Rieger, Carl Heinrich - Kurze Betrachtungen über die Psalmen - Der 118. Psalm.
1. Dankt dem HErrn; denn er ist freundlich, und seine Güte währt ewig. 2. Es sage nun Israel: Seine Güte währt ewig. 3. Es sage nun das Haus Aarons: Seine Güte währt ewig. 4. Es sagen nun, die den HErrn fürchten: Seine Güte währt ewig. 5. In der Angst rief ich den HErrn an, und der HErr erhörte mich, und tröstete mich. 6. Der HErr ist mit mir, darum fürchte ich mich nicht; was können mir Menschen tun? 7. Der HErr ist mit mir, mir zu helfen; und Ich will meine Lust sehen an meinen Feinden. 8. Es ist gut auf den HErrn vertrauen, und sich nicht verlassen auf Menschen. 9. Es ist gut auf den HErrn vertrauen, und sich nicht verlassen auf Fürsten. 10. Alle Heiden umgeben mich; aber im Namen des HErrn will ich sie zerhauen. 11. Sie umgeben mich allenthalben; aber im Namen des HErrn will ich sie zerhauen. 12. Sie umgeben mich wie Bienen, sie dämpfen wie ein Feuer in Dornen; aber im Namen des HErrn will ich sie zerhauen. 13. Man stößt mich, dass ich fallen soll; aber der HErr hilft mir. 14. Der HErr ist meine Macht, und mein Psalm, und ist mein Heil. 15. Man singt mit Freuden vom Sieg in den Hütten der Gerechten: Die Rechte des HErrn behält den Sieg; 16. Die Rechte des HErrn ist erhöht: die Rechte des HErrn behält den Sieg. 17. Ich werde nicht sterben, sondern leben, und des HErrn Werk verkündigen. 18. Der Herr züchtigt mich wohl, aber er gibt mich dem Tode nicht. 19. Tut mir auf die Tore der Gerechtigkeit, dass ich dahinein gehe, und dem HErrn danke. 20. Das ist das Tor des HErrn; die Gerechten werden das hinein gehen. 21. Ich danke dir, dass du mich demütigst, und hilfst mir. 22. Der Stein, den die Bauleute verworfen, ist zum Eckstein geworden. 23. Das ist vom HErrn geschehen, und ist ein Wunder vor unseren Augen. 24. Dies ist der Tag, den der HErr macht; lasst uns freuen und fröhlich darinnen sein. 25. O HErr, hilf, o HErr, lass wohl gelingen! 26. Gelobt sei, der da kommt im Namen des HErrn! Wir segnen euch, die ihr vom Hause des HErrn seid. 27. Der HErr ist GOtt, der uns erleuchtet. Schmückt das Fest mit Maien, bis an die Hörner des Altars. 28. Du bist mein GOtt, und ich danke dir; mein GOtt, ich will dich preis sen. 29. Dankt dem HErrn; denn er ist freundlich, und seine Güte währt ewig.
Den 118. Psalm mag David nach einer überstandenen großen Not gemacht haben, da er etwa über die ihm widerfahrene Hilfe GOttes ein Dankfest angestellt. Der Geist Christi in ihm hat aber unter diesen Worten weiter gedeutet auf die künftigen Leiden und die darauf erfolgte Herrlichkeit Christi, und was daraus für ein Lob und Anbetung erwachsen sollte. Der liebe Heiland beruft sich selbst in einer Seiner letzten Unterredungen auf diesen Psalm, Matth. 21,42. Man kann also den Psalm wohl so ansehen, dass darin der Geist Christi 1) Alles zum, Lob GOttes aufmuntert, und darin sogleich mit seinem eigenen guten Exempel vorgeht, und die ihm widerfahrene Hilfe erhebt, V. 1-14. 2) Darunter gewinnt er eine gute Aussicht, wie dies Lob GOttes in den Hütten der Gerechten weiter ausbrechen werde, mit welch fröhlichem Anblick er sich in der tiefsten Leidens Not getröstet, V. 15-18. 3) Er bestimmt einen besonderen Freudentag, daran er sich mit den Seinigen vorzüglich zu GOttes Lob wolle hören lassen; im Anfang und Schluss geht die Rede in Christi eigenem Namen, dazwischen hinein aber kommt die Rede derer, die auf allerlei Weise an seiner guten Sache Anteil nehmen, V. 19-29. Wie gern und fleißig sollten wir nach den Wunders Werken GOttes in der Aufrichtung und bisherigen Führung des Reichs Christi nachdenken, und mit Danken und Beten zu dem noch weiteren Anbruch desselben mitwirken. Der köstliche Sinn, in welchem Christus selbst durch Leiden zur Herrlichkeit eingegangen, muss freilich aus dergleichen Worten immer besser gefasst, angezogen und behauptet werden. Christi Sinn war in allen Stücken auf GOtt und Seine Ehre gerichtet. Diesen zu verklären - zu dessen Lob viel Frucht der Gerechtigkeit zu bringen und zu schaffen auf dies war bei ihm Alles eingerichtet. Und dabei konnte denn auch ein volles Vertrauen auf GOtt aufkommen, und bestehen unter Verleugnung alles Vertrauens auf Menschen, mithin aber auch ein Vertrauen in großer Freiheit von der Furcht vor Menschen, in einem großmütigen Sinn, wie GOttes Recht unter dieser Seiner Reichssache bestehen werde, wann Menschen Gedanken und Anschläge verloren sein werden: dabei aber doch ein Sinn voll Demut, sich unter alle Züchtigung, ja unter das Leiden des Todes zu beugen, und darunter den Ruhm der Hoffnung der Herrlichkeit doch nicht aufzugeben. Je mehr einer diesen Sinn an Christo zuerst erkennen und liebgewinnen lernt, unter solcher Liebe aber Ihn selbst auch in sich nimmt und bewahrt, desto weniger wird er sich den Leib der Sünde und des Todes, die Welt mit ihrer Lust und Furcht, die täglichen Züchtigungen, unter denen er gehalten wird, an dem Lob GOttes über den Sieg, der uns gegeben ist durch unseren HErrn JEsum Christum, hindern lassen, mit der Freude am HErrn und Seinem durch alle Hindernisse hindurch brechenden Reich jeden Verdruss unter seine Füße zu treten.