Goßner, Johannes - Evangelische Hauskanzel - Am 3. Weihnachtstage.

Goßner, Johannes - Evangelische Hauskanzel - Am 3. Weihnachtstage.

Evang. Johannes 1, 1 - 14.
Am Anfang war das Wort.

Das Wort - Jesus Christus - der von Ewigkeit aus Gott dem Vater geboren - ist ein Mensch geboren, Fleisch geworden, daß wir - in der Zeit aus Gott geboren, Kinder Gottes würden, und Er in uns geboren werden und eine Gestalt gewinnen möchte. Das ist der Inhalt des heutigen Evangeliums.

Erstens: Christus Jesus ist der ewige Sohn Gottes, weil Er von Ewigkeit aus Gott geboren. Im Anfang war das Wort - es ist nicht geworden, nicht geschaffen, nicht entstanden - hat nicht angefangen, zu irgend einer Zeit zu seyn oder zu werden, sondern es war im Anfange der Zeit, denn die Ewigkeit hat keinen Anfang, also auch Er nicht - Er war immer, ewig - es war nie eine Zeit, wo Er nicht war. Und das Wort war bei Gott, so lange Gott ist, ewig bei Gott, in Gott und mit Gott, und das Wort war Gott, selbst Gott, eins mit dem Vater; aber als Sohn doch verschieden vom Vater. Wie Er es selbst erklärt hat Joh. 14: Ich und der Vater sind Eins. Wer mich sieht, der sieht den Vater. Der Vater ist in mir; und ich bin im Vater. Der Vater ist immer bei mir. Ich kann nichts ohne den Vater.

Dasselbige Wort war im Anfang (aller Dinge, ewig) bei Gott - nicht Fleisch geworden, nicht Mensch, nicht geschaffen; vielmehr: Alle Dinge sind durch dasselbige gemacht; und ohne dasselbige ist nichts gemacht, was da gemacht ist. Also Urheber, Schöpfer aller Dinge - Alles von Ihm und durch Ihn und zu Ihm, wie vom Vater. Der allmächtige Gott, der Allgenugsame, der vor Allem ist und besteht Alles in Ihm. Col. 1,16. 17. Das Wort spricht; und es geschieht, Er gebeut; und es steht da. Kein Ding ist Ihm unmöglich.

So groß ist Er; so groß ist das Kindlein in der Krippe, auf der menschlichen Mutter Schooß. - Dieser große Gott ist Mensch geworden, und gekommen in die Welt, die Sünder selig zu machen. Vergeßt es ja nicht, bei allem, was ihr leset von Ihm in Seinem Leben, Leiden und Sterben auf Erden. So groß ist der, der sich unter das Gesetz gethan, und am achten Tage beschnitten ward, wie alle Söhne Abrahams. So groß ist der, der dreißig Jahre in der Zimmermannshütte lebte, verborgen und unbekannt, mit den geringsten Arbeiten beschäftigt. So groß ist der, der da wandelte in Knechtsgestalt - obwohl Er Gott gleich war, doch an Geberden ein Mensch erfunden. So groß ist der, der im Jordan stand, und sich wie andre Sünder taufen ließ - der nachher in die Wüste vom Geist getrieben, vom Satan versucht wurde. So groß ist der, der umherging, Allen wohlthat, und die vom Satan überwältigt waren, erledigte - So groß ist der, den sie Beelzebub, Fresser und Weinsäufer, Sabbathschänder und Gotteslästerer nannten. So groß ist der, der umherging in allen Städten, Märkten und Dörfern Israels, die Kranken heilte, den Armen das Evangelium predigte, die Sünder annahm und mit ihnen aß. So groß ist der, den Seine Mitbürger zu Nazareth nach Seiner ersten Predigt über den Felsen stürzen wollten; gegen den sie in Jerusalem öfter Steine aufhoben, um Ihn zu steinigen; dessen sie überall lauerten, um etwas aus Seiner Rede aufzufangen, Ihn verklagen und tödten zu können. So groß ist der, der nicht hatte auf Erden, wo Er Sein Haupt auflegen konnte, und der Allerverachtetste und Unwertheste war; ja wie ein Wurm und kein Mensch - ein Spott der Leute und Verachtung des Volkes. So groß und mächtig und herrlich ist der, welcher von Seinen Jüngern verrathen, verlassen, verläugnet wurde, am Oelberg Blut schwitzte, zitterte und zagte, zum Tode verdammt, gegeißelt, gekrönt und gekreuziget wurde.

In Ihm war das Leben - alles Leben, von Ihm geht's aus; alles, was lebt, hat das Leben von Ihm. Er ist der Fürst des Lebens; und diesen Fürsten des Lebens haben sie getödtet. Apg. 3, 15. Und das Leben war das Licht der Menschen - Versteht sich; wo kein Leben ist, ist auch kein Licht; die Todten sehen nicht; nur die Lebendigen sehen das Licht. - Ohne Leben ohne Licht.

Also Schöpfer der Welt, Fürst des Lebens, Quelle des Lichts, aller Dinge Grund und Ursach ist Er, der unser Heiland heißt und ist; der uns von Gott geschenkt ist, daß wir durch Ihn selig werden. Unbegrenzt darf unser Vertrauen zu Ihm seyn, hocherfreut und lebendig soll unser Glaube an Ihn seyn: Es fehlt Ihm an keinem Dinge; Er kann uns in Allem helfen. Wenn wir das Alles mit dem kleinen Kinde in der Krippe verbinden; wie groß, wie herrlich wird dieses Kind, wie vertrauenswürdig! Und wie glücklich, reich und selig fühlen wir uns, wenn wir glauben: dieses Kind ist uns geboren, dieser Sohn ist uns gegeben. Der Ewiggeborne ist ein Menschenkind geworden, daß die Menschen Kinder Gottes würden.

Zweitens: Dies Licht scheint in der Finsterniß, ist in der Welt erschienen, und die Finsterniß hat es nicht begriffen, und begreift es bis auf den heutigen Tag nicht. Alle, die die Werke der Finsterniß lieben, hassen das Licht, und kommen nicht an das Licht, daß ihre Werke nicht offenbar und nicht gestraft werden vom Lichte. Wer böse ist, und böse bleiben will, kommt nicht zu Christus.

Es kam ein Zeuge dieses Lichts, der mit Fingern darauf hinwies - Johannes mit der Kraft und im Geiste des Elias; und bezeugte, daß Er das Opferlamm, der Versöhner sey, der der Welt Sünde hinwegnehme und selig mache. Aber sie glaubten es nicht; nahmen Ihn nicht an. Obwohl Er die Welt gemacht, Schöpfer, Herr der Welt war, so kannte Ihn doch die Welt nicht, da Er kam und wandelte in der Welt. Ja Er besuchte besonders Sein Eigenthum, Sein auserwähltes Volk, Abrahams Samen; aber selbst diese nahmen Ihn nicht auf, sondern stießen Ihn hinaus und kreuzigten Ihn.

Und warum ist Er denn gekommen, daß sie Ihn nicht aufnahmen? Was forderte Er denn von ihnen? Womit erschreckte Er sie? etwa mit Gericht, Strafen, Zorn und Zank? oder Feuer und Schwert? - Ach nein; Er trat auf in sanfter Gestalt, in lauter Liebe; Er forderte gar nichts als ihre Sünden, ihre Strafen und Schulden, um sie auf sich zu nehmen, zu büßen, zu tilgen, zu versöhnen; sie zu erlösen von allen ihren Feinden; von Allem, was die Menschheit zu fürchten hätte, Sünde, Tod und Teufel - Gericht und Hölle. Alle Lasten wollte Er ihnen abnehmen, von allen Mühseligkeiten sie befreien. „Kommt,“ ruft Er, „kommt Alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seyd; ich will euch erquicken.“ Alle Krankheit hat Er geheilt, alle Gebrechen, alle Schmerzen weggenommen, die Teufel ausgetrieben, den Tod verscheucht – ja endlich getödtet, alle Elemente besiegt - allen Jammer gestillt. Kraft ging von Ihm aus, und heilte sie alle.

Das war es aber noch nicht allein, was Er ihnen seyn und geben wollte. Die große, schöne Absicht Seines Kommens war - Er wollte ihnen Allen die Macht geben, Kinder Gottes zu werden, allen denen, die an Seinen Namen glauben; welche nicht vom Geblüt, noch von dem Willen des Fleisches, noch von dem Willen eines Mannes, sondern von Gott geboren sind - also wahrhaftige Kinder Gottes - nicht nur Titular-Kinder, nicht nur dem Namen und Schein nach, sondern nach der Natur und dem Wesen Gottes - göttlicher Natur theilhaftig.

Welch eine große Gnade - daß Gottes Sohn, der von Ewigkeit Geborne Gottes, kam in diese Welt, uns die Macht zu geben, daß wir auch aus Gott geboren, Kinder Gottes würden, wahrhaftige Kinder Gottes, wie Er, der Ewiggeborne Gottes, ein wahrer Mensch geboren wurde. Das mußte geschehen, wenn wir in das Reich Gottes sollten wieder eingehen können; denn: „es sey denn,“ sagte Er zu Nikodemus, „daß Jemand wiedergeboren werde aus Wasser und Geist, so kann er das Reich Gottes nicht sehen, und in dasselbe nicht kommen.“ Joh. 3, 3. 5, Da der Mensch durch die Sünde und den Sündenfall das Bild, die Natur Gottes verloren hat, Fleisch geworden und der Geist aus Gott, also auch das Leben aus Gott von ihm gewichen ist, so muß eine neue Schöpfung mit ihm vorgehen; denn was vom Fleisch geboren, das ist Fleisch; und Fleisch und Blut kann das Reich Gottes nicht ererben. Daher muß er umgeschaffen werden. Der Schöpfer selbst mußte Mensch werden, leiden und sterben, um die Neuschaffung des Menschen zu vollbringen. Die Welt zu schaffen und aller Himmel Monarchien, kostete Ihn nur ein Wort, und es stand da - Er sprach's, und es ward. Aber den Menschen umzubilden, neuzuschaffen, Gottes Bild und Natur wieder in ihm herzustellen, kostete Ihn größere Mühe, unaussprechliche Leiden und den bittersten Tod - drei und dreißig Jahre arbeitete Er daran, und schwitzte Blut darüber, Seine Seele war betrübt bis zum Tode; Er zitterte und zagte - war von Gott verlassen; die Zunge klebte Ihm am Gaumen - kurz, Seine Mühe und Arbeit, Seine Leiden und Schmerzen waren unaussprechlich, die es Ihn gekostet hat, daß wir erlöset, daß wir Kinder Gottes würden.

Aber welch ein Gewinn für die Welt, für das ganze menschliche Geschlecht, daß durch dieses einzige Kind zu Bethlehem im Stalle, das bis ans Kreuz und zum Tode sich mühte, alle Menschen Kinder Gottes werden können. Es hat Ihn zwar wohl viel gekostet, Blut und Leben - drei und dreißigjähriges Leiden und tägliches Sterben - aber darum soll Er auch die Menge zur Beute haben, und die Starken zum Raube; darum werden Ihm Kinder geboren, wie der Thau aus der Morgenröthe. Darum sagt der Vater zu Ihm: Heische von mir, so will ich dir geben die Enden der Erde zum Eigenthum und die Völker zum Erbe.

Wer hätte aus Gott geboren werden, und sich eine andre Natur schaffen können? Wer kann sich selbst ein andres Herz geben? und aus dem Herzen kommen arge Gedanken, und alle bösen Dinge - alle Greuel der Sünden. - Diese böse Quelle konnte nicht verstopft werden, da mußte alles neu werden, ein neues Herz, ein neuer Geist in den Menschen kommen. Allein das konnte niemand machen, niemand geben. Darum mußte Gott die große Anstalt machen, daß Er Seinen Eingebornen von Seiner Seite gehen und herab ins Fleisch kommen ließ, daß Er sich ihnen verbrüderte, in Verwandtschaft mit ihnen trat, sich ihrer annahm, sich ihrer Fleisches-Natur und ihrer Sünden, und sie Seiner Geistes- und Gottes-Natur und Seiner Gerechtigkeit theilhaftig machte. - So wurde das Herz neu, der innere Mensch aus Geist geboren, Christi theilhaftig, mit dem Geist der Kindschaft erfüllt, der ihm Zeugniß giebt, daß er ein Kind Gottes ist und ein Erbe der göttlichen Herrlichkeit ewiglich.

O wie viel Kinder wird dieses Kindlein von Bethlehem einst haben! Wie viele hat es mit Seinen Schmerzen geboren! Wie viele werden einst vor Ihm, dem Lamme das erwürget ward, niederfallen und bekennen: du hast uns erkauft mit deinem Blute aus allerlei Geschlecht und Zungen und Volk und Heiden; und hast uns unserm Gott zu Königen und Priestern gemacht rc. Offb. 5, 9.

Nur bleibt das immer noch ein Gegenstand unsres Gebets und unserer Sorge, daß es noch lange nicht Alle sind, die durch Ihn die Macht haben, Kinder Gottes zu werden, und so sehr Viele zurückbleiben, Kinder der Welt und der Finsterniß bleiben - warum? will Er sie nicht? giebt Er ihnen nicht auch die Macht, Kinder Gottes zu werden? O wie gern gäbe Er dieses Allen - aber sie nehmen Ihn nicht an und glauben nicht an Seinen Namen. Das ist die einzige Ursache - bei ihnen liegt's, nicht bei Ihm. Denn es heißt: Wie Viele Ihn aber aufnahmen, denen gab Er Macht Kinder Gottes zu werden, denen, die an Seinen Namen glauben.

Gläubige Aufnahme des Sohnes Gottes ist die einzige Bedingniß, unter welcher man die Macht, ein Kind Gottes zu werden, erhalt. Wer an Seinen Jesus-Namen glaubt, und so an Ihn glaubt, daß er Jesum selbst mit Allem, was er ist und hat, aufnimmt, ergreift für sich, sich zueignet und festhält, der erhält diese selige Macht, aus Gott geboren und ein Kind Gottes zu werden; der wird göttlicher Natur theilhaftig; Gott, Jesus fängt an, in ihm zu leben, und er aus Gott, mit Gott in Christo ein verborgenes Leben zu führen.

So lasset uns denn Jesum Christum aufnehmen, und an Seinen Namen glauben, auf daß wir Alle, Kinder Gottes zu werden, Macht empfangen. Nur aufnehmen darfst du Ihn, Er steht vor der Thür und klopfet an, nur von ganzem Herzen nach Ihm dich ausgestreckt, Ihm zugerufen: „Herein, Gesegneter des Herrn, Geist, Leib und Seele hätt' dich gern!“ Nur aufgethan das Herz, Er läßt es gewiß nicht leer, Er kommt gewiß; Er ist ja darum Mensch geworden, und hat Sein Herz durchbohren lassen am Kreuze, auf daß Er aller Menschen Herzen erobern und sie Ihm alle angehören möchten. Darum ruft er Jedem zu: Mein Sohn, gieb mir dein Herz, und laß deinen Augen meine Wege Wohlgefallen. Wenn der Glaube an Seinen Namen das Herz erfüllt, d. h. wenn man Jesum im Glauben aufnimmt und durch den Glauben an Seinen Namen im Herzen wohnen läßt, so ist gewiß die Kindschaft Gottes da, und Gottes Geist giebt Zeugniß unserm Geist, daß wir Gottes Kinder sind. Denn der Glaube an Seinen Namen - der lauter Heil, Licht und Leben ist - wirkt die göttliche Natur, erhält den Sinn und Geist Jesu. Sein Name ist ja kein leerer Name, sondern der Name über alle Namen, in dem alle Kniee sich beugen müssen, in dem man Alles überwinden, Tod, Teufel und Hölle besiegen, so wie auch Alles erbitten und erflehen kann, aus dem, als aus einer unversiegbaren Quelle, alle Kräfte der zukünftigen Welt, alle Himmelsgüter fließen. O darum laßt uns recht lebendig an diesen Namen glauben. Jesus Christus unser Heiland, sey uns der anbetungswürdigste, süßeste, gesalbteste, segensreichste Name, der uns nie aus dem Sinn und Herzen komme; sey der erste und letzte jeden Morgen, jeden Abend, jede Stunde; der einzige, indem wir bei allen Dingen, in allem Thun und Lassen zu Werke gehen. So wird dieser heiligste Name uns heiligen, durch und durch heiligen, daß wir echte, wahre, geheiligte Kinder Gottes werden und sind.

Mit Kniebeugen und Hauptneigen, wie die Alten, sprechen wir daher weiter mit Johannes: Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnet, und wir sehen Seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingebornen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit. Das ist wahrlich eine Sache zum Anbeten: Das ewige Wort Gottes wird in der Zeit ein Mensch, verbindet sich mit Menschen von Erde, von Staub, von Fleisch, wird uns Sündern im Staube so nahe verwandt, eingeleibt und eingefleischt in die Menschheit, verbrüdert mit uns! Wer soll da nicht niederfallen und anbeten? denn daraus fließen alle andern Wohlthaten und Segnungen:

Der sel'ge Schöpfer aller Ding'
Zog an ein's Menschen Leib gering,
Daß Er das Fleisch durch's Fleisch erwürb'
Und Sein Geschöpf nicht all's verdürb'!“

Ja wahrlich, zum Anbeten ist es, daß der Allerhöchste so niedrig und herablassend ins menschliche Fleisch sich kleidete, und nicht nur zum kurzen Besuch auf Erden kam, und durch einen Machtspruch die Menschheit wieder neu schuf, wie im Anfang durch Sein: Werde! Er alle Dinge in's Daseyn rief, sondern Er hat sich eingebürgert auf Erden, Er hat gewohnt unter uns, Er ist aus- und eingegangen bei uns - Er hat sich in Gemeinschaft mit uns eingelassen, in die innigste Verbindung; wir haben es gesehen, gehört, mit Händen betastet, mit Augen beschauet, das Wort des Lebens, das ewig beim Vater war und uns erschienen ist; und das verkündigen wir euch, auf daß ihr mit uns Gemeinschaft habt und unsre Gemeinschaft sey mit dem Vater und Sohne, Jesu Christo. 1 Joh. 1. Wenn der Ewige mit dem Sterblichen, der unendlich Reiche und Allgenugsame mit dem Armen und Elenden; der Heilige und Gerechte mit den Sündern und Gottlosen Gemeinschaft macht, so können nur sie gewinnen, die Armen, die Sünder und Schwachen. Wenn Er, aller Dinge Grund und Ursach, die Fülle der Gerechtigkeit, des Vaters leibhaftes Ebenbild, unter uns wohnt, bei uns bleibt alle Tage; was fehlt uns noch? was haben wir nicht? Hat uns Gott mit Ihm nicht Alles geschenket? War es zum Verzweifeln, auf Erden zu wohnen, ohne Ihn, so ist die Erde nun ein Paradies, und es wohnt sich darauf wie im Himmel, wenn Er unter uns und bei uns wohnt. Das Herz muß es nur verstehen, mit Ihm umzugehen, und mit Ihm Tag und Nacht zusammen zu leben, so hat es wahrlich den Himmel auf Erden. Er versteht sich dazu; das ist gewiß; Er will, Er ist dazu da - „Ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende, bis auf den Letzten; das ist ausgemacht; das hat Er hinterlassen, und wird nicht von uns genommen. Wer Ihn will, kann Ihn haben, kann mit Ihm zusammen wohnen und leben. Das liegt darin, wenn es heißt: Das Wort ist Fleisch geworden; Gott ist ein Mensch, wohnt unter Menschen. Da werden wir denn auch Seine Herrlichkeit sehen, eine Herrlichkeit als des Eingebornen vom Vater; denn wenn man mit Ihm so zusammenlebt, da giebt es denn auch zuweilen Taborstunden, wenngleich auch Oelbergsstunden. Aber Er kann's doch nicht lassen; wenn man Tag und Nacht in Seiner Nähe zubringt, da blitzt Seine Herrlichkeit manchmal durch, und man sieht Ihn verklärt - und möchte mit Petrus Hütten bauen. Außerdem aber giebt es doch tägliche Herrlichkeiten; oder ist das nicht herrlich: barmherzig, gnädig, geduldig seyn, uns täglich reichlich die Schuld verzeih'n, hellen, stillen, trösten, erfreu'n und segnen, und unsrer Seele als Freund begegnen -? Ist es nicht herrlich, wenn Er uns Seinen Frieden fühlen läßt, der höher ist als alle Vernunft, und durch Seinen Geist das Kindschafts-Zeugniß ausspricht, das Erbe, die ewige Herrlichkeit verpfändet und versiegelt?

Nun denn, so haben wir also das Wort des Lebens, das ewig war beim Vater, und Gott war und ist und bleibt in Ewigkeit, das aller Dinge Schöpfer und Ursprung ist, das Leben und Licht der Menschen, das in der Finsterniß dieser Welt geschienen hat und scheint, aber nicht begriffen wird von den Kindern der Finsterniß, nicht erkannt von der Welt, die doch durch Ihn gemacht ist; ja nicht aufgenommen von und in Seinem Eigenthume, dem Volke Gottes, nur von Wenigen geglaubt und aufgenommen, denen Er die Macht giebt, Gottes Kinder zu werden, die dann sagen können mit anbetender Freude, auf den Knieen und mit gebeugtem Haupte: Und das Wort ist Fleisch, ist unser Bruder und nächster Blutsfreund geworden - und wohnt unter uns; wir sehen Seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit, als des Eingebornen vom Vater - voll Gnade und Wahrheit. Wir haben Ihn, halten Ihn, und lassen Ihn nicht. Das ist das große Geheimniß Gottes und Christi, in welchem verborgen liegen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntniß. Kol. 2, 2. 3. Das ist der herrliche Reichthum dieses Geheimnisses, welcher ist Christus in euch, die Hoffnung der Herrlichkeit, den wir verkündigen, und vermahnen alle Menschen, und lehren alle Menschen, mit aller Weisheit, auf daß wir darstellen einen jeglichen Menschen vollkommen in Christo Jesu. Kol. 1, 27. 28.

Ja ein Pfeiler und Grundveste der Wahrheit, und kündlich groß ist das Geheimniß der Gottseligkeit: Gott ist geoffenbaret im Fleisch - 1 Tim. 3, 16. Und so hoch, so erhaben, so groß und herrlich, so unbegreiflich und unerforschlich es ist, so hat Ihn doch jedes arme Menschenkind, das um Ihn weint. Er naht sich allen denen, die Ihn anrufen, die Ihn mit Ernst anrufen. Er läßt kein Herz leer, das sich Ihm öffnet; läßt Keinen ungetröstet und unbeseligt, dem um Trost bange ist, und den nach Gnade dürstet.

Die wahre Gnadensonne
Geht auf zu unsrer Wonne,
Und macht ein Heer von Sündern
Zu frohen Lichteskindern.
Der Erst- und Eingeborne
Besuchet uns Verlorne,
Hat Seinen Schwur gehalten;
Drum laßt Ihn immer walten.

Wenn ich dies Kindlein sehe
In Seiner Gotteshöhe,
So denk ich, ich vergehe,
Bis ich's als Mensch besehe.
Er liegt in Seiner Krippen
Und ruft mit süßen Lippen:
Grämt euch nicht, lieben Brüder;
Ich bringe Alles wieder.

O Kind! o süßer Knabe,
Du, den ich lieber habe
In Seinen Kindsgeberden,
Als alle Schatz' auf Erden!
Du Schöpfer aller Dinge,
Wie wirst Du so geringe!
Der All's erhält alleine,
Wie warst Du doch so kleine!

Gieb Dich uns, Herzensknabe,
Zu einer Christnachtsgabe!

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