Quandt, Carl Wilhelm Emil - Prediger Salomo - Achtes Kapitel

Die Weisheit, die eins ist mit der Gottseligkeit, hatte der Prediger im vorigen Kapitel gerühmt und halte mit der Andeutung geschlossen, daß, so selten sie auch gefunden werde auf Erden, sie doch Jedem zugänglich sei, der, den vielen Künsten der sündlichen Vernunft entsagend, die anerschaffne Grundanlage der Aufrichtigkeit in seinem Herzen aufdecke und sie ausbilde. Mit einem Lobe der echten Weisheit beginnt der Prediger auch dieses Kapitel; er führt dies Lob aber nicht weiter aus, sondern giebt im Folgenden als Dollmetscher der gelobten Weisheit seinem Volke allerlei Regeln für ein Leben in Druck und Leid. Insonderheit werden die Uebel genannt, die für ein geknechtetes und mit Füßen getretenes Volk aus seinem Verhältnis) zu tyrannischen Obrigkeiten hervorgehn, und Verhaltungsmaßregeln für dieses Verhältnis gegeben, sowie eine tröstliche Beleuchtung dieses Verhältnisses. Es wird dann zum Schluß fromme Freude am Leben als bestes, ja einziges Mittel, die Eitelkeit dieser Zeit zu überwinden, anempfohlen, dagegen abgewiesen der geistliche Hochmuth, der Gott meistern und sein Werk auf Erden „finden,“ in seiner Totalität erfassen und dadurch Befriedigung erlangen will. Die einzelnen Gedanken dieses Kapitels fügen sich ziemlich eng an einander.

V. 1. Wer ist so weise und wer kann das auslegen? Die Weisheit des Menschen erleuchtet sein Angesicht; wer aber frech ist, der ist feindselig.

Wörtlicher heißt es: Wer ist wie der Weise? Und wer kennt die Auslegung der Dinge? Die Weisheit des Menschen erleuchtet sein Angesicht, und der Trotz des Angesichtes wird verwandelt. Das Angesicht des Menschen ist der Spiegel seiner Seele, der Ausdruck seines inwendigen Lebens. Je inniger Jemand zu seinem Gotte steht, desto verklärter pflegt sein Antlitz zu sein; als Mose von dem Berge kam, wo er Gott geschaut, war über sein Antlitz ein Lichtglanz ausgebreitet; da Jesus auf dem Berge der Verklärung betete, leuchtete sein Angesicht wie die Sonne. Die Freude im Herrn erhellt das Antlitz des Menschen und die Liebe des Höchsten verschönt es. Die Weisheit, die der Prediger predigt, ist die fromme Weisheit, die Weisheit zur Gottseligkeit. Wer sich ihr hingiebt, verliert die düsteren, trotzigen Züge, die das Kind des Unglaubens und des Zornes trägt, und bekommt ein leuchtendes, fröhliches Angesicht. Der Verfasser sah zu seiner Zeit seine Volksgenossen umhergehen mit vergrämten Zügen, das bekümmert ihn, und er weist daher mit Fingern auf die Weisheit, als auf die Quelle, die das Angesicht und damit also das Leben verjüngt und fröhlich macht. Auch in unsrer Zeit giebt es viele düstere und vergrämte Gesichter, denn dies Geschlecht blutet aus vielen Wunden. Wer es gut meint mit seinem Volk, soll, wenn er selbst die Weisheit zur Gottseligkeit gefunden hat, sie auch den Andern anpreisen, auf daß sie mit uns theilhaftig werden der Seligkeit in Gott, die das Leben und das Angesicht verklärt. O geht hinaus auf allen Wegen und holt die Irrenden herein; streckt Jedem eure Hand entgegen und ladet froh sie zu uns ein! Der Himmel ist bei uns auf Erden, im Glauben schauen wir ihn an; die mit uns Eines Glaubens werden, auch ihnen ist er aufgethan.

V. 2. Ich halte das Wort des Königs und den Eid Gottes.

Es muß vielmehr übersetzt werden: Ich sage: Gieb Acht auf den Mund des Königs, doch nach Maßgabe des Eides Gottes. Das Volk Israel stand unter der Herrschaft und dem Drucke fremder Könige. Dies Verhältniß war eine Quelle vielfältiger Versuchungen, Anfechtungen und Leiden. Wo diejenigen, die den Frommen etwas zu sagen haben, sich von Gott nichts sagen lassen, sind Konflikte unvermeidlich. Hier vor Allein mußte die Weisheit mit praktischen Nachschlügen eintreten, wenn sie ihren gerühmten Werth bewähren sollte. Der Prediger giebt in diesem Verse obenan eine Generalregel für das Verhalten Israels gegen seine heidnische Obrigkeit. Seid unterthan der Obrigkeit, so lehrt er, doch vergesset nie, daß man Gott mehr gehorchen muß, als den Menschen. Es gilt Acht zu geben aus den Mund des Königs, seine Gebote zu beachten und zu vollziehen unter allen Umständen; doch wo des Königs Gebote gegen die Gebote des Königs der Könige sind, da verbietet der Eid der Treue, den wir Gott geleistet, des Königs Gebot zu vollzieht!. Es ist dies die übereinstimmende und einmüthige Lehre aller Bücher der heiligen Schrift, dem Könige zu geben, was des Königs ist, und Gotte zu geben, was Gottes ist, Gott zu fürchten und den König zu ehren. - Andere Schriftausleger übersetzen diesen Vers: Beachte den Mund des Königs, auch um des Eides Gottes willen. Dann würde der Prediger seinem Volke den Huldigungseid - von dem doch sonst nichts vorkommt - in's Gedächtniß rufen und mahnen, nicht blos aus Noth, sondern um des Gewissens willen der Obrigkeit zu gehorchen, eine Mahnung, die Ähnlichkeit hätte mit der, die Paulus Röm. 13 giebt.

V. 3. Eile nicht zu gehn von seinem Angesicht und bleibe nicht in böser Sache; denn er thut, was ihn gelüstet.

Der Prediger hat hier zwei verschiedene Arten, sich vor dem Könige zu verhalten, vor Augen. Er denkt sich zuerst den Fall, da Einer eine gute Sache vertritt, aber ängstlich und verschüchtert davon geht, ohne die Sache bis an's Ende zu vertreten. Er denkt sich zum zweiten, daß Einer eine böse Sache vertritt und sie vor dem Könige trotzig oder schmeichelnd durchzusetzen sucht. Beides tadelt er. Denn da der König Macht hat zu thun, was ihn gelüstet, so ist es sowohl Sünde, wenn man in einer guten Sache auf diese königliche Macht aus Menschenfurcht nicht allen Einfluß ausübt, der Einem zu Gebote steht, als auch Sünde, wenn man diese Macht zu überreden sucht, eine böse Sache mit ihrer Gewalt zu unterstützen, oder ihrer vorgefaßten Leidenschaft für eine böse Sache schmeichelnd Oel in's Feuer gießt. Außer seiner allgemeinen Beziehung hat dieser Vers eine besondere Beziehung für alle Hofprediger und Hofleute. Wehe dem, der aus blasser Menschenfurcht es unterläßt, eine gute Sache bei den gnädigen Herren dieser Welt zu empfehlen und bis in alle Konsequenzen zu vertreten! Dreimal wehe dem, der seine Stellung bei den Gewaltigen dieser Erde dazu mißbraucht, böse Dinge zu befördern. Aber es giebt gegen solche Abwege nur ein einziges durchschlagendes Mittel, das ist die Gottesfurcht, die der Prediger Weisheit nennt. Wer Gott vor Augen und im Herzen hat, der kann sich auch in der Hofluft die Gesundheit der Seele bewahren. Das zeigen uns die Beispiele eines Moses, eines Joseph, eines Daniel.

V. 4. In des Königs Wort ist Gewalt, und wer mag zu ihm sagen: Was machst du?

Daß auch die Könige höhere Hüter über sich haben, denen sie Rechenschaft für all' ihr Thun und Lassen schuldig sind, hatte der Prediger 5, 7 ausdrücklich gesagt. Hier aber redet er davon, daß, die unter den Königen stehn, ihnen nichts zu gebieten haben. Das Alterthum kannte unsere modernen Constitutionen und die Lehre von der Theilung der Gewalten noch nicht. Je unumschränkter aber die Gewalt der damaligen Könige war, um so mehr Vorsicht war geboten, wo es darauf ankam, auf diese Gewalt einen Einfluß auszuüben. War ein guter Wille des Königs Wille geworden, so? war damit unendlich viel gewonnen; und andererseits war ein böser Wille des Königs Wille geworden, welch' eine Seel' von Unheil war damit ausgestreut! Ss gehört viele Weisheit zum rechten Umgang mit den Menschen, doppelte Weisheit zum Umgange mit den Mächtigen. Das beste Buch aber, was je über den Umgang mit Menschen geschrieben ist, ist die Bibel.

V. 5. Wer das Gebot halt, der wird nichts Böses erfahren; aber (und) eines Weisen Herz weiß Zeit und Weise.

Das Gebot ist Gottes Gebot. Wer in den Wegen der göttlichen Gebote wandelt, wer namentlich das vierte und das erste Gebot gleichmäßig vor Augen und im Herzen hat, der wird nichts Böses erfahren; und sollte er um seines Gehorsams gegen Gott willen etwas erfahren, was ihm als Böses erscheinen möchte - es kann ja von den Menschen böse gemeint sein, muß aber in Gottes Hand denen, die ihn lieben, auch zum Guten dienen - so weiß er, daß das Leid, das er um des Gewissens willen leiden muß, seine Zeit und Weise hat, nicht ewig währen kann, sondern früher oder später einer herrlichen Erlösung Platz machen muß. Es ist also die Richtschnur des Wortes Gottes, die der Prediger seinem Volk in seinem Verhältniß zu den heidnischen Königen empfiehlt. Für dieses Verhältniß, wie für jedes ist kein besserer Rath als dieser: Sing', bet' und geh' auf Gottes Wegen, verricht' das Deine nur getreu!

V. 6. 7. Denn ein jeglich Vornehmen hat seine Zeit und Weise; denn des Unglücks des Menschen ist viel bei ihm. Denn er weiß nicht, was gewesen ist; und wer will ihm sagen, was werden soll.

Der Prediger schämt sich nicht, gewisse Gedanken öfters zu wiederholen und beschämt damit manches armen Predigers Eitelkeit, der immer Neues, wenigstens in Worten, bringen zu müssen meint. Daß des Unglücks viel ist auf Erden und der Mensch, dessen Wissen und Verstand mit Finsterniß umhüllet ist, sich darein zu finden hat, war in unserm Buch schon öfter gesagt. Hier dient es als Begründung für das V. 4. b empfohlene Verhalten gegenüber dem Könige. Muß man um des Gewissens willen des Königs Zorn auf sich laden, so soll man sich auch damit trösten, daß Leiden einmal zum Wesen dieses Lebens, wie es ist, gehört. Wer nur das immer festhält, daß dies Leben nicht zum Wohlsein, sondern zur Vorbereitung auf das ewige Wohl gegeben ist, den kann die Hitze der Anfechtungen auf Erden nicht befremden, als widerführe ihm etwas Seltsames. Leben heißt leiden, und ohne Kreuz giebt es keine Krone.

V. 8. Ein Mensch hat nicht Macht über den Geist, dem Geist zu wehren; und hat nicht Macht zur Zeit des Sterbens und wird nicht losgelassen im Streit, und das gottlose Wesen errettet den Gottlosen nicht.

Der Gedanke der beiden vorigen Verse wird hier weiter gesponnen. Die Uebel auf Erden sind unvermeidlich und unabwendbar. Vor allem das große Hauptübel, der Tod; kein Mensch kann „dem Geiste wehren“ d. i. seinen Geist zurückhalten, alle Menschen müssen sterben, alles Fleisch vergeht wie Heu. Sollte man also auch, wie so viele Märtyrer, um Gottes willen den Tod erleiden müssen, was ist's denn Großes, man erleidet etwas, was man früher oder später doch erleiden muß. Auch allen andern Uebeln, die dem Tode vorangehn, kann der Mensch nicht wehren; mitten im Kriege wird Keiner losgelassen, offenbar ein Gleichniß hier, das sagen will: mitten im Unglück wird doch Keiner befreit, er muß die Zeit aushalten, die ihm Gott bestimmt hat. Es ist ein Wahn, wenn man meint, durch Gottesverleugnung, durch gottloses Wesen sich von den Uebeln befreien zu können. Ja, dem Zorne des irdischen Königs wird man vielleicht damit entgehn, aber desto heftiger wird dafür der Zorn des Königs der Könige entbrennen und mit Feuer salzen, was vor milder Zucht sich fürchtete. Die Gottlosigkeit errettet Niemand weder vom Tode, noch von den andern Uebeln; und der Mensch verrechnet sich stark, der durch gottloses Wesen einen reellen Gewinn zu erzielen meint. Dahingegen hat die Gottseligkeit die Verheißung dieses und jenes Lebens.

V. 9. Das habe ich Alles gesehen und gab mein Herz auf alle Werke, die unter der Sonne geschehen. Ein Mensch herrschet zu Zeiten über den andern zu seinem Unglück.

Es geschieht nichts von ohngefähr. Alles kommt von oben her. Auch das Regiment gottloser Könige, unter dem die Frommen seufzen, steht unter Gottes Hand. Gute Herrscher sind Gottes Friedensboten, böse Herrscher sind Gottes Geißeln. Die heidnischen Gewalthaber, die damals Israel unterdrückten, waren Gottes Geißeln. Gott schwingt solche Geißeln- zu Zeiten; aber haben sie ihren Dienst gethan, dann wirft er sie weg. Das Ueble, das ungerechte Herrschaft zu Wege bringt, verliert bei solchen Erwägungen viel von seiner Dunkelheit.

V. 10. Und da sahe ich Gottlose, die begraben waren, die gegangen waren und gewandelt hatten in heiliger Stätte; und waren vergessen in der Stadt, daß sie so gethan hatten. Das ist auch eitel.

Der Vers muß übersetzt werden: Und da sahe ich, daß die Bösen begraben wurden und hinweggingen von dem Orte der Heiligen und wurden vergessen in der Stadt, welche also gethan hatten. Wenn nicht eher, so kommt doch im Tode das Ende für die ungerechten Herrscher. Wie Viele hatten Israel schon wehe gethan und mit heidnischer Unsauberkeil Jerusalem, die heilige Stadt, die Perle des Volkes Gottes, überschwemmt - aber Gott sprach zu Jedem zu seiner Zeit: „Bis hieher und nicht weiter,“ da mußten sich legen die stolzen Wellen, und all' die freche Gewalt wurde Staub und sank unter die Erbe. Einen Beleg dafür giebt auch die Geschichte des ersten Leidens, das den Sohn Gottes auf Erden traf. Herodes trachtete ihm nach dem Leben, und das heilige Kind mußte deswegen nach Egypten flüchten; gar bald aber hieß es: „Sie sind gestorben, die dem Kinde nach dem Leben standen,“ und Gott rief seinen Sohn aus Egypten zurück. Die Bosheit und Gewalt der Menschen dauern nicht lange; Gott, der Ewige, ist der Letzte, der das Feld behält. Daran soll Gottes Volk im Leide denken, kein irdischer Herrscher lebt ewig; Fürsten sind Menschen vom Staube geboren und sinken wieder in den Staub; ihre Anschläge sind auch verloren, wenn nun das Grab nimmt seinen Raub.

V. 11. Weil nicht bald geschiehet ein Urtheil über die bösen Werke, dadurch wird das Herz der Menschen voll, böses zu thun.

Den Sinn des Verses hat Luther sehr richtig wiedergegeben, doch ist im ersten Gliede unsers Verses wörtlicher zu übersetzen. Weil der Befehl (Gottes) nicht (bald) vollstreckt wird, darum eilt die böse That. Wenn die bösen Herrscher und überhaupt alle hochgestellten Sünder, die durch ihre Sünden ihre Untergebenen quälen, daran dächten, daß auch ihnen gesetzt ist, einmal zu sterben und darnach das Gericht, so würden sie sich fürchten vor Gottes Zorn und nicht wider Gottes Gebote handeln. Aber sie halten sich den Gedanken des Todes und des Gerichtes so fern, als möglich und fündigen um so frecher, je länger sich Tod und Gericht verschieben. Der Gottlose wiegt sich in seinem langen Glück, und so wird sein Glück ihm eine Ursache schwerster Verantwortung. Denn da er den Reichthum der Güte, Geduld und Langmuth Gottes verachtet, durch Gottes Güte sich nicht zur Buße leiten läßt, so häuft er sich selbst den Zorn auf den Tag des Gerichts.

V. 12. Ob ein Sünder hundertmal böses thut und doch lange lebet, so weiß ich doch, daß es wohl gehen wird denen, die Gott fürchten, die sein Angesicht schauen.

Ein wahrer Goldvers in unserm Buche, wohl werth, daß ihn ein Jeglicher seinem Gedächtniß und Herzen einpräge. Das: So weiß ich doch! ist das Wissen des Glaubens, der sich an Gottes Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Treue nicht irre machen läßt, wenn auch hier unten Gottlosigkeit sich noch oft breit macht und noch so lange bläht. Gott hat gedrohet zu strafen Alle, die seine Gebote übertreten; so weiß der Glaube, die Strafe kann aufgeschoben werden, aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben, Gott läßt sich nicht zum Lügner machen; seine Mühlen mahlen langsam, mahlen aber trefflich klein; was mit Langmuth er sich säumet, holt mit Schärf' er wieder ein. Gott hat verheißen, daß er diejenigen nicht verlassen will, die sich auf ihn verlassen; so weiß der Glaube, die Hülfe und das Heil können verziehen, aber nicht ausbleiben; es ist einmal Gottes Weise so, den schlechten Wein zuerst und dann den guten zu geben; wenn die Stunden sich gefunden, bricht die Hüls' mit Macht herein. Darum ist es wohlgethan, Gott fürchten und sich vor dem Allmächtigen scheuen. Denn wer solches thut, kann ruhig das Ende abwarten und mag darum der thörichten Welt den Anfang wohl gönnen. Es ist das hohe Vorrecht der Kinder Gottes, das gute und selige Ende auf ihrer Seite zu haben, und ist das Ende gut, dann ist Alles gut.

V. 13. denn es wird dem Gottlosen nicht wohl gehen, und wie ein Schatten nicht lange leben, die sich vor Gott nicht fürchten.

Nicht wird es wohlgehen dem Gottlosen - dabei bleibt der Glaube, und wenn der Gottlose auch grünen sollte wie ein Lorbeerbaum. Das Glück der Gottlosen ist nur ein Schatten und Schemen. Wenn ein Schatten sich auch noch so weit ausdehnt, so kann er doch nicht bleiben, sondern muß mit der untergehenden Sonne alsbald verschwinden, daß man nicht weiß, wo er hingekommen ist. Das Glück der Gottlosen ist flüchtig wie ein Schatten, und auch nichtig wie ein Schatten. Denn ein Schatten vergeht nicht nur schnell, er ist auch, so lange er da ist, nur ein Scheinding, er hat weder Kraft, noch Leben.

V. 14. Es ist eine Eitelkeit, die auf Erden geschiehet. Es sind Gerechte, denen gehet es, als hätten sie Werke der Gottlosen, und sind Gottlose, denen gehet es, als hätten sie Werke der Gerechten. Ich sprach: Das ist auch eitel!

Auf Erden freilich und in diesem Leben - das ist der Fortschritt des Gedankenganges - ist die Ausgleichung, nach der es dem Ungerechten schließlich schlecht, dem Gerechten wohl geht, nicht zu finden. Vielmehr gehört es mit zu der Eitelkeit dieser Zeit, daß es oft gar anders geht, als Menschen denken, daß dem wirklich oder scheinbar guten Werke Elend folgt, daß der bösen That gute Tage nachgehen. Das ist auch eitel, spricht darum der Prediger, nämlich nicht etwa die Gerechtigkeit, die gottselige Weisheit - sie ist es ja gerade, die er immerfort lobt und empfiehlt -, sondern das Speculiren und Warten auf irdische Vergeltung der Frömmigkeit. Es gilt Gott zu lieben um Gottes willen, nicht um irdischen Lohnes willen, die Gottseligkeit darf kein Gewerbe, der Frieden des Lebens nicht auf Lohndienst gegründet werden. O prüfen wir uns doch selbst: Wie dienen wir unserm Gott, um Lohn oder um das ewige Leben?

V. 15. Darum lobte ich die Freude, daß ein Mensch nichts Besseres hat unter der Sonne, denn essen und trinken und fröhlich sein; und solches werdt ihm von der Arbeit sein Lebenlang, das ihm Gott giebt unter der Sonne.

Darum ist denn also das gute Theil auf dieser armen Erde, daß man sich nicht niederdrücken läßt weder von dem Wehe, das von ungerechten Herrschern kommt, noch von irgend einem andern Uebel dieser Zeit, sondern den Honig saugend aus allen Blumen fromm und dankbar dasjenige Gute genießt, was Gottes Mildigkeit immer noch in den Schooß schüttet. So ganz düster ist doch kein Menschenleben, daß auch nicht ein einziger Sonnenstrahl hineinscheinen sollte; es kommt nur darauf an, einen erkenntlichen Sinn zu haben und, wenn man ihn nicht hat, sich ihn zu erbitten, so wird man auch unter Druck und Elend so viel zu danken haben, daß man nicht Zeit behält zu Nagen. Es ist eine Kunst, aber man lernt sie in du Schule des heiligen Geistes, auch das Geringste dankbar und mit Freuden aus Gottes Händen hinzunehmen. Die Kinder können unsre Lehrmeister hierin sein; mit wie Wenigem und Winzigem sind sie zufrieden gestellt, und wie dankbar streicheln sie der Mutter Wangen für die unbedeutendste Freundlichkeit. In unsern Tagen sind auch Gläubige oft so sehr mürrisch und der kindliche Sinn, der sich an Geringem herzlich erfreut, ist so sehr selten. Um so mehr ist unsern Zeitgenossen das Lesen, Bedenken und Erwägen des Predigers Salomo anzurathen; er kommt wieder und immer wieder auf dies Eine zurück: Wie es Gott füget, daran mir genüget! Herr, laß an Deiner Gnade uns genügen!

V. 16. 17. Ich gab mein Herz, zu wissen die Weisheit und zu schauen die Mühe, die auf Erden geschiehet, daß auch einer weder Tag noch Nacht den Schlaf siehet mit seinen Augen. Und ich sahe alle Werke Gottes (besser: das ganze Werk Gottes), denn (besser: daß) ein Mensch kann das Werk nicht finden, das unter der Sonne geschiehet; und je mehr der Mensch arbeitet zu suchen, je weniger er findet. Wenn er gleich spricht: Ich bin weise und weiß es, so kann er es doch nicht finden.

Der Verfasser schließt diesen Abschnitt mit einem Hinweis auf die Unmöglichkeit der vollständigen Erkenntniß des Werkes Gottes auf Erden. Kein Mensch kann in seiner Totalität erkennen, was unter der Sonne geschiehet. Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunklen Wort; erst in einer vollkommneren Welt werden wir es erkennen, gleichwie wir erkannt sind. Darum soll man doch ja das unfruchtbare Theoretisiren lassen und dem praktischen Rathe folgen, der vorher gegeben ward: Alles der Fürsorge des allwaltenden und allweisen Gottes überlassen und mit fröhlichem Herzen nehmen und mit Dankbarkeit genießen, was Gott uns giebt, es sei viel oder wenig, köstlich oder gering. Den Menschen giebt man durch Geben, Gotte giebt man durch Nehmen und Danken. Das ist die Summa der Meinung des Predigers, wie Luther sie einmal angiebt: daß keine höhere Weisheit ist auf Erden unter der Sonnen, denn daß ein Jeder sein Amt in Gottesfurcht mit Fleiß thue und darum sich nicht ängste, ob es nicht gehet, wie er gern wollte, sondern gebe sich zufrieden, lasse in allen großen und kleinen Sachen Gott walten.

Gieb dich zufrieden und sei stille
In dem Gölte deines Lebens;
In ihm ruht aller Freuden Fülle,
Ohn' ihn mühst du dich vergebens.
Er ist dein Quell und deine Sonne,
Scheint täglich hell zu deiner Wonne.
Gieb dich zufrieden.

Es kann und mag nicht anders werden,
Alle Menschen müssen leiden;
Was webt und lebet auf der Erden,
kann das Unglück nicht vermeiden.
Des Kreuzes Stab schlägt unsre Lenden,
Bis in das Grab, da wird sich's enden.
Gieb dich zufrieden.

Amen.

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