Calvin, Jean – Das Evangelium des Johannes - Kapitel 5.

Calvin, Jean – Das Evangelium des Johannes - Kapitel 5.

V. 1. War ein Fest. Der Evangelist gibt nicht an, was für ein Fest das war. Es ist aber wahrscheinlich das Pfingstfest gewesen, wenigstens, wenn das, war hier erzählt wird, sich gleich nach dem Aufenthalt Christi in Galiläa begeben hat. Bald nach Ostern brach Jesus von Jerusalem auf und zog durch Samarien, wo er bis zur Ernte noch vier Monate rechnete (4, 35); bei seinem Eintritt in Galiläa heilte er den Sohn des königlichen Beamten. Der Evangelist sagt, darnach sei dies Fest gefolgt. Der Zeit nach kann es ganz gut Pfingsten gewesen sein; doch will ich das nicht unbedingt behaupten. Über die Gründe, weshalb Jesus die Feste überhaupt besuchte, habe ich mich früher ausgesprochen (zu 2, 13).

V. 2. Bei dem Schaftor ein Teich. Aus der genauen Angabe der Örtlichkeit entnehmen wir, dass das Wunder nicht unbekannt oder nur wenigen bekannt blieb. Dass der Platz recht menschenbelebt war, zeigen die fünf Hallen, und brauchte auch die Nachbarschaft des Tempels mit sich. Außerdem sagt der Evangelist ausdrücklich, es hätten viele Kranke dort gelegen. Den Namen Bethesda hat man verändern wollen in Betheder (Haus der Herde) oder Bethseda (Haus der Fische). Dem kann ich nicht zustimmen. Unverändert ließe sich der Name übersetzen: Haus des Abflusses. Möglicherweise ist das Wasser von dort aus zum Gebrauch der Priester durch Kanäle oder Röhren in den Tempel geleitet worden. Das Schaftor wird seinen Namen davon haben, dass das Kleinvieh, welches als Opfer dargebracht werden sollte, durch das Tor herzu geführt wurde.

V. 3. Lagen viel Kranke. In den Hallen werden die Kranken wohl gelegen haben, um Almosen zu erbitten, wenn das Volk hindurchging, um im Tempel anzubeten. Auch pflegte man dort Schafe zu kaufen, die zum Opfer dienen sollten. An einzelnen Festtagen heilte Gott dort eine Anzahl Kranke, umso den gesetzlich vorgeschriebenen Gottesdienst und die Heiligkeit des Tempels zu empfehlen. Zur Zeit der größten Blüte der Religion ist nach der Schrift nichts dergleichen vorgekommen. Die Propheten haben nur in außergewöhnlichen Fällen Wunder getan. Da könnte es uns sonderbar vorkommen, dass Gottes Kraft und Gnade herrlicher als sonst sich offenbarte angesichts der Zerrüttung und Verwirrung der Verhältnisse des jüdischen Volkes. Was hatte das für Ursachen? Ich denke zwei.

Als der Geist Gottes in den Propheten wohnte, da war hierdurch schon die Gegenwart Gottes hinreichend bezeugt; damals bedurfte die Religion keiner anderen Bestätigung. Die Gesetzgebung war unter gewaltigen äußeren Zeichen dem Volke erteilt worden, und Gott hatte durch zahllose Zeugnisse immer wieder verbürgt, dass er den jüdischen Gottesdienst befehle. Gegen die Zeit des Auftretens Christi gab es nun keine Propheten mehr. Überhaupt war der Zustand Israels ein so kläglicher, mancherlei Versuchungen drängten ringsum, dass eine außerordentliche Hilfe Gottes ein Bedürfnis war. Ohne sie hätte man denken können, dass Gott sein Volk völlig verworfen habe. So wäre man in Mutlosigkeit untergegangen. Bekanntlich war Maleachi der letzte der Propheten. Er hat deswegen seiner Lehre noch die besondere Mahnung angehängt (3, 22), die Juden sollten an das dem Moses übergebene Gesetz denken, bis der Messias erscheine. Gott wollte dadurch, dass er keine Propheten mehr schickte, einen rechten Hunger in den Juden erwecken, dass sie den Messias umso sehnsuchtsvoller erwarten sollten, und, wenn er da wäre, ihn umso ehrerbietiger aufnähmen. Doch sollte das Heiligtum und seine Opfer und der ganze Gottesdienst des Volkes, aus welchem der Weltheiland hervorging, nicht ganz ohne göttliche Bezeugung sein. Deshalb gab Gott den Juden für diese Zeit die wunderbaren Heilungen im Teiche Bethesda. Indem Gott Kranke gesund machte, streckte er sozusagen seine Hand vom Himmel herab zu diesem Volke, es dadurch vor den Heiden auszeichnend, um damit zu zeigen: ich will den vom Gesetz vorgeschriebenen Gottesdienst geübt haben. Ferner ist es mir nicht zweifelhaft, dass Gott mit diesen Zeichen das Volk hat mahnen wollen: die Zeit der Erlösung wird bald anbrechen; Christus, der Spender des Heils, ist nahe! Die Zeichen sollten ein Weckruf sein für jedermann. Die Bethesda-Wunder sollten dem Volke predigen: Gott ist noch immer mitten unter euch! Bleibt beständig im Gehorsam gegen das Gesetz! Rüstet eure Seelen auf den Anbruch der messianischen Zeit!

Blinde, Lahme, Verdorrte. Damit wir wissen, welch schwere Krankheiten Gott geheilt hat, zählt der Evangelist einige bestimmte Leiden namentlich auf. Ein menschlicher Arzt steht der Blindheit, Lähmung und gichtischen Verkrüppelung ohnmächtig gegenüber. Solch eine Schar von Menschen, deren Glieder nicht richtig ausgebildet waren, muss einen traurigen Anblick gewährt haben. Doch vermochte dort die Herrlichkeit Gottes heller zu leuchten, als angesichts eines großen Heeres gesunder und wohlgestalteter Leute. Wie herrlich ist es doch, wenn Gott mit seiner allmächtigen Hand natürliche Gebrechen bessert und zurechtbringt! Ja, wie unvergleichlich, schön und süß, wenn er, der über die Maßen gütige Gott, uns Menschen in unserem Elend zu Hilfe kommt! Eine Schaubühne der Majestät Gottes von höchstem Adel, dort der Teich am Schaftor, wo sie sich nicht nur für die Bedürftigen, sondern auch für jedermann, der zugegen war, kundtat! Das war wahrlich nicht die untergeordnetste Zierde des Tempels, dass Gott hier mit ausgereckter Hand es bewies: ich bin noch unter euch!

V. 4. Denn ein Engel usw. Gott selbst macht die Kranken gesund. Aber er braucht dazu in der Regel, so auch hier, seine Engel. Sie heißen deswegen auch (Eph. 1, 21) Gewalten und Kräfte, nicht als säße Gott selber müßig im Himmel und träte ihnen seine Macht ab, - sondern vielmehr, weil er dadurch, dass er in seinen Engeln gewaltig wirkt, seine Kraft uns in großartiger Weise bezeugt. Es ist also ein übler Missgriff, wenn man behauptet, die Engel hätten einen ganz selbständigen Wirkungskreis, oder gar, sie stünden wie eine Scheidewand zwischen Gott und uns. Ihre Aufgabe ist es nicht, die Gegenwart Gottes zu beseitigen und seine Herrlichkeit in den Schatten zu stellen, sondern gerade umgekehrt: durch sie und in ihnen offenbart sich der gegenwärtige Gott. Aus heidnischer Weltweisheit stammen die Irrlehren, als seien die Engel dazu da, den unermesslichen Abstand zwischen Gott und uns auszufüllen. Man müsse deshalb die Engel um ihre Fürsprache angehen, wolle man der göttlichen Gnade teilhaftig werden. Grundverkehrt! Wir haben nichts anderes zu tun, als, ohne rechts oder links zu schauen, gerade auf Christum loszugehen. Ist er unser Führer und Leiter, von dessen Befehlen wir ganz abhängig sind, dann stehen die Engel in unserem Dienste als Mithelfer zum Heil.

Zu seiner Zeit. Gott hätte in einem Augenblick alle Kranken gesund machen können. An der Macht dazu fehlt es ihm nicht. Aber wie seine Wunder ihren bestimmten Zweck haben, so müssen sie auch ihr bestimmtes Maß halten. Christus erinnert ja selbst daran (Luk. 4, 25 f.), dass von den vielen Verstorbenen zur Zeit des Elisa nur der eine Knabe auferweckt worden ist, und dass zu der Zeit der großen Dürre Elias nicht allen bedrängten Witwen, sondern nur der einen Hilfe gebracht war. Ähnlich ist es hier. Der Herr begnügt sich damit, nur an einigen Kranken seine Gegenwart durch die Tat zu bekunden. Die Art und Weise nun, wie er sie heilt, gemahnt uns daran, wie wenig es sich für uns geziemt, Gott vorzuschreiben, was er zu tun habe. Das Wasser bewegt sich. Ist denn das, menschlichem Urteil nach, ein Grund, anzunehmen, dass es jetzt Hilfe und Heilung bringen werde? Doch wahrlich nicht! Gott will eben, dass wir auf unsere eigenen Gedanken verzichten. Auf diesem unscheinbaren Wege hilft er, um uns an gläubigen Gehorsam zu gewöhnen. Wir sind versessen auf das, was, abgesehen von Gottes Wort, unserer Vernunft zusagt. Er will an uns willfährige Leute haben. Deswegen stellt er uns allerlei in den Weg, was unserer Vernunft zuwiderläuft. Dann erst haben wir die Prüfung bestanden, dass wir in Gottes Schule etwas gelernt haben, wenn wir die Augen schließen und seinem Worte blind folgen, mag es uns auch vorkommen, als würde es sich der Mühe nicht lohnen, wenn wir so handeln. So hat es Naeman (2. Kön. 5), den der Prophet zur Heilung seines Aussatzes an den Jordan schickte, und der dies zuerst als einen Spott verachtete, doch schließlich erfahren, dass Gottes Verordnungen zwar oft wider unsere Vernunft laufen, uns aber niemals täuschen und irreführen. Gewiss wäre es Torheit, zu glauben, dass das bewegte Wasser an sich einen Menschen hätte heilen können. Aber die Bewegung des Wassers war ein deutlicher Beweis dafür, dass Gott die Naturkräfte nach seinem freien Willen gebrauchte, und dass das, was das Wasser wirkte, eine unmittelbare Wirkung Gottes selber war. Als ein äußeres Sinnbild sollte diese Bewegung die Gedanken der Kranken auf Gott selbst, als den einigen Spender aller Gnadengaben lenken.

V. 5. Es war aber ein Mensch usw. Der Evangelist zählt mancherlei Umstände auf, welche die Tatsächlichkeit des Wunders außer Frage stellen. Die Krankheit hatte schon so lange gedauert, dass die Hoffnung auf Besserung dahingeschwunden war. Der Kranke beklagt sich: andere berauben ihn der heilkräftigen Wirkung des Bethesdawassers. Wiederholt hatte er den Versuch gemacht, sich in das aufgeregte Wasser hineinzuwerfen, - immer vergebens! Niemand war ihm behilflich. Auf diesem dunklen Hintergrunde hebt sich die Tat Christi umso leuchtender ab, sichtbar für jedermann. Eben das hatte er selbst auch im Auge mit dem Befehl an den Kranken, das Bett wegzutragen. Jedermann sollte merken: der Mann ist nicht anders gesund geworden, als durch die Wohltat Christi. Eben noch hatte er elend darniedergelegen, - jetzt sind all seine Glieder stark und kräftig. Unversehens steht er da. Eine solche plötzliche Änderung seines Befindens musste bei denen, die sie mit ansahen, umso größeres Aufsehen erregen.

V. 6. Willst du gesund werden? So fragt Jesus, als wäre das nichts Selbstverständliches. Er will so die Sehnsucht nach der Gnade, die er dem Kranken zu erweisen beabsichtigt, in demselben rege machen, zugleich aber auch die Zeugen, die dabei waren, recht zum Aufmerken bringen. Hätten sie an etwas anderes gedacht, so war es nicht ausgeschlossen, dass ihnen das Wunder entging. Von ganz plötzlichen Vorgängen merkt man ja in vielen Fällen nichts. Aus diesen zwei Gründen stellt Jesus die vorbereitende Frage.

V. 7 u. 8. Ich habe keinen Menschen. Dieser Kranke macht es genau wie wir alle. Wenn er überhaupt an die Hilfe Gottes denkt, so behält er diese Gedanken für sich. So weit er es mit dem Verstande fassen kann, macht er sich Hoffnungen, weiter nicht. Christus hat Verzeihung für solche Schwachheit. So wird uns dieser arme Mensch ein Beispiel für die Güte und Nachsicht unseres Herrn, die wir selbst täglich erfahren dürfen. Auch wir hängen ja wie festgewachsen an den greifbaren und sichtbaren Dingen. Und da kommt dann, wo wir sie gar nicht vermuteten, seine göttliche Hand aus ihrer Verborgenheit hervor und zeigt auch uns, wie viel größer doch seine Liebe ist, als es unser schwacher Glaube dachte. Diese Geschichte will uns außerdem zur Geduld erziehen. Dreißig Jahre, gewiss eine lange Zeit! Immer wieder hat Gott seine Hilfe weiter hinausgeschoben. Und doch hatte er sich von Anfang an vorgenommen, dem Kranken zu helfen. Mag er also auch uns lange warten lassen, so ist es uns wohl nicht zu verdenken, wenn wir angstvoll seufzen in aller unserer Not; und doch darf es uns nicht verdrießen, dass es so lange dauert; niemals sollen wir den Mut fahren lassen. Erscheint nirgend ein Ausweg, will unser Unglück kein Ende nehmen, so bleibt es dennoch fest dabei: Gott ist ein Erlöser, der Wunder tut und mit seiner Kraft gar leichtlich alle Hindernisse über den Haufen wirft.

V. 9. Es war aber Sabbat. Christus wusste gar wohl, welchen Widerstand es setzen würde, als der Geheilte, mit seinem Bündel bepackt, seines Weges ging. Das Gesetz verbietet ausdrücklich (Jer. 17, 21), am Sabbat irgendeine Last zu tragen. Wenn es Christus dennoch so haben wollte und die Gefahr nicht achtete, die er herauf beschwor, so hatte das seinen Grund. Einmal sollte so das geschehene Wunder allem Volke bekannt werden. Ferner sollte sich so der Anlass bieten und sozusagen der Weg gebahnt werden für die herrliche Predigt, die Christus unmittelbar darauf gehalten hat. Schon das Bekanntwerden seiner Wundertat machte einen solchen Eindruck auf das Volk, dass ihm die ursprüngliche Aufregung desselben über die am Sabbat getragene Last gleichgültig sein konnte, zumal er eine vollwichtige Verteidigung zur Hand hatte, welche, mochte sie auch gottlosen Leuten nicht gefallen, doch reichliche Widerlegung ihrer Verleumdungen in sich schloss.

Als Regel haben wir demnach zu befolgen: Mag die ganze Welt in Zorneshitze glühen, wir haben die Ehre Gottes zu verkündigen und seine Werke zu predigen, so weit es um seiner Ehre willen von Bedeutung ist, dass sie bekannt werden. Matt werden, oder gar die Sache aufgeben dürfen wir keinesfalls, mag es uns auch bei unserem Bestreben übel ergehen, wenn wir nur unseren Zweck, Gottes Ehre zu mehren, treu im Auge behalten und uns nicht auf ein Gebiet hinauswagen, das uns nichts angeht.

V. 10 bis 12. Es ist heute Sabbat. Da das Sabbatgebot von jedermann Beobachtung fordert, so ist es zunächst ganz recht und billig, dass man dem Menschen einen Vorwurf macht. Als er aber nun seine Entschuldigung vorbringt, da erklärt man dieselbe für ungenügend. Hier beginnen die Juden sich zu versündigen. Sie hätten den Menschen gehen lassen müssen, nachdem sie den Grund erfahren hatten. Eine Last tragen war, wie gesagt, eine Verletzung des Sabbattages. Hat aber Christus jemandem die Last auf die Schulter gelegt, so wirft er damit sein Ansehen in die Waagschale, und der Mann, der die Last trägt, ist ohne Schuld. Wir können daraus lernen, dass wir uns vor übereiltem Urteil zu hüten haben: zuvor sollen wir der Sache, die gerade vorliegt, ernstlich auf den Grund gehen. Was dem Worte Gottes zuwiderläuft, das verdient unser Verdammungsurteil; da gibt es kein Für und Wider. Aber weil gar leicht ein Versehen unterlaufen kann, soll man zuvor sachlich und in aller Ruhe den vorliegenden Fall untersuchen, um zu einem gesunden, nüchternen Urteil zu gelangen.

In fanatischer Erregung unterlassen die Juden eine solche Untersuchung; so kann freilich ein maßvolles Urteil nicht zustande kommen. Wenn sie Belehrung angenommen hätten, dann wäre nicht nur ihr Anstoß beseitigt worden, - mehr als das: sie wären einen tüchtigen Schritt weiter gekommen in der Erkenntnis des Evangeliums. Sie haben sich damit, dass sie eine gerechte Verteidigung nicht gelten ließen, versündigt. Der Geheilte konnte sich damit entschuldigen, dass er nur täte, was der ihm aufgetragen, der doch wohl Recht und Macht zu befehlen hatte. Wusste er auch noch nicht, wer Christus war, so war er doch fest überzeugt davon, dass der, dessen göttliche Kraft er verspürt hatte, von Gott gesandt sei; das führt ihn zu dem Schlusse: also muss ich ihm unbedingt Gehorsam leisten. Dem Anscheine nach verdient es Tadel, dass er sich durch ein Wunder vom Gesetzesgehorsam entbinden lässt. So viel ist zuzugeben: so recht feste Gründe für sein Handeln hätte er schwerlich anzugeben vermocht. Wer ihm indes daraus einen Vorwurf machen will, der mag sich wohl vorsehen, dass man ihm nicht entgegne: doppelt groß ist deine Sünde, dass du nicht beachtest, was für eine außerordentliche Tat Gottes hier geschehen ist, und dass du so abzuurteilen dich vermissest, ehe du auf den Propheten gehört hast, der in Gottes Auftrag dem Geheilten befahl, das Bett zu tragen.

V. 13. Wusste nicht, wer es war. Christus wollte gewiss nicht, dass der Glanz einer solchen Tat verbleiche; aber es war ihm daran gelegen, dass die Tat, ehe er sich selbst als ihren Urheber bekannte, zuvor recht weit bekannt werde. Deshalb entzog er sich eine Zeit lang der Nachforschung. Er wollte es den Juden freistellen, ohne Ansehen seiner Person sich ein Urteil über die Sache an sich zu bilden. Wir sehen daraus, dass die vollzogene Heilung nicht auf Rechnung des Glaubens gesetzt werden kann. Der Geheilte weiß ja, als er das Wunder erlebt hat, noch gar nicht, wer denn nun eigentlich sein Arzt ist; dagegen hat der Glaube ihn geleitet, als er tat, wie ihm befohlen ward, und sein Bett aufnahm. Man mag immerhin von einem Instinkt des Glaubens, den er unbewusst gehabt hat, reden; dass aber der Mensch sich nicht auf eine klare Erkenntnis stützen konnte, geht aus dem Zusammenhang doch mit völliger Klarheit hervor.

V. 14. Darnach fand ihn Jesus. An dieser Stelle wird es vollends klar, dass die zeitweilige Verborgenheit Christi nicht den Zweck gehabt haben kann, das geschehene Wunder in Vergessenheit geraten zu lassen. Kommt er doch aus freien Stücken wieder hervor. Das Volk soll zuerst die Tat kennenlernen, dann ihren Täter. Übrigens birgt unsere Stelle eine fruchtbare Lehre. Wenn Christus daran erinnert: Du bist gesund worden, so gibt er damit zu verstehen, dass man Gottes Wohltaten schmählich missbraucht, wenn man sich durch dieselben nicht zur Dankbarkeit stimmen lässt. Christus rückt es dem Manne nicht vor, was er ihm gegeben hat. Er erinnert ihn nur daran: Du bist deswegen geheilt worden, dass du in deinem ganzen Leben hinfort nicht vergisst, was Gott aus Gnaden an dir getan, und ihn als deinen Erretter ehrst. Gleichwie Gott uns durch Rutenschläge zur Buße antreiben will, so lädt er uns zu ihr auch ein durch seine Güte und Milde. Alles, was Gott durch das Erlösungswerk und durch alle seine Gaben erreichen will, ist ja nur das eine, dass wir ihm ganz gehören. Das erreicht er aber nur dann an uns, wenn wir es uns fest ins Gedächtnis schreiben, dass wir der Strafe entronnen sind, und wenn wir beständig daran denken: Uns ist Erbarmung widerfahren.

Was Christus weiter sagt, das erinnert uns daran, dass alles Übel, war wir erdulden, im Zusammenhange mit unseren Sünden steht; keinerlei Unglück trifft uns durch Zufall, es ist stets eine Zuchtrute Gottes. Zunächst also haben wir zu erkennen, dass nicht ein blindes Ungefähr, sondern Gottes Hand uns schlägt; sodann haben wir Gott die Ehre zu erweisen, dass wir glauben: er, der liebevolle Vater, hat keine Lust an unserem Elend; seine Strafe ist immer unserer Sünde angemessen. Sagt nun Christus weiter: sündige hinfort nicht mehr, so fordert er damit nicht eine völlige Sündlosigkeit; er redet vielmehr vergleichsweise, im Blick auf das frühere Leben des Mannes. Er ermahnt ihn, er solle nun sich bekehren und nicht unverändert derselbe bleiben.

Etwas Ärgeres. Wenn Gott mit Ruten nichts bei uns ausrichtet, womit der Vater, der die Menschen so lieb hat, uns gelinde züchtigt wie zarte, verwöhnte Kinder, dann muss er es ganz anders anfangen und sein Vaterherz verleugnen. Dann ergreift er eine Peitsche, um unseren Trotz zu bändigen, wie er wiederholt ankündigt (3. Mo. 26, 14 ff.; 5. Mo. 28, 15 ff.; Ps. 32, 9 u. a. m.). Wenn also immer wieder neue Leiden uns bedrücken, dann ziemt es sich, dass wir denken: das kommt von unserer Halsstarrigkeit her. Wir gleichen nicht nur widerspenstigen Rossen oder Maultieren, sondern ungezähmten Bestien; und auch der Vergleich ist noch zu schwach. Deshalb ist es kein Wunder, wenn Gott schließlich mit furchtbaren Strafen, wie mit Hammerschlägen, über uns kommt, wenn die leichtere Strafe bei uns nichts geholfen hat. Es ist recht und billig, wenn er die zerbricht, die sich nicht bessern lassen wollten.

Alles in allem: die Strafen sind dazu da, dass wir ferner mehr auf unserer Hut sind. Wenn wir bei den ersten und ebenso bei den zweiten Schlägen der Hand Gottes doch noch das gleiche harte Herz gegen ihn behalten, dann wird er seine Schläge ums Siebenfache verschärfen. Wenn wir bloß kurze Zeit uns bußfertig erweisen, dann aber wieder in unser ursprüngliches Wesen verfallen, dann wendet er härtere Züchtigungen an; wir zwingen ihn dazu durch unseren Leichtsinn und durch die Gleichgültigkeit, womit wir die frühere Züchtigung vergaßen.

Übrigens lohnt es sich wohl, an diesem Manne zu sehen, wie gütig und nachsichtig der Herr uns trägt. Nehmen wir an, dass er dem Greisenalter nahe war; dann muss ihn die Krankheit in der besten Blüte seiner Jahre ergriffen haben. Vielleicht ist er ja auch ein Knabe gewesen, als er krank wurde. Stellen wir uns einmal vor, wie hart eine so langjährige Strafe gewesen sein muss! Trotzdem kann Gott nicht der Vorwurf gemacht werden: du bist zu streng gewesen, indem du durch ein so langwieriges, erschlaffendes Leiden diesen Menschen an den Rand des Grabes gebracht hast. Wenn die Strafen, die uns zu teil werden, leichtere sind, so hat das seinen Grund nur darin, dass Gott nach seiner unaussprechlichen Güte nicht den höchsten Grad der Strafen bei uns anwendet. Wir wollen uns auch einprägen, dass es keinerlei Strafen gibt, die so schrecklich und grausam wären, dass Gott sie nicht noch steigern könnte, so oft es ihm gut scheint. Ohne Zweifel geschieht es oftmals, dass durch ihre Klagen unglückliche Menschen sich erst recht schauerliche und unerhörte Qualen zuziehen, während sie schon behaupteten: ärger kann es nicht mehr kommen.

Der Herr sagt (5. Mo. 32, 34): Ist solches nicht bei mir verborgen und versiegelt in meinen Schätzen? Merkwürdig übrigens, wie langsam die Züchtigungen Gottes etwas an uns ausrichten! Christi Mahnung war doch hier gewiss nicht überflüssig; so dürfen wir annehmen: trotz achtunddreißigjähriger Krankheit war die Seele dieses Menschen noch nicht recht von allen ihren Fehlern gereinigt. Wie tief stecken doch die Wurzeln der Sünde im Menschenherzen! Es ist unmöglich, sie auf einen Ruck herauszureißen! Wenn eine kranke Seele geheilt werden soll, so genügt nicht eine Behandlung von wenigen Tagen.

V. 15 u. 16. Der Mensch ging hin usw. Es kam ihm dabei nicht von ferne in den Sinn, dass er den Hass von sich ab- und auf Christum hinlenken wollte. Es ging wider all sein Erwarten, als die Juden nun in solcher Wut sich gegen Christum wendeten. Er folgte einer frommen Regung: er wollte seinen Wunderarzt ehren, wie es ihm zukam, - für die Juden ein Anlass, ihr Gift gegen ihn zu brauchen, indem sie nicht nur Christum auf Sabbatschändung verklagen, sondern sich zu maßlosem Wüten hinreißen lassen.

V. 17. Mein Vater wirkt bisher. Beachte, wie sich Jesus verteidigt. Er gibt seinen Verklägern nicht zur Antwort: das Sabbatgebot hat nur vorübergehende Bedeutung und muss jetzt abgeschafft werden. Er behauptet vielmehr: Ich habe das Gesetz gar nicht verletzt, denn das Werk, das ich getan habe, war ein göttliches. Allerdings war die Bestimmung des Zeremonialgesetzes, welcher Christus durch sein Kommen ein Ende gemacht hat (vgl. Kol. 2, 16), eine vergängliche, ein Schatten dessen, das durch ihn kommen sollte; aber das macht für den vorliegenden Fall nicht das mindeste aus. Das Sabbatgebot verordnet nur, dass die Menschen von allen ihren Werken ruhen sollen. Die Beschneidung z. B. ist nicht Menschenwerk, sondern Gottes Werk, folglich wohl vereinbar mit der Sabbatfeier. Auf diesem Hauptstück bleibt Christus fest bestehen: durch göttliche Werke wird die im mosaischen Gesetz gebotene heilige Ruhe nicht gestört. Damit ist nicht nur sein eigenes Tun entschuldigt, sondern auch das des Mannes, der sein Bett trug. Das Tragen des Bettes war sozusagen nur in Anhängsel, ja, ein Bestandteil des Wunders; es war der Vollbeweis dafür, dass das Wunder wirklich geschehen war. Und wenn man zu den göttlichen Werken auch die Darbringung des Dankes und die Verkündigung seines Ruhmes zählt, dann ist es gewiss keine Entheiligung des Feiertages gewesen, wenn der Kranke zur Bezeugung der ihm widerfahrenen Gnade Gottes seine Füße und seine Hände brauchte.

Indes redet Christus hier hauptsächlich von sich selber; der Hass der Juden richtete sich ja in größerem Maße auf seine Person. Dabei bezeugt er, dass die dem Kranken wiedergeschenkte Gesundheit ein Erweis der in ihm wohnenden Gotteskraft ist. Er bekennt sich als Gottessohn und versichert, dass er ganz die gleiche Art des Wirkens befolge, wie der Vater.

Über die Bedeutung des Sabbattages und die Gründe, um derentwillen er eingesetzt wurde, will ich mich hier nicht weiter äußern. Zu unserer Stelle genügt die eine Bemerkung: die Heilighaltung des Sabbats will durchaus nicht den freien Lauf der Gotteswerke unmöglich machen oder auch nur verlangsamen, im Gegenteil: sie will ihnen ganz allein Raum verschaffen. Nur darum legt ja das Gesetz den Menschen die Ruhe von ihren eigenen Werken auf, damit sie ihre leeren und ungebunden umherschweifenden Gedanken einmal ernstlich auf die Betrachtung der Werke Gottes richten.

Es wäre darum wider das Gesetz und ein grobes Missverständnis desselben, wenn man meinen wollte, dass der Sabbat keinen Spielraum für Gottes Wirken gewährt. Freilich beruft man sich dagegen auf das Wort der Schrift (1. Mo. 2, 2), dass Gott nach Vollendung seines Werkes am siebenten Tage geruht habe. Aber dies Wort will doch nur besagen, dass Gott den siebenten Tag geheiligt hat, damit die Menschen ihre Gedanken auf seine Werke richten möchten. Dabei schloss Gottes Ruhe seine Tätigkeit nicht aus: er hat dabei die von ihm geschaffene Welt mit seiner Kraft erhalten, nach seinem Ratschlusse regiert, nach seiner Güte versorgt, und alles nach seinem Willen angeordnet im Himmel und auf Erden. Die Schöpfung der Welt war nach sechs Tagen beendet; die Regierung der Welt hat Gott jedoch auch nicht einen einzigen Tag versäumt, ebenso wenig ihre Erhaltung (Apg. 17, 28; Ps. 104, 29). Und Gott bewahrt nicht nur im Allgemeinen durch seine Vorsehung seine Schöpfung, sondern er kümmert sich um das geringste Einzelne in ihr. Zumal seine Gläubigen unter seinem besonderen Schutze stehen.

Und ich wirke auch. Christus verweilt nicht lange bei der Verteidigung der Sache, um die es sich augenblicklich handelt, sondern setzt auseinander, was der Zweck und die Bedeutung dieses Wunders ist: es soll daran erkannt werden, dass er der Sohn Gottes ist. Bei allem, was er redete und tat, hatte er im Sinne, sich als den Spender des Heils kundzutun. „Ich wirke auch“, damit legt er sich eine göttliche Eigenschaft zu, wie wir Hebr. 1, 3 lesen: „Er trägt alle Dinge mit seinem kräftigen Wort“. Er bezeugt seine Gottheit, um, im Fleische geoffenbart, des messianischen Amtes zu walten. Er betont also seinen Abstieg vom Himmel, um uns einen Eindruck von dem Zweck seines Kommens auf die Erde zu geben.

V. 18. Darum trachteten usw. Diese Verteidigung vermochte ihre Wut nicht zu beseitigen. Ach nein, sie wurde dadurch nur noch heftiger. Das wusste Jesus recht wohl. Doch kam es ihm hauptsächlich darauf an, den paar Jüngern, welche zugegen waren, zu nützen, und dann auch, die unheilbare Bosheit der Juden ans Licht zu bringen. An diesem Beispiele Jesu lernen wir, dass man niemals einen Schritt breit zurückgehen soll gegenüber der unsinnigen Wut gottloser Menschen. Wir sollen den Mut haben, die göttliche Wahrheit, soweit es nottut, zu verteidigen, stünde auch die ganze Welt gegen uns. Auch braucht das den Dienern Christi keinen Kummer zu machen, wenn sie nicht alle, wie sie es wohl gerne möchten, auf ihre Seite bringen; das ist selbst Christo nicht gelungen. Kein Wunder, dass überall da, wo Gott sich recht herrlich offenbart, Satan in seinen Gliedern und Werkzeugen sich umso toller gebärdet.

Wenn der Evangelist in der Mitte unseres Verses sagt, dass Jesus den Sabbat brach, so ist das natürlich nur im Sinne der Feinde Jesu geredet; sie sagten so. Dass es sich um keinen Sabbatbruch handelte, ist oben ausführlich dargelegt. Mehr noch als über die vermeintliche Verletzung des Sabbats ereifern sich die Gegner darüber, dass Jesus sagt, Gott sei sein Vater. Offenbar wollte er in besonderem Sinne, um sich von den anderen in seiner Einzigartigkeit abzuheben, sich hier die Gottessohnschaft zuschreiben. Wenn er sich ein fortwährendes Wirken beilegte, so hat er sich in der Tat Gott gleich gemacht.

V. 19. Da antwortete Jesus. In gehässiger Gesinnung warfen ihm die Juden vor, er mache sich Gott gleich. Er erwidert nicht: da habt ihr mich missverstanden. Im Gegenteil; er sagt: das tue ich allerdings. Und zwar lässt er sich nicht davon abbringen: es ist ein göttliches Werk, - eben dies Wunder, das die Juden anfochten. Wollen sie fortfahren, es zu verwerfen, so befinden sie sich in offenem Kampfe mit Gott. Übrigens handelt es sich in diesen Ausführungen Christi nicht um seine bloße Gottheit, ja das unmittelbar Folgende passt durchaus nicht auf das ewige Wort Gottes an und für sich, sondern nur auf den im Fleische geoffenbarten Gottessohn. Christus muss uns hier so vor Augen stehen, wie ihn Gott zum Werk der Erlösung in die Welt sandte. Die Juden dachten: er ist ein Mensch wie andere auch, nichts Besseres. Deswegen betont er: Nicht aus menschlichem Vermögen habe ich den kranken Mann geheilt, sondern durch göttliche Kraft, von der ihr, da ich als ein Mensch vor euch stehe, nichts ahntet. Während also die Juden um seiner äußeren Erscheinung willen Christum für nichts achteten, will er ihre Augen höher empor auf Gott richten. Der entscheidende Gedanke seiner Rede ist, dass man sich irrt, wenn man ihn für einen bloßen Menschen hält und darum sich an seinen göttlichen Werken stößt. Demgegenüber betont Jesus vielmehr, dass sein Wirken sich ganz mit des Vaters Wirken deckt.

V. 20. Der Vater hat den Sohn lieb. Man trifft den Inhalt dieser Worte nicht, wenn man sagt: der Vater liebt sich selbst im Sohne. Vielmehr passt es aufs schönste bei Christo, der als Mensch auf Erden wandelt, dass er vom Vater geliebt wird. Ja, Christus empfängt den Titel des lieben oder geliebten Sohnes (Mt. 3, 17), der ihn vor allen Engeln und Menschen auszeichnet. Er war auserkoren zum Wohnsitz der ganzen Gottesliebe; wie aus einem übervollen Brunnquell sollte sie von ihm aus auf uns überströmen. Christus wird vom Vater geliebt als das Haupt der Gemeinde. Um dieser Liebe willen, so hören wir hier, wirkt der Vater alles durch seine Hand: und zeigt ihm alles. Dieser Ausdruck deutet auf Gottes Mitteilung an den Sohn. Jesus will sagen: der Vater hat seine liebende Seele und dazu seine Kraft in mich ausgegossen, damit in meinen Taten seine Herrlichkeit widerstrahle, ja dass man alles Göttliche, was man nur suchen mag, in mir finden könne. In der Tat wird man Gottes Macht vergeblich suchen, wenn man von Christo absieht.

Wird ihm noch größere Werke zeigen. Damit deutet Jesus an, dass das eben vollbrachte Heilungswunder nicht etwa den Gipfel der ihm vom Vater aufgetragenen Werke bildet. Er hat darin nur einen kleinen Vorgeschmack von demjenigen Gnadenwerke gegeben, das recht eigentlich seinen Auftrag ausmacht, nämlich, dass er der Welt das Leben wiedergeben soll.

Wenn er hinzusetzt: dass ihr euch verwundern werdet, so ist das ein Hieb auf die Undankbarkeit der Juden. Wie verachteten sie doch den herrlichen Beweis seiner göttlichen Kraft! Er gibt ihnen damit zu verstehen: so stumpf und träge ihr jetzt auch seid, - was Gott dereinst durch mich tun wird, das wird euch, auch wenn ihr nicht wollt, zur Verwunderung hinreißen.

V. 21. Denn wie der Vater usw. Zusammenfassend schildert Jesus hier die Art des vom Vater ihm übertragenen Berufes. Es scheint nur so, als höbe er eine einzelne Seite desselben hervor, tatsächlich verkündigt er hier die Grund- und Hauptlehre: Ich bin der Urheber des Lebens! Das Leben aber enthält in sich die Gerechtigkeit und alle Gaben des heiligen Geistes, kurz alles, was zu unserem Heile gehört. Das besondere Wunder, welches hier genannt ist, soll nur als durchschlagender Beweis für Christi Kraft dienen und damit den allgemeinen Nutzen schaffen, dass es dem Evangelium die Tür öffnet. Wohl zu merken ist nun, wie Christus uns das Leben bringt: findet er alle im Zustande des Todes, so muss er mit der Auferweckung den Anfang machen. Wird nun hinzugefügt: und macht sie lebendig, so ist dies durchaus kein überflüssiger Zusatz. Dass wir dem Tode entrissen sind, ist noch nicht hinreichend: darüber hinaus muss uns Christus nun das Leben in voller Kraft und Fülle wiederschenken. Übrigens verleiht er dies Leben nicht allen Menschen ohne Unterschied: der Sohn macht lebendig, welche er will, d. h. die Auserwählten, die er seiner besonderen Gnade würdigt.

V. 22. Denn der Vater richtet niemand. Immer größere Klarheit bringt der Verlauf der Rede. Wie regiert der Vater die Welt? Er tut es durch seinen Sohn. Durch dessen Hand übt er die Herrschaft aus: alles Gericht, d. h. nach hebräischem Sprachgebrauch alle Herrschergewalt (vgl. z. B. Richt. 10, 2) hat er dem Sohn gegeben. Damit erreicht die Rede ihren Höhepunkt: der Vater hat den Sohn zum Herrscher eingesetzt, der nun Himmel und Erde nach seinem Willen regiert. Freilich könnte es ungereimt erscheinen, dass der Vater sein Regiment abgetreten haben und nun im Himmel müßig leben soll. Doch ist ja der Ausdruck nicht in Hinblick auf Gott, sondern in Hinblick auf Christi Verhältnis zu den Menschen gewählt. Im Vater ist durchaus keine Veränderung dadurch vor sich gegangen, dass er Christum zum Oberkönig und Herrn Himmels und der Erde eingesetzt hat. Er ist ja selber im Sohn und wirkt in ihm.

Uns aber wird Christus vor Augen gestellt als das sichtbare Bild des unsichtbaren Gottes: denn wollten wir unmittelbar zu Gott aufschauen, würde sofort unser Auge geblendet werden. Nun brauchen wir uns nicht mehr vergeblich zu mühen, des Himmels Geheimnisse zu durchforschen: Gott ist ja unserer Schwachheit entgegengekommen und lässt sich in Christi Person aus ganzer Nähe schauen. In allen Anliegen des Weltregiments, unseres bedürftigen Zustandes und der Sicherung unseres ewigen Heils wollen wir denn allein auf Christum blicken. In seinen Händen liegt alle Macht, in seinem Angesicht zeigt sich uns Gott der Vater, der uns sonst gänzlich verborgen sein würde, und dessen unverhüllte Majestät uns mit ihrem Glanz verzehren müsste.

V. 23. Auf dass sie alle den Sohn ehren usw. Dieser Vers bestätigt das oben Gesagte: Gott regiert nicht so in der Person Christi, wie ein in der Regierung müde gewordener König durch seine Stellvertreter. Gott hat sich nicht zur Ruhe gesetzt, sondern er zeigt in Christo seine eigene Macht und ist in ihm selber gegenwärtig. Der Vater will im Sohne anerkannt und geehrt werden. Uns kommt es folglich zu, Gott den Vater in Christo zu suchen, in ihm seine Macht zu schauen, in ihm den Vater anzubeten. Denn, wie es gleich weiter heißt: wer den Sohn nicht ehrt, der bringt Gott selbst um die Ehre, die ihm gebührt. Dass wir Gott selbst ehren müssen, gibt jedermann zu. Dieser Gedanke, den wir mit auf die Welt bringen, hat so tiefe Wurzel in unserem Herzen, dass es wohl niemand so leicht wagt, Gott die Ehre zu verweigern. Wenn wir aber außerhalb des von Gott gewiesenen Weges ihn suchen, werden unsere Gedanken eitel und nichtig. Daher rühren alle die Lügengötter, alle die verkehrten Arten der Gottesverehrung. Den wahren Gott findest du eben nur in Christo. Die Verehrung, welche er fordert, besteht darin (Ps. 2, 12): Küsst den Sohn! Johannes bezeugt es in seinem ersten Briefe (2, 23): „Wer den Sohn leugnet, der hat auch den Vater nicht.“ Türken und Juden geben Gott die schönsten, herrlichsten Namen, wenn sie ihn anbeten; aber es bleibt dabei: wer Gott und Christum voneinander trennt, der hat nur ein Wahngebilde im Kopfe. Wer also möchte, dass seine Frömmigkeit Gott lieb sei, der darf nicht von Christo abgehen. Das gilt auch für die Väter des alten Bundes. Denn auch ihnen hat sich Gott nur durch Christum geoffenbart, wenn auch dessen Anblick noch unter allerlei Schatten verhüllt blieb. Jetzt ist es anders: Christus hat sich unverhüllt in seiner Menschwerdung gezeigt und ist uns zum Könige gegeben. Die ganze Welt hat, wenn sie Gott untertan sein will, vor ihm die Knie zu beugen. Da der Vater ihn geheißen hat, zu seiner Rechten zu sitzen, macht sich der, welcher sich Gott ohne Christum denkt, der Verstümmelung oder Zerreißung Gottes schuldig.

V. 24. Wer mein Wort hört. Hier wird die Art und Weise der rechten Gottesverehrung beschrieben. Niemand soll meinen, sie bestände nur in äußeren Bräuchen und in der Ausübung wertloser Zeremonien. Das Evangelium ist der Herrscherstab, mit dem Christus die ihm vom Vater zu Untertanen gemachten Gläubigen regiert. Die einzige Ehre, die Christus von uns erwartet, besteht darin, dass wir seinem Evangelium gehorsam sind. Wer das nicht tut und doch vergeblich Christum ehrt, gleicht dem Verräter Judas, der, die Feindschaft gegen ihn im Herzen, Christum doch noch zu küssen wagt. Mögen sie hundertmal sagen: „Er ist unser König!“ – sie reißen ihm mit eigenen Händen Krone und Herrschermantel ab, so lange sie dem Evangelium nicht Treu und Glauben halten. Und was für eine Frucht hat der Gehorsam gegen die Lehre Christi?

„Der hat ewiges Leben“. Das soll uns umso williger machen, zu gehorchen. Oder wärest du stahlhart, dass du, wenn dir als Preis das ewige Leben hingehalten wird, dich nicht mit Freuden Christo zu Dienst und eigene gäbest? Und doch: wie wenige nur lassen sich durch solche Güte locken! Wir sind so schlecht, dass wir lieber ewig verloren gehen, als uns dem Sohne Gottes zu gehorsamem Dienste ergeben, damit er als unser größter Wohltäter uns rette.

Zweierlei enthält diese Stelle: die Regel für eine wahrhaft fromme, lautere Gottesverehrung, wie Christus sie haben will, und dann die Angabe der Art und Weise, wie er uns wieder zum Leben bringt. Es genügt nicht, zu wissen, dass er gekommen ist, die Toten aufzuwecken; wir müssen auch darüber unterrichtet sein, wie er nun vom Tode befreit. Höre seine Lehre, dann bekommst du das Leben! „Hören“ bedeutet hier, wie sich gleich zeigen wird, „glauben“. Und zwar hat dieser Glaube nicht in den Ohren, sondern im Herzen seinen Sitz. Woher der Glaube solche Kraft hat, ist bereits an anderer Stelle gesagt. Immer gilt es zu beachten, was das Evangelium uns anbietet. Es ist nicht zu verwundern, dass der, welcher Christum mit all seinen Verdiensten annimmt, mit Gott versöhnt und von der verdienten Strafe des Todes frei gesprochen wird, noch dass der, welcher mit dem heiligen Geiste beschenkt wird, mit himmlischer Gerechtigkeit bekleidet, nun in einem neuen Leben wandelt (Röm. 6, 4).

Das Sätzchen: „und glaubt dem, der mich gesandt hat“, ist von Wichtigkeit zur Befestigung des Ansehens, das dem Evangelium gebührt. Wenn Christus bezeugt, dass das Evangelium von Gott stammt, so ist es eben kein menschliches Machwerk. So sagt er anderswo (14, 10); was er rede, das rede er nicht aus sich selbst; es sei ihm vom Vater so befohlen.

Und kommt nicht in das Gericht. Der unausgesprochene Gegensatz, den man sich ergänzen muss, heißt hier: von Natur sind wir allesamt schuldig, ins Gericht zu kommen. Durch Christum aber werden wir von dieser Schuldverhaftung aus Gnaden losgesprochen. Erwartete nicht alle die gleiche Verdammnis, so hätte es ja keinen Sinn, die an Christum Glaubenden davon auszunehmen. Der Sinn ist also: wir sind außer Todesgefahr, weil wir durch Christi Erlösungstat freigesprochen sind. Folglich ist jedes Mal, wenn davon die Rede ist, dass Christus uns heiligt und durch seinen Geist zu einem neuen Leben umschafft, die Vergebung der Sünden aus freier Gnade ausdrücklich gemeint, worin ganz allein der Menschen Seligkeit besteht. Ein Leben, das seinen Namen verdient, führt nur ein Mensch, der einen gnädigen Gott hat. Wie aber vermöchte uns Gott zu lieben, wenn er uns nicht zuvor unsere Sünden verzeiht?

Er ist vom Tode zum Leben hindurchgedrungen, also nicht: er wird hindurchdringen. Der Durchbruch zum Leben ist schon vollzogen, weil die Berufung den Kindern Gottes einen unvergänglichen Samen des Lebens schenkt: vermöge der Hoffnung sitzen sie schon mit Christo zusammen in himmlischer Herrlichkeit, und das Reich Gottes ist wirklich bei ihnen aufgerichtet (Luk. 17, 21; Kol. 3, 3). Ist auch ihr Leben noch verborgen, so ist es deshalb nicht weniger im Glauben ihr Besitz. Wenn der Tod auch überall sie bedroht, so hören sie deswegen doch nicht auf, Frieden zu haben; sie wissen ja, dass sie, von Christus behütet, längst sicher sind. Wir haben indes im Gedächtnis zu behalten, dass die Gläubigen gegenwärtig nur insofern im Leben sind, als sie doch dabei das, was den Tod veranlasst, immer noch mit sich herumtragen. Aber der Geist, welcher in ihnen seine Wohnung hat, ist das Leben; er wird auch mit diesem Rest des Todes noch aufräumen. Das Wort des Paulus (1. Kor. 15, 26) ist wahr: „Der letzte Feind, der aufgehoben wird, ist der Tod“. An unserer Stelle ist offenbar weder von dieser völligen Aufhebung des Todes noch von der Endvollendung des Lebens die Rede. Aber wenn auch das Leben in uns nur erst seinen Anfang genommen hat, so dürfen wir nach Christi Wort uns doch in völliger Glaubensgewissheit damit zufrieden geben, ohne uns vor dem Tode zu fürchten: wir sind ja dem eingeleibt, welcher der unerschöpfliche Quell des Lebens ist.

V. 25. Wahrlich, wahrlich. Wenn nach dem Berichte unseres Evangelisten der Sohn Gottes sehr häufig seine Aussprüche, die das Heil unserer Seele betreffen, mit einem Eidschwur bekräftigt hat, so können wir daraus abnehmen, erstlich, wie angelegentlich er sich um uns bemüht, sodann, wie außerordentlich wichtig es ist, dass unser Glaube an das Evangelium auf einer guten, vollkommenen sicheren Grundlage ruht. Was Jesus soeben von der Kraft des Glaubens rühmte, grenzt an das Unglaubliche. Darum bestätigt er jetzt mit eidlicher Versicherung, dass der Schall seines Evangeliums allerdings die Kraft hat, Tote zum Leben zu erwecken. Gemeint sind geistlich Tote. Denn der Zusammenhang lässt es nicht zu, diese Worte auf Lazarus, den Sohn der Witwe zu Nain und ähnliche Auferweckte zu beziehen. Christus erklärt uns samt und sonders für tot, ehe er uns lebendig macht. Daraus ist ersichtlich, was der Mensch zu tun vermag, um die Seligkeit zu erwerben! Die Römischen sind immer darauf aus, dem freien Willen an der Erwerbung der Seligkeit Anteil zu geben. Deshalb sagen sie: der Mensch gleicht dem von den Räubern halbtot geschlagenen, am Wege liegengelassenen Manne. Was kann man nicht alles mit Gleichnissen beweisen, noch dazu, wenn man sie so willkürlich auslegt! Uns kann das nicht irre machen, zumal Christus uns in diesem klaren Ausspruche für tote, nicht für halbtote Leute erklärt.

Nach dem Falle des ersten Menschen sind wir durch die Sünde Gott entfremdet worden. Will es jemand nicht anerkennen, dass wir im ewigen Verderben gefangen liegen, so erreicht er damit nichts, als, dass er sich mit leerer Schmeichelei betrügt. Ich gebe ja zu, dass in der menschlichen Seele ein gewisser Rest von Leben noch bleibt; denn Verstand, Urteilskraft, Wille und alle Sinne sind alles Regungen eines gewissen Lebens. Aber nichts von dem allen sehnt sich nach himmlischem Leben. Darum ist es kein Wunder, wenn der ganze Mensch, was seine Stellung zum Reiche Gottes angeht, für tot erachtet wird. Ausführlich redet Paulus von diesem Tode im Briefe an die Epheser (2, 1 und 4, 18), wenn er sagt, dass wir ohne Christum tot sind in Übertretungen, entfremdet von dem Leben, das aus Gott ist, und wandeln in Eitelkeit des Sinnes mit verfinstertem Verstande. Eine so verderbte Natur ist ganz außerstande, die Gerechtigkeit zu erlangen: folglich ist das göttliche Leben in uns erloschen. So ist Christi Gnade die rechte Totenauferweckung. Vermittelst des Evangeliums wird sie uns zuteil. Nicht als hätte die bloße Verkündigung solche Kraft. Meistens geht sie zum einen Ohr hinein, zum anderen hinaus. Christus redet inwendig im Herzen mit uns, damit wir das uns angebotene Leben im Glauben empfangen. Er spricht hier nicht ohne Unterschied von allen Toten, sondern er meint ausschließlich die Auserwählten, denen Gott das Ohr öffnet, so dass sie die Stimme seines Sohnes vernehmen, welche sie wieder zum Leben bringt. Eine doppelte Gnadenerweisung bieten uns Christi Worte an: Die Toten werden die Stimme des Sohnes Gottes hören, und die sie hören werden, die werden leben. Erstlich ist es schon gegen den Lauf der Natur, dass Tote hören, ebenso wie das, dass sie ins Leben zurückgerufen werden, nachdem sie es verloren hatten. Beides ist eine Wirkung der geheimen Kraft Gottes. Auf ein bis dahin unerhörtes Geschehen deuten euch die einleitenden Worte: Es kommt die Stunde und ist schon jetzt. Und ohne Frage bedeutete die Verkündigung des Evangeliums für die Welt eine Erweckung, wie sie bisher nicht dagewesen war. Wenn jemand fragt: hat denn das Wort Gottes nicht von jeher den Menschen das Leben gegeben? – so ist darauf leicht zu erwidern: die Lehre des Gesetzes und der Propheten, die ja für das Volk Gottes bestimmt war, hatte mehr die Aufgabe, die Kinder Gottes im Leben zu erhalten, als Tote zum Leben zu führen. Mit dem Evangelium aber hat es eine andere Bewandtnis: dieses hat die Heiden, die zuvor von Gottes Reich fern waren, getrennt von Gott und ohne alle Hoffnung ewigen Lebens, zur Gemeinschaft des Lebens berufen.

V. 26. Denn wie der Vater das Leben hat usw. Damit wird klar, wie Christi Wort so Großes zu wirken vermag: Christus ist selber der Quell des Lebens und ergießt es in die Menschenseelen durch seine Stimme. Wir könnte auch für uns das Leben aus seinem Munde hervorströmen, wenn nicht in ihm selber Ursache und Ursprung des Lebens wäre? Dass Gott das Leben in sich selber hat, will nicht bloß besagen, dass er durch die ihm innewohnende Kraft selber lebt, sondern auch dass die in ihm befindliche Lebensfülle alles belebt. So sagt der Psalmist (36, 10) von Gott: „Bei dir ist die Quelle des Lebens“. Weil nun aber Gottes uns so weit entrückte Majestät für uns ein versteckter und verborgener Quell sein würde, hat er sich in Christo öffentlich zu sehen gegeben. Nun ist der Quell für uns zugänglich, und jeder darf daraus schöpfen. Die Worte unserer Stelle haben also den Sinn: weil Gott nicht wollte, dass das Leben bei ihm verborgen und sozusagen begraben blieb, - deswegen hat er es in den Sohn hinüberströmen lassen, damit es so zu uns flösse. Daraus folgern wir, dass hier nicht von dem ewigen Wort, sondern von dem im Fleisch geoffenbarten Christus geredet wird.

V. 27. Und hat ihm Macht gegeben. Nochmals spricht Jesus es aus, dass der Vater ihm die Herrschaft gegeben hat, damit er unumschränkte Macht über alles im Himmel und auf Erden habe. Das mit „Macht“ übersetzte Wort des griechischen Grundtextes bedeutet hier so viel als „Würde“. „Gericht“ ist wieder so viel als „Regiment, Herrschaft“. Jesus will sagen: der Sohn ist vom Vater zum König eingesetzt worden, der die Welt lenkt und die Macht des Vaters selbst ausübt.

Sehr bemerkenswert ist der Zusatz: darum, dass er des Menschen Sohn ist. Damit ist gesagt, dass er mit so großartiger Vollmacht ausgerüstet zu uns Menschen hingeht, um uns mitzuteilen, was er vom Vater erhalten hat. Etliche meinen, es sei an dieser Stelle genau dasselbe gesagt, wie Phil. 2, 7, dass Christus, ob er wohl in göttlicher Gestalt war, sich entäußert, Knechtsgestalt angenommen und sich erniedrigt hat bis zum Kreuzestode. Deshalb hat ihn dann der Vater erhöht und ihm den Namen gegeben, der über alle Namen ist, damit sich vor ihm beugen sollen alle Knie usw.

Unsere Stelle geht jedoch noch weiter: der Vater hat Christum, insofern er Mensch ist, zum Lebensspender bestimmt, damit wir das Leben nicht weit zu suchen haben. Christus hat es nicht für sich empfangen, als hätte er daran Mangel, sondern um uns mit seinem Reichtum zu beglücken.

V. 28. Verwundert euch des nicht. Wenn Jesus hier zur Bekräftigung dessen, was er bisher gesagt, auf die letzte Auferstehung hinweist, so scheint dies ein nicht ausreichender Beweis: denn Leiber erwecken ist doch nichts Größeres, als Seelen lebendig machen. Aber dieser Vergleich nimmt eben weniger auf die wirkliche Sachlage, als auf die gewöhnliche menschliche Stimmung Rücksicht: dieser scheint das äußerliche Wunder das größere zu sein; und insofern kann es das innere glaubhaft machen. Es ist nun einmal die Art der Menschen, sich in ihrer Blödigkeit mehr an sichtbare Beweise zu hängen, als an Wahrheiten, welche allein der Glaube fasst. Weil nun Jesus hier an den jüngsten Tag denkt, fehlt die frühere einschränkende Bemerkung (vgl. V. 25), dass die Stunde auch jetzt schon ist. Es heißt hier nur, dass die Zeit einmal kommen wird. Doch es wird gelten, noch ein Bedenken zurechtzustellen. Gewiss, die Gläubigen erwarten die leibliche Auferweckung, aber sie können doch nicht darauf, dass sie von ihr wissen, die Zuversicht gründen: also sind unsere Seelen dem Tode entrissen, - die Leiber werden sich ja einmal aus ihren Gräbern erheben. Und nun gar bei den Ungläubigen, - lässt sich etwas Lächerlicheres denken, als etwas Unbekanntes mit etwas noch Unbekannterem beweisen zu wollen? Ich halte dem entgegen: Christus rühmt hier gegenüber solchen, die Gott verworfen hat, seine Macht, um zu bezeugen, dass ihm die Erneuerung aller Dinge vom Vater anbefohlen ist. Er meint: was gegenwärtig, wie ich euch sage, von mir begonnen wird, das werde ich einst vor euren Augen vollenden. Wenn jetzt Christus durch die Verkündigung seines Evangeliums die ins Verderben versunkenen Seelen lebendig macht, so ist das eine Art Vorspiel von der letzten Auferweckung. Übrigens macht er, da er das ganze Menschengeschlecht in die Betrachtung hereingezogen hat, alsbald die Unterscheidung zwischen Auserwählten und Verworfenen. Sie zeigt, dass die Verworfenen, welchen jetzt die Stimme Christi das Gericht androht, dann durch ebendieselbe Stimme dereinstmals vor seinen Thron gebracht werden.

Aber warum spricht Jesus nur von denen, die in den Gräbern sind? Das hört sich ja so an, als würden die der Auferstehung nicht teilhaftig werden, welche im Schiffbruch untergegangen, von wilden Tieren zerrissen oder zur Asche verbrannt worden sind. Da gewöhnlich die Toten ein Grab erhalten, nennt Jesus eben nur die, welche in den Gräbern sind, will aber überhaupt alle Verstorbenen mit einbefassen. Das Wort klingt viel nachdrücklicher, als wenn nur von den Toten die Rede wäre: die der Tod um Licht und Luft gebracht, die das Grab wie von der Welt verschwinden ließ, - sollen auferstehen!

Die Stimme des Sohnes bezeichnet den Klang der Posaune, welcher auf Christi Befehl und durch seine Kraft erschallen wird (Mt. 24, 31; 1. Kor. 15, 52; 1. Thess. 4, 16). Denn wenn auch ein Engel als Herold und Diener erscheinen wird, so lässt sich doch dem Richter selbst zuschreiben, was auf seine Veranlassung und gleichsam an seiner Stelle ausgeführt wird.

V. 29. Die da Gutes getan haben. Dieses Wort des Herrn bezeichnet die Gläubigen als Leute, die Gutes tun, - wie man ja den Baum an seiner Frucht erkennt (Mt. 7, 17). Damit empfangen die guten Werke ihr Lob, auf welche die Gläubigen seit ihrer Berufung bedacht gewesen sind. Auch der Schächer, dem Christus noch am Kreuze das Leben verheißen hat, obwohl er eine Verbrecherlaufbahn hinter sich hatte, beginnt noch in seinen letzten Lebensstunden, das Rechte zu tun. In der Wiedergeburt entsteht ein ganz neuer Mensch. Aus einem Sklaven der Sünde wird ein Knecht der Gerechtigkeit. Deshalb kommt der ganze vorige Lebenslauf vor Gott nicht in Anrechnung. Ja noch mehr: selbst die Sünden, deren sich die Gläubigen täglich schuldig machen, werden ihnen nicht zugerechnet. Denn einen Menschen, dessen Leben, abgesehen von dieser Vergebung, gut zu heißen verdiente, hat die Welt nie gesehen. Ja, es gibt überhaupt kein gutes Werk, an dem Gott nicht Sündliches zu verzeihen fände, denn es ist alles unvollkommen und verderbt. Die Leute, von denen es hier heißt, dass sie Gutes tun, bezeichnet Paulus (Tit. 2, 14) als das Volk, das fleißig wäre zu guten Werken. Doch hängt diese Wertschätzung völlig an der väterlichen Nachsicht Gottes, der aus Gnaden annimmt, was verworfen werden müsste, wo es nur nach Verdienst ginge. So ist es ein Leichtes, die zu widerlegen, welche aus Stellen, wie der unseren, den Schluss ziehen: also wird das ewige Leben uns als der gerechte Lohn für unsere verdienstlichen Werke zuteil. Jesus redet hier ja nicht von der Ursache der Seligkeit, sondern er macht nur je nach ihren Erkennungszeichen einen Unterschied zwischen Auserwählten und Verworfenen. Das tut er aber, um die Seinen zu einer heiligen, unschuldigen Lebensführung aufzufordern. Wir werden nimmermehr in Abrede stellen, dass der rechtfertigende Glaube mit dem redlichen Trieb nach Heiligung des ganzen Lebens verbunden ist und verbunden sein muss; unsere Lehre ist nur die: nirgend anders, als allein im Erbarmen Gottes vermag unser Glaube zu ruhen.

V. 30 – 32. Ich kann nichts von mir selber tun. Welche spitzfindigen Folgerungen sich ergeben würden, wenn man dies Wort auf Christi göttliche Natur deuten wollte, lassen wir außer Betracht. Denn Jesus denkt daran überhaupt jetzt nicht, sondern an seine gegenwärtige Erscheinung im Fleisch. Man soll ihn nicht nach dem äußeren Anschein beurteilen, weil etwas Höheres in ihm ist, als in einem gewöhnlichen Menschen. Sodann ist zu beachten, wen er vor sich hat. Er beabsichtigt, die Juden, welche ihn in einen Gegensatz zu Gott zu bringen suchten, zu widerlegen. Deswegen bestreitet er, dass er irgendetwas menschlicher Weise tue; er habe Gott, der in ihm wohnt, zum Führer und Leiter. Das darf man nicht außeracht lassen, so oft Christus von sich sagt, er empfange seine Taten von Gott, - so wie das ein Mensch wohl sagen muss. Denn da nimmt er Rücksicht auf die Juden, welche ihn irrtümlich als einen Menschen, wie alle anderen auch, betrachteten. Aus dem eben genannten Grunde führt Jesus alles, was an ihm über Menschenmaß hinausgeht, auf den Vater zurück: Wie ich höre, so richte ich. Dabei denkt der Herr an seine Lehr-, überhaupt an seine gesamte Amtstätigkeit. Er will sagen: in allem, was ich vornehme, bewegt und treibt mich der Vater; sein Wille ist meine Lebensregel.

Und mein Gericht ist recht. Diese Folgerung ergibt sich ohne weiteres: wenn Jesus alles nur auf Geheiß und Wink des Vaters angreift, so kann ja auf sein Tun und Reden nicht der geringste Tadel fallen. Was von Gott her kommt, das ist doch gewiss recht; darüber darf kein Streit sein. Diesem einfachen Grundsatze beizupflichten, müsste allerdings bei jedem, der auf wahre Frömmigkeit Anspruch erhebt, ganz selbstverständlich sein. Aber ach, wie wenige gibt es, die es wirklich zugeben: Gott ist gerecht! wenn sie nicht dazu gezwungen werden. Gott beweist uns zwar, das gestehe ich ein, in der Erfahrung seine Gerechtigkeit. Aber unsere gottlose Art will sich trotzdem die Freiheit vorbehalten, Gott für ungerecht anzusehen. Das ist uns in Fleisch und Blut übergegangen, mag unser Gewissen dazu sagen, was es will. Da gilt es jedoch, den Sieg zu erkämpfen und ernstlich die einzig richtige Folgerung zu ziehen: Alles, was von Gott stammt, ist recht und wahr, ja es ist unmöglich, dass Gott nicht wahrhaftig ist in all seinen Worten, recht und gerecht in all seinem Tun. Zugleich mahnt uns diese Stelle daran, dass es nur eine berechtigte Handlungsweise gibt; sie besteht darin, dass man nichts ohne Führung und Leitung Gottes unternimmt. Wenn sich dann das große Weltgerichte gegen uns erhebt, werden wir durchkommen mit der Verteidigung, die niemand umzustoßen imstande ist: Wer Gott folgt, irrt nicht.

Ich suche nicht meinen Willen. Damit stellt Jesus durchaus nicht etwa seinen und des Vaters Willen als zwei gegensätzliche Dinge nebeneinander. Er widerlegt nur die falsche Annahme seiner Gegner, als ließe er sich mehr von menschlicher Keckheit hinreißen, als von Gottes alleingültiger Vorschrift regieren. Er stellt in Abrede, dass er selbständigen Willensregungen folge, die mit dem Befehl des Vaters nicht im Einklang stünden.

So Ich von mir selbst zeuge usw. Natürlich will Jesus hier nicht sein Zeugnis als unglaubwürdig darstellen (vgl. 3, 11. 32; 8, 14). Im Gegenteil, er versichert wiederholt, dass es vollauf glaubwürdig ist. Er will aber hier einmal diese Frage übergehen. Von anderer Seite hier ist er so gut beglaubigt, dass er es auch einmal so hingehen lassen will, wenn ihm selbst der Glaube verweigert würde: Wenn das Zeugnis, das ich von mir selbst ablege, euch verdächtig ist, - man pflegt ja vielfach solches Selbstzeugnis nicht gleich für bare Münze zu nehmen, - gut, mag es einmal nichts gelten! Das ist Jesu Meinung. Bei anderen Leuten ist es wirklich nicht selben berechtigt, vorsichtige Zurückhaltung zu bewahren gegenüber dem, was sie von sich selbst aussagen. Vielleicht sagen sie ja die Wahrheit, aber es gilt der Satz: in eigener Sache ist niemand als Zeuge zu brauchen. Den Gottessohn auch nach diesem Satze behandeln zu wollen, ist freilich eine Ungerechtigkeit. Aber er verzichtet freiwillig auf sein gutes Recht. Er will seine Feinde dadurch überführen, dass Gott selber für ihn eintritt.

V. 33. Ihr schicktet zu Johannes. Ehe Jesus seines Vaters Zeugnis vorbringt, treibt er die Juden mit der Antwort in die Enge, die ihnen einst Johannes gegeben hat; ehrenhalber konnten sie jenem doch den Glauben nicht verweigern. Was sollte denn die ganze Gesandtschaft für einen Sinn haben, wenn sie nicht mit des Täufers Antwort sich zufrieden geben wollten? Sie befragten ihn als einen von Gott gesandten Propheten. Deshalb stellten sie sich, als wollten sie seine eigene Äußerung wie einen Ausspruch Gottes selbst aufnehmen. Obgleich nun Christus auch davon absehen will, das Zeugnis des Johannes als ein glaubwürdiges zu verwerten, liegt doch in diesem zweimaligen Absehen ein scharfer Vorwurf für die Juden: bei euch muss man von Zeugnissen, die jedem anderen glaubwürdig sind, absehen; denn das, was euch am Glauben hindert, ist nichts anderes als Bosheit! Selbstverständlich ist die Gesandtschaft an Johannes von größter Bedeutung. Sie bringt die vollendete Falschheit der Juden an den Tag: trotz ihres Vorgebens, sie seien sehr beflissen, zu lernen, wer eigentlich der Messias ist, geben sie nichts darauf, als der Täufer ihnen wirklich ihre Frage beantwortet.

V. 34. Ich nehme nicht Zeugnis von Menschen. Weshalb denn nicht? Gott hat doch nicht ohne guten Grund den Johannes zum Zeugen für Christum gemacht. Ja, Jesus sagt selbst (Apg. 1, 8) von seinen Jüngern: „Ihr werdet meine Zeugen sein“. Da ist zu antworten: Christus braucht das Zeugnis des Johannes nur insofern nicht, als er selbst auch ohne dies Zeugnis eines Menschen seiner Sache gewiss wäre; er braucht es jedoch insoweit, als es für uns von Wichtigkeit ist, dass wir darin eine gewisse Bestätigung haben. Die Menschen stellen sich gegenseitig Zeugnisse aus; es sind für sie unentbehrliche Hilfsmittel. Anders steht die Sache bei Gott und Christus. Über andere Menschen kann ein Mensch wohl ein Zeugnis ausstellen. Wer aber würde es wagen, in gleicher Weise dem heiligen lebendigen Gott ein Zeugnis auszustellen: „Ich beglaubige durch meine Unterschrift, dass er wahrhaftig ist!“ -? Deshalb fügt Christus auch hinzu, er bringe das Zeugnis des Johannes nur ihretwegen vor. Damit spricht er es aus: Wenn ich Boten meines Evangeliums erwecke, die meinen Willen bezeugen sollen, so tue ich das nicht meinet-, sondern eurethalben! Auch darin, welcher wunderbare Glanz seiner Güte! Alles, was uns zur Seligkeit helfen kann, setzt er ins Werk! So haben wir hingegen uns zu bemühen, dass seine treue Sorge um unsere Rettung nicht vergeblich bleibe.

V. 35. Er war ein brennend und scheinend Licht. Durch diese Beurteilung des Johannes beschuldigt Jesus die Juden umso stärker der Undankbarkeit. Dann ist es ihr eigener Wille, wenn sie blind sind, trotzdem Gottes Licht vor ihren Augen brennend stand. Die Worte bedeuten also: Euer Irrtum ist kein von Gott gewollter. Er hat ja den Johannes bestellt, ein Licht zu sein, dessen Strahl euch den rechten Weg beleuchten sollte. Desungeachtet erkennt ihr mich nicht an als Gottes Sohn; ihr wollt eben irren. – Zu diesem Vorwurfe gesellt der Herr einen zweiten. Sie sind nicht bloß mit geschlossenen Augen an dem Lichte vorübergegangen, das vor ihnen stand, sie haben sogar dies Licht recht absichtlich missbraucht, um nur ja nicht zu Christo zu gehen. Wenn sie bereit waren, den Johannes mehr, als ihm gebührte, zu erheben, so kam das von ihrem schändlichen und boshaften Plane: für den Gottessohn sollte kein Raum sein. Diesen hässliche Missbrauch himmlischen Lichtes vergleicht Jesus treffend mit der Frechheit von Knechten, denen der Hausherr nächtlicherweise ein Licht angezündet, damit sie sehen können bei der Verrichtung der Arbeiten, die er ihnen aufgetragen hat. Sie aber denken nicht an Arbeiten. Sie freuen sich der schönen Beleuchtung, setzen sich hin zum Schmausen und verüben allerlei schlechte Streiche.

Zunächst gelten diese Worte ja den Juden. Aber sie enthalten auch eine Mahnung für uns alle. Wenn Gott uns fromme Lehrer gibt, die uns den rechten Weg zeigen sollen, dann dürfen wir mit ihnen keinen Missbrauch treiben, indem wir uns trotzdem nach Willkür eigene Wege suchen. Wie nötig es war, dass gerade dieser Punkt berührt wurde, zeigt die Erfahrung aller Zeiten. Gott nimmt sich die Mühe, die Menschen während ihres ganzen Lebenslaufes zu regieren, bis sie das Ziel in der Ewigkeit erreichen. Er sendet dazu die Propheten; durch sie will er uns leiten. Die Menschen aber sind so töricht, dass sie ein fruchtloses und eigenwilliges Herumirren einem geordneten Fortschritt unter regelmäßiger Leitung vorziehen.

Dann macht Jesus es den Juden zum Vorwurf, dass sie das Licht des Johannes nur eine kleine Weile genießen wollten. Als ob man Gottes ewiges Licht durch den eigenen sprunghaften Wankelmut auslöschen könnte!

Was übrigens Christus hier von Johannes predigt, das schreibt Paulus allen Gläubigen zu; die, welche das Wort des Lebens haben, sollen als Lichter in der Welt scheinen (Phil. 2, 15 f.). Insonderheit ist es, wie Christus lehrt, die Eigenschaft der Apostel und der Diener des Evangeliums, dass sie den anderen mit brennender Fackel voranleuchten. Während wir alle blind in der Finsternis weilen, sendet uns Gott in seinem Worte den Strahl seines Lichts.

V. 36. Ich habe ein größeres Zeugnis. Jesus hat gezeigt, wie die Juden schändlicherweise die Gottesgabe, die ihnen in Johannes dargeboten worden war, für sich unbrauchbar gemacht haben. Jetzt wiederholt er noch einmal, dass er kein menschliches Zeugnis bedarf, als hätte er nicht an sich selbst genug. Da er indes sieht, dass er ihnen verächtlich ist, so lenkt er ihre Gedanken, wie er das so gerne tut, auf den Vater.

Die Werke, die mir der Vater gegeben hat. Zwei Beweise für seine Gottessohnschaft bringt Jesus vor. Er sagt: durch die Wunder bezeugt der Vater, dass ich sein Sohn bin. Und ehe ich in die Welt kam, hat er in der heiligen Schrift reichlich von mir Zeugnis abgelegt. Behalten wir nur fest im Sinne, worauf es in dieser Rede Jesu abgesehen ist. Er will, um Gehör zu finden, als der von Gott verheißene Messias anerkannt werden. Und nun behauptet er: durch die Tat habe ich bewiesen, dass ich der bin, den die Schrift verkündet. Man fragt, ob denn die Wunder auch wirklich dafür einen genügenden Beweis erbringen; die Propheten hätten doch schon Ähnliches getan. Antwort: die Wunder, welche Gott durch die Propheten getan hat, haben niemals einen weiteren Zweck verfolgt, als den, sie als Gottes Diener zu erweisen; auf anderem Wege hätten sie das ihnen gebührende Ansehen nicht erlangt. Seinen Sohn jedoch wollte Gott weit höher erheben. Dass Gott dies Ziel ausdrücklich ins Auge gefasst hatte, ist bei Christi Wundern wohl zu bedenken. Hätten die Juden nicht in ihrer Bosheit vorsätzlich die Augen geschlossen, so wäre auch an ihnen dies Ziel erreicht worden. An der Kraft seiner Wunder hätten sie Christum als den, der er war, klar erkannt.

V. 37. Der Vater hat von mir gezeugt, - nicht etwa erst in jenem Zeugnis bei der Taufe, an welches manche Ausleger hier denken, sondern schon viel früher in Gesetz und Propheten, an deren Fingerzeigen man den Sohn Gottes erkennen sollte, wenn er erscheinen würde. Jedes Mal dann hat also der Vater von seinem Sohne Zeugnis abgelegt, wenn er dem alten Bundesvolk Hoffnung auf Errettung machte, oder wenn er ihm die vollkommene Wiederherstellung des israelitischen Königtums versprach. Unter diesen Umständen wäre es wohl zu erwarten gewesen, dass die Juden vor der Offenbarung Christi im Fleische sich nach der Schrift ein Bild von ihm machten. Nun ist er da. Sie aber verachten, ja verwerfen ihn. Dadurch zeigen sie, dass sie gar keine Ahnung davon haben, was im Gesetze enthalten ist, - ein Vorwurf, den ihnen Christus nicht erspart. Und dabei rühmten sie sich mit ihrer Gesetzeskenntnis, als hätte Gott sie an seinem Herzen groß gezogen!

Ihr habt weder seine Stimme gehört. An die Klage über die Verkennung seiner Person schließt Jesus nun eine noch schärfer tadelnde Aussprache über die jüdische Blindheit. Wenn er sagt, sie hätten nie die Stimme Gottes gehört, nie seine Gestalt gesehen, so sind das bildliche Wendungen, mit welchen er den Juden jede wirkliche Erkenntnis Gottes absprechen will. Denn gleichwie die Menschen sich durch Gesicht und Rede kund machen, so lässt Gott durch den Mund der Propheten seine Stimme zu uns erschallen, und in den Sakramenten zieht er sozusagen sichtbare Gestalt an, um daran von uns erkannt zu werden, soweit es unserer Fassungskraft möglich ist. Wer aber Gott selbst in seinem leibhaftigen Ebenbild nicht anerkennt, der verrät dadurch hinreichend, dass er nur einen Gott, den er sich selber zurecht macht, verehrt. Deshalb sagt Paulus (2. Kor. 3, 14), es hänge vor den Augen der Juden eine Decke, sodass sie die Herrlichkeit Gottes in Christi Angesicht nicht sehen.

V. 38. Und sein Wort habt ihr nicht in euch wohnend. Das ist wahrer Fortschritt, wenn das Wort Wurzeln in uns schlägt, sodass es, in unseren Herzen festgewachsen, dort seinen beständigen Sitz hat. Christus sagt von den Juden, bei ihnen habe die himmlische Lehre keinen Raum; nehmen sie doch den Sohn Gottes, von dem sie allenthalben redet, nicht auf. Und ohne Frage haben sie diesen Tadel verdient. Gott hat doch nicht für nichts und wieder nichts durch Mose und die Propheten geredet? Das war die eigentliche Absicht des Moses, dass er jedermann einladen wollte, gerades Weges zu Christo zu kommen. Woraus zu ersehen ist, dass Leute, welche Christum verschmähen, Moses Schüler nicht sind. Ferner: wie kann der das Wort des Lebens in sich wohnend haben, der das Leben selbst zurückstößt? Wie wird der das Gesetz halten, der des Gesetzes Seele, so viel er das vermag, zu töten sucht? Christus ist die Seele des Gesetzes, denn ohne ihn ist es leer und inhaltslos. So viel jemand Christus kennengelernt hat, genau so viel ist er vorangekommen im Worte Gottes.

V. 39. Ihr sucht in der Schrift. Wenn Christus vorhin sagte, er habe den Vater im Himmel zum Zeugen, so haben wir das auf Moses und die Propheten bezogen. Hier folgt die deutliche Erklärung des Vorhergehenden. Er sagt es selbst, dass jenes Zeugnis in der Schrift vorhanden ist. Dabei tadelt Jesus aber noch einmal die törichte Anmaßung der Juden, dass sie in ihrem Schriftstudium, welches doch nur Beschäftigung mit den toten Buchstaben war, das ewige Leben zu haben wähnten. Selbstverständlich will er es nicht verwerfen, dass man in der Schrift das Leben sucht; dazu ist sie ja gerade uns gegeben. Er tadelt nur, dass die Juden sich einbilden, ihnen gebe die Schrift das Leben. Sie sind weit entfernt, sie richtig zu verstehen. Ja, das Licht des Lebens leuchtet darin, aber sie suchen es auszulöschen. Wie kann das Gesetz ohne Christum das Leben mitteilen? Das Gesetz hat ja nur durch Christum Leben. –

Übrigens lehrt uns diese Stelle, dass wir nur in der Schrift die rechte Kenntnis Christi zu suchen haben. Wer sich unter Christo vorstellt, was ihm behagt, dem wird Christus unter den Händen zu einem blutleeren Gespenst zerrinnen. Das gilt es hauptsächlich festzuhalten: kein anderes Buch als die heilige Schrift lehrt uns Christum recht erkennen. Ist dem also, dann haben wir die Schrift zu lesen, allein von dem Wunsche geleitet, Christum in ihr zu finden. Wer sie anders liest, der mag Zeit seines Lebens sich mit der Erforschung der Schrift abmühen: er wird nie zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen. Oder können wir weise sein, ohne von der Weisheit Gottes zu lernen? Wenn wir nun geheißen werden, in der Schrift Christum zu suchen, so ermutigt er uns an dieser Stelle: Euer Forschen wird nicht ohne Frucht bleiben! Denn der Vater legt in ihr ein Zeugnis von seinem Sohne ab, welches mit seiner Offenbarungskraft jeden Zweifel besiegen muss. Geforscht aber muss sein. Die zahlreichen Menschen, die das nicht tun, sondern hastig nur so darüber hinhuschen, sehen nur die Schale, nicht den Kern. Hier heißt es, alle Aufmerksamkeit anspannen. Deswegen mahnt uns Christus, nach dem in der Schrift tief verborgenen Schatze emsig zu forschen. Wenn die Juden, die das Gesetz beständig in ihren Händen haben, von einem solchen Abscheu gegen Christus erfüllt sind, so trägt die Schuld daran lediglich ihre Gleichgültigkeit. An Mose strahlt hell der Glanz der göttlichen Herrlichkeit; da verlangen sie selbst nach der Decke, die diesen Glanz verhüllt! Dass hier mit der Schrift das Alte Testament gemeint ist, versteht sich von selbst. Die Offenbarung Christi hat nicht erst im Evangelium begonnen. Der, den Gesetz und Propheten vorher bezeugten, ist im Evangelium selber erschienen.

V. 40. Und ihr wollt nicht zu mir kommen. Abermals wirft Jesus den Juden vor, dass nur ihre arge Gesinnung ihnen im Wege ist, sodass sie das in der Schrift ihnen angebotene Leben nicht erlangen. Wenn er sagt: „Ihr wollt nicht“, so bezeichnet er als die Ursache ihrer Unwissenheit und ihrer Blindheit ihre Schlechtigkeit und Verkehrtheit. Und wahrlich, wenn er sich so gütig ihnen anbot, mussten sie blind sein wollen. Da sie aber das Licht absichtlich flohen, ja sogar die Sonne vergraben wollten in der Finsternis ihres Unglaubens, so haben sie es verdient, dass Christus sie noch schärfer zurechtweist.

V. 41. Ich nehme nicht Ehre. In dieser weiteren Fortsetzung seiner Tadelsrede begegnet Jesus zunächst dem Verdacht, als verfechte er aus falscher Ehrsucht lediglich seine persönliche Sache: er selbst will gern verachtet sein und steht viel zu groß da, nur auf Menschenurteil Wert zu legen. Wäre die ganze Welt von Bosheit gegen ihn erfüllt, das würde ihm nichts zu nehmen vermögen, es würde nicht ein Haar breit seine Hoheit verringern. Gerade auch an der unerschrockenen Widerlegung ihrer Verleumdungen sollen die Gegner wahrnehmen, dass er hoch über Menschen erhaben ist, indem er ihnen Verachtung, ja Hass gegen Gott vorwirft. Obgleich wir nun tief unter Christus stehen, sollen auch wir schiefe Urteile der Menschen über uns verachten und uns keine Sorge darum machen. Jedenfalls haben wir uns ganz außerordentlich davor zu hüten, dass wir nicht dadurch uns zum Zorn reizen lassen, dass uns Verachtung entgegengebracht wird. Vielmehr müssen wir lernen, darum zürnen, wenn Gott nicht so, wie er sollte, geehrt wird. Das ist heiliger Zorn. Und er muss uns durchglühen und peinigen jedes Mal, wenn wir sehen, wie undankbar die Welt ist, indem sie Gott verwirft.

V. 42. Dass ihr nicht Gottes Liebe in euch habt. Liebe zu Gott steht hier im Sinn von wahrer Frömmigkeit überhaupt. Denn niemand vermag Gott zu lieben, der nicht voll Verehrung zu ihm aufschaut und sich ihm ganz untergibt. Wie denn auch anderseits da, wo die Liebe zu Gott nicht herrscht, kein Bestreben sein kann, ihm zu gehorchen. Deshalb lässt Moses das Gesetz in dem Gebot gipfeln, Gott zu lieben von ganzem Herzen usw.

V. 43. Ich bin kommen in meines Vaters Namen. Dass die Juden Gott nicht lieben noch ehren, beweist Christus damit, dass sie die falschen Propheten mit Vorliebe annehmen werden und hingegen nicht dazu zu bringen sind, sich Gott zu unterwerfen. Das sieht er als allgemein zugestanden an, dass es das Kennzeichen eines gottentfremdeten Seelenlebens ist: die Wahrheit hintansetzen und freudig den Lügen, die sich Menschen ausgesonnen haben, beipflichten. Wenn jemand einwendet: wo das geschieht, da ist doch meist nicht Bosheit, sondern Irrtum der Grund, - so braucht man nicht weit nach der rechten Antwort zu suchen: Niemand ist den Ränken Satans ausgesetzt, als nur der, welcher dem verkehrten Triebe folgt, die Lüge der Wahrheit vorzuziehen. Wie kommt es denn, dass Gott taube Ohren findet, wenn er redet? dass dagegen Satan alsbald willige Zuhörer hat? Doch gewiss davon, dass wir, von der Gerechtigkeit abgewandt, eine wahre Gier nach der Ungerechtigkeit in uns tragen. Übrigens ist wohl zu beachten: Christus redet hier recht eigentlich von denen, welchen Gott ganz besondere Erleuchtung geschenkt hat; er hatte ja die Juden des Vorzugs gewürdigt, dass sie durch Unterweisung des göttlichen Gesetzes den Weg des Heils kennenlernten. So war es ohne Zweifel mutwilliger Irrtum, wenn sie ihr Ohr falschen Lehrern zuneigten. Deswegen sagt Mose (5. Mo. 13, 4), wenn falsche Propheten aufstünden, wolle Gott das Volk versuchen, dass er erfahre, ob sie ihn lieb haben. Bei vielen, die falschen Lehrern zufallen, scheint es ja harmlose Einfalt zu sein, aber es ist dennoch zweifellos sicher, dass ihnen die Heuchelei, welche heimlich in ihren Herzen den Thron aufgeschlagen hat, den Blick trübt. Denn es ist eine unumstößliche Wahrheit, dass Gott niemals vor denen, die anklopfen, seine Tür zuschließt, und dass er sich in keinem Falle denen entzieht, die ihn aufrichtig suchen. Wahrheitsgemäß erkennt Paulus darin ein Strafgericht Gottes für die Verwerfung der Wahrheit, wenn es dem Satan gelingt, durch kräftige Irrtümer die Menschen dazu zu bringen, dass sie der Lüge glauben (2. Thess. 2, 11). Diese Verführten haben zuvor die Wahrheit verworfen und haben Lust gehabt an der Ungerechtigkeit. Durch diese Lehren der Schrift wird denen die fromme Maske vom Gesicht gerissen, die, in Selbstbetrug und Aberglauben verliebt, von giftiger Wut gegen das Evangelium beseelt sind. Wären ihre Herzen wirklich von Gottesfurcht erfüllt, so würde die Furcht den Gehorsam gegen Gott zum Zwillingsbruder haben.

In meines Vaters Namen. Die falschen Propheten geben ihrer Schwindelware auch diese Etikette. Behauptet doch der Papst trotz seiner Feindschaft gegen das lautere Evangelium, er sei der Stellvertreter Christi. Ja, das war von Anfang an das Vorgeben, mit welchem Satan unglückliche Menschen betrog. Christus gibt jedoch hier dem, was wirklich, nicht dem, was nur angeblich vom Vater im Himmel stammt, diese Bezeichnung. Wenn er bezeugt: Ich bin in meines Vaters Namen gekommen, - so tut er es, weil ihn der Vater tatsächlich gesendet hat, und weil er treulich ausrichtet, was ihm aufgetragen ist. Unsere Stelle nennt das untrügliche Kennzeichen, woran die rechten Lehrer der Kirche zu unterscheiden sind von den bloß aufgeschminkten und ehebrecherischen. Alle die, welche auf ihre eigene Erhebung aus sind und sich für ihre eigene Person die Herrschaft über die Seelen anmaßen, gilt es nach diesem Worte unseres Herrn rücksichtslos zu verwerfen. Wer als ein Knecht Gottes angesehen werden will, der muss sich in keinem Stück von Gott lossagen.

V. 44. Wie könnte ihr glauben, die ihr Ehre voneinander nehmt? Weil es fast ans Unglaubliche grenzte, dass die nächsten Schüler des Gesetzes und der Propheten in gröbster Unwissenheit steckten und zu Feinden der Wahrheit wurden, deckt Jesus nun den Grund ihres Unglaubens in ihrer Ehrbegier auf, die sie des gesunden Sinnes beraubte. Dies gilt insbesondere von den Priestern und Schriftgelehrten, welche in ihrem geschwollenen Hochmut sich dem Herrn nicht unterwerfen wollten und konnten. Eine überaus wichtige Stelle, die uns lehrt, dass jeder sich die Tür des Glaubens verschließt, der in seinem Herzen irdische Ehrsucht Platz greifen lässt. Wer in der Welt etwas bedeuten will, der wird notwendigerweise ganz aufs Eitle gerichtet; schließlich ist sein Herz ganz und gar von Gott entfremdet. Erst dann schließen wir uns in völligem Gehorsam der göttlichen Wahrheit an, wenn uns als Hauptziel des Lebens feststeht, dass wir Gott gefallen wollen. Die ganze falsche Werkheiligkeit der Schriftgelehrten, in deren Folge sich dann auch eine schlimme Selbstüberhebung vor Gott einstellte, hat darin ihren Grund, dass sie all ihr Tun und Treiben ehrgeizigen Sinnes auf Menschenbeifall einrichteten. Denn wer sich ernstlich vor Gottes Gericht stellen würde, könnte ja nur gebrochen und beschämt zu Boden sinken. Wer also allein bei Gott Ehre sucht, kann nicht anders, er muss, von Beschämung beim Gedanken an sich selbst durchbebt, seine Zuflucht nehmen zu Gottes Gnade und Barmherzigkeit. Ja, wer auf Gott schaut, der weiß: ich bin ein verlorener und verdammter Mensch! – und es bleibt ihm nichts anderes übrig zum Rühmen, als die Gnade Christi.

Wer nach diesem Ruhme trachtet, ist gewiss zugleich ein demütiger Mensch. – Christus sagt in unserem Verse, dass die Menschen nur dann fähig sind, die Lehre des Evangeliums zu erfassen, wenn sie alle ihre Gedanken von der Welt ab- und auf Gott hingewendet haben und es sich ernstlich klar machen, dass sie es mit Gott zu schaffen haben. Nur so verliert die irdische Schmeichelei ihren Reiz, und das Gewissen hält bei sich selbst Einkehr. So ist es denn kein Wunder, wenn das Evangelium heutzutage so wenig gelehrige Schüler findet; jedermann trägt den Kopf hoch. Doch Hochmut kommt vor dem Fall. Auch ist es kein Wunder, wenn viele sich vom evangelischen Bekenntnis abwendig machen lassen; es liegt ihnen mehr an der Ehre bei den Menschen, als an der Ehre bei Gott. Das soll indes unseren Eifer nicht lähmen. Umso mehr müssen wir einzig danach trachten, wahre Kinder Gottes zu werden; dann mag uns immerhin die Welt verachten und verwerfen, und auch das eigene Gewissen uns unserer Nichtigkeit überführen.

V. 45. Ihr sollt nicht meinen usw. Wenn Belehrung und freundliche Ermahnungen nichts fruchten, dann muss man bei solchen widerspenstigen und verhärteten Leuten es schließlich damit versuchen, dass man sie vor Gottes Gericht hinführt. Nur wenige wagen es, offen Gott zu verlachen. Sehr viele dagegen, die sich in Feindschaft von Gott abgewendet haben, bilden sich ein, er sei ihnen gnädig und wiegen sich mit solcher Selbstbeschmeichelung in Sicherheit ein. Genau solche Menschen waren die Schriftgelehrten, mit welchen Christus hier im Streite liegt. Während sie recht eigentlich Verächter des Gesetzes waren, so rühmten sie sich doch des Moses mit großem Nachdruck und glaubten ihn als Schild zur Abwehr Christi benützen zu dürfen. Sie hätten es lächerlich gefunden, dass Moses sich gegen sie kehren könnte. Gerade darum aber droht ihnen der Herr, dass Moses sie verklagen werde. Damit macht er ihre heuchlerische und doch so selbstgewisse Berufung auf Moses zunichte. Wir wollen daraus lernen, dass man sich nicht leichthin der heiligen Schrift rühmen soll: wer nicht im wahren Glaubensgehorsam dem Sohne Gottes seine Ehre gibt, wird am jüngsten Tage ebenso viele Ankläger gegen sich aufstehen sehen, als Gott seinem Sohne Zeugen erweckt hat. Wenn Jesus übrigens sagt, dass die Juden auf Moses „hoffen“, so schiebt er ihnen damit nicht etwa eine abergläubische Verehrung des Gesetzgebers als des Heilsmittlers zu, sondern will nur sagen, dass sie sich ohne Grund unter den Schutz des Moses flüchten, als ob sie ihn zur Stütze ihres falschen, jeder wirklichen Frömmigkeit widersprechenden Selbstbewusstseins machen dürften.

V. 46. Wenn ihr Moses glaubtet, so glaubtet ihr auch mir. Damit wird deutlich, warum Moses als Ankläger wider die Juden auftreten wird: weil sie seine Lehre verwerfen. Wir wissen ja, dass den Knechten Gottes kein schlimmeres Unrecht geschehen kann, als wenn ihre Lehre in Verachtung gerät, oder ein Makel auf dieselbe fällt. Zudem müssen die Männer, welche Gott zu Dienern seines Wortes bestellt hat, auch dessen Verteidiger und Schützer sein. Jeder Prophet hat das Doppelamt, die Frommen zur Seligkeit zu lehren und die Verworfenen mit seinem Zeugnis niederzuschlagen.

Moses hat von mir geschrieben. Halten wir Christum für den Zielpunkt und die Seele des Gesetzes, so wird uns dies Wort ohne weiteres einleuchten. Fragt aber jemand nach einzelnen und bestimmten Stellen, so rate ich ihm, zunächst den Brief an die Hebräer fleißig zu lesen, wozu dann weiter die Rede des Stephanus sich gesellen mag (Apg. 7), und endlich noch die von Paulus hier und dort verwendeten Schriftstellen. Nur ganz wenige Stellen sind es, das gestehe ich, an denen Moses ganz deutlich Christum predigt. Aber wozu die Stiftshütte, die Opfer, wozu all die Zeremonien? Offenbar, damit sie Abbilder jenes Urbildes seien, das Mose auf dem Sinai gezeigt worden war. So ist ohne Christum das ganze Amt des Moses nichtig. Ferner sehen wir, wie Moses im Gesetz immer wieder das Volk auf den Bund mit den Vätern hinweist, der einst in Christo geschlossen worden war. So stellt er Christum als die Hauptsache des Bundes und als seine Grundlage hin. Das wussten auch die heiligen Väter recht wohl, die sich beständig nach dem Mittler sehnten.

V. 47. So ihr aber seinen Schriften nicht glaubt usw. Scheinbar schreibt Christus sich damit eine geringere Glaubhaftigkeit zu, als dem Moses. Doch wissen wir, dass die Verkündigung des Evangeliums den Himmel und die Erde bewegt. Jesus richtet seine Ausführungen ein nach denen, mit welchen er redet. Über allen Streit erhaben war den Juden das heilige Ansehen des Gesetzes. Dabei betrachteten sie natürlich Christus als tief unter Mose stehend. Darauf bezieht sich auch der Gegensatz von „Schriften“ und „Worten“. Umso schlimmer erscheint ihr Unglaube, da sie die göttliche Wahrheit aufgeschrieben vor sich haben und ihr dennoch den Glauben verweigern.

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