Roos, Magnus Friedrich - Aus der Vorrede.

Roos, Magnus Friedrich - Aus der Vorrede.

Ein treuer und begabter Knecht Gottes, nämlich Herr M. Philipp Friedrich Hiller, welcher in den letzten Jahren seiner Wallfahrt Pfarrer zu Steinheim in der württembergischen Herrschaft Heidenheim gewesen ist, gab neben andern nützlichen Schriften ein geistliches Liederkästlein nach der Art des Bogazkischen Schatzkästleins in zwei Teilen heraus, dessen sich bisher viele Liebhaber des Worts Gottes in und außer Württemberg mit Nutzen bedient haben. Ein jeder Theil dieses Liederkästleins enthält so viele biblische Sprüche als Tage im Jahr sind; einem jeden Spruch aber ist eine kurze erbauliche Anmerkung und ein kleines Lied beigefügt. Der Unterschied der zwei Theile besteht darin, daß, wie der sel. Verfasser selber in den Vorreden anzeigt, die Sprüche und Lieder in dem ersten Theil vornehmlich von der Anbetung Gottes, von dem Lob Seiner Eigenschaften und Werke, und von dem Dank für Seine Werke, in dem zweiten Theil aber meisten von der Zukunft unsers HErrn Jesu Christi, folglich auch vom Tod, von der Auferstehung, vom jüngsten Gericht u.s.w. handeln. Gleichwie nun der wohlselige Herr Carl Heinrich von Bogazky sein Schatzkästlein in einem sogenannten täglichen Hausbuch der Kinder Gottes noch weiter ausgeführt hat, also ist solches auch von mir in Ansehung des Hillers’schen Liederkästlein geschehen, wiewohl ich meine Ausführung kürzer, als jene, fassen müssen. Es sind aber bei derselben die biblischen Sprüche und Lieder, welche in den zwei Theilen des Liederkästleins stehen, so beibehalten worden, daß zu den Morgenandachten Sprüche und Lieder aus dem ersten, zu den Abendandachten aber aus dem zweiten Theil genommen worden. Auch sind Morgen- und Abendgebete auf zwei Wochen beigefügt worden. Weil auch einige Sprüche zweimal oder dreimal vorkommen, so kann ein jeder Leser dasjenige, was ihm an einem Ort bei der Erklärung zu mangeln scheint, vermittelst des Spruchregistern an einem andern Ort suchen. Dasjenige, was noch weiter von der Einrichtung dieses Hausbuchs hier zu melden wäre, wird ein jeder Leser selber wahrnehmen können, weßwegen ich hier nur noch von dem sel. Herr Pfarrer Hiller, den ich persönlich gekannt habe, und dessen Gedächtniß im Segen ist, einige Nachricht geben will. Es wird Niemand reuen, seinen Lebenslauf, wie er ihn selber mit großer Bescheidenheit beschrieben hat, auch hier gelesen zu haben. „Ich bin,“ so schrieb der selige Mann, „geboren zu Mühlhausen an der Enz im Jahr 1699 den 6. Januar. Mein seliger Vater war M. Joh. Jak. Hiller, Pfarrer in Mühlhausen; meine selige Mutter Maria Elisab., Tochter M. Daniel Griesingers, Pfarrers in Großglattbach. Im Jahr 1701 wurde ich durch den Tod meines mir noch unbekannten Vaters ein Waise; meine Mutter nach mich zu ihrem Vater mit nach Großglattbach. Im Jahr 1706 heirathete sie den Bürgermeister zu Vaihingen a. d. Enz und engern Ausschußverwandten, Philipp Friedrich Weiß, der mich zur Schule schickte und dem Studieren widmete. 1707 kam ich in der damaligen Flucht vor den Franzosen bis nach Heidenheim, 1713 in das Kloster Denkendorf und unter die Aufsicht des sel. Bengels, 1716 nach Maulbronn, und 1719 in das Stipendium zu Tübingen; 1720 wurde ich Magister; 1724 examinirt und hierauf drei Jahre Vikarius in Brettach. 1727 ging ich nach Hause, informirte meinen Bruder und vicarirte zugleich für die zwei Speciäle in Roßwaag und Vaihingen, wurde folgendes Jahr nach Schwaigern zu dem dasigen Stadtpfarrer und Diakonus als beider Vikarius gesendet, und kam nach einem halben Jahre zu Herrn Special nach Roßwaag; 1729 kriegte ich Erlaubniß, in Nürnberg bei dem Marktvorsteher von Müller zu informiren; 1731 suchte ich im Spätjahre wieder die Heimath, und wurde bald hernach Vikarius in Hessigheim, bis ich 1732 Pfarrer in Neckargröningen wurde. Vier Jahre hernach wurde ich unvermuthet auf Mühlhausen, meinen Geburtsort berufen, wo man mich 35 Jahre zuvor als einen schwächlichen Waisen hinweggetragen hatte. Nach 12 Jahren wurde ich 1748 am 11. Juni zur Pfarrei Steinheim befördert, wo ich aber zu Ende des dritten Jahres meine Stimme zum Predigen verlor. Dieß sind die Stationen meiner Pilgrimschaft. Nun will ich mit dankbarem Andenken kommen auf die göttlichen Wohlthaten, die mir der gütige Gott im Leiblichen erzeigt hat. Von meinem Vater soll ich als ein Kind sehr geliebt worden sein. Aber der Tod hat ihm die Liebe und mir seine Wohlthaten verkürzt. Eine getreue und christliche Mutter hatte ich, die mich zum Beten und zur Furcht Gottes von Jugend auf angehalten. einen rechtschaffenen und treugesinnten Stiefvater bekam ich unter göttlicher Vorsorge. Diesen Eltern vergelte der HErr ihre an mir erwiesene Treue vor Seinem Angesichte. Aus etlichen augenscheinlichen Todesgefahren hat mich Gott in meiner Kindheit errettet. In meinen Klosterjahren hat Gott, so lange ich Ihn gefürchtet, unter manchem Druck der Boshaftigen, die Gunst meiner Vorgesetzten gar besonders gegen mir gelenkt, auch es abgewendet, daß ich nicht wegen meiner tauglichen Stimme von dem Studiren ab- und zur Hofmusik gezogen worden bin. Als ich magistriren sollte, starb mir mein Stiefvater, da ich dessen Hülfe am nöthigsten hatte, doch half mir Gott bei meinem geringen Vermögen immer mit Ehren durch. In der Fremde hörte Gott mein Verlangen, daß ich unter so vielen Leiden doch nicht krank wurde. Auch bat ich Gott um eine Gehilfin, die Ihn liebte, und die mich liebte, und Er hat mir’s gewähret in der Person der Maria Regina, M. Joh. Friedrich Schickards, gewesenen Pfarrers in Hessigheim, jüngster Tochter, die noch lebt, mit der ich im Jahr 1732 kopulirt worden, und die bisher mit mir in herzlicher Liebe und ungestörtem Frieden manches Leiden ertragen, auch mein Amt mir mit keinen Aergernissen schwer gemacht hat. Der HErr tröste sie mit Seinem Wort nach meinem Abschied. Gott hat uns in unserer Ehe mit eilf Kindern gesegnet, nämlich fünf Knäblein und sechs Mägdlein, wovon zwei der letztern frühzeitig zu Mühlhausen gestorben; und mein ältester Sohn, der zu Stuttgart in der Flucht geboren war, im 19. Jahr seines Alters zur Ruhe gekommen. Zu diesen leiblichen Wohlthaten rechne ich billig mit, daß mir Gott bei geringem Vermögen immerdar genug gegeben, meine lieben Kinder ehrlich fortzubringen; ferner, daß Er mir etlichemal meine herzlich geliebte Frau, da sie dem Tod nahe gewesen, auf mein Flehen wieder geschenkt hat; und dann, daß Er mich bei dem Verlust meiner Stimme im Verborgenen gnädig geschützt hat gegen etliche heimliche Ränke. So groß diese Wohlthaten sind, so ist doch Seine Barmherzigkeit im Geistlichen an mir noch größer gewesen; davon will ich nur etliches rühmen. Die erste geistliche Wohlthat empfing ich in meiner heiligen Taufe, da mich Gott nach Seiner Barmherzigkeit selig gemacht hat durch das Bad der Wiedergeburt und Erneuerung des Heiligen Geistes, welches mich oft in Anfechtung getröstet hat. Hernach hat Er noch in der Kindheit und dann bei dem ersten Abendmahlgehen mein Herz kräftig gerühret und zum Gebet und Lob Gottes kräftig angetrieben. Als ich mich in Maulbronn durch Verführung der Bösen in die Schlinge des Satans ziehen ließ, hat Er mich dennoch nicht verstockt werden lassen, sondern nach dem Reichthum Seiner Barmherzigkeit wieder zu Sich bekehrt. Ferner hat Er mich, sonderlich in Nürnberg, Seine Erbarmung unter vielen geheimen fast unerträglichen Anfechtungen reichlich erfahren lassen. Ferner hat Er in meinem Amt unter vieler herzlicher Beschämung über meine Untreue, Unverstand, Leichtsinnigkeit, Trägheit und andere Unarten mich in dem Blute meines Heilandes die tägliche Vergebung der Sünden nach Seiner ewigwährenden Barmherzigkeit reichlich empfinden lassen, und mich bei Seinem Abendmahl erquickt. Ferner hat Er mich in der Liebe Seines göttlichen Worts erhalten, und mich in der Erkenntiß Jesu Christi meines Erlösers wachsen lassen, auch, nach mancherlei Thränen, meine aus dringender Bekümmerniß für meine Gemeine mit Zittern angefangenen Sonntagsstunden, und die in eben diesen stimmlosen Jahren über mein Vermuthen ausgefertigten Büchlein nicht ohne Segen sein lassen, welches hiemit zum Ruhm Seiner unverdienten Barmherzigkeit gemeldet sei. Hieran mag genug sein! Mein Letztes ist, daß ich Seiner Verheißung traue und hoffe, Er werde auch im Sterben Seine Barmherzigkeit nicht von mir reißen, und mich einst auf den Versöhnungstod Jesu Christi, Seines Sohnes, meines HErrn, selig hinsterben, und in diesem die Auferstehung und das ewige Leben finden lassen. Dem Vater der Barmherzigkeit sei Ehre nun und in ewigen Zeiten. Amen.“ Den 8. Mai 1763.

Er starb den 24. April 1769 schnell an einem Schlagfluß, so daß ihm Gott auch hierin seinen Wunsch, ohne ein langes Krankenlager aufgelöst zu werden, gewährte.

Dieses ist nun eine unvollkommene doch wahre Schilderung des Verfassers der Lieder, die in diesem Buch enthalten sind, und der nach der Anweisung des sel. Dr. Luther, welche jetzt von Vielen verachtet und hintangesetzt wird, durch Gebet, Betrachtung und Anfechtung ein erleuchteter Gottesgelehrter worden ist. Von mir dem Verfasser der prosaischen Schrifterklärungen will ich jetzt nichts melden, denn ich will vorher meinen Lauf vollenden, ehe Jemand meinen Lebenslauf, der voll von Mängeln, aber auch voll von Beweisen der Barmherzigkeit Gottes ist, zu lesen bekommen wird. Gott helfe mir und den Lesern dieses Buchs zum frohen Ziel der ewigen Seligkeit.

Weil dieses Buch Unterhaltungen der Andacht enthält, so wird nicht undienlich sein, hier zu erinnern, daß die wahre christliche Andacht vor allen Dingen eine richtige und gründliche Erkenntniß der Wahrheit erfordere, welche Gott zu unserem Heil geoffenbart hat. Falsche Lehren können keine wahre Andacht erwecken, ob sie schon in der Seele einen feurigen Trieb erregen, und die Phantasie mit scheinbaren Bildern erfüllen können. Die Apostel nahmen es in Ansehung der Wahrheit sehr genau, und widerlegten fast in allen ihren Schriften irrige Lehren. Wenn aber ein Mensch die reine evangelische Lehre vor sich hat, so ist nöthig, daß er die heilsame Wirkung derselben in seiner Seele erfahre. Dazu rechnet die heilige Schrift die göttliche Traurigkeit und Zerknirschung des Herzens, die Erleuchtung, Wiedergeburt, Rechtfertigung und Heiligung, und stellt dieses Alles als ein zusammenhängendes gutes Werk Gottes vor. Sie sagt aber auch, der Mensch müsse seinen Sinn ändern, zu Gott, den er verlassen hat, umkehren, glauben, ringen, wachen, beten, Gott loben, Ihm danken u.s.w. Bei wem nun dieses Alles sich findet und im Gang ist, der ist ein andächtiger Christ. Viele haben geklagt und klagen noch, daß dieses Alles von Einigen allzusehr in menschliche Regeln eingeschlossen worden, da doch Gottes Wirkung über solche Regeln gehe, eine gekünstelte menschliche Vorschrift der Seele eine seltsame Form gebe, und ihre Verklärung in das Bild Christi hindere. Ob aber gleich diese Klage an sich nicht ungerecht ist, so ist doch auch am Tage, daß Einige mit den gekünstelten Andachts- und Bekehrungs-Vorschriften die wahre Andacht und Bekehrung selber wegwerfen, und die Menschen, die sie bessern wollen, so behandeln, wie man einen gesunden Menschen behandelt, den man zu einer Reise oder Handthierung, wozu er natürliche Kräfte genug hat, überreden will; da doch die Wiedergeburt und Bekehrung über diese natürliche Kräfte geht, und besondere göttliche Wirkungen erfordert. Ich wünsche, daß dieses Hausbuch durch Gottes Gnade die wahre Andacht bei vielen Lesern erwecken und unterhalten, folglich eine kräftige Erkenntniß der Wahrheit, die von Gott kommt, und eine beständige Zukehr der Herzen zu Gott nebst ihren heiligen Aeußerungen wirken möge.

Lustnau bei Tübingen, am 12. Dezember 1782

M. Magnus Friedrich Roos.

Indem dieses an Vieler Herzen seitdem bewährte Erbauungsbuch hiemit in einer neuen Stereotypausgabe christlichen Lesern dargeboten wird, ist der Preis gegenüber früheren neuen Auflagen so billig gestellt, daß dasselbe dadurch einem größeren Leserkreis zugänglich gemacht wird. Bei der Durchsicht habe ich die zweite, vom Verfasser selbst noch durchgesehene und verbesserte, übrigens gegen die erste im Ganzen nicht viel veränderte Ausgabe (vom Jahr 1790), zu Grunde gelegt. außer den zwei in den älteren Ausgaben schon enthaltenen Gebetswochen ist noch neu hinzugekommen eine Reihe von Festgeben, sowie einige Gebete auf besondere Fälle, welche alle andern Schriften des Verfassers entnommen sind. Diese Zugaben, sowie der ebenfalls in den früheren Ausgaben noch nicht enthaltene Lebensabriß, werden wohl manchem Leser willkommen sein. Und so möge denn das Buch, das vor vielen andern Erbauungsbüchern in die heilige Schrift einführt, auch fernerhin durch Gottes Segen dazu beitragen, eine lebendige, lautere und gewisse Erkenntniß der ganzen in Gottes Wort geoffenbarten Wahrheit zu pflanzen und zu mehren!

Stuttgart, Ostern 1860.

Fr. Roos.
Repetent und Stadtvikar.

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