Murray, Andrew - Der Geist Jesu Christi - 4. Der Geist und das Wort.

Der Geist ist es, der da lebendig macht; das Fleisch ist kein nütze. Die Worte, die ich rede, die sind Geist und sind Leben. HErr, wohin sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens“ (Joh. 6, 63. 68).

Der Buchstabe tötet; aber der Geist macht lebendig“ (2 Kor. 3,6).

Unser HErr und Heiland hat sich genannt das Brot des Lebens, und sein Fleisch und sein Blut die Speise und den Trank des ewigen Lebens. Vielen seiner Jünger kam dies vor als eine harte Rede, die sie nicht verstehen konnten. Da machte sie Jesus darauf aufmerksam, dass sie seine Worte erst verstehen könnten, nachdem sie den Heiligen Geist empfangen haben würden. Er sagt: „Der Geist macht lebendig; das Fleisch ist kein nütze. Die Worte, die ich rede, die sind Geist und Leben.“

In diesen Worten: Der Geist macht lebendig,“ und dem damit übereinstimmenden Ausspruch Pauli 2 Kor. 3,6 wird uns wohl das Wesen des Geistes am deutlichsten gezeigt. (Vergl. 1 Kor. 15,45. „Der Geist, der da lebendig macht.“) Der Geist wirkt überall, sei es in dem Reich der Natur oder der Gnade zu allererst, als ein lebengebendes Wesen. Es ist von der tiefsten Bedeutung, dass wir dies festhalten. Alles, was Er im Herzen der Gläubigen bewirkt, die Versieglung, Heiligung, Erleuchtung und Stärkung, hat hierin seine Wurzel. Nur insofern Er als das innere Leben der Seele erkannt und geehrt wird, insofern Ihm alles untergeordnet wird und man sein Eingreifen erwartet, können seine übrigen Gnadenwirkungen erfahren werden. Diese sind nur die äußeren Kundgebungen des Lebens; nur durch die Kraft des neuen Lebens können sie genossen werden. Der Geist ist es, der da lebendig macht.

Im Gegensatz zum Geist spricht nun der HErr von dem Fleisch: „Das Fleisch ist kein nütze.“ Hier will Er nicht das Fleisch als die Quelle der Sünde bezeichnen, sondern, vom geistlichen Standpunkt aus, als die Macht, durch die der natürliche Mensch, oder selbst der Gläubige, der sich nicht ganz dem Geiste hingibt, Gott zu dienen sucht, oder göttliche Dinge erkennen und sich aneignen möchte. Wie vergeblich alle Anstrengungen des Fleisches in dieser Richtung seien, bezeichnet der HErr mit den Worten: „Es ist kein nütze;“ sie genügen nicht, sie vermögen nicht das Wesen der göttlichen Dinge zu erreichen. Paulus geht von demselben Gedanken aus, wenn er sagt: „Der Buchstabe tötet.“ Die ganze Haushaltung des Gesetzes gehört zum Fleisch, zum Buchstaben. Obschon auch das Gesetz eine Klarheit hatte, und die Vorrechte Israels sehr groß waren, so war es doch also, wie Paulus sagt: „Auch jener Teil, der verklärt war, ist nicht für Klarheit zu achten, gegen dieser überschwänglichen Klarheit.“ Ja, auch Christus selbst konnte, so lange Er noch im Fleisch war, ehe durch das Zerreißen des Vorhangs seines Fleisches der Geist die Stelle des Fleisches einnahm, durch sein Wort bei seinen Jüngern nicht das erreichen, was Er wünschte. „Der Geist ist es, der da lebendig macht; das Fleisch ist kein nütze.“

Der HErr wendet diese Rede hauptsächlich auf die Worte, die Er soeben ausgesprochen, und auf die darin enthaltene geistliche Wahrheit on. „Die Worte, die ich rede, die sind Geist und Leben.“ Er will seine Jünger hierdurch zweierlei lehren. Zunächst sagt Er ihnen, dass seine Worte in der Tat ein lebendiger Same sind, dem die Macht des Keimens und Aufgehens innewohnt; sie werden auch ihre Lebenskraft behaupten, ihre Bedeutung wird offenbar werden, und ihre göttliche Macht wird sich beweisen in allen denen, die sie in ihrem Herzen bewahren. Dadurch will der HErr die Seinigen vor Entmutigung schützen, wenn sie auch seine Worte nicht sofort verstehen können. Seine Worte sind Geist und sind Leben; sie gehen nicht zunächst den Verstand, sondern das Leben an. Wenn sie in der Macht des unsichtbaren Geistes, der da weit höher und tiefer ist, als wir zu denken vermögen, die Wurzeln unsers Lebens erfassen, so geht das göttliche. Leben, das sie haben und die Wahrheit, die sie mit göttlicher. Stärke ausdrücken, in die Erfahrung derjenigen über, die sie aufgenommen haben. Aus dem soeben Gesagten geht hervor - und das ist das zweite, was der HErr seine Jünger lehren wollte - dass diese seine Worte eines geistlichen Bodens bedürfen, um richtig aufgenommen werden zu können. Ein Samenkorn bedarf eines ihm entsprechenden Erdreichs; es muss darin ebenso wohl Lebenskraft sein als im Samen selbst. Das Wort muss nicht nur in den Verstand oder die Gefühle oder sogar den Willen, sondern durch dieselben ins Leben aufgenommen werden. Der Mittelpunkt dieses Lebens ist des Menschen geistliches Wesen, durch das die Stimme des Gewissens spricht; da muss die Oberherrschaft des Vaters anerkannt werden. Aber auch dieses genügt nicht. Das Gewissen wohnt im Menschen wie ein Gefangener unter Gewalten, die er nicht beherrschen kann. Es ist der Geist aus Gott allein, der Geist, den Jesus uns gebracht hat, der, wenn Er unser Leben wird, das Wort aufnimmt, es unserem Leben einverleibt und dasselbe in uns zu Kraft und Wahrheit macht.

Wenn wir das Werk des Heiligen Geistes betrachten, so können wir nicht vorsichtig genug sein, dass wir doch einen festen, klaren Begriff von dieser Wahrheit bekommen. Dadurch werden wir vor Abwegen zur Rechten und zur Linken. bewahrt, dass wir weder die Unterweisung des Geistes ohne das Wort erwarten zu empfangen, noch auch meinen, das Wort ohne den Geist verstehen zu können. Auf der einen Seite sehen wir den Abweg zur Rechten, da die Offenbarung des Geistes außerhalb des Wortes gesucht wird. In der heiligen Dreieinigkeit finden wir das Wort und den Geist stets ineinander und eins mit dem Vater, und bei den von Gott eingegebenen Worten der Heiligen Schrift ist es nicht anders. Der Heilige Geist hat auf alle Zeiten hin die Gedanken Gottes in dem geschriebenen Wort verkörpert, und lebt nun zu dem Ende in unseren Herzen, dass Er die Macht und die Bedeutung des Wortes offenbare. Wenn du möchtest voll sein des Heiligen Geistes, so werde voll des göttlichen Wortes. Verlangst du danach, dass das göttliche Leben des Geistes in dir erstarke, und seine Macht über jeden Teil deines Wesens erstrecke, so lass das Wort Christi reichlich in dir wohnen. Willst du, dass der Geist seines Amtes als des Mahners in dir walte, indem Er dir zur rechten Stunde ein Wort Jesu, das für deine augenblickliche Not passt, in das Gedächtnis ruft, und mit göttlicher Bestimmtheit auf dich anwendet, so musst du die Worte Christi bleibend in dir haben. Ist es dir ein Anliegen, dass der Geist dir in jedem Umstand deines Lebens den Willen Gottes offenbare, dass Er zwischen scheinbar sich widersprechenden Befehlen und Winken mit unfehlbarer Bestimmtheit, das richtige wähle, und dir vor Augen stelle, o dann musst du das Wort lebendig in dir haben, dass Er es nach Belieben anwenden kann. Soll das ewige Wort dein Licht sein, so muss das geschriebene Wort durch den Heiligen Geist in dein Herz eingegraben werden. „Die Worte, die ich rede, die sind Geist und Leben.“ Nimm sie und verwahre sie als deinen höchsten Schatz; denn durch dieselben wird der Geist seine leben wirkende Kraft offenbaren.

Auf der andern Seite finden wir den weit häufigeren Abweg zur Linken. Erwarte niemals, dass das göttliche Wort, sein Leben in dir entfalte, es sei denn, dass der in dir wohnende Geist es aufnehme und deinem inneren Leben aneigne. Wie viel Bibellesen und Bibelstudium, ja wie viel biblisches Predigen hat lediglich den Zweck, die Bedeutung des Wortes zu verstehen! Da denkt mancher, wenn er nur genau und gründlich wisse, was das Wort bedeute, so werde ihm als natürliche Folge der Segen desselben zu teil. Dies ist durchaus nicht der Fall. Das Wort ist ein Same. In jeglichem Samen ist ein Keim, in dem das verborgene Leben liegt. Nun magst du den köstlichsten und an sich vollkommensten Samen besitzen, wenn derselbe aber nicht im entsprechenden Erdreich dem Einfluss der Sonne und der Feuchtigkeit ausgesetzt wird, so wird niemals Leben daraus entstehen. Ebenso mögen. wir die Worte und Lehren der Heiligen Schrift mit großem Verständnis und Ernst in uns aufgenommen haben, und. doch wenig von ihrem Leben und ihrer Kraft erfahren. tut es not, dass wir uns selbst und die Kirche beständig daran erinnern, dass die Schrift, welche die heiligen Menschen. Gottes geredet haben, getrieben durch den Heiligen Geist, nur von heiligen Menschen verstanden werden könne, die unter der Unterweisung desselben Geistes stehen. „Die Worte, die ich rede, die sind Geist und Leben,“ um sie zu erfassen und daran Anteil zu bekommen, dazu ist das Fleisch kein nütze: „Der Geist ist es, der da lebendig macht,“ der Geist des Lebens in uns.

Eine furchtbar ernste Lehre bietet uns in dieser Beziehung die Geschichte der Juden zur Zeit Jesu. Sie waren außerordentlich eifrig, wie sie glaubten, für Gottes Wort und Ehre, und doch zeigte es sich, dass ihr ganzer Eifer sich nur um ihre menschliche Auslegung des göttlichen Wortes drehte. Jesus sagte ihnen: Sucht in der Schrift, denn ihr meint, ihr habt das ewige Leben darinnen; und sie ist's, die von mir zeugt. Und ihr wollt nicht zu mir kommen, dass ihr das das Leben haben möchtet.“ Sie setzten wohl ihr Vertrauen auf die Schrift, dass dieselbe sie zum ewigen Leben führen werde; aber sie erkannten nicht, dass sie von Christo zeugt, und deshalb wollten sie nicht zu Ihm kommen. Sie forschten in der Schrift in dem Licht und der Kraft ihres eigenen, menschlichen Verstandes, und nicht in dem Licht und der Macht des Geistes Gottes. Die Schwachheit so mancher Gläubigen, die doch das Wort Gottes lesen und kennen, hat häufig keine andre Ursache; sie wissen nicht, dass der Geist es ist, der da lebendig macht, und dass das Fleisch, der menschliche Verstand, sei er noch so erleuchtet und tief, kein nütze ist. Sie meinen, sie haben das ewige Leben in der Schrift, aber den lebendigen Christus, die Kraft des Geistes kennen sie kaum.

Das Mittel, um diesem Mangel abzuhelfen, ist sehr einfach: Es bedarf des festen Entschlusses, niemals zu versuchen, das geschriebene Wort zu handhaben ohne den lebendig machenden Geist. Lasst uns nie die Bibel zur Hand nehmen, nie sie betrachten oder gar auslegen, ohne uns klar zu werden, sowohl der Notwendigkeit, als der Verheißung der Erleuchtung durch den Heiligen Geist. In stiller Anbetung lasst uns vor allen Dingen aufblicken zu Gott und Ihn bitten, die Wirkungen seines Geistes in uns zu erneuern, und dann in festem Glauben lasst uns unser Inneres der in uns wohnenden Macht aufschließen, und erwarten, dass dadurch nicht nur der Verstand, sondern das Herz geöffnet werde, um das Wort aufzunehmen.

Da wo der Geist und das innere Leben dem von außen an sie herandringenden Wort begegnen, da wird dasselbe zur geistlichen Nahrung und wir erfahren in Wahrheit, dass die Worte Jesu Geist und Leben sind.

Folgen wir weiter der Unterweisung unsers HErrn und Meisters über den Geist, so wird es uns klar werden, dass der Geist Jesu auch der Geist unsers Lebens sein muss. Der Geist Gottes muss unser innerstes, persönliches Leben sein. Wenn wir so tiefer graben und merken, dass nichts dem Geist des Lebens gleich kommen kann, der da weht in dem Wort des lebendigen Gottes; wenn wir in der unergründlichen Tiefe unsers verborgenen Lebens auf den Heiligen Geist warten, dass Er uns die Worte in ihrer leben erzeugenden Kraft offenbare, und sie dem innersten Leben einpflanze, so werden wir in Wahrheit erkennen: „Der Geist ist es, der da lebendig macht.“ Wir werden sehen, wie unumgänglich nötig es ist, dass die Worte, die da sind Geist und Leben, auch in uns Geist und Leben finden. Auf diese Weise allein können sie ihre Bedeutung entfalten, ihr Wesen mitteilen, und dem bereits in uns wohnenden Geist und Leben ihre göttliche Kraft und Fülle offenbaren.

O mein Gott, von Herzen danke ich dir für deine wunderbare Gabe des innewohnenden Geistes, und demütig bitte ich dich: Bestätige es mir aufs neue, dass Er in mir ist, und sein herrliches Werk in mir treibt.

Lehre mich hauptsächlich glauben, dass Er es ist, der das göttliche Leben in mir zu wecken und zu vermehren vermag, dass Er das Pfand und die Versicherung ist, dafür, dass ich wirklich zu einem Gott wohlgefälligen Leben gelangen kann. Je mehr ich das wünsche, desto besser werde ich verstehen, dass Er, der da der Geist des Lebens in mir ist, in meinem Geist den Hunger nach dem Wort, als meiner Lebensnahrung wecken muss, dass Er diese Speise in mir aufnehmen, und mir einverleiben will, so dass sie in der Tat in mir zu Kraft und Leben werden kann. Vergib mir, o mein Gott, dass ich so oft deine Worte, die doch Geist und Leben sind, mit meinen menschlichen Gedanken, mit meinem fleischlichen Sinne zu verstehen gesucht habe; ich habe es nur gar langsam gelernt, dass das Fleisch kein nütze ist; aber jetzt ist es mein Wunsch, dies recht zu erkennen.

O mein Vater, gib mir den Geist der Weisheit und verleihe mir die mächtigen Wirkungen des Geistes, dass ich erkennen möge, wie tief geistlich ein jedes deiner Worte ist, und wie geistliche Sachen nur geistlich gerichtet werden können. (1 Kor. 2,13). Lehre mich doch, bei allem Umgang mit deinem Wort, das Fleisch und seinen Sinn zu verleugnen, dagegen in demütigem Glauben auf die innere Wirkung des Heiligen Geistes zu warten, damit Er das Wort lebendig mache. Möge darum alle meine Betrachtung deines Wortes, das ich im Gehorsam des Glaubens halten möchte, geschehen im Geist und in der Wahrheit, in Leben und Kraft. Amen.

1. Um ein Buch zu verstehen, muss der Leser der Sprache des Verfassers mächtig sein; in vielen Fällen muss er auch etwas von dem Geiste haben, der den Schreiber beseelte. Um die Heilige Schrift zu verstehen, bedürfen wir der Innewohnung des Heiligen Geistes, der sie den heiligen Menschen Gottes eingab.

2. Das ewige Wort und der ewige Geist sind unzertrennlich. Wir sehen es bei dem schöpferischen Wort und dem schöpferischen Geist (1 Mose 1,2,3; Psalm 33,6), ebenso bei der Tat der Erlösung (Joh. 1,1-3.14.33) und bei dem geschriebenen Wort: „Die Worte, die ich rede, sind Geist“, vergl. auch 1 Thess. 1,5. Dasselbe müssen auch wir erfahren, wenn wir das Wort lesen und betrachten; so gewiss das von Gott eingeflößte Wort von außen an uns herandringt, so gewiss muss es den von Gott eingeflößten Geist im Innern begegnen.

3. Das Wort ist der Same. Jedes Samenkorn hat einen lebendigen Keim, der aber eines ihm entsprechenden Bodens bedarf, um wachsen zu können. Das Wort hat göttliches Leben in sich; siehe zu, dass du das Wort darum nicht nur mit deinem natürlichen Verstand und Willen aufnimmst, sondern in dem neuen Geist, in dem der Geist Gottes wohnt.

4. Ich sehe immer besser ein, dass die Erfahrung der Kraft des Wortes Gottes von der lebendigen Gemeinschaft mit Jesu abhängt. Warum gibt es im Christenleben so oft Niederlagen statt Sieg? Weil die Wahrheit des Wortes festgehalten wird ohne Kraft des Geistes. Gott helfe uns diese zwei Punkte zu glauben: Das Wort ist voll des Geistes und der Kraft Gottes und kann mächtiglich wirken; - in unseren Herzen wohnt derselbe Geist, durch den das Wort in lebendiger Kraft aufgenommen werden kann. Unser Leben muss bestehen in der Kraft des Geistes.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/m/murray/murray-der_geist_jesu_christi/murray_-_der_geist_jesu_christi_-_4.txt · Zuletzt geändert: von aj
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain