Calvin, Jean - An Farel in Neuchatel (106).

Nr. 106 (C. R. – 514)

Calvin, Jean - An Farel in Neuchatel (106).

Butzer hatte Calvin gebeten, auf den Reichstag in Speyer hin eine Verteidigung des evangelischen Glaubens, an Karl V. gerichtet, herauszugeben.

Einladung, nach Genf zu kommen.

Du ermahnst mich angelegentlich, die Arbeit, die Butzer uns auferlegt, zu übernehmen. Ich habe schon damit begonnen und bin ein Stück weit gekommen. Aber glaub es mir, ich fahre nicht ohne große Schwierigkeit fort. Oft widerstrebts mir; zuweilen möchte ich an der Arbeit fast verzweifeln und sie wegwerfen. Das kommt daher, dass ich einer derartigen Schrift überhaupt von Anfang an nicht geneigt war; so bin ich auch nicht warm geworden seither. Siehe zu, was noch geschieht, wenn du nicht sofort herreistest und durch dein Urteil über den Anfang meiner Arbeit mich überzeugst, dass ich mir nicht erfolglos Mühe gegeben habe. Man sagt, jedem sei das Seine am schönsten. Aber wenn meine Arbeit dir nicht besser gefällt als mir, so wird sie durchgestrichen. Also wenn du willst, dass ich darin vorrücke, so komm, damit wir uns wenigstens beraten und so oder so entscheiden können. Geht’s auf diese Weise nicht, so übertrage ich die Arbeit einem andern. Du aber meinst, es gehöre zur rechten Ordnung, dass du nicht nach Genf kämest, es sei denn auf die Bitte und Berufung aller Pfarrer und des Rates. Verzeih mir, aber es kommt mir vor, als seist du in so kleinen Fragen manchmal allzu eigensinnig. Es handelt sich ja jetzt nicht darum, dass du unsre Gemeinde einmal besuchst ohne allen Stellenwechsel. Bei deiner Obrigkeit hast du einen ehrenhaften Grund, um Urlaub zu verlangen. Hier aber wirst du, wenn du kommst, nicht in einer fremden Gemeinde sein, sondern in einer, die dich als ihren ersten Gründer und Organisator anerkennt. Du sagst, dann ziemte es sich umso mehr, dass alle Pfarrer zugleich dich einlüden. Wenn du es denn nicht anders willst, so kann ich das auch ohne große Mühe erreichen. Aber bisher habe ich mich absichtlich enthalten, etwas dafür zu tun. Wenn du auf mich hören willst, so dringst du auch nicht darauf, dass es geschieht. Sie freuen sich, wenn sie hören, du werdest kommen; sie werden sich freuen, wenn du erst gekommen bist. Wollte ich einen Brief von ihnen fordern, sie gäben ihn gerne. Wozu aber einigen von ihnen doch einen Verdacht erwecken, der sie unnötiger Weise stutzig machte? Denn der eine oder andere würde dann zweifellos doch meinen, das hätte eine tiefere Bedeutung. Den Rat aber zu fragen, scheint mir in keiner Weise gut. Schriebe der Rat an dich persönlich, so könnte das nicht geschehen, ohne dass deine Vorgesetzten beleidigt wären, wenn man sie überginge. Willst du aber, man solle an sie schreiben, welches Gerede entstände dann, als ob du wegen irgendeiner ernstlichen Notlage hierher berufen würdest? Komm also ganz einfach, und zwar rasch, wenn es dir am Herzen liegt, dass Butzers Wunsch erfüllt wird. Denn meine Arbeit stockt, bis du durch deine ausgesprochene Billigung mir wieder Mut machst.

Über das falsche Pauluszitat magst du mich wohl witzig verspotten, wenn du meiner Überlegung zuschreibst, was doch nur durch einen Fehler des Schreibers durch pures Versehen geschehen ist. Statt des zweiten Kapitels wurde nämlich das dritte zitiert. Wenn deshalb irgendeine Verlästerung entsteht, so wird’s doch eine allzu magere sein und wird deshalb durch ihre eigne Schwäche wieder verschwinden. Dass in Eurem Hause eine Hochzeit gefeiert wurde, erfuhr ich von Faton. Der Herr segne die Ehe, wie ichs für sie hoffe. Hättest du es mir zur Zeit gemeldet, und wäre ich frei von Arbeit gewesen, so hätten mich die bösen Zungen nicht abgehalten, zu kommen. Hüte dich also, dass du dir den Weg zu uns, der dir sonst offen steht, nicht selbst durch törichte Furcht versperrst. Noch aus andern Gründen wäre dein Kommen von Nutzen; das wirst du hören, wenn du kommst. Lebwohl, mein Bruder. Der Herr behüte dich und alle deine Kollegen und deine Familie stets fort und lenke Euch. Grüße alle angelegentlich. Nochmals und nochmals lebwohl und komm doch.

[10. Nov. 1543.]
Dein
Johannes Calvin.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/c/calvin/briefe/106.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain