Brenz, Johannes - Sonntag Lätare.

1537.

Joh. 6,1-15.
Danach fuhr Jesus weg über das Meer an der Stadt Tiberias in Galiläa. Und es zog ihm viel Volks nach, darum, dass sie die Zeichen sahen, die er an den Kranken tat. Jesus aber ging hinauf auf einen Berg, und setzte sich daselbst mit seinen Jüngern. Es war aber nahe die Ostern, der Juden Fest. Da hob Jesus seine Augen auf, und sieht, dass viel Volks zu ihm kommt, und spricht zu Philippo: Wo kaufen wir Brot, dass diese essen? (Das sagte er aber, ihn zu versuchen; denn er wusste wohl, was er tun wollte.) Philippus antwortete ihm: Zweihundert Pfennig wert Brots ist nicht genug unter sie, dass ein Jeglicher unter ihnen ein wenig nehme. Spricht zu ihm einer seiner Jünger, Andreas, der Bruder Simonis Petri: Es ist ein Knabe hier, der hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische; aber was ist das unter so Viele? Jesus aber sprach: Schafft, dass sich das Volk lagere. Es war aber viel Gras an dem Ort. Da lagerten sich bei fünftausend Mann. Jesus aber nahm die Brote, dankte, und gab sie den Jüngern, die Jünger aber denen, die sich gelagert hatten; desselbigen gleichen auch von den Fischen, wie viel er wollte. Da sie aber satt waren, sprach er zu seinen Jüngern: Sammelt die übrigen Brocken, dass Nichts umkomme. Da sammelten sie, und füllten zwölf Körbe mit Brocken, von den fünf Gerstenbroten, die überblieben denen, die gespeist worden. Da nun die Menschen das Zeichen sahen, das Jesus tat, sprachen sie: Das ist wahrlich der Prophet, der in die Welt kommen soll. Da Jesus nun merkte, dass sie kommen würden, und ihn haschen, dass sie ihn zum Könige machten, entwich er abermal auf den Berg, er selbst alleine.

Das Wunder im heutigen Evangelio, von den fünf Broten und zwei Fischen, womit fünftausend Männer und eine große Menge von Weibern und Kindern gesättigt worden sind, empfiehlt die Schrift uns aufs Angelegentlichste. Denn diese wunderbare Speisung erwähnen erstlich nicht bloß der eine oder der andere, sondern alle vier Evangelisten. Sodann führt Christus selbst bei Matthäus (16,5-10) dieses Wunder an, als die Jünger vergessen hatten, Brot mit sich zu nehmen. Endlich zeichnet die Schrift bei der Erwähnung dieses Wunders die Umstände desselben gar sorgfältig auf, damit es uns desto lieber werde, je mehr es verherrlicht wird.

Es war eine wüste Stätte, da sich Nichts zur Speise finden ließ. Die Predigt Christi hatte bis gegen Abend gewährt, so dass, hätte die Menge auch Speise mitgenommen, die so lange Zeit dieselbe aufgezehrt hätte. Die Jünger werden besorgt; sie laufen hin und wieder, beraten untereinander, was zu tun sei, mahnen Christum, die Schaaren zu entlassen, überrechnen die Summe, wollten sie selbst der so großen Menge auch nur ein wenig Speise geben. Und sie finden zweihundert Pfennige, die ohngefähr fünfundzwanzig Gülden ausmachen: denn acht gelten etwa einen rheinischen Gülden. Sie forschen bei den Einzelnen, ob noch etwas Speise übrig sei. Nach langem Suchen werden nur fünf Gerstenbrote und zwei Fischlein gefunden. Sie werden aufgetragen, die Menge Lagert sich, und doch ist noch Nichts zur Speise bereit, außer den fünf Broten und zwei Fischen. Nachdem sie nun Christus genommen und den Segen gesprochen hatte, verteilte er davon an die einzelnen Schichten des Volkes. Damit wurden aber die fünftausend Männer samt den Weibern und Kindern also gesättigt, dass zwölf Körbe mit Brocken überblieben. Da hast du ein gar herrliches und der Betrachtung würdiges Wunder.

Lasst uns nun den Zweck desselben ansehen, weil die Schrift, da sie uns jenes Wunder so sorgfältig ans Herz legt, deutlich genug anzeigt, dasselbe beschließe in sich den größten Nutzen. Und Christus lehrt durch dieses Wunder nicht, dass sein Reich in dieser Welt fleischlich sein und dass er seine Anhänger also mit äußerlicher Speise sättigen würde, dass, die ihn anerkennen, immer in Freuden leben sollten. Denn diese Meinung fassten Viele von denen, welche an dieser Stätte gesättigt wurden, und noch Andere wollten ihn „haschen, dass sie ihn zum Könige machten.“ Christus aber entwich, denn sein Reich ist nicht von dieser Welt. Andere verlassen ihren regelmäßigen Beruf und hangen Christo an, nicht um Gottseligkeit zu lernen, sondern nur, damit sie in Muße Leben und zu essen haben mögen. Christus aber tadelt dieselbigen strenge: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ihr sucht mich nicht darum, dass ihr Zeichen gesehen habt, sondern dass ihr von dem Brot gegessen habt und seid satt worden. Wirkt Speise, nicht, die vergänglich ist, sondern die da bleibt in das ewige Leben, welche euch des Menschen Sohn geben wird“ (Joh. 6,26.27). Was ist also der Nutzen dieses Wunders? Erstlich hat dasselbe den allgemeinen, allen anderen Wundern gemeinsamen Nutzen, dass es die Wahrheit der Lehre und des Evangeliums Christi bestätigt und beweist. Christus hat aber gelehrt, dass er der Sohn Gottes, der Versöhner unserer Sünden, d. h. der Christus sei, welcher von den Propheten geweissagt ist, dass er uns vom Tod errette und uns das Leben und die himmlische Seligkeit schenke. Durch solches Wunder also werden wir im Glauben an das Evangelium von Jesu Christo bestärkt. Danach hat es aber auch noch einen besonderen Nutzen, den Christus (Matth. 16,9) vorhält. Als nämlich die Jünger Brot mitzunehmen vergessen hatten und von Hunger heimgesucht zu werden fürchteten, schilt sie Christus, führt dieses Wunder an und spricht: „Vernehmt ihr noch Nichts? Gedenkt ihr nicht an die fünf Brote unter die fünftausend, und wie viel Körbe ihr davon aufhubet?“ Mit solchen Worten zeigt Christus, dies Wunder bekräftige und versichere besonders die Verheißungen und Bündnisse, dass Gott Alle, die in göttlichem und rechtmäßigem Berufe wandeln, ernähren und ihnen genug Unterhalt geben will. Und das müssen wir desto fleißiger betrachten, je mehr darin gesündigt wird.

Was man auch tun mag, unser Leib fordert seine Kost, seine Speise. Er bedrängt wie ein Gläubiger und mahnt öfter des Tages. Andere Gläubiger werden bisweilen durch Gesetze abgehalten, dem Schuldner durch Einforderung beschwerlich zu sein. Dieser Gläubiger jedoch kann durch keine Worte, keine Drohungen, keine Gesetze beschränkt werden, dass er nicht seine Speise verlangen sollte. Daher kommt es, dass man nach Gewinnung des Unterhaltes auf so vielerlei Weise trachtet, und vorzugsweise durch Unrecht. Der Eine sucht durch Betrügereien, der Andere durch Meineid, der Andere durch Lüge seine Nahrung zu erwerben; fast Niemanden gibt es, der sie mit Billigkeit und Gerechtigkeit sucht. Und sind auch die Verträge selbst gesetzmäßig, so werden sie doch ungesetzmäßig gehandhabt. Da spricht Einer öffentlich: In Gerechtigkeit und Rechtschaffenheit kann ich mich nicht nähren; auf Rechtschaffenheit wird Nichts geborgt. Ein Anderer sagt: Wer sich jetzt in dieser Welt zu nähren begehrt, muss seine Seele hinter die Türe stellen. Und so ist der größte Teil der Menschen überzeugt, der Lebensunterhalt könne bequemer mit Unrecht als mit Recht erworben werden. Allein Christus hat an diesem Orte das Wunder von fünf Broten und zwei Fischen getan und damit, wie mit einem himmlischen Siegel, etwas ganz Anderes bestätigt, als was die Menschen äußern. Denn er hat bestätigt, dass, wer seine Nahrung gewinnen wolle, seine Seele nicht hintansetzen, sondern vielmehr auf sie achten solle, um so bequemer seinen Unterhalt zu erwerben. Denn wie Diejenigen, die in dieser Welt Knechte mieten, mit denselben einen bestimmten Lohn ausmachen und eine bestimmte Weise des Unterhalts, und solchen Vertrag öffentlich durch Brief und Siegel bestätigen; oder wie Diejenigen, welche in eine Herberge oder sonst einen öffentlichen Ort Tischgenossen aufnehmen, ein bestimmtes Maß von Lebensmitteln versprechen und ihren Vertrag mit Brief und Siegel bestätigen: so hat der Herr unser Gott mit allen Menschen die Übereinkunft getroffen, dass sie an seiner gesetzmäßigen Berufung festhalten sollen, er aber einem Jeglichen hinreichende Nahrung spenden will. Und er hat dasselbe öffentlich mit Brief und Siegel bekräftigt. Sein Brief sind die göttlichen Verheißungen.

So lasst uns denn einige Verheißungen hören, damit wir eingeladen werden, in der göttlichen Berufung zu wandeln. 5. Mose 8, 3: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von Allem, das aus dem Mund des Herrn geht.“ D. h.: Der Mensch kann seinen Unterhalt gewinnen, nicht nur durch die Verrichtungen, dadurch das Brot scheinbar für alle Menschen zu erlangen ist, sondern jedwede Berufung Gottes ist dazu eingesetzt und gesegnet, dass ein Jeglicher darin genügenden Unterhalt hat, ob auch der Beruf nicht geeignet scheinen mag, um den Unterhalt zu erwerben. Als Gott z. B. die Israeliten in die Wüste rief, erschien das keineswegs dazu passend, dass sie sollten zu leben haben; nichtsdestoweniger haben sie dennoch, weil es ein göttlicher Ruf gewesen ist, hinreichende Nahrung gehabt. Desgleichen, wenn Christus uns Alles verlassen heißt, auf dass wir ihn nicht verleugnen, scheint seine Berufung durchaus nicht angemessen zum Erwerb des Unterhaltes, und dennoch wird derselbe zur Genüge verheißen. Matth. 19,29: „Wer verlässt Häuser, oder Brüder oder Schwestern, oder Vater oder Mutter, oder Weib oder Kinder, oder Äcker um meines Namens willen, der wird's hundertfältig nehmen und das ewige Leben ererben.“ Es lautet auch eine andere Verheißung (Matth. 6,33): „Trachtet am ersten nach dem Reiche Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch solches Alles zufallen.“ Das legen Viele aus, man solle frühmorgens die Messe hören; allein diese Stelle predigt Nichts von der Messe. Nun sollen wir zwar nach dem Reiche Gottes trachten, wie es im Allgemeinen verstanden wird, und die gebührenden heiligen Handlungen verrichten: an dieser Stelle aber wird die Predigt des Evangelii das Reich Gottes genannt. Christus redet ja vornehmlich mit den Aposteln, deren Beruf es war, das Evangelium vom Reiche Gottes zu predigen, und sandte sie aus ohne Geld, fügte aber die Verheißung hinzu: „Trachtet am ersten nach dem Reiche Gottes, so wird euch solches Alles zufallen.“ Diese Verheißung wird eine allgemeine werden, so wir unter dem Reiche Gottes den göttlichen und rechtmäßigen Beruf eines Jeden verstehen.

Es gibt wohl noch viel Verheißungen in der heiligen Schrift, aber diese genügen zur Zeit, und nun lasst uns die Siegel ansehen. Das sind die Wunder, damit Gott seinen Brief bestätigt hat; wir wollen aber nicht alle, die in der Schrift enthalten sind, sondern nur die vornehmsten und herrlichsten anführen. Jakob geht mit einem Stabe in die Fremde und kehrt mit zwei Heeren zurück (1. Mose 32,10). 2. Mose 16,14 ff. fällt das Manna vom Himmel herab. 1. Kön. 17,9 ff. das Weib zu Sarepta. 2. Kön. 7,6.7 fliehen die Syrer und lassen alle Fülle an Speisen im Stich. Achte auf Mose, Elias und Christus, hier auf die fünf Brote und zwei Fische und an einem anderen Orte auf die sieben Brote, womit viertausend sind gesättigt worden. Das sind die himmlischen Siegel des Briefes, dadurch Gott denen, die in Gerechtigkeit wandeln, hinreichenden Unterhalt verheißen hat. Was ist aber unwürdiger, als solchem Brief und Siegel nicht trauen und anders denken? Du verlässt dich auf Steuerlisten, die von einem Menschen ausgestellt werden, und baust nicht auf den Herrn, deinen Gott? Niemals ist Gott ein Lügner gewesen, und du wagst, ihn der Lüge zu zeihen? Gott ist der Hausvater, wir sind seine Familie. Wie schändlich ist's also, dass wir uns das Amt des Hausvaters anmaßen und unsere Pflicht verabsäumen, was dann zu geschehen pflegt, wenn wir um unsere Nahrung sorgen und der Berufung Gottes nicht folgen. So lasst uns denn nach dem Einen trachten, dass wir auf Gott vertrauen und seiner Berufung folgen; denn alles Übrige wird alsdann uns zufallen durch Christum Jesum, unseren Herrn und Heiland, welcher zugleich mit dem Vater und dem Heiligen Geiste Gott ist, gepriesen in alle Ewigkeit. Amen.

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