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Endemann, K. - Vom Zungenreden

Endemann, K. - Vom Zungenreden

In neuester Zeit ist die Frage über das Zungenreden durch die Behauptung seines Wiedererscheinens aktuell geworden. Da diese Frage nur aus der Heiligen Schrift entschieden werden kann, so gehört sie zu den biblischen Zeit- und Streitfragen, und es wird nicht unangebracht sein, sie in diesem unserm Bibelbund-Monatsblatte zu behandeln, was wir hiermit unter Gottes Beistand tun wollen.

Wir gehen hierbei von der ersten betreffenden Hauptstelle Apostelgeschichte 2,4-13 aus. Wie hat man sich das pfingstliche Zungenreden der Jünger zu denken; es gibt wesentlich zweierlei Auffassungen darüber; die Einen halten es für ein Reden in fremden Sprachen, die anderen halten es für die Sprache der Verzückung. Dabei identifiziert man entweder das pfingstliche Reden mit der später erwähnten Gnadengabe der Glossolalie, oder man unterscheidet es von letzterer, so daß das pfingstliche Zungenreden als Reden in fremden Sprachen, das später erwähnte Zungenreden aber als die Sprache der Verzückung verstanden wird. Welches ist nun die richtige Auffassung?

Wir haben in den „anderen Zungen“ der Jünger den Eintritt der Erfüllung von Mk. 16,18, wo verheißen wird, daß unter den für die Gläubigen folgenden Zeichen auch dieses sein würde, daß sie „mit neuen Zungen reden“. Der Ausdruck „neue Zungen“ spricht sofort gegen die Auffassung, daß das pfingstliche Reden der Jünger ein Reden in fremden Völkersprachen gewesen sei. Alle die Sprachen der Leute, welche V. 9-11 aufgezählt werden, sind keine neuen Sprachen; es sind alles Gebilde aus Trümmern der durch die Sünde verderbten Ursprache, denen der „alte Mensch“ sein Gepräge in hohem Maße aufgedrückt hat. Man kann nicht einwenden, die fremden Sprachen seien wenigstens für die Jünger neu gewesen. Der Herr sagt nicht: Sie werden mit für sie neuen Zungen reden; sondern: Sie werden mit neuen Zungen reden, also mit an sich neuen.

Man könnte sich nun freilich für das „mit anderen Zungen“ im Sinne von fremden Sprachen auf das Zitat in 1. Kor. 14,21 aus Jes. 28,11 berufen. Paulus sagt da in freier, nicht wörtlicher Ausführung: „Im Gesetze steht geschrieben: Mit anderen Zungen und mit anderen Lippen werde ich zu diesem Volke reden und auch also werden sie mich nicht hören. “ Bei Jesaja handelt es sich wirklich um Sprachen fremder Völker, wie besonders die Vergleichung mit Jes. 33,19 zeigt. Es heißt dort Kap. 28,11: „Ja, mit stammelnder Lippe und mit anderer Zunge wird er reden zu diesem Volke. “ Allein Paulus macht ja offenbar in 1. Kor. 14,21 nur eine freie Anwendung des jesajanischen Wortes. Er will sagen: Es wird in Bezug auf die Glossolalie mutatis mutandis das Wort wahr, welches Jes. 28,11 geschrieben steht. Der Vergleichungspunkt ist die Unverständlichkeit für das ungläubige Volk, wie Paulus weiter sagt: „Darum so sind die Zungen zum Zeichen, nicht den Gläubigen, sondern den Ungläubigen. “ Aus dem „mit anderen Zungen“ geht also mit Notwendigkeit nur das hervor, daß es sich um ein den nicht Eingeweihten unverständlichen Reden handelt.

Die „neuen Zungen“ der Jünger sind die Geisteswirkung des mit seiner Fülle die Herzen erneuernden Heiligen Geistes. Ein neu Herz, einen neuen Mund. Dies zu symbolisieren dazu würden schon vorhandene Sprachen, die zu dem Alten, noch nicht Erneuerten gehören, schlecht passen; dazu paßt nur eine vom Heiligen Geist neugeschaffene Sprache. Für das, was die Herzen der Jünger erfüllte, war überhaupt gewöhnliche irdisch-menschliche Sprache ein ganz unzureichendes, unwürdiges Gefäß; dafür mußte sich der Heilige Geist ein neues Gefäß schaffen in einer neuen Sprache, die dem über das Gewöhnlich-menschliche erhobenen damaligen Zustande der Jünger entsprechend und für das, was ihr Herz erfüllte und bewegte, der angemessene Leib war. Man kann sich ja die Jünger in dem Moment, da sie mit dem Heiligen Geist erfüllt wurden, gar nicht anders denken, als in einem Zustande des höchsten Entzückens, einer Verzückung; das Natürlichste ist daher, daß sie in solchem Zustande auch die Sprache der Verzückung redeten, die für den gewöhnlichen Menschen ganz unverständlich war. War es Sprache der Verzückung, so war dieses Reden zunächst nicht an Menschen gerichtet, die ja gar nicht gegenwärtig waren, als das Pfingstwunder eintrat, sondern hernach erst herzukamen, durch das Brausen herbeigeführt. Das Reden muß also zu Gott gerichtet gewesen sein, und zwar, wie V. 11 zeigt, preisend für seine Großtaten. Daher im Grundtext auch nicht steht: „Sie fingen an zu predigen“, wie Luther übersetzt, sondern: „Sie fingen an zu reden mit anderen Zungen. “ Auch die in V. 4 unseres Abschnittes folgenden Worte: „nachdem der Geist ihnen gab auszusprechen“, führen nicht mit Notwendigkeit auf fremde Völkersprachen, sondern nur darauf, daß Verschiedenheiten im Reden stattfanden. Das Natürlichste ist, diese Verschiedenheiten „Gattungen“ (1. Kor. 12,10) herzuleiten aus den bei den verschiedenen Personen verschiedenen Graden des Maßes, welches jeder von der Fülle des Geistes empfing, indem diese verschiedenen Grade abhingen von den verschiedenen Graden der Empfänglichkeit für die Geistesfülle.

Nun wird aber von Seiten derer, welche die „anderen Zungen“ als fremde Völkersprache fassen, dem bisherigen gegenüber auf V. 6 ff. hingewiesen, woraus unwiderleglich hervorgehe, daß die Apostel wirklich in solchen Sprachen geredet haben. Sehen wir näher zu, wie es sich damit verhält! V. 6 heißt es wörtlich nach dem Grundtext: „Denn sie hörten ein jeder auf seine eigene Mundart sie reden. “ Hier wird nicht ausgesagt, daß die Apostel in den betreffenden Mundarten gesprochen hätten, sondern nur, daß die gottesfürchtigen Juden und Proselyten aus allerlei Volk das, was die Apostel redeten, auf ihre eigene Mundart hörten. Ebenso heißt es V. 8: „Und wie hören wir jeder auf unsere eigene Mundart, in welcher wir geboren worden?“ Hier ist nur vom Hören auf die eigene Mundart die Rede. Weiter heißt es V. 11: „Wir hören sie mit unseren Zungen die Großtaten Gottes reden. “ Auch hier wird nur das Hören in den betreffenden Sprachen ausgesagt. Es ist also keine Nötigung zu der Annahme vorhanden, daß die Apostel tatsächlich in diesen Sprachen gesprochen hätten. Und da unsere bisherige Untersuchung uns schon auf das Gegenteil führte, so werden wir demgemäß auch dabei zu verbleiben haben, daß die Apostel nicht in den Sprachen fremder Völker, sondern in einer neuen Sprache der Entzückung gesprochen haben.

Wie sollen wir aber nun den Umstand erklären, daß jene gottesfürchtigen Juden doch die Jünger auf ihre betreffende Mundart reden hörten? Den Fingerzeig für die Erklärung gibt einerseits die Bezeichnung dieser Leute als „gottesfürchtig“, andererseits V. 13, wo es heißt: „Andere aber sagten spottend: „Sie sind Mostes voll. ““ Also nur Gottesfürchtige können das Organ zum Verständnis für das Reden der Jünger haben, den Spöttern ist letzteres unverständlich wie unartikuliertes Lallen von Trunkenen. Das Urteil der Spötter würde sich sehr ungenügend aus der Annahme erklären, daß die Jünger in Sprachen fremder Völker geredet hätten. Denken wir uns jemand, von dem wir wissen, daß er unsere Sprache nie gelernt, plötzlich uns in derselben anredete; wird es uns denn da in den Sinn kommen, ihn als trunken zu bezeichnen? Gewiß nicht! Wir werden vielmehr wie jene gottesfürchtigen Juden erstaunen und sagen, wir stehen vor einem unerklärlichen Wunder; aber zu sagen: Der Mensch ist betrunken, würde nimmermehr jemandem in den Sinn kommen, da Trunkenheit unmöglich das Reden in einer Sprache, die man nie gelernt, erzeugen kann. Wenn aber die Spötter die Jünger des Herrn in einem verzückten Zustande erblickten und Laute hörten, für welche sie als Spötter, als Ungläubige, kein Organ zum Verstehen haben konnten, dann ist es sofort völlig klar, wie sie sagen konnten: „Sie sind Mostes voll!“ Es ergibt sich nun aus dem Bemerkten, daß das pfingstliche Reden der Jünger ein solches war, für dessen Verständnis Organe gehörten, die vom Geist Gottes geöffnet wurden. Die gottesfürchtigen Juden, die zusammenkamen, hatten solche Organe; die Spötter waren für Geisteswirkung unzugängliche Leute; denn „Der natürliche Mensch vernimmt nichts vom Geiste Gottes; es ist ihm eine Torheit, und er kann es nicht begreifen. “ Die Gottesfürchtigen, sowie sie in Berührung kommen mit der gewaltigen Geisteswirkung, werden sofort von ihr, wenn man so sagen darf, infiziert; sie werden davon mitergriffen, und zwar so, daß sie, was die Jünger in der Sprache der Verzückung reden, auf ihre eigene Mundart verstehen. Wir können uns dies einigermaßen verdeutlichen, wenn wir an die Brechung der Lichtstrahlen in einem durchsichtigen Körper denken. Je nach Beschaffenheit und Gestalt solches Körpers gestaltet sich die Brechung. So brach sich gleichsam das Licht, das in dem Reden der Jünger von diesen auf die Gottesfürchtigen ausstrahlte, in dem letzteren, so daß ein jeder den Inhalt des Redens auf seine eigene Mundart empfand. Wir können auch zur näheren Verdeutlichung auf Vorgänge vom Gebiet der Psychologie hinweisen. Lebhafte Gedanken an entfernte Personen verkörpern sich mitunter zu Rufen und dergleichen, welche von letzteren gehört werden, oder zu Gestalten, welche von ihnen gesehen werden. Auf Grund solcher Erfahrungen wird es, wenn auch der Vorgang immer etwas Geheimnisvolles, Wunderbares behält - und das soll er ja, denn wir stehen hier auf dem Gebiet des Wunders - einigermaßen einleuchten können wie eine Rede, die etwas Überirdisches an sich hat, doch als Rede in gewöhnlicher irdischer Sprache empfunden und verstanden werden kann, und zwar von Leuten aus den verschiedensten Nationen. Lehrreich ist hier auch die Stelle Joh. 12,28. 29. Dort wird die Stimme vom Himmel je nach der Empfänglichkeit des geistlichen Sinnes von den einen als Donner vernommen, von anderen als Engelsstimmen, deren Sinn man aber nicht verstand; noch andre, wie Johannes, der Berichterstatter und jedenfalls seine Mitjünger mit Ausnahme von Judas Ischariot, verstehen sie deutlich.

Um es nun kurz zu fassen: Wir haben ein Wunder vor uns, an Zungen und Ohren, gewirkt vom Heiligen Geist, die Wahrheit veranschaulichend, daß der Heilige Geist, wie neue Herzen, so auch neue Zungen und Ohren schafft.

Beleuchten wir nun noch ein paar schwache Seiten der Auffassung, daß die Jünger in Sprachen fremder Völker geredet hätten. Zunächst: Wie sollte man sich das Reden der Jünger zu dem herbeiströmenden Volke in allerlei Sprache denken? Man meint, es hätten sich wahrscheinlich Gruppen gebildet, je nach den Nationalitäten, und zu denen hätte dann immer je derjenige der Jünger geredet, welcher die Gabe der betreffenden Sprache empfangen. Allein von dieser Gruppenbildung weiß der Text nichts, sondern vom Gegenteil. Es heißt V. 7: „Sie sprachen zueinander“, und dann wird V. 9 angeführt, wie sie unter einander gegenseitig ihre Abstammung angeben. Das spricht entschieden gegen Gruppenbildung, vielmehr bezeugt es ein gemischt Durcheinanderstehen, bei welchem aber Anreden, in verschiedensten Sprachen gehalten, ganz unmöglich sind. Auch das: „Wir hören sie mit unsern Zungen die Großtaten Gottes reden“ spricht dagegen. „Wir hören sie“ heißt es; der natürlichste Sinn dieser Worte ist doch: Wir, d. h. ein jeder von uns, hören sie, d. h. nicht diesen oder jenen, sondern überhaupt sie, mit unseren Zungen die Großtaten Gottes reden. Ferner spricht dagegen, daß der Redenden Einhundertzwanzig waren, unter ihnen eine Anzahl Frauen; Apg. 1,13-15; vgl. 2,1. 7; „alle“. Wie sollten sich wohl 120 Gruppen gebildet haben? Und wie sollten wohl die Frauen gepredigt haben, was doch unanständig gewesen wäre? Siehe 1. Kor. 14,34. 35; 1. Tim. 2,12.

Sodann ist auch die Auffassung des Pfingstwunders bei der Ansicht, daß die Jünger in fremden irdischen Sprachen geredet, eine zu roh-äußerliche, mechanische, während die andere Auffassung eine wirklich geistliche ist. Dazu kommt noch, daß jene das Wunder verkümmert, während bei dieser dasselbe als doppeltes, viel großartiger, herrlicher erscheint; bei jener ist nur das Reden wunderbar, bei dieser aber auch das Hören.

Nach den bisher gewonnen Ergebnissen behaupten wir nun weiter auch, daß das Zungenwunder am Pfingstfest dieselbe Sache ist, welche von da an als die Gnadengabe der Glossolalie bekannt ist. Sehen wir uns daraufhin die hierhergehörigen Schriftstellen an!

Die erste, welche hierbei in Betracht kommt, ist Apg. 10,45-47. Da heißt es: „Und die Gläubigen aus der Beschneidung, die mit Petro gekommen waren, entsetzten sich, daß auch auf die Heiden die Gabe des Heiligen Geistes ausgegossen ward; denn sie hörten, daß sie mit Zungen redeten und Gott hoch priesen. “ Zunächst geht aus dieser Stelle klar hervor, daß es sich mit dem Zungenreden nicht um Reden in fremden Sprachen handelt; denn hier war niemand von einem fremden Volk vorhanden. Sodann steht hier ausdrücklich: „und Gott hoch priesen. “. Das Zungenreden ist also preisend an Gott gerichtet, nicht an Menschen. Ferner schließen die Judenchristen aus dem Zungenreden der Heiden auf die geschehene Geistesmitteilung. Nun ist des Zungenredens, das hier als bekannte Sache auftritt, vorher nur in Kap. 2 erwähnt; die Sache hier muß also dieselbe sein wie dort. Noch deutlicher wird dies aus Petri Wort: „die den Heiligen Geist empfangen haben gleichwie auch wir. “ Das „gleichwie“ kann hier nicht bloß bedeuten: „gleichfalls“, sondern es muß sich hauptsächlich auf die Art und Weise beziehen, in welcher sich die Geistesmitteilung gezogen. Der Ausdruck „mit Zungen reden“ ist von da ab weiterhin stehend für die Gabe der Glossolalie, ohne daß irgendwo auch nur die geringste Andeutung gegeben wäre, daß diese Gabe von der am Pfingstfeste den Jüngern geschenkten zu unterscheiden sei. Ja, das „Gott hoch priesen“ weist geradezu zurück auf das „Großtaten Gottes“ in K. 2,11. Die Schrift identifiziert also das pfingstliche Geistesreden der Jünger und die Glossolalie (Zungenrede).

Auf die soeben erörterte Stelle bezieht sich das Wort Petri in seinem Berichte über die Bekehrung des Kornelius. Er sagt Kap. 11,15: „Indem ich aber anfing zu reden, fiel der Heilige Geist auf sie, gleichwie auf uns im Anfang. “ Hiernach fand bei Kornelius und den Seinen ganz dasselbe statt wie bei den Jüngern zu Pfingsten. Vgl. daselbst V. 17: „Wenn nun Gott ihnen die gleiche Gabe gegeben hat wie auch uns. “ In Kap. 15,8 heißt es von den 12 Johannesjüngern: „Und da Paulus ihnen die Hände auflegte, kam der Heilige Geist auf sie, und sie redeten mit Zungen und weissagten. “ Hier tritt die Gabe der Glossolalie und die der Prophetie verbunden auf. Daß beides nicht zu identifizieren, sondern zu unterscheiden ist, zeigt 1. Kor. 12,10 und Kap. 14.

Hiermit kommen wir auf die Aussprüche Pauli über die Glossolalie im 1. Korintherbriefe. Da ist zunächst K. 12,10 zu beachten: „Dem einen die Gattungen der Zungen, dem andern die Auslegung der Zungen. “ „Dem einen“ „dem andern“ ist hier natürlich kollektivisch zu fassen, so viel als „den einen“, „den andern“. Daraus ergibt sich sofort, daß die Gattungen der Zungen nicht als im Besitze einer Einzelperson, sondern als auf verschiedene verteilt zu denken sind. In den Gattungen der Zungen haben wir das Reden der Jünger am Pfingstfeste, „nachdem der Geist ihnen gab auszusprechen“; nicht irdische Sprachengattungen, sondern die aus dem empfangenen Geistesmaße hervorgehenden, bei den Einzelnen verschiedenen Nuancierungen der Sprache der Verzückung. Und in der Auslegung der Zungen haben wir die praktische Verwertung derselben Wundergabe am Gehör, die sich bei den gottesfürchtigen Juden am Pfingstfeste zeigte. Übrigens kann das Gattungen der Zungen auch zugleich bezogen werden auf das Hören derselben in mannigfachen Sprachen.

In 1. Kor. 13,1 zeigt die Zusammenstellung von Menschen- und Engelzungen, daß die Glossolalie verwandt ist mit der himmlischen Sprache der Engel, daß es also bei ihr sich nicht um gewöhnliche irdische Sprachen handelt. Ebenso führt der pluralische Ausdruck „Engelzungen“ darauf, daß unter Menschenzungen nicht die unterschiedlichen irdischen Sprachen gemeint sind. Denn unter den Engeln im Himmel, derer Sprache nicht durch die Sünde verwirrt ist, spricht man ja doch nur eine Sprache.

Besonders wichtig für die bewegte Materie ist 1. Kor. 14, Da heißt es zunächst V. 2 in Bezug auf die Glossolalie: „Denn der in Zungen Redende redet nicht für Menschen, sondern für Gott; denn niemand vernimmt es; im Geist aber redet er Geheimnisse. “ In V. 13ff. wird das Zungenreden sogar als Gebet bezeichnet; es heißt da: „Darum, wer in der Zunge redet, der bete so, daß er es auslege. Denn wenn ich in der Zunge bete, betet mein Geist; aber mein Sinn ist unfruchtbar. Was ist's nun? Ich werde beten mit dem Geist, ich werde aber auch beten mit dem Sinn. Wenn du lobest mit dem Geist, wie soll dann der, welcher die Stelle der Laien einnimmt, Amen sagen auf deine Danksagung, da er ja nicht weiß, was du sagst?“ Das Zungenreden ist also ein betendes Lob und Dank Aussprechen. Alles dieses stimmt aufs genaueste zusammen mit dem, was sich aus Apg. 2,4-13 in Bezug auf das Reden der Jünger mit anderen Zungen ergab, nämlich daß sie nicht Menschen anredeten, sondern Gott, und zwar seine Großtaten lobpreisend; sowie daß ihre Geistessprache von niemand verstanden wurde, der nicht der entsprechenden Geisteswirkung und Gabe teilhaftig wurde.

Von ganz besonderer Bedeutung ist V. 23: „Wenn nun die ganze Gemeinde zusammenkäme an einem und denselben Ort, und alle redeten in Zungen, es kämen aber hinein Laien oder Ungläubige, würden sie nicht sagen, ihr raset?“ Wir haben hier geradezu eine direkte Hinweisung auf die Pfingstgeschichte. Vgl. Apg. 2,1 und hier an das „an ein und denselben Ort“ und dann besonders dort V. 13: „Andere aber sagten spottend: „Sie sind Mostes voll!““ Die Übereinstimmung ist hier zu auffällig, als das sie nicht zum Beweise dienen sollte, daß Paulus das pfingstliche Geistes-Reden der Jünger und die Gabe der Glossolalie als eine und dieselbe Sache betrachtet.

Unser Gesamtergebnis ist nun, daß wir meinen den genügenden Erweis erbracht zu haben, daß bei dem pfingstlichen Geistes-Reden der Jünger an ein Reden in Sprachen fremder Völker nicht zu denken ist, sondern daß wir es mit der Sprache einer Verzückung zu tun haben, identisch mit der Gabe der Glossolalie.

Es ist sehr naheliegend, in dem Pfingstwunder ein Gegenstück der babylonischen Sprachenverwirrung zu sehen. Doch fehlt in der Schrift eine bestimmte Hinweisung darauf. Man könnte in Apg. 2,9-11 indirekt eine solche erblicken im Sinne der Vereinigung der Weltsprachen. Jedoch sind im Zungenreden die Sprachen der Welt ja noch nicht vereinigt; es geht neben ihnen her, als einer Welt über ihnen angehörend. Und auch in der Gabe des Verstehens und Deutens der Zungen sind die Sprachen der Welt nicht aufgehoben, vielmehr wirkt ja ihre Verschiedenheit dabei fort. Nichtsdestoweniger besteht im Zungenreden wirklich eine Beziehung zwischen Pfingsten und Babel; sie ist aber eine nur untergeordnete. Die Hauptbeziehung des Zungenredens ist die auf die paradiesische Ursprache. Dieser Gesichtspunkt ist angedeutet durch die Bezeichnung „neue Zungen“ in der Grundstelle Mk. 16,18. Das Zungenreden gehört demnach in das Gebiet der Erneuerung durch den Heiligen Geist; es ist also als die Anbahnung der verklärten Erneuerung der ursprünglichen Paradiessprache anzusehen. Diese ursprüngliche Sprache ist, wie alles am Menschen, durch die Sünde verderbt worden, welches Verderben einen gewissen Abschluß seiner Entwicklung in der Sprachenverwirrung von Babel erreichte; und in diesem Sinne bildet das Pfingstwunder allerdings ein Gegenstück zu Babel. Wie aber das Pfingstwunder auf das Paradies zurückweist, so weist es zugleich weissagend vorwärts auf die neue Erde, die zukünftige Vollendung des Paradieses, wo auch die ursprüngliche Sprache in ihrer Vollendung gesprochen werden wird. Weil die Zungengabe von weissagendem Charakter ist, darum trat sie nur bei einer beschränkten Anzahl von Personen auf („den einen die Gattungen der Zungen“, 1. Kor. 12,10) und zugleich nur zeitweilig und erlosch hernach wieder (1. Kor. 13,9), um einst in der Erfüllung der Vollendung in höchster Verklärung wieder zu erscheinen als die Sprache der neuen Erde.

Nach dem nun, was wir an Hand der Schrift im Vorstehenden über das Zungenreden festgestellt haben, ist zu prüfen, was an den Behauptungen ist, daß bei den Erweckungsbewegungen unserer Tage, die vielfach einen gewaltsamen Charakter tragen, das Zungenreden wieder erschienen sei. Alles, was sich als Ansprache an Menschen, als Ermahnungen gibt, ist kein Zungenreden. Und wenn unter anderem aus Norwegen berichtet wird, daß ein Fräulein Griechisch gesprochen habe, so ist dies kein Zungenreden, sondern - wenn es überhaupt wirkliche Tatsache ist - eine der pathologischen Erscheinungen, die bei starken nervösen Erregungen sich mitunter zeigen. Wer in solchem Zustande in einer ihm sonst nicht geläufigen Sprache redet, der hat sich entweder irgendwie mit derselben befaßt oder ist irgendwie damit in Berührung gekommen, und dies hat in der Dunkelkammer seiner Seele, ihm unbewußt, einen gleichsam photographischen Eindruck zurückgelassen, welcher durch gewisse seelische Erregungen hervorgerufen und reproduziert wird, ähnlich wie ein Bild auf photographischer Platte. Dergleichen und Ähnliches ist schon öfter dagewesen und ist nicht dem Heiligen Geiste zuzuschreiben. Auch sind einzelne unartikulierte Laute und Ausrufe kein Zungenreden. Denn das wirkliche Zungenreden ist zusammenhängende Rede, in welcher man entzückt Gottes Großtaten preist. Es ist eine Sprache, und zwar die eines höheren Zustandes als desjenigen, in dem der diesseitige Mensch sich gewöhnlich befindet. Als geistgewirkte Sprache muß dieselbe viel schöner lauten, als alle irdische sprachen, muß in ihren Gesetzen, ihren Formen, ihrem Bau viel vollkommener sein als diese; das Wort in derselben muß der unmittelbare adäquate Ausdruck der Vorstellung, die vollkommene Verkörperung derselben sein, soweit diese hienieden unter der erneuernden Einwirkung des Heiligen Geistes möglich ist.

Wir geben zum Schluß noch folgende Bemerkungen. Die Ursprache war dem Menschen anerschaffen, wie 1. Mo. 2,16. 17. 19. 20. 23 bezeugt. Der ursprüngliche Mensch kleidete seine Gedanken sofort in die entsprechenden Laute, ohne erst mühsam reden zu lernen. Auch in der durch die Sünde verderbten und gespaltenen Sprache tritt dem aufmerksamen Forscher noch heute entgegen, daß in jedem Sprachlaut ursprünglich der Ausdruck einer bestimmten Idee liegt, was uns jetzt freilich im Sprechen nicht mehr zum Bewußtsein kommt. Vor dem Sündenfall war Geist und Leiblichkeit des Menschen inniger verbunden, der Leib geistdurchdrungener, als nach dem Sündenfall, der den Tod, d. h. die Trennung von Geist und Leib bedeutet (vgl. 1. Mo. 3,7 die Veränderung, die durch den Sündenfall mit der Leiblichkeit des Menschen sofort eintrat); jede Idee fand daher während des Urstandes in ihrer Äußerung unmittelbar den entsprechendsten Ausdruck, ohne ihn erst zu suchen. Genauso ist es mit dem Zungenreden. Wenn der Geist über den Menschen kommt mit der Gabe der neuen Zungen, dann ist die neue Sprache da, die nicht erst gelernt wird. So ist es auch mit der Sprache der seligen Ewigkeit. Dort sprechen wir nicht mehr deutsch usw. ; sondern mit dem Augenblick, wo wir in die Vollendung übergehen, treten wir auch in den Besitz und Gebrauch der Sprache der Ewigkeit, die wir nicht erst zu erlernen brauchen. Paulus hörte etwas davon, als er bis in den dritten Himmel, in das Paradies, entzückt ward; 2. Kor. 12,2. 4

Quelle: Gärtner - Eine Wochenschrift für Gemeinde und Haus 1907

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