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Tersteegen, Gerhard - Andachten

Tersteegen, Gerhard - Andachten

Ich weiß, mein Gott, dass du das Herz prüfst, und Aufrichtigkeit ist dir angenehm.
1. Chr 29,17

Siehe, so sollen wir auf eine wohlbedachte, aufrichtige Weise mit Gott in den Bund eintreten durch redliches Absagen aller Sünden und durch redliches Zusagen unserer unverfälschten Treue. Es muss alles nicht auf eine heuchlerische Weise, nur zum Schein oder nur mit Worten, sondern auf eine aufrichtige und gründliche Weise von uns geschehen. O liebste Herzen, dem Herrn, unserem Gott, ist nicht gedient und uns wird nicht geholfen mit einem äußerlichen Schein oder guten Stellungen, noch mit guten Worten. Nein, keineswegs, sondern bei unserer Buße und bei unserer Übergabe an den Herrn, unsern Gott, muss lauter Aufrichtigkeit sein; das Herz muss dabei sein. Was würde es uns helfen, mit der Welt die kläglichsten und beweglichsten Bußlieder zu singen und Gott tausend schöne Gebete vorzuplappern und Besserung zu versprechen, wenn das Herz nicht dabei ist? Das wird alles denn ja von Gott nicht geachtet, ja es ist ein Gräuel vor ihm. Tue nur weg von mir das Geplärr deiner Lieder, sagt Gott durch den Propheten Amos (im 5. Kapitel): „Ich bin euren Feiertagen gram und verachte sie und mag eure Versammlungen nicht riechen“. Gründliche Aufrichtigkeit muss sein, Falschheit kann vor Gott nicht bestehen. O lasst uns hierbei einen Augenblick stille stehen! Lass doch, Seele, die Augen des Herrn, die wie Feuerflammen sind, einmal dein Herz beleuchten! Ist dein ganzes Herz bei der Sache? Ist dir es redlich darum zu tun, der Welt, allem Eitlen und deinem eigenen Willen gründlich abzusagen, dem Herrn Jesu dein redliches Wort zu geben, oder ist's Heuchelei? O Seele, prüfe dich gründlich vor dem Herrn! O du hast es mit Gott, dem Allsehenden und Allwissenden, zu tun und nicht mit einem Menschen.

Kommt, Kinder, gebt das Herze dem lieben Vater ganz,
Es bleibt die Not und Schmerze, behalt und teilet man's.
Ganz, ganz muss man sich geben, wer frei und froh will leben;
Ein willenloses Kind in Einem Alles findt.

Dem Gerechten muss das Licht immer wieder aufgehen.
Ps. 97,11

Sogar von Seiten des Herrn, unseres Gottes, unseres gnädigen, lieben, himmlischen Vaters selbst können einem Pilger auf seinem Weg allerhand Bedenklichkeiten und Skrupel zustoßen; nämlich wenn es dem Herrn öfters gefällt, sein Licht vor der Seele zu verbergen und sie im Finstern gehen zu lassen, ihr alle Süßigkeiten und Empfindungen zu entziehen und sie in der Dürre wandeln zu lassen. Hier ist nun leicht zu denken, wie schwer es da zugehe. Wenn ein Pilger auf einer großen Heide gehen muss, wo es sehr dürr ist und die Sonne heiß scheint, und er hat nichts zu beißen und zu brechen, o da fällt ihm der Weg schwer; da geht es hart und kümmerlich her. Allein, liebe Seele, gehe mit der Sache einmal ins Heiligtum! Bist du auch selbst schuld daran, dass dir Gott sein Licht entzogen hat und er dich deshalb von den Süßigkeiten und Lieblichkeiten fortnehmen muss? Ist es dir vielleicht bewusst, dass du durch eine vorsätzliche Untreue und Abweichung vom Weg des Herrn selbst Ursache davon bist, - ach so begreife dich und tritt augenblicklich wieder auf den geraden Weg! Weißt du aber keine Ursache; weißt du nichts zu finden, dass dir klar sei, warum der Herr sein Licht, seine Empfindungen, seine Mitteilungen dir entzogen habe, wohlan, so gehe in das Heiligtum; fasse dich und denke, es sei der Herr, der solches alles tut und es aus sehr weisen Ursachen so fügt. Vielleicht bist du auch darin untreu gewesen, dass du dich der Süßigkeiten und der Gnaden in Eigenliebe zu viel angemaßt hast. Siehe, liebes Herz, ist es denn nicht wohlgetan, wenn der liebe Vater dir solches entzieht, damit du nicht gar verdirbst? Ist es nicht seiner Weisheit gemäß, wenn er dich gewöhnen will, im bloßen, reinen Glauben vor ihm zu wandeln; wenn er will, dass du auf ihn wesentlich und allein gegründet sein sollst und nicht auf die Lichter, nicht auf die Süßigkeiten und den Geschmack?

Will Gott dir alle Zierde nehmen,
Entblößt er dich von Kraft und Mut,
Scheinst du ohn' Tugend, ohne Gut,
Ei, lerne dich nach ihm bequemen.
Dein Gut's muss nicht die Stütze sein,
Gott ist dein Grund, dein Gut allein;
Kannst du dein Eignes dabei wagen,
Dann end't sich all dein Weh und Klagen.

Ob ihr schon viel betet, höre ich euch doch nicht!
Jes. 1,15

Mancher Mensch hat einen gar zu großen Gefallen an seinen eigenen Wortgebeten und gefällt sich selber, weil er so hübsch beten kann, und meint, er sei so fromm, er könne so andächtig beten. Das ist ihm auch keine Heuchelei, sondern ein solcher Mensch meint es manchmal recht gut bei seinem Beten. Aber weil zu viel Eigenliebe und zu viel Menschliches darin ist, darum lässt es Gott geschehen, dass einer solchen Seele das Vermögen benommen wird, dass sie es so nicht mehr hervorbringen kann, wie sie es vorher wohl konnte, da sie selbst betete, da sie selbst Betmeisterin war und noch selbst das Ruder führte beim Gebet. Das aber tut Gott darum, damit die Seele dem heiligen Geiste besser Platz geben möge. So weit war auch Paulus gekommen, wenn er sagt: „Wir wissen nicht, was wir beten sollen, wie sich's gebührt.“ Paulus war studiert, er hätte ja wohl Gebete machen können; ja, er hätte wohl Mundgebete tun können, aber das freute ihn nicht. Nein, sagt er, wir wissen nicht, was wir beten sollen, wie sich's geziemt. Aber der Geist kommt uns zuvor mit unaussprechlichen Seufzern. Wenn demnach der Mensch nach Erfahrung seines Unvermögens beim Gebet nur demütig vor Gott bekennen würde, er könne nicht beten und erwarte so des heiligen Geistes Wirkung in seinem Inwendigen - o so würden manchmal unvermutet unaussprechliche Seufzer in ihm aufsteigen, die vor Gott unendlich würdiger und seiner Seele heilsamer wären als alles selbstgemachte und aus eigener Anstrengung hervorgebrachte mündliche Beten. Und daher kommt es auch, dass wir nicht verharren können im Gebet und dass uns manchmal die Zeit darin zu lang fällt, weil wir dem heiligen Geist nicht genug Raum geben. Lasst uns nur bei all unserem Unvermögen im Gebet als arme, dürftige Bettler vor der Gnadentür unseres Gottes beständig liegen bleiben und nur warten, nur dann und wann in wahrer Herzensdemut und Wehmut ein sehnliches Blickchen nach unserem himmlischen Vater und Erbarmer tun, so wird er selbst, der heilige Geist, auf die erhörlichste Weise in uns beten.

Dein eignes Beten ist beflecket,
Du musst dem Herrn in Herzen ruhn.
Das Abba, das sein Geist erwecket,
Stör' nicht durch Auskehr und Selbsttun!

Hebt eure Augen in die Höhe und seht! Wer hat solche Dinge geschaffen?
Jes. 40,26

Wo ist es denn nun immer möglich, dass wir so wie die Kühe in die Natur hineingehen können, dass wir in unsere Gärten, in unsere Felder und Wälder gehen können, als wenn wir Tiere wären? Sollten wir nicht vielmehr die Ermahnungen Gottes zu Herzen nehmen, da er spricht: „Ihr Menschenkinder, hebt doch die Augen in die Höhe und seht, wer alle solche Dinge gemacht hat!“ Der Geist des Herrn ist es, der das alles hervorgebracht hat, um uns zu sich selber zu weisen und zu erheben. Ist es möglich, dass wir diese Dinge ansehen können, ohne an den, der sie gemacht hat, zu denken? Dass wir eine solche Schönheit, eine solche Proportion in der äußeren Natur wahrnehmen können, ohne zu überlegen, was der Beweggrund davon sei, und wer in allen diesen Dingen eigentlich wirke? Täten wir dies, so würden wir finden, dass es nicht zu viel gesagt ist, wenn es heißt: 'Der Weltkreis ist voll Geistes des Herrn.' Ja, wir würden an allen Orten und Enden den Geist des Herrn, den Geist der Weisheit, den Geist der Macht erblicken, der alle diese Dinge schön macht. Dadurch würden wir in eine tiefe Bewunderung seiner göttlichen Majestät gesetzt werden.

Lasst uns demnach die Natur nicht nach der alten Gewohnheit ansehen! Sie ist hervorgebracht durch die Obermacht Gottes. Wenn man im Winter einen Baum in hunderttausend Stücke zerschnitten hätte, man würde nicht ein einziges Blättlein oder Blümlein in demselben finden und viel weniger aus demselben hervorbringen können. Dennoch aber bringt es die Wunderhand Gottes hervor. Wir sollen in dem allen Gottes unerschöpfliche Macht sehen, wodurch er alle diese Dinge hervorbringt. Wir sollen seine wundervolle Weisheit darin anbeten, die nicht nur so ein einziges schönes Blättlein, sondern so viele tausend Millionen hervorbringen und erhalten kann. Wir sollen die unendliche Mildtätigkeit Gottes darin beschauen, die für Menschen und Vieh eine solche Menge Wohltaten hervorbringt und zu unserer Beschämung darstellt.

Aber dies soll auch dienen zu unserer Erweckung, Gott selbst zu suchen und seine ewigen himmlischen Güter zu genießen.

Freue dich nicht, meine Feindin, dass ich darniederliege, ich werde wieder aufkommen.
Micha 7,8

Beschwerde, Anstoß, Kummer und Ängstlichkeit kann sich manchmal ein Gemüt machen, wenn man nicht nur seine eigenen Gebrechen, Fehler und Verderbnisse sieht, sondern auch gar aus Schwachheit, aus Unvorsichtigkeit oder aus Übereilung selbst zum Fall kommt; dass man selbst öfters sündigt und vor dem Herrn Übels tut. Ach, da kann das Herz gewaltig an das Stolpern geraten, den Mut manchmal wegwerfen und sich gar des Weges wieder entschlagen und denken: „nun ist es gar mit mir verdorben, nun ist es gar nichts wert mit mir. Siehe, so grob hast du es nun gemacht!“ Indessen, was ist zu tun? Es ist nun einmal geschehen. „Habe ich dich beleidigt, was tue ich dir damit, o du Menschenhüter?“ sagt Hiob (7, 20). So sage du denn auch zu ihm: „Ob ich schon in den Kot gefallen bin, Herr Jesu, dennoch, dennoch bleibe ich stets bei dir; dennoch will ich wieder zu dir kehren. Ich will wieder eine neue Übereinkunft mit dir machen. Wenn ein Kind gefallen ist, so muss es sich allerdings wieder zur Mutter kehren. Aber weshalb kommt ein Kind zum Fallen? Weil es nicht bei der Mutter bleibt. Nun, Herr Jesu, ich will stets bei dir bleiben. Ich sehe wohl, was davon kommt, wenn man nicht fleißig betet, wenn man nicht fein nahe bei seinem Herzen bleibt, wenn man sich nicht stets an deiner Hand festhält. Ach, ich würde immer fallen, wenn ich nicht bei dir bliebe. Halte du mich fest bei deiner Hand, dass ich forthin nimmermehr falle!“

Ein Kind ist seiner Mutter Lust;
Sie nährt es selbst aus ihrer Brust,
Ermüdet nicht im Sorg'n und Tragen.
So liebst du einen jeden, Herr,
Als wenn nur der dein Liebling wär;
Drum können wir's auf dich nur wagen.
Wir wollen süß vertraulich sein,
Dich, Lieb', anseh'n und uns erfreu'n.

Es war aber ein Mensch unter den Pharisäern mit Namen Nikodemus, ein Oberster unter den Juden, der kam zu Jesu bei der Nacht.
Joh. 3,1

Ach es sind manche, die wollen so heimlich fromm sein; das sollen die Leute nicht wissen; man will so für sich fromm sein. Aber es ist ein Betrug des Satans; mit einem solchen Frommsein wird man allmählich wieder unfromm und lässt sich wieder in unerlaubte Dinge ein. Ich rate es allen anfangenden Seelen, aufrichtig zu sein. Tut doch eine Heldentat; lasst es alle Welt wissen, was ihr vorhabt! Gerade wenn die Seelen so heimlich tun, so verborgen fromm sein wollen, dann kann uns die Welt plagen, verführen und aus einer Zerstreuung in die andere bringen, dass man wieder mit ihnen hineingezogen wird. Lasst es die Welt nur wissen, was wir vorhaben! Nicht dass wir uns in unnötige Gespräche und Dispute mit ihnen einlassen, in unzeitiges Lehren uns begeben; nein, das ist nicht nötig, sondern uns nur gerade erklären. - Manche heucheln auf eine gar grobe Weise. Wenn sie bei den Frommen sind, dann tun sie recht fromm; dann stimmen sie allem bei; dann können sie mitreden als die allerbesten. Wenn sie aber bei Weltmenschen sind, so reden sie von allen unnötigen Dingen, wie die Leute es haben wollen. „Man muss sehen,“ sagen sie, „bei wem man ist, und bei Weltleuten mit seiner Frömmigkeit nicht prahlen wollen.“ Nein, man muss nicht heucheln, lieber Mensch, sondern gerade zugehen; man muss aufrichtig sagen, was man sucht, was man gern hätte, worum es einem zu tun ist. Wollen wir nicht mit den Leuten reden von guten Sachen, so lasst uns doch auch das unnötige, eitle Geschwätz zurücklassen und uns nicht in alle nichtswürdigen Dinge mit der Welt hineinwagen; dadurch verliert man seine Kraft und sein Licht und wird wieder so tot, wie man jemals gewesen ist.

Ich will wohl gerne schöne sein,
Doch nur, damit ich dir gefalle,
Ich such vor Menschen keinen Schein:
Willst du, lass mein vergessen alle:
Ich sei veracht und du geehrt,
So hab ich, was ich hab begehrt.

Ich bin den Juden wie ein Jude geworden, … und denen, die ohne Gesetz sind, wie einer ohne Gesetz. 1.Kor. 9,20-21

So gehe ich wirklich mit allerhand Religionsverwandten um; ich rede zu ihnen, wenn's Gott fügt, öffentlich und sonderlich von der Gnade Gottes in Christus, von der Verleugnung, vom Gebet, von der Liebe zu Gott, und lasse ihnen dabei das ganze Gebäude ihrer besonderen Kirchenverfassungen und Meinungen unangetastet stehen, solange es Gott stehen lässt.

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