Lucaris, Cyrillus - Glaubensbekenntniß
(Orientalisches Bekenntniß des christlichen Glaubens)
Der Patriarch von Constantinopel, Cyrillus, setzt Denjenigen, welche um den Glauben und die religiösen Gebräuche der Griechen, d.i. der orientalischen Kirche, sich erkundigen, dieses kurze Bekenntniß im Namen aller Christen zum Zeugniß vor Gott und den Menschen nach bestem Wissen und Gewissen ohne irgend eine Verfälschung oder Entstellung auseinander.
1. Kapitel. Von der Dreieinigkeit
Wir glauben Einen wahren, allmächtigen, unendlichen Gott in drei Personen, Vater, Sohn und heiligen Geist; den Vater ungeboren, den Sohn geboren aus dem Vater vor der Zeit, ihm wesensgleich, den heiligen Geist aus dem Vater durch den Sohn hervorgehend, dem Vater und Sohne wesensgleich. Diese drei Personen in Einem Wesen nennen wir die von jedem Geschöpfe stets zu preisende, zu rühmende und anbetungswürdigste allerheiligste Dreieinigkeit.
2. Kapitel. Von der heiligen Schrift
Wir glauben, daß die heilige Schrift, deren Urheber der heilige Geist und Niemand Anderer ist, gottgelehrt sei. Dieser sind wir unbezweifelten Glauben schuldig, da geschrieben steht: Wir haben die zuverlässigere prophetische Lehre, auf die ihr wohl thuet, zu merken, als Lampe leuchtend in der Wildnis 1). Daher glauben wir, daß ihr Zeugniß von weit höherem Werthe sei, als dasjenige, welches die Kirche gewähren kann; denn nicht gleich ist es, ob wir von dem heiligen Geiste oder von einem Menschen unterrichtet werden. Letzterer kann ja aus Unwissenheit irren, täuschen und getäuscht werden; die heilige Schrift aber täuscht weder, noch wird sie getäuscht, noch unterliegt sie dem Irrthum, sondern ist unfehlbar und von ewiger Gültigkeit.
3. Kapitel. Von der Erwählung
Wir glauben, daß der übergütige Gott die zur Glorie Auserwählten vor Grundlegung der Welt ohne Rücksicht auf deren Werke lediglich aus Barmherzigkeit vorherbestimmt, die Verdammten aber aus unumschränktem freien Willen und in Beziehung auf die Ordnung, deren die (dem Beschluß) vorausgehende Vorhersehung zu der Regierung der Welt bedarf, aus Gerechtigkeit – denn barmherzig ist Gott, aber auch gerecht – verworfen habe.
4. Kapitel. Von der Schöpfung
Wir glauben, daß der dreieinige Gott Urheber sei der sichtbaren und unsichtbaren Geschöpfe, der Engel, des Himmels und von Allem, was unter dem Himmel ist. Weil aber der Schöpfer von Natur gut ist, so hat er Alles gut gemacht; denn niemals kann er der Urheber eines Uebels sein. Die Uebel in der Natur stammen entweder vom Teufel oder vom Menschen; als wahres, untrügliches Gesetz steht fest, daß Gott auf keine Weise Urheber eines Uebels sei und von Niemand angeklagt werden könne.
5. Kapitel. Von der Vorsehung
Wir glauben, daß Alles von Gottes Vorsehung geleitet werde, welche wir anzubeten, aber als über unsern Verstand nicht zu ergründen schuldig sind, weßhalb wir es für besser halten, darüber in Demuth zu schweigen, als ohne Erbauung viel zu reden.
6. Kapitel. Von der Erbsünde
Wir glauben, daß der erste von Gott geschaffene Mensch, als er, nicht beachtend das göttliche Gebot, dem trügerischen Rathe der Schlange folgte, im Paradiese gefallen, und daß von daher die Sünde des Stammvaters auf die Nachkommenschaft übergegangen sei, so daß Keiner im Fleische geboren wird, der diese Last nicht mitbringt und die Wirkungen derselben in diesem Leben nicht empfindet.
7. Kapitel. Vom Sohne Gottes
Wir glauben, daß der Sohn Gottes, sich selbst entäußernd, in der eigenen Person das menschliche Fleisch angenommen und vom heiligen Geiste in dem Leibe der stets jungfräulichen Maria empfangen und geboren, durch seinen Tod, seine Begräbniß und glorreiche Auferstehung allen Gläubigen Heil und Seligkeit verschafft habe, und erwarten, daß er kommen werde, die Lebendigen und die Todten zu richten.
8. Kapitel.
Wir glauben, daß unser Herr Jesus Christus, zur Rechten des Vaters sitzend als alleiniger wahrer und rechtmäßiger Hoherpriester, unser Mittler sei und allein um die Seinigen sich kümmere und der Kirche vorstehe, sie mit manigfachen Segnungen schmückend und bereichernd.
9. Kapitel. Von der Erlösung
Wir glauben, daß Niemand ohne den in Jesu Christo rechtfertigenden Glauben, welchen das Leben und der Tod unsers Herrn uns erzeugte und das Evangelium verkündet, und ohne den es unmöglich ist, Gott zu gefallen, gerettet werde.
10. Kapitel Von der Kirche
Wir glauben, daß die sogenannte katholische Kirche die Gläubigen in Christo überhaupt, sowohl entschlafene und in das Vaterland zurückgekehrte als noch jetzt auf dem Wege pilgernde, umfasse, daß dieser Kirche Haupt, weil ein sterblicher Mensch es nicht sein kann, Christus selbst allein sei, der mit eigener Hand das Steuerruder lenkt, und daß daher die Häupter der sichtbaren Partikularkirchen dieß nur im uneigentlichen Sinne seien, insoferne sie in denselben das anführende Glied sind.
11. Kapitel. Von den Gliedern der Kirche
Wir glauben, daß die Glieder der katholischen Kirche die zum ewigen Leben auserwählten Heiligen seien, von deren Erbtheil und Gemeinschaft die Heuchler ausgeschlossen werden, wenn wir auch in den Partikularkirchen den Weizen mit der Spreu vermischt antreffen.
12. Kapitel. Vom Wirken des heiligen Geistes in der Kirche
Wir glauben, daß die streitende Kirche von dem heiligen Geiste, welchen Christus als den wahren Tröster und Lehrer vom Vater sendet, geheiliget und belehrt werde. Wahr und ausgemacht ist es ja, daß die Kirche in diesem Zeitleben irren und statt der Wahrheit die Lüge erwählen könne. Von diesem Irrthum und Betrug befreit uns die Belehrung und das Licht des heiligen Geistes allein, und nicht eines sterblichen Menschen, obgleich dieser Unterricht durch die gläubigen Diener der Kirche mitgetheilt werden kann.
13. Kapitel. Von den guten Werken
Wir glauben, daß der Mensch aus dem Glauben, welcher sich die Gerechtigkeit Christi zueignet, nicht aus den Werken gerechtfertigt werde. Dieß erklären wir aber nur zur richtigen Werthbestimmung, nicht zur Beeinträchtigung der Werke, deren Nothwendigkeit zur Bezeugung unseres Glaubens und zur Bestätigung unserer Auserwählung die Wahrheit selbst ausspricht, wie andererseits die menschliche Schwachheit bezeugt, daß sie aus sich selbst vor dem Richterstuhle Gottes keine Ansprüche erheben, keine Belohnung verlangen und das Heil nicht sichern können, da die den Sinnesveränderten zugeeignete Gerechtigkeit Christi allein die Gläubigen rechtfertigt und rettet.
14. Kapitel. Vom freien Willen
Wir glauben, daß der freie Wille in den Nichtwiedergeborenen todt und alle ihre Werke sündhaft seien, daß aber derselbe in den Wiedergeborenen durch die Gnade des heiligen Geistes lebendig gemacht werde und mit Hilfe der Gnade thätig sei. Zur Vollbringung des Guten bedarf also der Wiedergeborene die zuvorkommende Gnade, ohne welche er jenem von den Straßenräubern schwer verwundeten Reisenden gleicht, so daß er nichts aus sich selbst weder kann noch thut.
15. Kapitel. Von den Sacramenten
Wir glauben, daß die von dem Herrn in dem Evangelium übergebenen Sacramente in der Kirche seien, und daß es zwei seien; denn so viele wurden uns überliefert und der Gesetzgeber hat nicht mehrere übergeben. Von diesen aber halten wir fest, daß sie bestehen aus Wort und Stoff und Siegel seien der Verheißungen Gottes und Vermittler der Gnade. Zur Integrität der Sacramente ist aber außerdem der Glaube an die Anordnung Christi nothwendig.
16. Kapitel. Von der Taufe
Wir glauben, daß die Taufe ein von dem Herrn eingesetztes Sacrament sei, ohne welches Niemand eine Gemeinschaft mit Christus, aus dessen Tod, Begräbniß und Auferstehung alle Kraft der Taufe urspringt, haben könne, daß den nach Vorschrift des Evangeliums Getauften die Erbsünde und alle vor der Taufe begangenen Sünden nachgelassen werden und dieselben gereinigt und gerechtfertigt sind. Die Wiederholung der Taufe aber ist unstatthaft.
17. Kapitel. Von der Eucharistie.
Wir glauben, daß das andere von dem Herrn eingesetzte Sacrament die Eucharistie sei. (Folgen die Einsetzungsworte nach 1. Cor. 11,23-26, dann heißt es weiter:) Dieß ist die einfach wahre und ächte überlieferte Lehre von diesem wunderbaren Sacramente, in dem wir die wahre und glaubhafte Gegenwart Christi bekennen, doch nur eine solche, welche der Glaube uns vorstellt, nicht jene, welche die thöricht erfundene Wesensverwandlung lehrt. Wir glauben daher, daß die gläubigen Empfänger den Leib des Herrn genießen, nicht sinnlich mit den Zähnen ihn zermalmend und auflösend, sondern mit der Empfindung der Seele theilnehmend; denn der Leib des Herrn ist nicht das, was mit den leiblichen Augen gesehen und aufgefaßt wird, sondern was geistiger Weise der Glaube erfaßt, uns darstellt und spendet. Die ganze Frucht geht Demjenigen verloren, der ohne Glauben den Leib und das Blut des Herrn genießen will. Der Gesetzgeber hat nämlich nicht bloß den Empfang seines Leibes, sondern auch seines Blutes befohlen, und dieser Befehl darf nicht von Jedem nach Gutbefinden verstümmelt werden. Wenn wir aber würdig und ganz dieses Sacrament empfangen, so glauben wir mit unserem Haupte ausgesöhnt, vereinigt und ihm einverleibt zu sein, mit der zuversichtlichen Hoffnung, auch dessen Miterben im Himmel zu werden.
18. Kapitel. Vom Fegefeuer
Wir glauben, daß die aus den Körpern scheidenden Seelen entweder zur Seligkeit oder zur Verdammniß gehen; nach dem Tode ist keine Sinnesänderung mehr möglich, die Zeit der Gnade ist das gegenwärtige Leben. Die bei ihrem Tode Gerechtfertigten werden daher auf keine Weise der Verdammung unterliegen, die Nichtgerechtfertigten aber zu derselben verurtheilt werden. Der Mythos von einem Purgatorium ist also unzulässig; ein Jeder soll in diesem Leben sein Heil wirken und Nachlassung der Sünden erflehen.
Dieses Bekenntnis soll Zeugniß ablegen gegen Diejenigen, deren Vergnügen darin besteht, uns und die Unsrigen ungerecht zu verläumden und zu verurtheilen 2). Doch wir stehen fest im Vertrauen auf den Herrn, der die Seinigen nicht verlassen und die Geißel der Boshaften von dem Schicksale der Gerechten abhalten wird 3).
Hier schließt die lateinische Confessio mit der Unterschrift des Patriarchen und der Beglaubigung Haga’s. In der griechischen aber, der wir auch bisher gefolgt sind, heißt es weiter:
Obige Bekenntnißschrift haben wir ursprünglich lateinisch verfaßt, jetzt aber wörtlich in unsere Sprache übertragen. In Kurzem wird eine durch die Zeitverhältnisse geforderte ausführliche Abhandlung erscheinen, aus welcher Jeder erkennen kann, daß unser Glaube derjenige sei, den Jesus Christus übergeben, die Apostel verkündigt und die orthodoxe Kirche von jeher gelehrt hat. Als Antwort auf die von einigen Orthodoxen über mehrere Punkte an uns gestellte Fragen fügen wir noch Folgendes bei:
1. Ob die heilige Schrift von allen Christen ohne Unterschied gelesen werden soll?
Da die Heilige Schrift die einzige Glaubensquelle ist, so müssen alle Christen wenigstens das Nothwendige in derselben gut wissen und bekennen, indem sie solches hören oder selbst lesen. Ein offenbares Unrecht wäre es daher, einen Christen von der Anhörung oder Lesung der heiligen Schrift, als der Nahrung seiner Seele, abzuhalten.^
2. Ob die Schrift den christlichen Lesern verständlich ist?
Allerdings bietet die Lesung der Schrift in Wort und Ausdruck manche Schwierigkeit dar, die Glaubenslehren aber sind den vom heiligen Geiste erleuchteten Wiedergeborenen klar und deutlich, und mittelst dieses Lichtes können auch die übrigen Schwierigkeiten durch Vergleichung der Worte und Ausdrücke gehoben werden.
3. Welche Bücher gehören zur Heiligen Schrift?
Unter heiliger Schrift verstehen wir alle canonischen Bücher, welche wir als Regeln unseres Glaubens und Heiles erhalten haben und die inspirierte Lehre enthalten, welche zum Unterrichte der Gläubigen genügt. Als canonisch bezeichnen wir alle in dem Canon der Synode zu Laodicea aufgeführten Schriften im Einklang mit der beständigen Ueberlieferung der katholischen orthodoxen, vom heiligen Geiste erleuchteten Kirche, denen wir noch die Apocalypse des Lieblingsjüngers beifügen; die übrigen, denen die Bestätigung des heiligen Geistes fehlt, heißen Apogryphen.
4. Was ist von den Bildern zu halten?
Die Anbetung und Verehrung der Bilder wird von der heiligen Schrift ausdrücklich verboten (Exod. 20,4.5). Obwohl wir daher die Kunst der Bildnerei nicht verwerfen und sogar Bilder Christi und der Heiligen gestatten, so verwehren wir doch deren Anbetung und Verehrung, damit wir nicht unvermerkt statt des Schöpfers Farben, Kunstwerke und Geschöpfe anbeten. Den anders Denkenden halten wir für unglücklich, da tiefe Finsterniß seinen Geist umhüllt und sein Herz versteinert ist. Besser wäre es gewiß, dem Gebote Gottes als den Thorheiten der Menschen zu folgen.
Dieses also erklären wir in der Furcht Gottes nach bestem Gewissen, obwohl wie erkennen, daß es über unsere Kraft gehe, den Sturm zu stillen. Möge der Herr Allen in Allem die rechte Einsicht und ein aufrichtiges Gewissen verleihen.
Gegeben zu Constantinopel im Jäner 1631
Cyrillus,
Patriarch von Constantinopel
Quelle: Pichler, A. - Geschichte des Protestantismus in der orientalischen Kirche im 17. Jahrhundert