen und geboren, statt nur geboren; ferner: gelitten, gekreuzigt, gestorben und begraben, statt der Beschränkung auf das zweite und vierte dieser Worte; dann nach der Himmelfahrt, daß er sitze zur rechten Hand Gottes des allmächtigen Vaters, statt nur: des Vaters. Alle diese kleineren Erweiterungen des Ausdrucks bringen keinerlei Aenderung des Sinnes mit sich; und selbst die Ergänzung am Ende: ein ewiges Leben (im Abendland zuerst in Ravenna) fügt nicht sowohl eine neue Lehre, als einen befriedigenden Abschluß hinzu.

Erheblicher sind nur wenige Zusätze: erstlich der Artikel von der Höllenfahrt, für das Abendland zuerst ums Jahr 400 im Symbol von Aquileja bezeugt, im Morgenland schon früher vorkommend, in den Beschlüssen nämlich der semiarianischen Synoden von Sirmium, Nice und Konstantinopel, 358 bis 360 (Hahn, S. 168 ff); dann zweitens im Artikel von der Kirche das Beiwort catholica, die allgemeine, und der Zusatz: die Gemeinschaft der Heiligen, in den gallischen Bekenntnißformeln des fünften Jahrhunderts. Bei diesen Sätzen einzig kann es sich fragen, ob sie ihren Ursprung oder doch ihre Aufnahme in das Symbolum der Polemik gegen abweichende Lehren verdankten.

In Bezug nun auf den Artikel von der Höllenfahrt galt lange Zeit die Meinung, er sei zur Bestreitung des Apollinaris aufgekommen, nämlich um recht stark zu betonen, daß Jesus Seele und Geist wie andere Menschen gehabt habe. Aber Waage in Dänemark (1836) und nach ihm Güder (Die Lehre von der Erscheinung Jesu Christi unter den Todten, 1853, S. 170 ff) haben die Grundlosigkeit dieser Meinung überzeugend nachgewiesen. Die Hauptgegner des Apollinaris und die Hauptconcilien, die seine Lehre verwarfen, machen keinen Gebrauch von diesem Artikel. Dagegen erscheint er in Aquileja, das an jenem Streite nicht betheiligt war, und wird von Rufinus, der daselbst Presbyter war, mit dem Wort begraben zusammengestellt, in dem Sinn, daß dieses das Loos des Leibes Christi bezeichne, hinabgefahren zu der Hölle daneben das Loos seiner Seele.

Nicht minder unhaltbar wäre es, die Zusätze beim Artikel von der Kirche aus einer Bestreitung der donatistischen Separation herzuleiten. In dem Lande, wo diese Streitigkeiten stattfinden, Nordafrika, und zur Zeit derselben findet sich diese Erweiterung noch nicht im Taufsymbol, sondern erst später in Gallien. Und die Ursache, die wahrscheinlich die endliche Aufnahme des Artikels von der Höllenfahrt und des Beisatzes von der Gemeinschaft der Heiligen bewirkt hat, ist eine ganz andere, gar nicht polemische. Wir werden bei der Prüfung der beiden Artikel darauf eingehen.

Um das Jahr 500, so schließen wir diesen Ueberblick, hatte das sog. apostolische Symbolum seine heutige Gestalt gewonnen. Aber der Kern desselben, jene altrömische Formel, die uns um das Jahr 400 bezeugt wird, reicht viel weiter, reicht bis ins zweite Jahrhundert zurück, und enthält bereits die Geburt aus der Jungfrau, die Auferstehung Christi am dritten Tage, die Himmelfahrt, das Sitzen zur rechten Hand Gottes, die Wiederkunft zum Gericht und die Auferstehung des Fleisches; lauter Artikel, die durchaus nicht im schlimmen Sinn römisch, sondern apostolisch sind. Oder ist das unwahr? das muß sich jetzt zeigen. Wir wenden uns zur Prüfung des geschichtlich Gegebenen.

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