Roos, M. Magnus Friedrich - Christliches Hausbuch - November

Inhaltsverzeichnis

Roos, M. Magnus Friedrich - Christliches Hausbuch - November

1. November. Morgen-Andacht.

Gott wird abwischen alle Thränen von ihren Augen. Offenb. 7,17.

Wohlanständige Thränen entstehen, wenn das Herz weich und demüthig ist, und der Mensch zwar ein Uebel empfindet, übrigens aber sich unter den Willen Gottes beugt, und wider sein Verhängniß keinen Grimm in sich hat. Es gibt zwar Leute, welche wegen der Beschaffenheit ihres Leibes nicht leicht weinen können, deren Seelen aber alles dasjenige denken und empfinden, was Andere bei dem Weinen denken und empfinden; da man dann sagen kann, daß sie bei trockenen Augen weinende Seelen haben. Die Quelle der Thränen, das ist die wehmüthige Empfindung des Elends, muß sehr tief in den Seelen der Menschenliegen, weil gesagt wird, daß Gott nach allen innerlichen Tröstungen und äußerlichen Wohlthaten, die Er ihnen auf Erden hat zufließen lassen, noch alsdann alle Thränen von ihren Augen abwischen werde, wenn sie schon vor Seinem Thron stehen, und Ihm Tag und Nacht in Seinem Tempel dienen, Offenb. Joh. 7., ja wenn sie schon im neuen Jerusalem wohnen werden, Off. 21,4. Gott wird nämlich alsdann die Gerechten durch fortwährende Offenbarungen Seiner Liebe und Herrlichkeit so erquicken und beruhigen, daß sie weder ein gegenwärtiges Leiden werden empfinden, noch auch bei der Erinnerung ihrer ausgestandenen Nöthen werden weinen können. Er wird sie trösten, wie Einen seine Mutter tröstet, welche ihrem Kind die rechtmäßigen Thränen unter freundlichen Liebkosungen und wirklichen Liebeserweisungen von den Augen wischt, und nicht nachläßt, bis es fröhlich und gutes Muths ist. Alsdann werden die Worte Christi vollkommen erfüllt werden: selig sind, die Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden; selig seid ihr, die ihr hier weinet, denn ihr werdet lachen, Matth. 5,4. Luk. 6,21. Merkwürdig aber ist es, daß Christus Luk. 6,25. sagt: wehe euch, die ihr hier lachet, denn ihr werdet weinen und heulen, und daß Jakobus den Sündern und Wankelmüthigen K. 4,9. zuruft: seid elend und traget Leid und weinet; euer Lachen verkehre sich in Weinen, und eure Freude in Traurigkeit. Es gibt also ein Lachen, welches dem HErrn mißfällig ist, und es gibt eine Traurigkeit und ein Weinen, welche von Gott geboten werden, und Ihm wohlgefallen. Es gibt Leute, welche meinen, sie seien mit ihrer Besserung und Bekehrung fertig, wenn sie ihre begangenen Thorheiten nur auf derjenigen Seite betrachten, auf welcher sie selbst Schande und Schaden davon haben, und hernach die Kräfte ihrer Natur anstrengen, um solche schädliche und schändliche Ausschweifungen nimmer zu begehen; allein hiemit wird Gott die Ehre nicht gegeben, die Ihm gebührt, und des Menschen Herz nicht gründlich gebessert. David und Petrus sind bis zur Vergießung der Thränen wegen ihrer Sünden betrübt gewesen, und haben dadurch zur Ehre Gottes bekannt, daß sie ihre begangenen Sünden als ein großes Uebel erkennen, wodurch sie Gottes Namen entheiliget, und sich selbst so geschadet haben, daß sie sich selber nicht mehr helfen können. Eine solche göttliche Traurigkeit hat noch immer eine Reue zur Seligkeit gewirkt, die Niemand gereuet. Die Liebe weint auch rechtmäßig, wenn sie Andere unglücklich sieht, da hingegen ein liebloses Herz bei des Nächsten Unglück unempfindlich ist, oder gar darüber frohlockt. Ein wahrer Christ muß rechtmäßige Thränen weinen, wenn Gott in jener Welt Thränen von seinen Augen abwischen soll.

Mel.: Jesu, meine Freude. 1.
Fließt nur, stille Thränen,
Niemand soll euch höhnen,
Denn jetzt ist die Saat.
Fließt aus zartem Triebe
Auch in Bruderliebe,
Wie Maria that;
Fließet nur
Auch von Natur
Bei der ungezählten Plage
Uns’rer Jammertage.

2.
Thränen, die da fließen
Zu des Heilands Füßen,
Wie der Sünderin,
Ja die Glaubensthränen,
Wie der Magdalenen,
Solche freuen Ihn.
Dort zählt Er
Uns keine mehr,
Die in Gottes Lob sich mischen,
Er wird sie abwischen.

3.
Wenn wir thränend streuen,
Laßt uns darauf freuen,
Daß man Garben bring.
Jesu, nach dem Weinen
Führ’ uns zu den Deinen,
Wo man jauchzt und singt.
Da wird Dir der Dank dafür;
Keine Thräne fließt vergebens
Um Dich, Quell des Lebens.

1. November. Abend-Andacht.

Es ist allzumal ein HErr, reich über Alle, die Ihn anrufen. Denn wer den Namen des HErrn anrufen wird, soll selig werden. Röm. 10,12.13.

Paulus hatte Röm. 9. sehr freimüthig gelehrt, wie es bei der Erlangung der Seligkeit nicht auf des Menschen Abstammung und natürliche Bemühung, und noch weniger auf ein Verdienst der Werke, sondern lediglich auf Gottes Gnade und Gnadenwahl ankomme, und hatte solches durch die Beispiele Isaaks und Isamels, Jakobs und Esau’s, und der zu seiner Zeit lebenden Juden und Heiden erläutert. Damit Niemand diese reine und tröstliche Lehre zur Faulheit oder zur Verzweiflung mißbrauchen möchte, redet er Röm. 10. wieder sehr herunterlassend vom Weg zur Seligkeit, und sagt, man solle nur auf die göttlichen Gnadenmittel sehen, durch welche Gott Seine Gnade zum Seligwerden allen Menschen anbiete, und es komme nur darauf an, daß man diese Gnadenwahl recht anwende. Das Wort, sagt er, ist dir nahe in deinem Munde, um es zu bekennen, und in deinem Herzen, um es zu glauben; wer es aber glaube, oder wer nach demselben an Christum glaube und Ihn bekenne, werde gerecht und selig. Hierauf redet er von der Anrufung Gottes, und verbindet auch mit dieser das Seligwerden. Es ist, spricht er, Ein HErr aller Menschen und aller Gattungen der Menschen, und dieser HErr ist reich über Alle, die Ihn anrufen. Vorausgesetzt also, daß Er gütig sei, und Sich gern Seiner Geschöpfe erbarme, so vergewissert uns Sein Reichthum, daß Er denen, die Ihn anrufen, gern Vieles gebe und genug gebe, und daß Er ihnen auch die Seligkeit gebe, wenn sie Ihn darum bitten. Er braucht hernach die Worte des Propheten Joel: wer den Namen des HErrn anrufen wird, soll selig werden. Du also, der du selig werden willst, rufe den Namen des HErrn ohne Bedenken, ohne Furcht und Zweifel an; Sein Geist wird dir dabei beistehen; es wird dir gelingen; du wirst selig werden. Hierauf bringt Paulus, um alle Zweifel abzuschneiden, die Fragen vor: wie sollen sie aber anrufen, an den sie nicht glauben? Wie sollen sie aber glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie aber hören ohne Prediger? Wie sollen sie aber predigen, wenn sie nicht gesandt werden? Hierauf antwortet er V. 18.: haben sie es nicht gehört? Hat also der HErr nicht Prediger gesandt? Zwar es ist in alle Lande ausgegangen ihr Schall, und in alle Welt ihre Worte: folglich, will er sagen, könnten die Menschen durch die Kraft der gehörten Worte überall glauben, anrufen, und selig werden. So gewiß es also ist, daß mich Gott Sein Wort hören läßt, so gewiß ist es auch, daß Er mir erlaubt, ja befiehlt, Seinen Namen anzurufen, und daß Er mir die Seligkeit gönnt, die ich durch diese Anrufung erlangen soll. Es liegt nicht an Jemands Wollen oder Laufen, sondern an Gottes Erbarmen; dieses Erbarmen Gottes gibt mir das Wort, wodurch ich Sein glaubiger Anbeter und ein Erbe der Seligkeit werden kann. Er sagt: wem Ich gnädig bin, dem bin Ich gnädig. Er ist aber demjenigen gnädig, der Sein Wort annimmt und Seinen Namen anruft. Gelobet sei der HErr für Seine Güte, welche kein menschliches Verdienst, sondern nur Glauben und das glaubige Anrufen Seines Namens erfordert, und dazu durch Sein Wort erweckt und tüchtig macht.

Mel.: Valet will ich dir geben.

1.
Gott, Du bist an Erbarmen,
HErr, über Alle reich;
Hier find’t man nichts als Armen,
Die an dem Mangel gleich;
Vor Deines Thrones Stufen
Liegt eine Erde voll,
Da Alles zu Dir rufen
Und Rettung suchen soll.

2.
Das ist Dein guter Wille,
Weil Du so gnädig bist;
Du gibst aus einer Fülle,
Die unerschöpflich ist,
Du wirst nie müd’ vom Geben,
Man bittet nie zu viel,
Du gibst ein ewig Leben,
Wer ewig leben will.

3.
Dich mag es nicht gereuen,
Daß Du uns rufen heißst;
Es darf sich Niemand scheuen,
Weil Du sein Elend weißst;
In aller Noth zu flehen,
Ist Allen frei erlaubt,
Und Allen soll geschehen,
Wie ihr Herz wünscht und glaubt.

4.
Ich hab’ es auch erfahren,
Als sich mein Herz gekränkt,
So viel es Sünden waren,
Hast du sie mir geschenkt.
Muß ich einst von der Erden,
So ruf’ ich Dich noch an:
HErr! laß mich selig werden,
Daß ich Dich loben kann.

2. November. Morgen-Andacht.

Saget Dank für Alles Gott und dem Vater im Namen unsers HErrn Jesu Christi. Eph. 5,20.

Joh. 16,23.24. heißt der HErr Jesus den Vater in Seinem Namen bitten: hier aber durch Paulus dem Vater im Namen unsers HErrn Jesu Christi danken. Bei dem Bitten soll ein Christ innerlich so gesinnt sein, daß er bei der Erkenntniß und dem Gefühl seiner Sünden und sündlichen Verderbniß sich der Gaben Gottes für unwürdig halte, und sein ganzes Recht darum zu bitten, ja alle freimüthige Ansprache an den himmlischen Vater aus der Erlösung und Fürbitte Jesu Christi herleite. Bei dem Danken hat aber ein Christ ebenfalls auf den HErrn Jesum Christum zu sehen. Er soll Gott und dem Vater danken, daß Er m des HErrn Jesu Christi willen Schutz, Trost, Hülfe, oder diese und jene Gabe verliehen habe. Auf diese Weise wird Gott und der Vater als der höchste Wohlthäter, und der HErr Jesus Christus als der Mittler zwischen Gott und Menschen zugleich durch den Dank geehrt. Wir sehen bei diesem Dank Gott als die lebendige Quelle, als die wesentliche Liebe, als den Wahrhaftigen, Barmherzigen und Allmächtigen, aber auch als den Vater an, der uns als Seinen Kindern Gutes thut, und mit dem wir auch als Kinder bei dem Danken zuversichtlich und vertraulich reden dürfen. Jesus Christus aber wird, ob Er schon auch der wahrhaftige Gott und das ewige Leben ist, und Alles auch gibt und thut, was der Vater gibt und thut, zugleich als Derjenige betrachtet, der wegen Seiner Erlösung unser HErr und Heiland, und Christus oder der Gesalbte ist. Diese Weise zu erkennen und zu reden muß uns aus den Schriften der Apostel bekannt und geläufig werden, daß wir die Namen Gott und Vater zusammen setzen, und den Sohn Gottes wegen Seines Mittleramtes unsern HErrn Jesum Christum nennen. Der Vater ist nicht Mensch worden, und hat sich nur als Gott den Menschen geoffenbart. Er ist aber der Vater unsers HErrn Jesu Christi und durch denselben auch unser Vater. Der Sohn Gottes aber ist, als des Menschen Sohn, im besondern Verstand unser HErr. Ihn hat der Vater erhöhet, und als den Erlöser zum HErrn über die Erlösten, und als den Erstgebornen zum HErrn über Seine Brüder gesetzt. Gleichwie Er’s auf Sich genommen hat, uns zu erlösen, also hat Er’s auf Sich genommen, als unser HErr uns weislich und gnädiglich zu regieren, für uns zu bitten, und uns in die Herrlichkeit einzuführen. Das Wort HErr schließt bei Jesu Christo Sein königliches und Sein priesterliches Amt in sich. Im Namen unser HErrn Jesu Christi danke ich also auch an diesem Morgen Gott und dem Vater für Alles. Durch Seine Gnade bin ich, was ich bin, und von Seiner Güte habe ich Alles, was ich habe. Er hat mich auch in der vergangenen Nacht behütet, und mit den Meinigen vor vielem Uebel bewahrt. Er hat mir auch Gutes gethan und thut mir Gutes, ohne daß ich’s verstehe und merke. Ihm sei aber Dank gesagt für Alles. In der seligen Ewigkeit werde ich Ihm mit einer helleren Erkenntniß Seiner Wohlthaten danken. Bei diesem Dank aber ehre ich den Sohn Gottes als meinen HErrn Jesum Christum. Ich danke in Seinem Namen, indem ich erkenne und bekenne, daß mir alles Gute nur um Seinet willen von Gott und dem Vater zufließe. Ihm sei Ehre in Ewigkeit!

Mel.: Nun ruhen alle Wälder. 1.
Natürliche Gemüther
Sind Gott für so viel Güter
Zu allem Dank verpflicht’t.
Allein das Herz ist träge,
Und häuft sich seine Schläge,
Man sollt’ es thun, und will es nicht.

2.
Die die Gesetze haben,
Erkennen noch mehr Gaben
Und wissen ihre Pflicht.
Der Dank steht in dem Buche,
Doch steht auch da vom Fluche,
Man will es thun, und kann es nicht.

3.
In Christo wird man tüchtig,
Man will und kann es richtig,
Wir danken Gott in Dem.
Der Dank in Jesu Namen
Ist auch in Jesu Amen,
Und Seinem Vater angenehm.

4.
Man muß es Gnade nennen,
Dem Vater danken können,
Daß Ihm es wohlgefällt;
Sein Geist gibt’s, daß wir wollen,
Und lehrt es, wie wir sollen,
Weil Er das Herz an Jesu hält.

5.
In Jesu will ich danken,
So lang ich hier in Schranken
Nach jenem Kleinod lauf’.
Dort dankt man erst vollkommen.
O wär’ ich aufgenommen;
Ach Vater, nimm mich gnädig auf!

2. November. Abend-Andacht.

Lasset euch Niemand das Ziel verrücken, der aufgeblasen ist in seinem fleischlichen Sinn, und hält sich nicht an dem Haupt. Kol. 2,18.19.

Es gab zu Kolossä oder in der Gegend dieser Stadt Leute, welche andere Christen richteten, V. 16., ihre Meister und Führer sein, V. 18., und sie lehren wollten, V. 20. Ob sie schon ihrem Leib hart waren, V. 23., so waren sie doch eigenwillige Leute, und übten auch die unordentliche Strenge gegen ihren Leib ohne Gottes Gebot nach eigener Wahl aus, V. 18. Sie gingen in einer scheinbaren Demuth einher, und waren doch aufgeblasen in ihrem fleischlichen Sinn. Sie verehrten die Engel auf eine aberglaubige Weise, und hielten sich nicht an dem Haupt Christo. Sie ließen sich mit ihren Gemüthern in Dinge ein, welche sie nicht gesehen hatten, und sich doch lebhaft vorstellten; da sie dann zum Erstaunen ungeübter Leute Wunderdinge davon erzählten, und hiemit das geistliche Wachsthum bei Andern zu befördern meinten. Solcherlei Leute hat es zu allen Zeiten gegeben, und wahre Christen haben immer nöthig gehabt, einerseits die grobe Welt, welche mit nichts als mit ihrer Vernunft prangt, und andrerseits die falsch geistlichen Menschen, die sich eine Meisterschaft über Andere anmaßen, durch den Glauben, der sich an das wahrhaftige Wort Gottes und nach demselben an Christum hält, zu überwinden. Nicht ein Jeder, der demüthig redet, ist demüthig, nicht Alles, was geistlich zu sein scheint, ist geistlich. Auch der fleischliche Sinn kann mit himmlischen und unsichtbaren Dingen umgehen, sich dieselben so und so vorstellen, aus den Vorstellungen Schlüsse machen, und so eine ganze Lehrform ausbilden. Es kann auch dieser fleischliche Sinn Gebote erdenken, durch welche des Leibes nicht geschont wird. Daß aber der fleischliche Sinn dieses Alles thue, läßt sich daraus erkennen, weil seine Ausgeburten mit Stolz vermengt, kraftlos und ungewiß sind, und Christus dabei nicht als das einige Haupt der Kirche geehrt wird. Sie sind mit Stolz vermengt, weil solche Leute Andere, welche besser als sie sind, richten, meistern und lehren wollen. Sie sind kraftlos, denn sie sind Einbildungen, und insofern sie in leiblichen Uebungen bestehen, Schatten und vergängliche Dinge. Sie sind ungewiß, denn wenn man nach dem Grund fragt, so merkt man, daß solche Leute etwas glauben, weil sie es glauben wollen, und etwas gebieten oder verbieten, weil sie sich oder Andern solche Schranken machen wollen. Nun ist freilich eine jede Religion, die auf dem veränderlichen und ungültigen Willen der Menschen gebaut ist, ungewiß. Zwar wollen solche Leute zur Bestätigung dessen, was ihr eigener Wille schon vorher ausgeboren hatte, die heilige Schrift anführen: es gilt aber von ihnen, was Paulus 1 Tim. 1,7. geschrieben hat: sie wollen der Schrift Meister sein, und wissen nicht, was sie sagen oder was sie setzen. Das Wichtigste aber, wornach alle Religionsirrungen vornehmlich zu prüfen sind, ist dieses, daß die Irrgeister sich nicht an Christum als das Haupt halten. Er ist der Eckstein der Kirche. Er ist der Weg, die Wahrheit und das Leben. In Ihm ist ein Christ vollkommen, das ist, er hat und genießt Alles, was zur Seligkeit nöthig ist. Was sollen also die seltsamen Geisterlehren und äußerlichen Satzungen helfen? Sie sind Holz, Heu und Stoppeln.

Mel.: Nun ruhen alle Wälder.

1.
Laß, Seele, dich nicht meistern
Von aufgeblas’nen Geistern,
Laß ihr Geschwätz und Schein
Dir nicht das Ziel verrücken;
Es muß in allen Stücken
Dein Haupt und Meister Christus sein.

2.
Halt’ du an Gottes Sohne;
Bei Seinem Kreuz und Throne
Such’ deine Seligkeit,
Und lasse dir den Glauben
Nicht durch die Weisheit rauben,
Die nur die eitle Welt erfreut.

3.
Wie Jesus uns versühnet,
Und was Er uns verdienet,
Das nimm als Gnade an,
Bei der man außer Ihme
Sich keines Dinges rühme,
Das Gott an uns gefallen kann.

4.
Laß Dir, als Kind, im Flehen
Nichts in dem Wege stehen,
Geh’ nur gerad’ hinzu;
Nichts Menschlich’s laß dich irren,
Nichts Englisches verwirren,
Auf Jesum Christum bete du.

5.
Dein Wissen und Verlangen
Sei nur: an Jesu hangen,
An Jesu, als dem Haupt;
Was dich von diesem trennet,
Ist, ob man’s geistlich nennet,
Doch Fleischessinn und falsch geglaubt.

6.
An Christo hangt man feste;
So stirbt sich’s auf das Beste,
Er wird zum Aufersteh’n;
Das Haupt weckt Seine Glieder
Aus ihrem Tode wieder,
Ihn in der Herrlichkeit zu seh’n!

3. November. Morgen-Andacht.

Gottes Zeugniß ist das, das Er gezeuget hat von Seinem Sohn. 1 Joh. 5,10.

Ohne Zweifel deutet hier Johannes auf die göttliche Stimme, welche bei der Taufe Christi vom Himmel herab sprach: dieß ist Mein lieber Sohn, an dem Ich Wohlgefallen habe, Matth. 3,17., wie auch auf die Stimm, welche bei der Verklärung Christi aus den Wolken sprach: dieß ist Mein lieber Sohn, an dem Ich Wohlgefallen habe, den sollt ihr hören, Matth. 17,5. Aber auch auf die Stimme, die ein andermal auf das Begehren Christi: Vater, verkläre Deinen Namen, d.i. offenbare, daß Du Mein Vater seiest, als eine willfahrende Antwort vom Himmel kam, und sagte: Ich habe ihn verkläret, und will ihn abermals verklären, Joh. 12,28.

Es hat aber der Vater auch werkthätig von Seinem Sohn gezeugt, indem Er dem Sohn die Macht gab, in der Vereinigung und Uebereinstimmung mit Ihm Todte zu erwecken und Wunder zu thun, und indem Er Ihn von den Todten auferweckte und auf Seinen höchsten Thron erhöhete. Dieses ganze Zeugniß des Vaters soll die große Wahrheit bestätigen, daß Jesus Gottes Sohn sei. Wie sehr irren also diejenigen, welche meinen, es sei genug, daß man die Sittenlehre Jesu wisse; an der Lehre von Seiner Person sei wenig oder nichts gelegen, weil die Menschen, welche sich Christen nennen, von derselben zu allen Zeiten unterschriebene Meinungen haben. Leider ist es wahr, daß jetzt, da seit der Geburt Christi fast neunzehnhundert Jahre verflossen sind, die Christen noch immer unter einander streiten, wer denn Christus sei, von dem sie den Namen haben, zu geschweigen, daß die Juden Seinen Namen verlästern, die Muhamedaner Ihn nur für einen menschlichen Propheten halten, die Heiden aber Ihn gar nicht kennen. Kein Mensch hat von seiner Person so viel Widersprechendes und Schmähliches müssen reden lassen, als Jesus Christus. Die Menschen halten Gericht über Ihn, bis Er selbst sichtbarlich erscheinen und Gericht halten wird. Er ist aber der Sohn Gottes. Der große Gott im Himmel hat solches selber bezeuget. Wer nun Gott nicht glaubet, der macht Ihn zum Lügner; und dieses ist etwas Greuliches. Ohne Zweifel will aber der große Gott, daß Sein Zeugniß recht verstanden werde, wie Johannes dasselbe verstanden und erklärt hat, da er V. 11.12. schrieb: das ist das Zeugniß, daß uns Gott das ewige Leben hat gegeben, und solches Leben ist in Seinem Sohn. Wer den Sohn Gottes hat, der hat das Leben; wer den Sohn Gottes nicht hat, der hat das Leben nicht. Leben ist das Höchste, das ein Mensch von dem höchsten Gott empfangen hat. Ewiges Leben ist eine Gabe Gottes, Röm. 6,23. Nun sagt Johannes, Gott habe uns das ewige Leben gegeben, solches Leben aber in Seinen Sohn gelegt, diesem habe Er gegeben, das Leben in Ihm selber zu haben, da sollen wir’s empfangen. Wer den Sohn habe, der habe das ewige Leben, denn dieser sei der wahrhaftige Gott und das ewige Leben, V. 20. So ist also die Lehre, daß Christus der Sohn Gottes und wahrhaftiger Gott ist, nichts Trockenes und Unfruchtbares, denn sie zeigt mit, wo ich das höchste Gut, nämlich das ewige Leben empfangen könne. Wenn ich zu Christo komme, und Ihn finde und habe, so kann und darf ich nicht höher hinaufsteigen, denn Er ist selbst der Allerhöchste. Er ist der Weg und das Ziel zugleich. Das Leben ist in Ihm, und Er ist selbst das Leben Seiner Auserwählten.

Mel.: HErr Jesu Christ, mein’s Lebens etc.

1.
Der Vater hat vom Sohn gezeugt,
Und solches Zeugniß übersteigt
Der Menschen Witz, der Lügen macht;
Vom Glauben wird es hochgeacht’t.

2.
Am Jordan sprach der Vater schon:
Der, der ist Mein geliebter Sohn!
Wie Er die Stimme auch empfing,
Kurz, eh’ Er an Sein Sterben ging.

3.
Dieß Zeugniß ist’s, das Gott bewies,
Da Er Ihn aus den Todten riß,
Und setzte Ihn zur rechten Hand,
Wo Er den Geist des Vaters fand.

4.
Gott, Dir sei in dem Heiligthum
Für dieß Dein Zeugniß Dank und Ruhm!
Das Leben hat der Glaub’ hievon,
Und dieses Leben ist ihm Sohn.

5.
Wer dieß nicht hat, hat Gott auch nicht,
Er stirbt und kommt dann in’s Gericht.
Mein Leben selbst, und was ich bin,
Geb’ ich um dieses Zeugniß hin.

6.
O Zeugniß, das noch feste steht,
Wenn Erd’ und Himmel untergeht!
Dem Vater, der dadurch erfreut,
Sei Ehre, Lob und Herrlichkeit!

7.
Auf dieses Zeugniß schlaf’ ich ein,
Durch dieß werd ich im Leben sein;
Da bet’ ich einst vor Seinem Thron
Den Vater an und Seinen Sohn.

3. November. Abend-Andacht.

Du bist würdig zu nehmen das Buch; denn Du hast Dich schlachten lassen, und hast uns erkauft mit Deinem Blut. Offenb. 5,9.

Die Liebe Gottes ist lauter Gerechtigkeit; darum siehet Er bei der Erweisung derselben auf die Würdigkeit dessen, den Er liebt. Der Menschen Würdigkeit besteht nicht darin, daß sie Werke des Gesetzes gethan oder Vieles gelitten haben, sondern darin, daß sie in Christo Jesu sind und für Seine Glieder geachtet werden. Gott liebt sie um Seines Sohnes willen mit einer gerechten Liebe, das ist, Er rechtfertigt sie, und hält sie für würdig, das himmlische Erbe zu empfangen. Die Würdigkeit des HErrn Jesu liegt in Ihm selbst. Johannes sahe in der rechten Hand des Vaters, der auf dem Thron saß, ein Buch, das sieben Siegel hatte, er hörte auch einen starken Engel ausrufen: wer ist würdig das Buch aufzuthun, und seine Siegel aufzulösen? Aber Niemand im Himmel, auf Erden und unter der Erden war’s würdig und konnte es thun; Johannes weinte darüber, einer aber von den himmlischen Aeltesten sprach zu ihm: weine nicht, siehe, es hat überwunden der Löwe, der ist aus dem Stamm Juda, die Wurzel Davids, aufzuthun das Buch und seine sieben Siegel. Johannes sahe auch in der Mitte des göttlichen Thrones ein Lämmlein stehen, wie es geschlachtet war. Er sahe dieses Lämmlein kommen, und das buch aus der Hand dessen nehmen, der auf dem Thron saß. Alsdann hörte er die 4 Aeltesten ein neues Lied singen, und sprechen: würdig bist Du, zu nehmen das Buch, und aufzuthun seine Siegel, dieweil Du Dich hast schlachten lassen, und uns erkauft mit Deinem Blut u.s.w. Das Buch, von welchem hier die Rede ist, bedeutet etwas, welches keinem Engel oder Menschen, sondern dem HErrn Jesu allein von Rechtswegen gegeben werden konnte. Was ist aber dieses? Es ist die Herrschaft über alles, oder alle Gewalt im Himmel und auf Erden, welche Eph. 1. Hebr. 1. und 2. und anderswo Ihm allein als ein unvergleichlicher Vorzug zugeschrieben wird. Er mußte aber würdig sein, diese Herrschaft und Gewalt vom Vater zu empfange. Diese Seine Würdigkeit bestand aber darin, daß Er sich hatte schlachten lassen, und die Auserwählten mit Seinem Blut erkauft. Hiemit wird vorausgesetzt, daß Er ehemals unter das Gesetz gethan gewesen, und als das Lamm Gottes der Welt Sünde getragen habe, ja am Kreuz ein Fluch gewesen sei. Da Er Sich aber schlachten ließ und den blutigen Tod am Kreuz litt, machte Er sich vom Gesetz, von der Sünde der Welt und vom Fluch los. Und weil Er der Sohn Gottes und in göttlicher Gestalt war, so war Er nun auch als Mittler zwischen Gott und Menschen von Rechtswegen würdig, auf den göttlichen Thron, auf welchen kein Geschöpf steigen kann, erhöhet zu werden, und alle Gewalt und Herrschaft von dem Vater zu empfangen. Er hat die Auserwählten, welche ein Erstling unter den Geschöpfen sind, mit Seinem Blut erkauft. Da nun diese Ihm angehören, so gehören Ihm alle Geschöpfe, und zwar ein jegliches in seiner Ordnung an. Johannes hörte alle Geschöpfe dem HErrn Jesu huldigen, als Er das Buch nahm, Offenb. 5,13., weil es alle Geschöpfe anging, und vernahm hernach, wie sich die Herrschaft Jesu vermöge der sieben Siegel über sieben Gattungen der Dinge und der vornehmsten Begebenheiten in der sichtbaren und unsichtbaren Welt erstreckte, und vermöge der sieben Trompeten durch sieben Kriege und Siege zu dem herrlichen Ziel durchdringe.

Mel.: O Durchbrecher aller Bande. 1.
Lämmlein, das mit Blut getaufet
An dem Holz sich schlachten ließ,
Lämmlein, das uns theu’r erkaufet,
Und Sein Blut zur Zahlung wies:
Alle göttlichen Geschöpfe
Sind von Gott Dir zugewandt,
Und wir würden Leimentöpfe
Stehen auch in Deiner Hand.

2.
Lämmlein, das als Löw’ erschienen,
Da es uns’re Feinde schlug,
Löwe, der, uns zu versühnen,
Als ein Lämmlein Sünde trug:
Werfen die, die Kronen tragen,
Sich im Himmel vor Dir hin,
O was soll ich Würmlein sagen,
Das ich auf der Erde bin!

3.
Lämmlein! ich will Dir bekennen:
Ich bin auch Dein Eigenthum;
Mich Dein Eigenthum zu nennen,
Ist mein allergrößter Ruhm;
Du hast, da man Dich geschlachtet,
Mich, auch mich an Dich gekauft,
Und Du hast mich werth geachtet,
Daß man mich auf Dich getauft.

4.
Lehr’ mich Dir die Ehre bringen,
Daß das Lämmlein würdig sei;
Denn je mehr wir solches singen,
Wird dieß Lied uns immer neu;
Wenn ich auch im Himmel wäre,
Wär’ es doch ein neues Lied;
Lämmlein, nur an Deiner Ehre
Singt man ewig sich nicht müd’!

4. November. Morgen-Andacht.

Es ist Aller zumal Ein HErr, reich über Alle, die Ihn anrufen. Röm. 10,12.

Die Menschen waren in den vorigen Zeiten gewohnt zu denken, ein jedes Land und Volk habe seinen eigenen Gott, weßwegen die Heiden den Jehovah, der Israel aus Egypten geführt hatte, nicht für ihren, sondern nur für Israels Gott hielten, und nicht verpflichtet zu sein glaubten, Ihn anzubeten. Die Juden wußten zwar, daß Jehovah der Schöpfer und HErr des Himmels und der Erde, und kein anderer Gott außer Ihm sei, doch setzte sich nach und nach der eigenliebige Gedanke in ihnen fest, daß nur sie bei Gott wohl daran seien, und die Heiden keine Gnade bei Ihm finden können, es sei denn, daß sie Judengenossen werden. Paulus, welcher nach seinem eigentlichen Beruf ein Heiden-Apostel sein sollte, eiferte sehr wider diesen Gedanken, und behauptete, Gott sei nicht allein der Juden Gott, sondern auch der Heiden Gott. Er sei ihrer Aller HErr, und gleichwie außer de Gnade zwischen den Juden und Heiden kein Unterschied sei, weil sei alle Sünder seien und der Herrlichkeit Gottes mangeln, also werden sie auch alle ohne Verdienst gerecht aus Gottes Gnade, durch die Erlösung, die durch Christum geschehen sei. Alle dürfen also auch Seinen Namen anrufen, und Er sei reich über Alle, um ihre Bitten zu gewähren, und sie mit Seinen Gaben zu erfüllen. Ich mag also abstammen, von wem ich will, und ich mag beschaffen sei, wie ich will, so darf ich heute glauben, Gott sei mein HErr; folglich sage Er nicht zu mir: was habe Ich mit dir zu schaffen? siehe du zu: sondern Er sehe auf mich als Sein Eigenthum, gedenke meiner, sorge für mich, und verlange, daß ich Ihm zu meinem eigenen Heil diene. Ich darf Ihn auch anrufen, wie ein Knecht seinen Herrn. Ich darf Ihm meinen Mangel, mein Bedürfniß, meine Noth klagen, meine Sündenfälle bekennen, und Ihn um Gnade und Gaben, ja um’s ewige Leben, nach welchem Er eine Sehnsucht in mein Herz gelegt hat, bitten. Wie aber, wenn ich oft bitte? um Vieles bitte? Und wenn viele Tausende täglich mit mir bitten, und viele Millionen schon vor mir gebeten, und die Gewährung ihrer Bitten erlangt haben, und viele Millionen nach mir bitten werden: wird es für Ihn nicht zu viel sein? Nein, Er ist reich über Alle, die Ihn anrufen, es mögen ihrer so viel sein, als sie wollen. Er ist reich von Barmherzigkeit, Eph. 2,4. Er hat einen Reichthum der Güte, Geduld und Langmüthigkeit, Röm. 2,4. Er ist der Lebendige, und der Ewige, der, wie Er ist, bleibt. Wenn Er al das Licht Alles erleuchtet, so wird Er nicht verdunkelt; wenn Er als das Leben Alles belebt, so wird Er nicht matt; wenn Er Alles bereichert, so wird Er nicht arm; wenn Er Alles trägt, so wird Er nicht müde; wenn Er Alles regiert, so bleibt Er groß von Rath und mächtig von That. So rufe ich denn mit den Meinigen und allen wahren Christen diesen einigen HErrn glaubig an, der reich über Alles ist: hilf uns nach unserer Nothdurft. Erfülle unsern Mangel mit Deinen Gaben. Wir haben nichts, als was Du uns gibst; gib uns, was uns nöthig ist; gib uns Deine höchste Gabe, nämlich das ewige Leben; und mache uns zum Genuß desselben durch die Ertödtung des alten Menschen tüchtig.

Mel.: Mein Gott das Herz etc.

1.
Gott, wie Dein großer Name ist,
So ist Dein Ruhm zugleich,
Daß Du HErr über Alle bist,
Und über Alle reich.

2.
Wer Dich anruft, den hörst Du an,
Kein Jud’ noch Griech’ ist hie;
Als HErr, der selig machen kann,
Bist Du reich über sie.

3.
Kein Sünder ist Dir allzufern,
Du rufst ihm gnädig zu;
Kommt er und ruft Dich an, den HErrn,
O so begnadigst Du!

4.
Nur wer nicht ruft, der wird verkürzt
Am Reichthum Deiner Huld.
Der Bös’wicht wird in’s Feu’r gestürzt
Aus seiner eig’nen Schuld.

5.
Im Namen Jesu ruf’ ich Dich,
Du reicher HErr, auch an;
Das Abba spricht Dein Geist für mich,
Wenn ich’s nicht sprechen kann.

6.
Du hast die Aermsten nie veracht’t,
So glaub’ ich denn getrost,
Du, HErr, bist’s, der mich selig macht
Und der mich nicht verstoßt.

7.
Dort sing’ ich Dir, von Dir erfreut
Und nicht mehr arm und bloß:
Der Reichthum Deiner Herrlichkeit,
O HErr, ist wundergroß!

4. November. Abend-Andacht.

Ich trage meine Seele immer in meinen Händen, und vergesse Deines Gesetzes nicht. Ps. 119,109.

Indem David sagt: ich trage meine Seele immer in meinen Händen, oder: meine Seele ist immer in meiner Hand, so deutet er an, daß er immer nicht nur als ein sterblicher Mensch, von dem Gott seine Seele täglich nehmen könne, sondern auch als ein Knecht Gottes, welchem viele Feinde nachstellen, in Lebensgefahr stehe; denn daß diese Redensart eine Lebensgefahr, welcher man sich selbst aussetzt, andeute, beweisen andere deutliche Schriftstellen, als: Richt. 12,3. 1 Sam. 19,5. 28,21. David klagte auch sonst Ps. 119. über die Feindseligkeit der Gottlosen, wie er denn V. 61. sagte: der Gottlosen Rotte beraubet mich, aber ich vergesse Deines Gesetzes nicht; V. 85.: die Stolzen graben mir Gruben, die nicht sind nach Deinem Gesetz; V. 110.: die Gottlosen legen mir Stricke, ich aber irre nicht von Deinem Befehl; V. 143.: Angst und Noth haben mich troffen, ich habe aber Lust an Deinen Geboten; V. 150.: meine boshaftigen Verfolger wollen mir zu, und sind fern von Deinem Gesetz; V. 157.: meiner Verfolger und Widersacher ist viel, ich weiche aber nicht von Deinen Zeugnissen; V. 161.: die Fürsten verfolgen mich ohne Ursache, und mein Herz fürchtet sich vor Deinen Worten. In eben diesem Sinn sagt Paulus 1 Kor. 15,31: bei unserm Ruhm, den ich habe in Christo Jesu, unserm HErrn: ich sterbe täglich, das ist, ich bin in täglicher Lebensgefahr, oder ich trage meine Seele immer in meinen Händen. David und Paulus hätten sich gute Tage machen können, wenn sie von dem Wort Gottes abgewichen wären, und sich der Welt gleich gestellt hätten. David wäre am Hof Sauls und Paulus bei den Aeltesten und Schriftgelehrten der Juden beliebt gewesen, wenn beide sich nach den Gesinnungen und Sitten der Gottlosen gerichtet hätten. Auch hätten sie alsdann ihres Leibes und Lebens schonen, und dem Gott Bauch täglich opfern können. Weil sie aber des Gesetzes Gottes nicht vergessen, von Seinem Befehl nicht irren, und von Seinen Zeugnissen nicht weichen wollten, so waren sie immer als die Sterbenden, sie durften ihr Leben für nichts Theures halten. Sie trugen ihre Seelen in ihren Händen, weil sie bereit waren, sie herzugeben, sobald es Gott haben wollte. Uebrigens hat sie Gott dennoch viele Jahre erhalten, und ihre Seelen sind nicht bälder, als da sie alt und lebenssatt waren, und ihren Lauf nach Gottes wohlgefälligem Willen vollendet hatten, von ihnen genommen worden.

Zu allen Zeiten muß ein Knecht Gottes seine Seele in seiner Hand tragen, das ist, er darf seines Leibes und Lebens nicht schonen, und muß bereitwillig sein, sich im Dienst Gottes zu verzehren. Dazu stärkt das Gesetz oder Wort Gottes, welches Fluch und Segen, Tod und Leben, vergangene, gegenwärtige und zukünftige Dinge der Seele vorhält. Dieses Gesetzes soll man nicht vergessen, denn wenn man dessen vergißt, so findet der Satan Gelegenheit, dem Mensche einzuraunen: schone dein selbst, vergrabe dein Pfund in die Erde, es ist umsonst, daß man Gott dienet, und was nützt es, daß wir Seine Gebote halten, und hart Leben vor dem HErrn Zebaoth führen? Mal. 3,14. HErr stärke mich durch dein Wort, daß ich meiner nicht schone, schone aber Du meiner, wie ein Vater seines Sohnes schonet, der ihm dienet.

Mel.: Schwing’ dich auf zu deinem Gott.

1.
Meine Seele trage ich
Immer in den Händen;
Viele Feinde wagen sich,
Sie mir zu entwenden;
Ist mir der Verlust gedroht
Unter den Gefahren,
O so ist’s die höchste Noth,
Solche zu bewahren!

2.
Gott! ich trage sie Dir zu
In Gebet und Flehen,
Mein Erbarmer, laß sie Du
Nicht verloren gehen;
Alle Seelen sind ja Dein,
Laß auch meine Seele,
Mein Gott, Dir befohlen sein,
Daß dem Feind es fehle!

3.
Meine Seele trag ich Dir,
Jesu, zu den Füßen,
Laß Dein Blut auch über ihr
Zur Versühnung fließen;
Kann ich sie besprengt mit Blut
Vor den Vater bringen,
Darf die Seele voll von Muth
Von der Gnade singen.

4.
Doch ich kann aus meiner Kraft
Sie nicht sicher halten;
Gott ist’s, der mir Hülfe schafft,
Er wird ob ihr walten;
Er bewahrt durch Seine Huld,
Daß ich nicht soll fallen,
Und gibt in dem Kreuz Geduld,
Meinem HErrn zu wallen.

5.
Seine Gnade tröstet mich
Auch an meinem Ende;
Meine Seele gebe ich
Gott in Seine Hände;
Er hat Engel um den Thron;
Wird Er’s ihnen sagen,
Werden sie die Seele schon
In den Himmel tragen!

5. November. Morgen-Andacht.

der Purpurkrämerin Lydia that der HErr das Herz auf, daß sie darauf Acht hatte, was von Paulus geredet ward. Ap. Gesch. 16,14.

Die Purpurkrämerin Lydia war eine Jüdin von Thyatira gebürtig, die sich zu Philippi wegen ihrer Handelschaft, welche sie mit Purpur trieb, häuslich niedergelassen hatte. Sie war schon als eine Jüdin gottesfürchtig. Paulus traf sie mit andern jüdischen Weibern in dem Bethaus an, welches die Juden außer der Stadt Philippi hatten, und da er mit dem ganzen Häuflein dieser Weiber von dem Glauben an Jesum redete, so that der HErr dieser vornehmen Handelsfrau das Herz auf, daß sie darauf Acht hatte, was von Paulo geredet ward. Weil ihr Gott das Herz aufthat, so konnte das Evangelium von Jesu als eine Gotteskraft darein eindringen und dasselbe rühren; wovon die unmittelbare Folge diese war, daß sie auf dasjenige, was von Paulus geredet wurde, mit einer ernsthaften Begierde und Ehrerbietung Acht hatte, folglich seine Reden vom Anfang bis zum Ende derselben zu Herzen nahm, und dadurch so gerührt und überzeugt wurde, daß sie alsbald mit ihrem Haus auf den Namen Jesu Christi getauft worden, und nach der Taufe zu Paulus und seinen Gefährten, unter denen auch Lukas war, sagen konnte: so ihr mich achtet, daß ich glaubig bin an den HErrn, so kommet hin in mein Haus und bleibet allda.

Wenn also der HErr einem Menschen das Herz aufthut, auf das Evangelium ernstlich Acht zu geben, so kann er bald glaubig werden; denn das Evangelium hat eine solche Klarheit, Kraft und zusammenhängende majestätische Weisheit in sich, und schließt sich so geziemend an den Eindruck an, den der Mensch vorher von Gott gehabt hat, und sättiget die von Gott der Seele eingepflanzten Begierden der Seele so eigentlich, daß der Mensch ohne viele Umschweife zum Glauben gelangen kann. Christus sagt Joh. 8,47.: wer von Gott ist, der höret Gottes Wort, und Joh. 18,37.: wer aus der Wahrheit ist, der höret Meine Stimme. Man darf also nur von Gott, der Jedermann nahe ist, einen guten Eindruck in sich haben (und dieses ist zutheuerst bei einem Juden, Muhamedaner oder Heiden möglich), und die Wahrheit aufrichtig lieben, so wird man in einer guten Stunde, da Gott das Herz aufthut, durch’s Hören oder Achtunggeben glaubig, und hat die weitläufigen Beweise von der Wahrheit der christlichen Religion nicht nöthig. Und fürwahr jener kurze Weg schickt sich allein für den allergrößten Theil derjenigen, die durch den Glauben an Jesum selig werden. Es gibt aber verkehrte Leute, zu denen Christus sagen kann: Meine Rede fähet nicht unter euch, oder findet in euch nicht Raum, weil ihr des Teufels Mordlust und Lügen in euch hineingenommen habt: weil Ich die Wahrheit sage, so glaubet ihr Mir nicht; denn ihr seid der Wahrheit feind. Ihr kennet Meine Sprache nicht, als eine wahrhaftige und göttliche Sprache, denn ihr könnet Meine Worte nicht mit Aufmerksamkeit hören. Ihr höret nicht, denn ihr seid nicht von Gott; und habt auch den Eindruck von Ihm, der noch vor der Bekehrung hergeht, verloren, Joh. 8,37. 44. 46. 43. 47. Bei solchen Leuten richten auch künstliche Beweise nichts aus. Aber auch bei einem Menschen, der des Glaubens fähig ist, kommt es auf die gute Stunde an, da der HErr sein Herz aufthut.

Mel.: O Jerusalem, du schöne.

1.
Uns’re Herzen sind verschlossen,
Gott eröffnet sie allein.
Wenn das Wort in’s Ohr geflossen,
Dringt es doch nicht weiter ein;
Denn das Herz fühlt keine Kraft,
Wenn der HErr nicht Oeffnung schafft.

2.
An den Herzen sind wir Thoren
Und zum Glauben ungeschlacht,
Und das Kreuzwort scheint verloren,
Bis es Gott zur Weisheit macht.
Unser Herz und Gottes Licht
Steht in unsern Händen nicht.

3.
HErr, daß ich nun Glauben spüre,
Hat mein Herz nicht von dem Ohr;
Oeffnetest Du nicht die Thüre,
Lägen noch die Riegel vor.
Du nur griffst mein Innres an,
Ich selbst hab’ es nicht gethan.

4.
Du bist’s, Dir gebührt die Ehre,
Den mein Glaube loben soll.
Wenn ich noch von Jesu höre,
Mach’ das Herz mir von Ihm voll;
Oeffne auch den Himmel mir,
Denn da dankt und singt man Dir.

5. November. Abend-Andacht.

Israel, du bringest dich selbst in Unglück; denn dein Heil stehet allein bei Mir. Hos. 13,9.

Die Menschen setzen bei ihrer Blindheit sehr viel Vertrauen auf sich selbst, und glauben, sie können sich selbst berathen, versorgen und helfen, wenn sie schon Gottes Gebote wissentlich übertreten, ja sie meinen oft, sie würden vieler Vergnügungen und anderer Vortheile mangeln, wenn sie fromm wären; da sie hingegen durch die freche Gottlosigkeit einem großen Haufen anderer Gottlosen beigefügt werden, von denen Keiner den Andern stecken lasse. Allein die Erfahrung widerlegt diese thörichten Einbildungen, und das Wort Gottes zeuget auch wider sie. Zwar ist der Anfang bei einer jeden Sünde leicht und dem Fleisch angenehm. Der Gottlose blühet bei der Eitelkeit seines Sinnes eine Zeit lang wie ein Lorbeerbaum, Ps. 37,35. Seine Kameraden lieben und loben ihn, und es scheint, er sei vergnügter und glücklicher als der verachtete und fromme Christ, welcher auf dem schmalen Weg geht. Es steht aber nicht lange an, bis es offenbar wird, daß er sich selbst in Unglück bringe. Sein Herz verdammt ihn; die Sünde beherrscht ihn, daß er darin kein Maß halten kann; seine Ehre und zuweilen auch sein zeitliches Vermögen werden verletzt; seine Kameraden erzeigen sich falsch und feindselig gegen ihn; und Gott selbst ist gegen ihn wie der Prophet Hosea K. 13,7. sagt wie ein Löwe, und lauert auf ihn auf dem Weg wie ein Parder, indem Er Strafgerichte über ihn kommen läßt, und durch Schickungen Seiner Vorsehung, die man nicht vorher sehen kann, seine Anschläge zernichtet und sein Glück zerstört. Wer also Gottes vergißt und von Ihm weicht, bringet sich selbst in Unglück, und dieses wird bald oder spät durch die Erfahrung bewiesen; das größte Unglück ist das Hinfahren in die äußerste Finsterniß, wo Heulen und Zähneknirschen ist. Das Heil eines Menschen stehet allein bei dem HErrn. So lange man Ihn fürchtet und liebt, so lange man Ihm dient und anhangt, ist man glücklich. Auf Erden ist diese Glückseligkeit nicht scheinbar, aber wahrhaftig und gründlich. sie ist mehr innerlich als äußerlich. Sie besteht im Genuß der Gnade und des Friedens Gottes; aber auch äußerlich fehlt es nicht an Proben der gnädigen Vorsorge Gottes, und an der Erfahrung des Privilegiums, daß denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen müssen. In jener Welt wird aber ein Gerechter durch die Gnade seines Gottes sein Heil völlig genießen, und dem Heiland Jesu Christo ohne Aufhören danken, daß Er ihm dasselbe erworben hat.

So sei denn mein beständiges Bestreben dieses, daß ich mich durch Christum zu Gott halte, und meine Zuversicht auf Ihn setze. Das Aergerniß an dem Scheinglück der Gottlosen wird in der heiligen Schrift sehr oft, sonderlich Ps. 37. Ps. 73. und Jer. 12. widerlegt; hingegen von den Gerechten, wie dem HErrn anhangen, sehr oft in derselben gesagt: wohl ihnen, sie haben’s gut, sie sind selig auch unter dem Kreuz, und werden noch seliger durch die Aufnahme in die Herrlichkeit. Diese Wahrheit soll mein Herz beruhigen, meinen Glauben stärken, und mich zum Wandel vor Gott, zum Halten Seiner Gebote, wie auch zur geduldigen Ertragung des Kreuzes geschickt machen.

Mel.: Mein’s Herzens Jesu, meine Lust.

1.
Der ist sein eig’ner Untergang,
Wer noch sein Heil will hassen,
Und bei der Gnade sanftem Drang
Sich nicht will retten lassen.
Gott sucht uns selbst,
Sein Heil ist nah’,
Sein Wort, Sein Sohn, Sein Geist ist da,
Er will uns selig machen.

2.
Ich stürzte selbst auch mich in Noth:
Gott! Du hast mich bekehret.
O Gott, o Liebe, die den Tod
Des Sünders nicht begehret,
Mein einzigs Heil steht nur bie Dir,
Es soll Dir Alles, was in mir,
Für die Errettung danken!

3.
So sei Dir denn mein ganzes Heil
Auf ewig übergeben;
Gabst Du mir an der Gnade Theil,
Gib mir ihn auch am Leben.
Dein Wort, Dein Sohn, Dein Geist allein
Nehm’ mich die ganze Seele ein,
So geh’ ich nicht verloren.

4.
O laß mir meinen Willen nicht,
Sonst will ich mein Verderben,
Und laß mich, wenn mein Herz einst bricht,
In meinem Heiland sterben;
So ist Dein Heil mir ganz gewiß,
Ich glaub’ und hoff’, und werde dieß
Vor Deinem Throne preisen.

6. November. Morgen-Andacht.

Der Kerkermeister freuete sich mit seinem ganzen Hause, daß er an Gott glaubig worden war. Ap. Gesch. 16,34.

Die Nacht, worin der Kerkermeister sich so freute, war unter allen Nächten, die er vorher durchlebt hatte, für ihn die allerwichtigste. Am Anfang derselben schlief er, hernach wollte er in einer wilden Angst sich selbst erstechen, hierauf fiel er zitternd dem Paulus und Silas, die seine Gefangenen waren, zu Füßen, und sagte: liebe Herren, was soll ich thun, daß ich selig werde? Paulus sagte hierauf ihm und allen seinen Hausgenossen das Nöthigste von dem wahren Gott und von Jesu Christo als dem Heiland der Welt. Sie glaubten, und wurden alsbald getauft; der Kerkermeister bewirthete die beiden Apostel, und freute sich mit seinem ganzen Hause, daß er an Gott glaubig worden war. Es ist unmöglich, daß diese Leute von allen Glaubensartikeln in dieser kurzen Zeit eine ausführliche und vollständige Erkenntniß bekommen konnten: sie wurden aber doch an Gott von Herzen glaubig, und freuten sich, daß sie von der Abgötterei, welche sie nun als einen thörichten Unsinn ansehen, frei gemacht, und zur Erkenntniß des wahren Gottes gebracht worden seien. Der Heilige Geist vergewisserte sie inwendig, daß die Reden Pauli wahr seien, auch war das in selbiger Nacht geschehene Erdbeben mit seinen wunderbaren Folgen ein Beweis für sie, daß Paulus und Silas heilige Männer seien, denen sie Alles glauben dürfen, was sie ihnen von dem einigen Gott und von Jesu Christo gesagt hätten.

Auch wir dürfen uns freuen, wenn wir an Gott glaubig sind. Welch’ ein Glück und Vortheil ist es für einen Menschen, wenn er glaubt und ein wenig versteht, was die drei Aussprüche bedeuten: Gott ist ein Geist, Gott ist ein Licht, und Gott ist Liebe, und wenn ihm der göttliche Name des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, auf den er getauft worden, klar und kräftig wird, und er weiß, daß Gott, dem er wegen der Schöpfung sein Wesen und Leben zu danken hat, ihm als einem Sünder eine Erlösung verschafft habe, und nun ihn als ein verderbtes Geschöpf so in Seine Bearbeitung nehme, wie ein Töpfer seinen Thon, um ihn zu einer ewigen Herrlichkeit zu bereiten! Glauben, was Gott in Seinem Wort geredet hat, Ihm sich mit einem beständigen Vertrauen überlassen und übergeben, seine Ruhe, Ehre und Freude nur in Ihm suchen, und Ihn ewiglich verehren, ist des Menschen Pflicht und Glückseligkeit. Wenn ein Hausvater auch sein ganzes Haus in die Gemeinschaft dieses Glaubens und dieser Verehrung Gottes hineinziehen kann, so ist es eine erwünschte Sache, und es kann geschehen, wenn er vorsichtig und redlich bei denen, die ihm zugehören, handelt, und treulich in seinem Hause wandelt, Ps. 101,2., eine christliche Zucht und Ordnung darin hält, und es täglich mit seinem Gebet segnet. Hat er sich aber schon bei der ersten Einrichtung seines Hauses eine gottselige Ehegattin gewählt, und ist er auch in Ansehung des Gesindes so gesinnt, wie David Ps. 101,3-7. sagt, so kann der Vorsatz desto gewisser ausgeführt werden: ich und mein Haus wollen dem HErrn dienen. Auf ein solches Haus sehen die Augen des HErrn mit Wohlgefallen, der HErr Jesus läßt Sich darin als ein gegenwärtiger guter Hirte spüren, Er beschützet und segnet es, und versammelt endlich Alle, die dazu gehören, in dem Hause Seines Vaters.

Mel.: Die lieblichen Blicke, die Jesus etc.

1.
An Jesum zu glauben ist herzliche Lust.
Den Kindern auf Erden,
So freudig sie werden,
Ist niemals dergleichen Vergnügen bewußt.
Wer Glauben erlangt,
Wer Gnade empfangt,
Wen Christus bekleid’t,
Ist göttlich erfreut.

2.
Man kennet den Vater, man liebet den Sohn,
Man kann für die Sünden
Die Reinigung finden,
Man hoffet im Leiden die Krone zum Lohn.
Da dünket die Welt,
Lust, Ehre und Geld
Zu dürftig und klein
Zur Freude zu sein.

3.
Ergötzt schon der Glaube, was wird erst gescheh’n,
Wenn man nach Verlangen,
Dem Kerker entgangen,
Nun kann den Geglaubten in Herrlichkeit seh’n!
Da wird man entzückt
Und himmlisch erquickt,
Da lobet man Ihn;
Herr, bring’ uns dahin!

6. November. Abend-Andacht.

Und es kam, daß Er mit dem Tode rang, und betete heftiger. Luk. 22,44.

So weit ist es mit unserm Erlöser Jesu Christo am Oelberg gekommen. Die Ursache war unsichtbar, denn in Seinem heiligen Leib war kein Same einer Krankheit: der Kelch aber, den Er trinken, oder das Leiden und der Kreuzestod, den Er ausstehen sollte, erfüllte Seine Seele mit einem sehr empfindlichen Grauen; und weil Er mit dem reinsten Gehorsam gegen Seinen Vater gegen dieses Grauen kämpfte, so rang Er zuletzt mit dem Tod, oder Er kam in eine Todesangst hinein, und war einem Menschen gleich, in welchem alle noch übrigen Lebenskräfte in einem Kampfe mit dem Tode stehen. Unmittelbar vorher war Ihm ein Engel vom Himmel erschienen und hatte Ihn gestärkt. Die Kräfte nun, die Er durch diese Stärkung in Seiner menschlichen Natur bekommen hatte, wandte Er zu dem heftigsten Ringen an, welches darauf anging, wie auch zu dem heftigern Gebet, welches Er zugleich zu Seinem Vater schickte. Er betete heftiger, indem Er Seine Stimme bis zu einem starken Geschrei erhob, und Seine Begierde, von dem Trinken des Kelches frei zu bleiben, aber auch den Willen Seines himmlischen Vaters zu tun, auf den höchsten Grad stieg. Wunderbar ist’s, daß Er nach dieser Todesangst und nach diesem heftigen Gebet, unter welchem Sein Schweiß wie Blutstropfen wurde, die auf die Erde fielen, alsbald wieder aufstehen, zu Seinen Jüngern hingehen, mit ihnen reden, und hernach bis zu Seiner Kreuzigung ungefähr fünfzehn Stunden lang ohne eine leibliche Ruhe und Erquickung und unter vielen Gewaltthätigkeiten stehen und gehen können.

Hat der Heiland das Aeußerste der Angst empfunden, dessen die menschliche Natur fähig ist, so erinnern wir uns billig, daß Trübsal und Angst der verdiente Lohn aller derjenigen sei, die Böses thun, Röm. 2,9., und daß, weil kein Glaube und keine Liebe in ihnen sind, diese Angst in das verzweifelnde Geschrei: o ihr Berge fallet über uns u.s.w. und in Heulen und Zähneknirschen ausbreche. Vor dieser zweifelnden Angst bewahre uns, lieber HErr Jesu, durch Deinen Todeskampf, durch Dein heftiges Gebet, und durch Deinen blutigen Schweiß. Soll ich aber in meinem Leben und bei meinem Sterben etwas Weiteres von Angst und Bangigkeit erfahren, folglich etwas von dem Kelch trinken, den Du am Oelberg getrunken hast, so wollest Du als ein mitleidiger Hohepriester mir nahe sein, meine Schwachheit stärken, und die Versuchung bei mir so ein Ende nehmen lassen, daß ich sie ertragen könne. Ja gleichwie Dich Dein himmlischer Vater zur angenehmen Zeit erhöret, und Dir am Tage des Heils geholfen hat, daß Du hernach dem Tod ohne weiteres Grauen hast entgegen gehen können, also wollest Du mich auch zur rechten Zeit erhören, mich von dem Grauen vor dem Tod befreien, und mich in Deiner Gnade williglich und sanft von hinnen scheiden, und mich alsdann die Erfüllung Deiner Worte erfahren lassen: Vater, Ich will, daß, wo Ich bin, auch die bei Mir seien, die Du Mir gegeben hast, daß sie Meine Herrlichkeit sehen, die Du Mir gegeben hast.

Mel.: Jesus meine Zuversicht.

1.
Jesu! der Du mit dem Tod
In dem Garten selbst gerungen,
Dir ist’s in der größten Noth
Mit Gebet und Fleh’n gelungen;
Denn der Vater hörte Dich,
Und die Hülfe zeigte sich.

2.
Das laß, treuer Heiland, mir
Auch im Tod zur Rettung dienen;
Das geschwitzte Blut von Dir
Troff, uns Sünder zu versöhnen;
Dieses wunderbare Blut
Komm’ im Tod auch mir zu gut.

3.
Ich will nur allein auf Dich
In den letzten Zügen flehen;
Und Dein Beten tröstet mich,
Mir soll auch, wie Dir, geschehen;
Du hilfst dem, der Dir vertraut,
Wenn ihm vor dem Tode graut.

4.
Dein Geschrei kam vor den Thron,
Und konnt’ nicht verschmähet werden;
Denn Du warst und bleibst der Sohn,
Lagst Du gleich im Blut auf Erden;
Und durch Dich, Du Gottessohn,
Kommt mein Beten vor den Thron.

5.
Stark genug ist Deine Hand,
Mich auch aus dem Tod zu reißen;
Steh’ ich wirklich an dem Rand,
Wirst Du mir den Durchgang weisen;
Weil Du ja in Deiner Angst
Mir mein Leben schon errangst.

7. November. Morgen-Andacht.

Jesus Christus, ob Er wohl in göttlicher Gestalt war, hielt Er’s nicht für einen Raub, Gott gleich sein, sondern äußerte Sich selbst, und nahm Knechtsgestalt an, und ward gleich wie ein anderer Mensch, und an Geberden als ein Mensch erfunden. Phil. 2,6.7.

Der Apostel schärfte den Philippern zwei wichtige Pflichten sehr nachdrücklich ein, nämlich die Pflicht einer friedfertigen und ehrerbietigen Demuth, und die Pflicht der Uneigennützigkeit. Nichts thu, sagte er Kap. 2,3.4., durch Zank oder eitle Ehre, sondern durch Demuth achtet euch unter einander Einer den Andern höher als sich selber, und ein Jeglicher sehe nicht auf das Seine, sondern auf das, was des Andern ist. Hierauf stellt er ihnen Christum als ein Vorbild dar, und sagt V. 5.: seid gesinnet, wie Jesus Christus auch war. Dieser war auch, da Er im Stand der Erniedrigung lebte, in göttlicher Gestalt. Alles, was von Gott gesagt werden kann, und den unermeßlichen Unterschied zwischen Ihm und den Geschöpfen ausmacht, war in Ihm. Er war ewig, allmächtig, allgegenwärtig, allwissend, allein gut, allein weise, Er war Licht und Liebe. Die ganze Fülle der Gottheit wohnte leibhaftig, das ist wesentlich in Ihm. Er war der wahrhaftige Gott und das ewige Leben. Dessen ungeachtet aber hielt Er’s nicht für einen Raub, Gott gleich sein, sondern äußerte Sich selbst, oder leerte Sich selbst aus. Hätte Er auf das Seine gesehen und uns hintangesetzt, so hätte Er den ganzen Genuß der göttlichen Herrlichkeit eilfertig und begierig ergriffen, wie man einen Raub zu ergreifen pflegt. Er hätte Sich überall bedienen lassen, immer einen unvergleichlichen Glanz von Sich ausstrahlen lassen, und alle Empfindungen der Schwachheiten und Schmerzen durch den vollen Genuß und Gebrauch der göttlichen Kraft und Wonne von Sich abgewandt; aber Er that’s nicht, weil Er den Zweck der Erlösung des menschlichen Geschlechtes vor Augen hatte. Er leerte Sich also aus, aber freilich nicht von der Gottheit selbst, sondern vom Genuß der göttlichen Herrlichkeit, insofern er der Erlösung der Menschen hinderlich gewesen wäre. Er nahm Knechtsgestalt an. Seine Seele hatte den Sinn und die Empfindung, die ein Knecht hat, der nicht da ist, um sich bedienen zu lassen, sondern um Andern zu dienen, und sich für Andere zu verwenden; auch war Sein äußerlicher Aufzug dem Aufzug eines Knechts, und nicht eines Herrn ähnlich. Auch war Er wie ein anderer Mensch, und hatte eben das menschliche Wesen, das andere Menschen haben, ja Er hatte die Gestalt des sündlichen Fleisches, ob Er schon kein sündliches Fleisch hatte. Auch ward Er an Geberden nach dem äußerlichen Betragen als ein Mensch erfunden. Er aß und trank, schlief, wachte, wurde müde, arbeitete, hatte eine Größe, einen Gang und eine Kleidung wie ein Mensch. Dieses Alles war bei Ihm etwas Freiwilliges, und diente dazu, daß Seine Gegenwart den Menschen nicht nur erträglich, sondern lieblich, und Er ein Vorbild zur Nachahmung sein konnte. Auch konnte Er bei dieser freiwilligen Enthaltung von dem völligen Genuß der göttlichen Herrlichkeit der Menschen Lehrer sein, allenthalben versucht werden, damit Er mit unserer Schwachheit Mitleiden haben könnte, und in der Schwachheit zum Heil der Menschen gekreuzigt werden. Dank sei Ihm für dieses Alles gesagt! Er pflanze Seinen demüthigen und lautern Sinn in uns, nach welchem wir einander lieben, hochachten, und ohne Eigennutz dienen, insonderheit aber Ihm und dem Vater durch die Kraft des Heiligen Geistes leben sollen.

Mel.: Es kostet viel, ein Christ zu sein.

1.
Du warst in göttlicher Gestalt,
Mein HErr, eh’ Du in unser Fleisch gekommen;
Doch hast Du nicht mit eilender
Gewalt, Gott gleich zu sein als einen Raub genommen;
Du äußertest Dich göttlicher Gewalt,
Nahmst Knechtsgestalt.

2.
Das war Dein demuthsvoller Sinn,
In dem hast du Dich selber ausgeleeret,
Gingst Menschen gleich so unter Menschen hin;
Der Vater war’s, der Dich hernach verkläret.
Ach lehre mich, der ich noch fleischlich bin,
HErr, Deinen Sinn!

3.
Ich danke Dir, Du warst ein Knecht,
Und warst als Sohn dem Glauben doch gewiesen.
Auch über mich hast Du als Sohn das Recht,
Dein Knecht bin ich, sei denn von mir gepriesen;
Schaff’ Dir ein Lob durch Deinen Geist in mir,
So dank’ ich Dir.

7. November. Abend-Andacht.

Es ist kommen der große Tag Seines Zorns, und wer kann bestehen? Offenb. 6,17.

Es wird Offenb. 6,12-17. ein großer Schrecken und eine verzweiflungsvolle Angst beschrieben, worein die unseligen Todten gesetzt worden seien, als das Lamm das sechste Siegel an dem Buch aufthat, welches Ihm von dem Vater übergeben worden. Das Ende der Welt und der Anbruch des jüngsten Tages wurden diesen Todten in einem Gesicht gezeigt, wobei sie sich dann in den Klüften und Felsen an den Bergen verbargen, und zu den Bergen und Felsen sprachen: fallet auf uns, und verberget uns vor dem Angesicht Deß, der auf dem Stuhl sitzt, und vor dem Zorn des Lammes, denn es ist kommen der große Tag Seines Zorns, und wer kann bestehen? Merkwürdig ist’s, daß diese unseligen Todten sich nicht nur vor dem Angesicht Dessen, der auf dem Thron sitzt, sondern auch vor dem Zorn des Lammes fürchten. Es ist also die Herrlichkeit Jesu Christi auch in der Hölle geoffenbart, und die Zungen der unseligen Todten bedenken, daß Er der HErr und Richter sei. Kläglich ist’s also, daß sie vor Seinem Zorn sich verbergen wollen, da Er doch ihr Erlöser gewesen war, ihre Sünden getragen hatte, und sie zum Genuß Seiner Gnade berufen hatte. Dieser Genuß war aber nun versäumt. Nun fürchten sie sich vor dem Zorn des Lammes. Nun sehen sie den großen Tag Seiner Zukunft als den großen Tag Seines Zornes an. Nun fragen sie: wer kann bestehen? Und ihr Gewissen antwortet ihnen: unter uns Keiner, weil es uns an der Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, fehlt.

Diese Vorstellung soll den sterblichen Menschen, bei denen di angenehme Zeit und der Tag des Heils noch währet, dazu dienen, daß sie des Wortes Gottes, das sie hören, wohl wahrnehmen, damit sie nicht mit andern Unglaubigen dahin fahren, Hebr. 2,1., in dem gnadenreichen Heute, da sie Gottes Stimme hören, ihre Herzen nicht verstocken, Hebr. 3,15., und sich fürchten, damit sie die Verheißung, in die Ruhe Gottes einzukommen, nicht versäumen. O es ist etwas Schreckliches, in die Hände des lebendigen Gottes fallen, und den Zorn des Lammes am Tag des Gerichts erfahren. Und dieses wird doch Königen und Obersten und Reichen und Hauptleuten und Gewaltigen und Sklaven und freien Leuten widerfahren, welche nie Buße gethan, und sich zu Christo dem Hirten und Bischof der Seelen nie bekehrt haben. Sie waren vorher oft zornig: nun kommt aber der göttliche Zorn, und schlägt sie nieder, und der Tag des Gerichts bricht an, an welchem sie in ihrer schändlichen Blöße offenbar werden und ihr Urtheil empfahen sollen. Lasset uns also jetzt mit Freimüthigkeit zu dem Gnadenstuhl hinzutreten, auf daß wir Barmherzigkeit empfahen und Gnade finden auf die Zeit, wenn uns Hülfe noth ist, Hebr. 4,16. Lasset uns Alles, was der blinden Welt ein Gewinn zu sein deucht, für Schaden achten, damit wir Christum gewinnen und in Ihm erfunden werden, nicht habend ihre Gerechtigkeit, die aus dem Gesetz, sondern die durch den Glauben an Christum kommt, nämlich die Gerechtigkeit, die von Gott dem Glauben zugerechnet wird, Phil. 3,8.9. Lasset uns im Glauben an Ihn leben und sterben; denn wer an Ihn glaubt, wird nicht zu Schanden werden.

Mel.: HErr Jesu, Gnadensonne.

1.
So wie die Seelen scheiden,
So bleibt hernach ihr Stand;
Was Angst sei oder Freuden,
Wird ihnen schon bekannt;
Da zeuget ihr Gewissen,
Was sie erwarten müssen,
Ob’s Schmuck sei oder Schand’.

2.
Wer Jesum angenommen,
Weiß schon sein weißes Kleid,
Wenn sein HErr werde kommen
In Seiner Herrlichkeit.
Wer Jesu Feind gewesen,
Kann schon im Herzen lesen,
Was ihm sein Richter dräut.

3.
Wie selig ist’s, Dich kennen,
HErr Jesu, Gottes Sohn,
Dich unsern Heiland nennen,
Auch auf dem Richterthron!
Denn die auf Dich nicht sterben,
Die fühlen ihr Verderben
Vor Deinem Tage schon.

4.
HErr! laß mich mit den Deinen
In festem Glauben steh’n,
Und bis Du wirst erscheinen,
Dir froh entgegen seh’n.
Du kleid’st mit weißen Röcken,
Wenn auch auf Marterblöcken
Die Scheidung sollt‘ gescheh’n.

5.
Dein Wort sei mir ein Spiegel,
Da seh‘ ich in Dein Licht;
Dein Geist sei mir zum Siegel,
Bis daß Dein Tag anbricht;
So kann es meiner Seelen
Auch nicht im Scheiden fehlen,
Und schreckt mich kein Gericht!

8. November. Morgen-Andacht.

Jesus Christus erniedrigte Sich selbst, und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tod am Kreuze. Phil. 2,8.

Weil der HErr Jesus Knechtsgestalt angenommen hatte, so war Er innerlich und äußerlich zubereitet zu dienen, und Sich nicht bedienen zu lassen. Hätte Er wollen dem Genuß nach Gott gleich sein, so hätte Er überall von allen Geschöpfen eine solche Bedienung angenommen, bei welcher Er nur hätte befehlen, nicht aber gehorchen können. Auch hätte Er überall und allezeit auch Seinen menschlichen Willen gethan, wie es jetzt geschieht, da Seine Menschheit auf dem göttlichen Thron verklärt ist. Allein Er erniedrigte Sich in den Tagen Seines Fleisches selbst unter Seine Eltern, unter die Obrigkeit, noch mehr aber unter Seinen himmlischen Vater. Er lernte, indem Er litt, Gehorsam, Hebr. 5,8. Er übte Sich so im Gehorsam, daß Er immer Seinen menschlichen Willen, auch wenn er vor dem Leiden ein Grauen hatte, dem Willen Seines Vaters unterwarf. Er that und litt solche Dinge aus Gehorsam, die der menschlichen Natur höchst beschwerlich waren. Er ließ Sich von Seinem Vater geben, was er haben, offenbaren, was Er wissen wollte. Er bat Ihn um Alles, und tröstete Sich dessen, daß der Vater bei Ihm sei, und Ihn nicht allein lasse, Joh. 8,29., daß Seine Sache des HErrn und Sein Amt Seines Gottes sei, Jes. 49,4., und daß der HErr Ihm helfe, und Derjenige nahe sei, der ihm Recht spreche, Jes. 50,7.8. Im Gefühle Seiner Niedrigkeit sagte Er: Ich suche nicht Meine Ehre, Joh. 8,50., Ich suche nicht Meinen Willen, Joh. 5,30. Er hatte nicht Gefallen an Sich selbst, insofern Er ein Geschöpf war, Röm. 15,3. Er verwunderte Sich, daß der Vater Seiner als eines Menschen gedenke, und sich Seiner als eines Menschenkindes annehme, Ps. 8,5., weil es Ihm nämlich vor Augen war, wie gering, ja wie gar nichts die menschliche Natur, auch wenn sie ganz rein ist, gegen Gott sei. Am Kreuz dachte Er sogar: Ich bin ein Wurm und kein Mensch, Ps. 22,7. Seine Erniedrigung und Sein Gehorsam ging nicht nur bis zur Armuth, bis zu einer unansehnlichen und beschwerlichen Wohnung, Kost und Arbeit, bis zur Erduldung schmählicher Reden und anderer Beschwerden, sondern bis zum Tod, welcher die tiefste Demüthigung der menschlichen Natur ist, und unter allen Todesarten bis zur schmählichsten, nämlich bis zum Tod am Kreuz. Er lebte also in einem beständigen Gehorsam auf Erden, und starb aus Gehorsam am Kreuz. er litt nicht, weil Er mußte; Er starb nicht, weil Er nimmer leben konnte, sondern litt und starb nach dem Gebot Seines Vaters freiwillig im lautersten Gehorsam. Er war ein Knecht des Vaters, wie Er Jes. 49,6. 52,13. genannt wird. Sein ganzer Lauf war lauter Gehorsam; darum konnte man von Ihm sagen: gleichwie durch Eines Menschen Ungehorsam viele Sünder worden sind, also auch durch Eines Gehorsam werden Viele gerecht, Röm. 5,19. Gelobet sei Dein heiliger Name, HErr Jesu. Dein Gehorsam und die Bezahlung der vielen Sündenschulden, die ich durch meinen Ungehorsam gemacht habe, sei meine Gerechtigkeit. Sie sei aber auch mein lebendiges Vorbild, das sich in meiner Seele abdrücke. Nimm als ein göttlicher Lehrer meine Vernunft gefangen unter dem Gehorsam des Glaubens, und beuge meinen Willen unter Deine heiligen Gebote, und unter die weisen und heilsamen Schickungen Deiner Vorsehung.

Mel.: Wer nur den lieben Gott etc.

1.
Wie tief ließ Jesus Sich herunter!
Kein Mensch, kein Engel ward so klein;
Vor unsern Augen ist’s ein Wunder,
Der Sohn soll so erniedrigt sein,
Gehorsam bis zur Todesqual,
Ja bis zum Tod am Kreuzespfahl!

2.
O Tiefe, da wir uns entsetzen!
Wir sehen dir nicht auf den Grund,
Und doch mit zitterndem Ergötzen
Erfüllt der Glaube unsern Mund.
In solche Tiefe stieg der Sohn:
Gottlob, wir leben jetzt davon!

3.
So schmählich hing auf uns’rer Erden
Der nun vollend’te Jesus Christ,
Der, wenn wir Ihm gehorsam werden,
Uns unsers Heils Urheber ist.
Ja HErr, Dir bin ich unterthan,
Und bete Dich mit Freuden an!

4.
Wie tief lag ich in dem Verderben,
Und aus der Tiefe zogst Du mich!
Hilf mir durch Dein versühnlich Sterben,
Aus meiner Tiefe rufe ich:
Mach‘ nur mein Herz auf ewig Dein,
So wird mein Dank auch ewig sein.

8. November. Abend-Andacht.

Der feste Grund Gottes bestehet, und hat dieses Siegel: der HErr kennet die Seinen, und: es trete ab von der Ungerechtigkeit, wer den Namen Christi nennet. 2 Tim. 2,19.

Paulus hatte den Timotheus V. 16. ermahnt, sich des ungeistlichen losen Geschwätzes, welches damals wie ein Krebs um sich fraß, zu entschlagen, weil es viel zum ungöttlichen Wesen helfe. Anstatt dieses Geschwätz zu widerlegen, sagte er hernach: der feste Grund Gottes bestehet und hat dieses Siegel: der HErr kennet die Seinen, und: es trete ab von der Ungerechtigkeit, wer den Namen Christi nennet. Er gab durch eine verblümte Rede zu verstehen, Gott habe einen festen Grund gelegt, worauf die ganze Kirche als Sein Haus gebaut sei. Auf diesen Grund aber seien diese zwei Sprüche als ein Siegel gleichsam aufgedrückt oder geschrieben: der HErr kennet die Seinen, und: es trete ab von der Ungerechtigkeit, wer den Namen Christi nennet. Der erste Spruch ist die Summe aller Trostsprüche, die in der heiligen Schrift stehen, der andere aber die Summe aller Gebote Gottes, die in der Bibel enthalten sind. Der HErr kennet die Seinen mit Gnade und Barmherzigkeit. Seine Augen sehen mit Wohlgefallen auf sie. ER liebet sie mit einer vorzüglichen Liebe. Er höret ihr Gebet und weiß ihr Anliegen. Er hat ihren Namen im Buch des Lebens geschrieben. Dieses Alles hat seinen Grund in dem vergossenen Blut Jesu Christi, durch welches sie erkauft und Sein Eigenthum worden sind. Es trete aber ab von der Ungerechtigkeit, wer den Namen Christi nennet, folglich zu sagen sich erkühnt: ich bin ein Christ. Das Bekenntniß des Namens Christi schickt sich nicht zur Ungerechtigkeit, denn von Christo wird Hebr. 1,9. gesagt: Du hast geliebet die Gerechtigkeit und gehasset die Ungerechtigkeit; darum hat dich, o Gott, Dein Gott gesalbet mit dem Oel der Freuden über deine Genossen. Wer also Seinen Namen nennen, wer sich zu Ihm bekennen, wer zu Seinem Christenvolk gehören will, und wer als ein Christ auch mit dem Oel der Freuden gesalbt sein will, muß von der Ungerechtigkeit abtreten, die Christus hasset, und mit welcher sich das heilige Freudenöl nicht vermengen kann.

Ist nun in diesen zwei Sprüchen die Summe aller tröstlichen Zusagen und aller Gebote Gottes enthalten, und sind sie wie ein Siegel auf den festen Grund gleichsam aufgedrückt, auf den das Haus Gottes erbauet wird, so ist ein jedes Geschwätz ein grundstürzender oder tödtender Irrthum, wodurch die Liebe des HErrn gegen die Seinen geläugnet oder verdeckt, und die Menschen zum Beharren in der Ungerechtigkeit verleitet werden. Ein solches Geschwätz ist ja wohl ein ungeistliches und loses Geschwätz, das wie ein Krebs oder Brand tödtet. Lasset uns also jene zwei Sprüche festhalten. Lasset uns die Liebe Christi erkennen, die alle Erkenntniß übertrifft. Lasset usn Seinen Fußstapfen nachfolgen, Seine Gebote halten, und der Heiligung nachjagen; denn Er ist heilig und die Heiligungsquelle. Selig sind, die Er als die Seinigen kennt. Selig sind, die Seine Gebote halten, auf daß ihre Macht sei an dem Holz des Lebens, und zu den Thoren einzugehen in die Stadt des lebendigen Gottes.

Mel.: Gott sei Dank in aller Welt.

1.
Gottes fester Grund besteht,
Wenn sonst Alles untergeht,
Und auf diesem Grund beruht
Unsers Herzens Glaubensmuth.

2.
Da drückt Gott dieß Siegel ein:
Gott kennt Alle, welche Sein;
Und wer Christi Namen nennt,
Sei vom Unrecht abgetrennt.

3.
Treuer Gott! Dir sei gedankt,
Daß Dein Rath und Wort nicht wankt;
Gründe mich allein auf Dich,
Du bist unverändlicher.

4.
Lege mir dieß Siegel bei,
Daß auch ich Dein eigen sei;
Und Dein Geist versiegle mir
Auch mein Kindesrecht an Dir.

5.
Halte mich vom Unrecht fern,
Weil ich Christum kenn‘ als HErrn;
Denn hier lebt der wahre Christ,
Wie sein HErr und Heiland ist.

6.
Mahne Du mich immerhin,
Daß ich bleibe, wie ich bin;
Denn so reißt mir bis zum Grab
Keine Macht dieß Siegel ab.

7.
Bleib‘ ich nur in Deiner Hand,
Und bin Dir, mein Gott bekannt,
Bin ich froh, getrost und still,
Wenn kein Mensch mich kennen will.

8.
Geh’n dann meine Tage aus,
Fällt der Seele irdisch Haus,
Starren Augen und der Mund,
So besteht doch Gottes Grund.

9.
Auch im Tode bin ich Dein,
Und Du führst mich da hinein,
Wo man sich in Ewigkeit
Ueber Christi Namen freut.

9. November. Morgen-Andacht.

In Christo Jesu haben wir Freudigkeit und Zugang in aller Zuversicht durch den Glauben an Ihm. Eph. 3,12.

Soll ein Mensch eine freumüthige Ansprache an Gott und einen Zugang zu Gott in der Zuversicht haben, so muß er im Glauben an Christum Jesum stehen. Die freumüthige Ansprache an Gott besteht darin, daß man Ihn von Herzen Vater nennen, und Ihm alle Bitten mit einer kindlichen Zuversicht vortragen kann, und der Zugang zu Gott besteht darin, daß der Mensch seines Herzens Verlangen zuversichtlich zu Gott, von dem er abgewichen ist, wendet, und mit Ihm wieder vereinigt wird, auch Seine Liebe zu genießen, aber auch Seine heilsame Kraft zu empfinden anfängt. Das ist mein Gutets, sagt Assaph Ps. 73,28., daß ich Gott nahe bin, und Er mir nahe ist, und ich meine Zuversicht auf den HErrn HErrn setze, daß ich verkünde all Sein Thun. So verzagt nun das menschliche Herz ist, so trotzig kann es auch sein, wenn man ihm von Gott etwas vorsagt. Ein schlechter Tugendschein, ein mit vieler Ungeduld ausgestandenes Leiden, ein wenig Wissenschaft von der Religion, und einige Werke, womit man sich und Andern gefallen hat, dünken es schon ein Grund zu sein, von Gott das ewige leben und alle andern Wohlthaten zu fordern. Sagt man zu einem solchen Menschen: du hassest die Zucht, wenn du einen Dieb siehest, so laufest du mit ihm, und hast Gemeinschaft mit den Ehebrechern, dein Maul lässest du Böses reden, und deine Zunge treibet Falschheit, du sitzest und redest wider deinen Bruder, deiner Mutter Sohn verläumdest du: so behilft er sich mit den Gedanken: Gott sei wie er, achte die Sünde nicht, oder sehe sie als eine Kleinigkeit an, oder habe noch gar ein Wohlgefallen daran. Aber Ich will dich strafen, sagt der HErr, und dir’s unter Augen stellen. Merket doch das, die ihr Gottes vergesset, daß Er nicht einmal hinreiße und sei kein Retter mehr da, Ps. 50. Gott ist heilig und gerecht. Seine Befehle sind unbeweglich, und Seine Güte wird in der heiligen Schrift oft gepriesen: er wird aber auch ein verzehrendes Feuer und eine ewige Glut genannt. Nur durch Jesum Christum, der unsere Gerechtigkeit ist, haben wir eine freimüthige Ansprache an Gott und einen zuversichtlichen Zugang zu Ihm. Der Glaube an den HErrn Jesum ist nöthig, wenn man Gott einen Vater nennen und mit Ihm vereinigt werden will. Wer auf einem andern Weg zu Gott reden und von Ihm Dieses oder Jenes begehren und erwarten will, kann wohl mit seinem Mund kühn reden, sein Herz aber bleibt doch voll Furcht und verdammt ihn, und dieses wird insonderheit bei der Annäherung des Todes offenbar, wo man keinen Raum mehr hat, sich zu zerstreuen, und dem Gefühl des göttlichen Zornes auszuweichen. So sei denn Christus Jesus unser Ruhm, unsere Hoffnung, unsere Gerechtigkeit, unser Weg zum Vater. Sind wir ehemals von Gott fern gewesen, haben wir ehemals ohne Gott und ohne Hoffnung in der Welt gelebt, so sei nun unser beständiges Bestreben, in Christo Jesu und durch Sein Blut dem großen Gott nahe zu sein. Durch Christum haben wir mit allen Glaubigen den Zugang in Einem Geist zum Vater, Eph. 2,12.13.18. Wohl denen, die Du, o HErr, zu Dir lässest! Wohl denen, die vor und nach dem Tod in Deinem Hause wohnen, die loben Dich immerdar! Wohl denen, die Dich für ihre Stärke halten, und von Herzen Dir nachwandeln! HErr Zebaoth, wohl dem Menschen, der sich auf Dich verläßt! Ps. 84.

Mel.: Mir nach, spricht Christus.

1.
In Jesu hat man Freudigkeit,
Mit Zuversicht zu beten,
Der Zugang ist durch Ihn bereit’t,
Zum Vater vorzutreten;
Wir geh’n als liebe Kinder hin,
Und reden frei, und nur durch Ihn.

2.
Sonst brauch‘ ich keine Fürsprach‘ mehr,
Wenn’s auch Maria wäre;
Denn der Gerechte ist nur Er,
Und das ist Christi Ehre;
Die Wahrheit zeuget uns Sein Geist,
Daß Er nur die Versühnung heißt.

3.
Hier rede mir mein Herz nicht ein,
Ich bete ganz von Herzen;
Will Satan mein Verkläger sein,
Das laß ich mich nicht schmerzen.
Durch Jesum hab‘ ich Zuversicht;
Selbst Moses schweigt, wenn Jesus spricht.

4.
Ich nehm‘ den Mund von Rühmen voll,
Gott sei von mir erhoben;
Wie ich in Jesu beten soll,
Will ich in Ihm auch loben.
Hier und im Himmel soll allein
Sein Lob in meinem Munde sein.

9. November. Abend-Andacht.

Mir ist Barmherzigkeit widerfahren. 1 Tim. 1,13.

Wer ist, der dieses mit Gewißheit sagen kann? Wenn Jemand auch von der Taufe an seinen Gnadenstand behauptete und dem HErrn treu bliebe, so müßte er doch täglich sagen: mir ist durch die heilige Taufe und hernach durch das Evangelium und das heilige Abendmahl Barmherzigkeit widerfahren, durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin, und Seine Gnade an mir ist nicht vergeblich gewesen. Wer aber, wie Paulus, einen Theil seines Lebens als ein Gottloser zugebracht hat, und deßwegen sagen muß: ich war zuvor ein Lästerer, oder wenigstens ein wollüstiger, lügenhafter, leichtsinniger Mensch, der ohne Gebet und Glauben, ohne Furcht und Liebe Gottes dahin lebte, und von einer Sünde in die andere fiel, und gern darin fiel, und lange nicht mehr aufzustehen begehrte, lange den breiten Weg nicht verlassen wollte – wer dieses bekennen muß, und hernach mit Schrecken und Schmerzen unter dem göttlichen Beruf und Zug zu sich selber kommt, sich für verloren hält, Gnade mit einem anhaltenden Flehen sucht, zuerst sparsam, hernach reichlicher empfindet, endlich derselben durch einen besondern Ausguß der Liebe Gottes in dem Herzen vergewissert wird, und sich nun gestärkt fühlt, dem HErrn Jesu, den man nun in Seinem eigenen Licht erkennt, zu leben und zu dienen: - ein solcher Mensch kann mit völligem Recht und großer Gewißheit sagen: mir ist Barmherzigkeit widerfahren. Es ist unmöglich, daß ein solcher Mensch das Gute, das ihm widerfahren ist, für einen Lohn halte, den ihm Gott schuldig gewesen. Wer so denken kann, ist noch nicht bekehrt und begnadigt. Es ist aber auch unmöglich, daß ein solcher Mensch der Barmherzigkeit, die ihm widerfahren ist, niemals gewiß sein sollte, denn die Veränderung, die mit ihm vorgegangen, ist so merklich, und die Empfindungen der göttlichen Liebe sind oft so lebhaft, und unterscheiden sich durch ihre Beschaffenheit und Wirkung so deutlich von Allem, was Vernunft und Einbildung ausgebären kann, daß der Mensch oft mit Gewißheit sagen kann: mir ist Barmherzigkeit widerfahren. Freilich gibt es dunkle Stunden, in welchen man sich seines Gnadenstandes, welcher alsdann durch die vorschlagenden Empfindungen des geistlichen und leiblichen Elends verdeckt wird, nicht mit Freudigkeit bewußt ist; auch gibt es Lehrformen, in welchen das Zweifeln und die Finsterniß der Seele als eine Tugend gepriesen, oder durch welche man angewiesen wird, auf hohe und ungemeine Gnadenerweisungen zu warten, und das Christenthum nur nach einer hohen Stufe desselben anzusehen; da dann der Mensch, dem schon Barmherzigkeit widerfahren ist, nicht merken will, daß sie ihm widerfahren sei, und die Perle des Reiches Gottes immer sucht, und nicht weiß, daß er sie schon gefunden habe. Gott schenke einem Jeden, dem Barmherzigkeit widerfahren ist, eine richtige Erkenntniß der Wahrheit, und erhalten seine Seele in einer ordentlichen Fassung, damit er wisse, daß sie ihm widerfahren sei.

Mel. Wer weiß, wie nahe mir mein Ende.

1.
Mir ist Erbarmung widerfahren,
Erbarmung, deren ich nicht werth!
Das zähl‘ ich zu dem Wunderbaren,
Mein stolzes Herz hat’s nie begehrt;
Nun weiß ich das, und bin erfreut,
und rühme die Barmherzigkeit.

2.
Ich hatte nichts als Zorn verdienet,
Und soll bei Gott in Gnaden sein;
Gott hat mich mit Ihm selbst versöhnet,
Und macht durch’s Blut des Sohn’s mich rein.
Wo kam dieß her? warum geschicht’s?
Erbarmung ist’s, und weiter nichts!

3.
Das muß ich Dir, mein Gott, bekennen,
Das rühm‘ ich, wenn ein Mensch mich fragt,
Ich kann es nur Erbarmung nennen,
So ist mein ganzes Herz gesagt.
Ich beuge mich, und bin erfreut,
Und rühme die Barmherzigkeit.

4.
Dieß laß ich kein Geschöpf mir rauben,
Dieß soll mein einzig Rühmen sein;
Auf dieß Erbarmen will ich glauben,
Auf dieses bet‘ ich auch allein,
Auf dieses duld‘ ich in der Noth,
Auf dieses hoff‘ ich in dem Tod.

5.
Gott! der Du reich bist an Erbarmen,
Reiß Dein Erbarmen nicht von mir,
Und führe durch den Tod mich Armen,
Durch meines Heilands Tod zu Dir;
Da bin ich ewig recht erfreut,
Und rühme die Barmherzigkeit!

10. November. Morgen-Andacht.

Darum hat Gott Jesum Christum erhöhet, und Ihm einen Namen gegeben, der über alle Namen ist, daß im Namen Jesu sich beugen sollen alle Kniee derer, die im Himmel, auf Erden und unter der Erde sind, und alle Zungen bekennen, daß Er der HErr sei, zur Ehre Gottes des Vaters. Phil. 2,9.10.11.

Die Erhöhung und Verklärung Jesu Christi folgte nicht nur auf Seine Erniedrigung und Entäußerung Seiner selbst, sondern Er wurde auch durch diese als der Mittler zwischen Gott und Menschen würdig, jene zu empfahen. Gott hat Jesum Christum erhöhet, weil Er Sich selbst vorher erniedriget hatte. Gott hat Ihm einen Namen gegeben, der über alle Namen ist, weil Er vorher freiwillig des völligen Genusses der göttlichen Herrlichkeit mangeln, und anstatt der vorliegenden Freude das Kreuz erdulden wollen. Die Erniedrigung ging bis zum Tod am Kreuz, die Erhöhung aber reicht über Alles hinaus, was in dieser und in der zukünftigen Welt genannt werden mag. Bei der Enthaltung vom völligen Genuß der göttlichen Herrlichkeit nahm Er die Gestalt und den Namen eines Knechts an Sich, und litt und that was einem Knecht zusteht: bei Seiner Verklärung aber gab Ihm der Vater einen Namen, der über alle Namen ist, und den Niemand weiß als Er selbst, Offenb. 19,12. Dieser Sein Name ist Seine hohe Würde, mit welcher der völlige Genuß und Gebrauch der göttlichen Herrlichkeit und Macht verbunden ist. Die Würde, die der Vater Jesu Christo gegeben hat, ist so groß, daß kein Mensch und kein Engel sie ganz verstehen und begreifen kann, es sollen und müssen aber wegen derselben sich alle Kniee derjenigen, die im Himmel, auf Erden und unter der Erde sind, vor Ihm beugen, und wer nicht freiwillig seine Kniee vor Ihm beugen will, wird durch die Offenbarung Seiner Herrlichkeit dazu genöthigt werden. Alle Zungen müssen bekennen, daß er der HErr sei, und mit einer unermeßlichen Kraft und Weisheit herrsche. Indem aber die Geschöpfe ihre Kniee vor Ihm beugen oder Ihn anbeten, und indem sie mit ihren Zungen bekennen, daß Er der HErr sei, so gereicht Solches zur Ehre Gottes des Vaters, der Ihn über Alles erhöhet, und Ihm einen Namen, der über alle Namen ist, gegeben hat.

Wir sind auf Erden, und sollen da unsere Kniee vor Jesu Christo beugen und Ihn unsern HErrn nennen. Wir wollen es auch gern thun, wie wir denn durch die Erlösung, die Er ausgeführt hat, auf’s Höchste dazu verpflichtet sind. Er nehme uns zur rechten Zeit in den Himmel auf, damit wir daselbst Ihm eine reinere Anbetung leisten und ein völligeres Lob geben können. Diejenigen, die unter der Erde sind, wissen auch von Ihm, weil Er nach Seinem Tod zur Hölle abgestiegen, und als ein Geist zu den Geistern im Gefängniß hingegangen ist. Diese wissen, daß Er der HErr sei, und zittern vor Ihm, diesen ist, wenn ihnen Seine Zukunft vor Augen gestellt wird, so zu Muth, wie Offenb. 6,15.16.17. geschrieben steht. Diese werden Ihn auch am jüngsten Tag mit großer Furcht einen HErrn nennen, wie Matth. 7,22. 25,11.24.44. Luk. 13,25. gesagt wird. Vor der Gesellschaft dieser Unglückseligen bewahre uns die Gnade Jesu Christi, und Sein Geist mache uns zur freiwilligen Anbetung und Verehrung Seiner immer mehr tüchtig.

Mel. Eins ist noth, ach HErr etc.

1.
Freut euch, die in Jesu leben,
Freut euch, Gott hat Ihn erhöht,
Und den Namen Ihm gegeben,
Welcher über alle geht!
Im Himmel, auf Erden und unter der Erden
Ist kein Knie, das Ihm nicht gebogen soll werden;
Kein Mund ist, der Jesum, den HErrn nicht bekennt,
Zur Ehre des Vaters wird Er so genennt.

2.
Der ist’s, welcher als Erlöser
Ausgeleert und niedrig war;
Darum machte Gott ihn größer,
Als der Seraphinen Schaar.
Den, welchen der Satan durch Menschen gehöhnet,
Den hat Gott mit Preis und mit Ehre gekrönet;
Er litt im Gehorsam, und war doch der Sohn,
Nun bleibt Ihm nach Seiner Vollendung der Thron.

3.
Jesu, durch Dein tief Erniedern
Wird das Herz uns hoch erfreut,
und wir danken Dir mit Liedern,
HErr, in Deiner Herrlichkeit.
Wie gut ist’s, mit Freuden auf Erden Dich preisen,
Als Dir einst die Ehre mit Zittern beweisen.
Hie lall‘ ich, dort sprech‘ ich im Himmel noch mehr:
Zur Ehre des Vaters ist Jesus der HErr!

10. November. Abend-Andacht.

Sie wird nicht mehr hungern noch dürsten, es wird auch nicht auf sie fallen die Sonne oder irgend eine Hitze. Offenb. 7,16.

Es ist in diesen worten von einer großen Schaar die Rede, welche Johannes im himmlischen Tempel vor dem göttlichen Thron und vor dem Lamm stehen sah, und welche aus heiligen Menschenseelen bestand, welche die Auferstehung ihrer Leiber erwarteten. Ihr vergnügter und glückseliger Zustand wird unter Anderem so beschrieben: sie wird nicht mehr hungern noch dürsten, es wird auch nicht auf sie fallen die Sonne oder irgend eine Hitze. Hunger und Durst werden hier anstatt aller Mängel, die der Mensch mit Schmerzen in seiner Natur fühlt, und die brennende Sonnenhitze oder eine andere Hitze anstatt aller Bedrängnisse, die dem Menschen von außen her zustoßen, gemeldet. Diese Seelen fühlen also keinen quälenden Mangel in sich selber, denn das Lamm, das mitten auf dem göttlichen Thron ist, weidet sie und leitet sie zu dem lebendigen Wasserbrunnen. Sie werden also mit himmlischen Gaben gesättigt. Schon Joh. 4,14. hat Christus zu dem samaritischen Weib gesagt: wer des Wassers trinken wird, das Ich ihm gebe, den wird ewiglich nicht dürsten, weil nämlich der Heilige Geist als das Wasser des Lebens nimmer von den Gerechten ausfließt, wie das irdische Wasser, folglich sie niemals mehr ganz leer und ganz durstig werden können. Weil aber eine Menschenseele ein sehr tiefes und weites Gefäß ist, so fühlt sie noch oft einen schmerzlichen Durst nach einer völligern Mittheilung des Heiligen Geistes, wie denn oft durch die vorkommenden Versuchungen die Nothwendigkeit derselben entdeckt und ihre Schwachheit oder ihr Mangel ihr selbst fühlbar wird. Sie erlangt auch, was sie sucht, nach der Regel Christi: wer da hat, dem wird gegeben, daß er die Fülle habe. Wenn aber das Lamm Gottes die Seele in dem Himmel weiden und zu dem lebendigen Wasserbrunnen leiten wird, so wird sie gar keinen schmerzlichen Hunger und Durst mehr empfinden, oder keinen Mangel mit Wehmuth fühlen; denn was sie verlangt, wird unter der treuen Pflege des Lammes immer vorhanden sein. Sie wird immer empfangen und genießen, und der Genuß, der mit keiner Schwierigkeit verbunden und auf kein zermalmendes Harren ausgesetzt ist, wird keinem Hunger und Durst Raum lassen. Aber auch von außen wird keine Pein sie berühren, weil Gott, der auf dem Thron sitzt, über solchen Seelen wohnen, und sie mit Seiner Herrlichkeit erquicklich bedecken wird. Was Ps. 91. und Jes. 4,5.6. denen, die noch im Glauben wandeln und Pilgrime sind, verheißen ist, wird bei denen, die zum Schauen gelangt und bei dem HErrn daheim sind, völlig erfüllt werden. Wenn ich also in der großen Trübsal, die auf Erden ist, einen schmerzlichen Hunger und Durst in mir fühle, und wenn mich die Hitze der Trübsal brennt, so sehe ich in der Hoffnung auf den himmlischen Tempel oder auf des Vaters Haus, wo beides aufhören wird. Mein Lauf sei dahin gerichtet, meine Kleider müssen im Blut des Lammes gewaschen werden, und mein Abschied aus der Welt soll in der heitern Hoffnung, daß es meine abgeschiedene Seele auch vor der Auferstehung des Leibes sehr gut haben werde, geschehen.

Mel.: Sollt es gleich bisweilen etc.

1.
Wenn das Elend dieser Erden
Mir will kaum erträglich werden,
Blickt mein Glaube nur dahin,
Wo ich nicht mehr elend bin.

2.
Trifft mich hier so manche Hitze,
Daß ich hung’re, dürste, schwitze,
Seufz‘ ich zwar, und weiß dabei,
Daß dieß Alles dort nicht sei.

4.
Dort sticht uns nicht mehr die Sonne,
Jenes Licht gibt lauter Wonne,
Wo das Lämmlein weiden wird,
Das zu Lebenswassern führt.

5.
Herz! verlangst du dich zu trösten
Mit der Schaar der schon Erlösten,
O so gib dir jetzt die Müh‘,
Kleide nur dich auch wie sie!

6.
Merke dir auf alle Fälle,
Jener Kleid ist weiß und helle;
Also muß auch deines rein
In dem Blut des Lammes sein.

7.
Niemand wirst du dorten sehen
Ohne Blut gewaschen stehen;
Nur im Blut von Gottes Sohn
Kann man steh’n vor Gottes Thron.

8.
Wasch‘ mich, HErr, in deinem Blute,
Denn Du gabst’s auch mir zu gute;
Zeuch‘ mir selbst mein Herz dahin,
Wo ich nicht mehr elend bin!

11. November. Morgen-Andacht.

Von dem Sohn spricht Gott: Dich hat, o Gott, gesalbet Dein Gott mit dem Oel der Freuden über Deine Genossen. Hebr. 1,9.

Diese Worte werden von dem Apostel aus dem fünfundvierzigsten Psalm angeführt, in welchem der Sohn Gottes als der Bräutigam der Kirche beschrieben wird. Einem Bräutigam gebührt fröhlich zu sein, darum sagt der Heilige Geist V. 8. zu Christo: Dich hat, o Gott, Dein Gott gesalbet mit dem Oel der Freuden mehr denn Deine Gesellen oder über Deine Genossen. Der HErr war Christus oder der Gesalbte von Mutterleibe an. Bei Seiner Taufe empfing Er des Geistes Oel auf eine neue Weise in der Absicht auf Sein anzutretendes Lehramt: bei Seiner Erhöhung aber wurde Er abermal mit dem Oel der Freuden gesalbet, weil Er vorher im Stand der Erniedrigung Gerechtigkeit geliebet und gottloses Wesen gehaßt hatte. Er empfing da den Heiligen Geist als ein Freudenöl; denn nun war das Trauern und Leiden zurückgelegt. Nun war die Zeit gekommen, daß Er sich nimmer als ein Knecht, sondern als ein fröhlicher Held, Sieger und Bräutigam zeigen sollte, wie Er denn als ein Solcher Ps. 45. beschrieben wird. Er selbst war Gott, und wurde nach Seiner menschlichen Natur von Seinem Gott mit dem Oel der Freuden mehr oder reichlicher als Seine Gesellen, das ist als die Propheten und Apostel und alle anderen Menschen, gesalbet, weil Er würdig war, mehr als sie zu empfangen, und weil Er unendlich fähiger war, als sie Alle. Dieses Oel der Freuden will der Heiland als das Haupt auf Seine Glieder ausfließen lassen. Er will Seinen Geist und Seine Freude Seiner Braut mittheilen. Diese Mittheilung soll schon alsdann in gewissem Maße geschehen, alldieweil die Braut noch die Ermahnung nöthig hat: höre Tochter, schaue darauf und neige deine Ohren, vergiß deines Volks und deines Vaters Hauses, so wird der König Lust an deiner Schöne haben; denn Er ist dein HErr, und du sollst Ihn anbeten , und alldieweil sich die Verheißung für sie schickt: anstatt deiner Väter wirst du Kinder kriegen, die wirst du zu Fürsten setzen in aller Welt , Ps. 45,11.12.17. In diesem irdischen Zustand hat die von Jesu selbst geschmückte Braut schon an dem Oel der Freude, womit Er gesalbt ist, Antheil, und genießt Seine Liebe und Freundlichkeit vielfältig, wiewohl sie sich dabei der Gemeinschaft der Leiden und Anfechtungen Jesu nicht entziehen darf. Wenn sie aber zur Gemeinschaft der Herrlichkeit Jesu erhöhet sein wird, so wird das Oel der Freuden, das von Ihm ausfließt, sie ganz durchdringen, und der Genuß Seiner Liebe durch dasselbe vollkommen, lauter und beständig sein.

HErr Jesu, Du bist Gott über Alles gelobet in Ewigkeit. Dich hat aber Dein Gott, dem Du fast 33 Jahre auf Erden dientest, und den Du als Deinen Vater immer auf’s Lauterste ehrtest und liebtest; mit dem Oel der Freuden mehr als deine Genossen gesalbet. Weil Du nun diese Gabe für die Menschen, auch für die, welche nach ihrer Taufe wieder abtrünnig worden sind, empfangen hast, so lasse mir auch ein reicheres Maß davon zu Theil werde. Salbe mich, Du Gesalbter des HErrn, mit diesem Oele, damit ich den Christennamen wahrhaftig führen könne, und von meiner aus dem Unglauben entspringenden Traurigkeit immer mehr erlöst werde. Laß Deine Freude auch in mir bleiben, wie Du Joh. 16,22. von Deinen Jüngern gesagt hast.

Mel.:

1.
Welt, singt man dir das Lied zu viel
Von Christo, uns’rem König,
So thust du ja das Widerspiel,
Du singst es gar zu wenig.
Der Glaube liebt’s,
die Liebe übt’s,
Die Hoffnung sieht von Fernen,
Sie wollt‘ es dort recht lernen.

2.
Nur Ihm bleibt des Gesalbten Ruhm,
Das Rauchfaß und die Krone;
Er ist gesalbt zum Priesterthum,
Er ist gesalbt zum Throne;
Was Er gered’t
Als der Prophet,
Das ist, wie wir’s noch lesen.
Vom Oel des Geist’s gewesen.

3.
Er schenkt auch uns von Seinem Geist,
Daß wir die Salbung haben;
Weil Jesus unser König heißt,
Schenkt Er auch Königsgaben.
Ein Christ zu sein
Trägt mehr noch ein,
Als aller Edlen Orden,
Ja, wer hier König worden.

4.
Gesalbter! nun wir beten an,
Laß Deinen Geist uns salben,
Der Dir zum Lob uns weihen kann:
So klingt es allenthalben,
So singt dem HErrn
Man nah und fern:
Seid Christo unterthänig,
Dem Priester und dem König!

11. November. Abend-Andacht.

Denn auch Christus, da wir noch schwach waren, nach der Zeit, ist für uns Gottlose gestorben. Röm. 5,6.

Die Liebe Gottes, welche durch den Heiligen Geist in den Herzen der Glaubigen ausgegossen wird, ist sehr groß, brünstig und uninteressirt, weil Christus, da wir schwach waren, zur rechten Zeit für uns gottlose gestorben ist, folglich keine Würdigkeit bei uns gesehen hat, die Ihn hätte bewegen können, für uns zu sterben. Diejenigen, die Paulus schwach nennt, sind die Gottlosen, von denen er V. 7.8. sagt, daß sie keine gerechten und guten Leute, sondern Sünder seien. Sonst wird der Name schwach auch von Kranken gebraucht; Paulus sagt aber 1 Kor. 15,43. auch von einem todten Leib, daß er in Schwachheit gesäet werde, folglich sind die Schwachen, von denen Paulus redet, auch geistlich todte Leute. Auch sind diejenigen schwach, die keine Gerechtigkeit vor Gott haben, folglich nicht vor Ihm bestehen können, weßwegen Paulus Röm. 5,9. den Zustand eines Gerechten dem Zustand eines Schwachen entgegengesetzt. Wenn man mit seinen Gedanken über den Tod Christi hinausgeht, und die Menschen betrachtet, wie sie geschaffen gewesen wären, wenn dieser Tod nicht geschehen wäre, so muß man sagen, daß sie alle schwache und gottlose Menschen gewesen seien; wie sie denn Paulus Röm. 3,10-18. als solche beschreibt. Wenn man aber auch auf die Zeit des Todes Jesu zurücksieht, so nimmt man wahr, daß damals das menschliche Geschlecht sehr schwach gewesen sei, und die Gottlosigkeit auf dem Erdboden sehr überhand genommen habe. Unter den Juden gab es schlechte Hirten und verschmachtete Schafe, das Licht der wahren Erkenntniß war fast gar erloschen. Es gab sehr wenige gottesfürchtige Juden, und keinen einzigen, der des Evangeliums, das Christus predigen wollte, geradezu fähig gewesen wäre, weßwegen der Täufer Johannes Ihm den Weg bereiten und eine Erweckung bei ihnen anrichten mußte. Aber auch bis auf die Zeit des Todes Jesu waren die Bekehrungen unter dem sehr zahlreichen jüdischen Volk bis auf einen kleinen Haufen eingeschränkt. Paulus, der vielleicht, da er die obenstehenden Worte schrieb, an sich selber gedachte, war damals, da Jesus für ihn starb, ein feuriger, aber blinder Jüngling, und nahm bald hernach, da er von Tarsus Studirens halber nach Jerusalem kam, an dem Haß der Juden wider das Christenthum einen großen Antheil; die Römer aber und alle Nationen auf dem Erdboden, die keine Israeliten waren, dieneten den Götzen, opferten den Teufeln, waren in große Laster versunken, und quälten einander durch eine grausame Zwietracht. Damals also, da Weisheit und Tugend, Wahrheit und Gottseligkeit von der Erde ganz zu weichen schien, starb Jesus für die gottlosen Menschen, versöhnte die Welt mit Sich selber, stiftete ein neues gnadenreiches Testament, gründete das Himmelreich auf Erden, und wurde Allen, die an Ihn glauben, die Ursache einer ewigen Seligkeit. Auch ich bin nach der Natur, die ich von Adam geerbt habe, schwach und gottlos, und habe einen Theil meiner Lebensjahre so zugebracht. Der HErr Jesus sahe dieses, und starb doch für mich. Dank sei Ihm ewiglich dafür!

Mel.: Alles ist an Gottes Segen.

1.
Jesu! der für mich gestorben:
Was Du aller Welt erworben,
Geht im Glauben mich auch an;
Denn Dein Tod war zum Versühnen,
Und in uns’rem Tod zu dienen,
Daß ich ruhig sterben kann.

2.
Ich müßt‘ als ein Feind verderben
Und an meiner Strafe sterben,
Aber Jesus hat’s vollbracht;
Denn Er selbst trug uns’re Strafen,
Daß ich darf auf Ihn entschlafen,
Der den Tod zunicht gemacht.

3.
Mich müßt‘ unter meinen Sünden
Nur der Tod mit Fesseln binden:
Jesus starb an uns’rer Statt,
Und ich sterb‘ in Seinen Gnaden,
Daß der Tod mir nicht mag schaden,
Weil er keinen Stachel hat.

4.
Mein Grab wäre schon die Schwelle
Zu dem Thor der finstern Hölle:
Jesus wollt Erlöser sein,
Ließ Sein Leben, nahm es wieder;
Daher gräbt man meine Glieder
Jetzt auf Wiederleben ein.

5.
Jesu! zeig‘ in letzten Stunden
Mir Dein Heil in Deinen Wunden,
Daß ich selig sterben kann.
Hab‘ ich Theil an Deinem Sterben,
O, so nimmst du, mitzuerben,
Mich auch in dem Leben an!

12. November. Morgen-Andacht.

Der Wandel sei ohne Geiz, und lasset euch begnügen an dem, das da ist; denn Er hat gesagt: Ich will dich nicht verlassen und versäumen. Hebr. 13,5.

Der Geiz besteht darin, daß ein Mensch sich nicht begnügen läßt an dem, das da ist, und deßwegen Vieles sammeln will, und wenn er Vieles gesammelt hätte, gern noch mehr sammeln wollte, da dann das Gemüth von der Begierde zu sammeln ganz eingenommen wird, und zu Lügen, Betrug, zur Härtigkeit gegen sich selbst, insonderheit aber zur Unbarmherzigkeit gegen Arme, denen er mittheilen sollte, geneigt wird. Fragt man, warum ein geiziger Mensch sich an demjenigen, das da ist, nicht genügen läßt, so ist die Antwort diese, daß er sich und den Seinigen gern eine gewisse Versorgung auf die künftige Zeit verschaffen möchte. Mit diesem Vorwand wird der Geiz entschuldiget, und ihm noch gar der Name einer Tugend, nämlich der vorsichtigen Klugheit, beigelegt. Wie aber? Hat der geizige Mensch nicht gehört, was Gott in Seinem Wort etlichemal gesagt hat, nämlich: Ich will dich nicht verlassen noch versäumen. Sollte er also nicht nach dieser Verheißung eine gewisse Versorgung für sich und die Seinigen hoffen, wenn er bei einer fleißigen Arbeit sparsam lebte, dabei aber zuerst nach dem Reich Gottes und nach Seiner Gerechtigkeit trachtete, und durch Wohlthun an den Armen einen Schatz im Himmel sammelte? Ist eine solche Verheißung nicht gewisser als alle liegende und fahrende Habe, die man auf Erden sammeln kann? Freilich ist sie gewisser: aber der Geizige glaubt die Verheißungen Gottes nicht. Und wie? Lehrt nicht die Erfahrung, daß dasjenige wahr sei, was Ps. 39,7. von den Geizigen gesagt wird: sie gehen daher wie ein Schemen oder Schattenbild, und machen ihnen viel vergeblicher Unruhe; sie sammeln, und wissen nicht, wer es kriegen wird? Ja gewiß, wenn mancher Geizige, 10, 20 oder 30 Jahre nach seinem Tod, bei welchem er von seinem Gut nichts hat mit sich nehmen können, wieder in diese Welt zurückkäme, so würde er zu seinem empfindlichen Gram wahrnehmen, wie sein geizig gesammeltes Gut nicht bei seinen Nachkommen geblieben, und Andern zu Theil worden sei, für die er’s nicht gesammelt hatte. Wer sein Gut mehret mit Wucher und Uebersatz, der sammelt es zum Nutzen der Armen, Sprüchw. 28,8. Dieses Alles wird durch die Erfahrung bestätigt, aber der Geizige nimmt’s nicht zu Herzen. Der Geist ist dem Glauben, der Liebe und der Hoffnung entgegen gesetzt. Er verfinstert und beschwert das Herz und gebiert viel Böses, weil ein Geiziger sich schändlicher Thaten, die seinen Reichthum zu vermehren scheinen, nie schämt. Der Geist ist eine Wurzel alles Uebels, 1 Tim. 6,10. Er ist aber desto schädlicher, weil er leichtert den Schein einer Tugend annehmen kann, als ein anderes Laster. Als der HErr Jesus von einem Juden gebeten wurde, seinem Bruder zu sagen, daß er das Erbe mit ihm theile, so sprach Er aus dieser Veranlassung zu Seinen Zuhörern: sehet zu und hütet euch vor dem Geiz, denn Niemand lebt davon, daß er viele Güter habe. Das Begehren des Juden schien gerecht zu sein; der Heiland wußte aber, daß ein Geiz darunter stecke, und warnte deßwegen Jedermann davor. Großer Gott, mache mich gründlich von dem Geiz frei, und dagegen reich in Dir. Gib mir die wahre Klugheit, die Dein lieber Sohn in dem Gleichniß vom ungerechten Haushalter gepriesen hat.

Mel.: O Lamm Gottes, unschuldig.

1.
Ich will dich nicht verlassen,
Ich will dich nicht versäumen:
Dieß Wort will ich fest fassen,
Mir soll vom Geiz nicht träumen.
Ich will anstatt der Klagen
Gott nur Sein Wort hinsagen:
Du hast’s versprochen, o Vater!

2.
Wenn glaubenslose Seelen
Bald mit dem Reichthum prangen,
Bald sich um Reichthum quälen,
Und ich doch nicht erlangen,
So bleibt mir allemale
Die Schrift zum Kapitale.
Dir will ich glauben, o Vater.

3.
Wenn ich auch nichts kann sehen,
Wenn ich verlassen schiene,
So kann ich doch noch flehen,
Mit dem Wort will auf Ihne
Ich alle Sorgen werfen,
Er weiß, was wir bedürfen.
Da magst Du sorgen, o Vater!

4.
Wenn Er mich nun erhöret
Und mir Sein Wort erfüllet;
Ja, eh‘ er noch gewähret,
Und nur mit Trost mich stillet,
So will ich Ihm schon danken.
Ein Kindsherz muß nicht wanken.
Dich will ich loben, o Vater!

12. November. Abend-Andacht.

Ich zeuge in dem HErrn, daß ihr nicht mehr wandelt, wie die andern Heiden wandeln, in der Eitelkeit des Sinnes. Eph. 4,17.

Freilich soll ein Christ, welcher bekehrt heißen soll, nicht mehr wandeln, wie er selbst vor seiner Bekehrung gewandelt hat, und wie andere Weltmenschen wandeln, sie mögen Christen oder Heiden heißen. Wie wandeln aber diese? Sie wandeln in der Eitelkeit des Sinnes, welcher die Wahrheit oder das rechtschaffene Wesen in Christo Jesu V. 1. entgegengesetzt ist. Diejenigen wandeln in der Eitelkeit des Sinnes, deren Begierde und Lust in dem Bezirke derjenigen Dinge eingeschlossen ist, die Salomo in seinem Prediger eitel nennt, und von denen er sagt, daß sie mit einem Nichts anfangen und mit einem Nichts aufhören. Solche Leute dichten und reden wohl auch von unvergänglichen und rechtschaffenen Dingen, nämlich von der Tugend, Frömmigkeit, Gnade Gottes und dem ewigen Leben: aber es ist Alles nur gedichtet und geschwätzt; denn sie haben von allem diesem nichts. Sie sind den Bettlern gleich, die von Gold- und Silbermünzen Vieles reden, und doch keine derselben besitzen, oder wie die Träumenden, welche sich Vorstellungen von einem Schatz machen, den sie gefunden haben, und wenn sie aufwachen, nichts haben. Leute, die in der Eitelkeit des Sinnes wandeln, haben einen verfinsterten Verstand, und sind entfremdet von dem Leben Gottes, das der Seele durch Christum mitgetheilt werden und sie allein sättigen kann, durch die Unwissenheit, die in ihnen ist, durch die Blindheit ihrer Herzen, V. 18. Es bleibt aber nicht allein bei dem Mangel dessen, was wahrhaftig gut ist, und bei der Unwissenheit, sondern solche Leute verfallen, indem sie sich mit ihrer lebhaften Seele in dem Bezirk der Eitelkeit umdrehen, auf viele thörichte Ausschweifungen und schändliche Thaten. Sie sind etwa ruchlos, und ergeben sich der Unzucht und allerlei Unreinigkeit mit einer unersättlichen Begierde, V. 19. Und wenn sie auch dieses nicht thun, so brechen doch andere Laster bei ihnen aus, deren Paulus viele Eph. 4,25-5,18. namhaft macht. Wenn man aber täglich wahrnimmt, wie so viele Hohe, Niedere, Gelehrte, Ungelehrte, Reiche, Arme, Alte und Junge in der Eitelkeit des Sinnes wandeln, so darf man den Christen, die bekehrt heißen wollen, zurufen: ihr aber habt Christum nicht also gelernet, so ihr anders von Ihm gehöret habt, und in Ihm gelehret seid, wie in Jesu ein rechtschaffenes Wesen oder Wahrheit sei, V. 20.21. Wer geistlich ist, ist auch geistlich gesinnt ist, Röm. 8,5., die aber geistlich gesinnt sind, glauben das Wort Jesu, suchen, finden und genießen die wahrhaftige Gnade, dass wahrhaftige Leben Gottes in Jesu. Ihr sinn ist über den Bezirk der eiteln Dinge erhaben. Sie bemühen sich zwar auch damit zur nöthigen Pflege ihres Leibes, aber ihr Verlangen und ihre Hoffnung steigt höher, bis zu Gott, bis zu Christo, bis zu dem unbeweglichen Reich Gottes. Sie sind gesinnt wie Assaph, der Ps. 73. zu dem HErrn sagte: dennoch bleibe ich stets an Dir, denn Du hältst mich bei meiner rechten Hand, Du leitest mich nach Deinem Rath, und nimmst mich endlich mit Ehren an, und wiederum: wenn ich nur Dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erden. Wer so gesinnt ist, wandelt auch anders, als diejenigen, die nach der Eitelkeit des Sinnes wandeln.

Mel.: O Durchbrecher aller Bande.

1.
Wach‘, HErr, über meinem Sinne,
Daß die Macht der Eitelkeit
Mir das Herz nicht abgewinne;
Denn so wandelt nur der Heid‘.
Wer das Eitle liebgewonnen,
Kennet Gott und Christum nicht,
Und er rennt ganz unbesonnen
In den Tod und in’s Gericht.

2.
Eitler Sinn ist von dem Leben,
Das aus Gott ist, ganz entfremd’t,
Also wird durch Widerstreben
des Verstandes Licht gehemmt;
Die Unwissenheit verstocket,
Und es reißt der eitle Sinn,
Ob Gott dräuet oder locket,
Doch die Herzen taumelnd hin.

3.
Niemand kann ein Mittel nennen,
Das für diese Sache dient,
Als nur Jesum Christum kennen,
Der mit Gott uns ausgesöhnt;
Jesus gibt den Geist der Wahrheit,
Dieser lehrt, wer Jesus sei,
Er erfüllt das Herz mit Klarheit,
Und macht von dem Eiteln frei.

4.
Thu‘ mir, Jesu, auch die Gnade,
Gib mir auch von Deinem Geist,
Denn im Sterben ist nur Schade,
Was dem Weltsinn Wohlsein heißt.
Könnt‘ ich Alles hier besitzen,
Was ein eitles Herz erfreut,
Würd‘ ich’s doch nicht lange nützen;
Denn es folgt die Ewigkeit!

13. November. Morgen-Andacht.

Ihr seid nicht unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade. Röm. 6,14.

Alle Juden waren ehemals in gewissem Verstand unter dem Gesetz, wie Paulus Röm. 4,16. andeutet, denn sie waren verpflichtet, das Gesetz Mosis mit allen Ceremonien, die dasselbe vorschrieb, zu halten, wurden aber von Christo erlöset, daß sie die Kindschaft des Neuen Testaments empfingen, Gal. 4,5. Auf eine andere Weise, die Röm. 7. beschrieben ist, muß ein jeder Mensch, der unter die Herrschaft der Sünde gekommen ist, einmal unter dem Gesetz sein, ob er schon nicht verpflichtet ist, die Ceremonien, welche nur die Juden angingen, zu beobachten; denn des Gesetzes Werk oder Hauptzweck ist dieses, daß das hohe Recht Gottes, eine vollkommene Heiligkeit zu fordern und die Sünder zu verdammen, von dem Menschen erkannt werde. Dieses Recht hat aber Gott gegen alle Menschen, sie seien Juden oder Heiden, und e ist zur Ehre Gottes nöthig, daß dasselbe von einem jeden Menschen mit einem tiefen Eindruck erkannt werde. Es gibt also eine Zeit, da das Gesetz einem Sünder zum Tode gereicht, Röm. 710., das ist, ihn unter einer gewaltigen Zermalmung aller seiner Seelenkräfte überzeugt und fühlen läßt, daß er des Todes würdig sei. Er will sich zwar durch die Verbesserung seiner Natur und seines Wandels helfen; so sehr ihn aber das Gesetz zu dieser Verbesserung als seiner großen Pflicht dränget und treibet, so unmöglich ist sie ihm zu selbigen Zeit, weil ihn das Gesetz nicht lebendig macht, Gal. 3,21., oder ihm keine geistliche Kraft darreicht. Daher entstehen die Klagen, die Röm. 7,14-24. beschrieben werden. In diesem Zustand darf und kann aber der Mensch nicht bleiben, sondern er muß durch den Glauben, den der Heilige Geist durch das Evangelium in ihm wirket, in einen andern Zustand übergehen, bei welchem man von ihm sagen kann: er sei nicht mehr unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade. Das Gesetz schrecket, die Gnade bringt den Frieden Gottes in’s Herz. Das Gesetz treibt zu mühsamen und vergeblichen Versuchen, sich selbst zu bessern, die Gnade macht von der Sünde frei. Das Gesetz tödtet, die Gnade macht lebendig. Sobald der himmlische Vater Seinen Sohn dem Menschen durch den Heiligen Geist innerlich offenbart, sobald erlangt er Gnade. Nun wird er von dem Berg Sinai auf den Hügel Golgatha geführt, und siehet Denjenigen an, der da ein Fluch für ihn geworden ist und ihn vom Fluch des Gesetzes erlöset hat. Auch wird er auf den Berg Tabor geführt, um aus der Verklärung Jesu einigermaßen zu erkennen, zu welcher Herrlichkeit er dereinst durch Ihn gelangen solle.

Heut zu Tag legt sich die Christenwelt insgemein darf, daß sie ohne Gesetz lebe, wie Paulus Röm. 7,9. redet. Ihre Sittenlehre ist etwas Todtes, folglich nicht das Gesetz Gottes, welches Paulus einen tödtenden, folglich sehr mächtigen Buchstaben nennet. Darum ist auch die Sünde bei ihr todt, das ist, sie macht ihr mit ihrer tödtenden Kraft, welche sie durch’s Gesetz ausübt, nichts zu schaffen. Wer aber immer so ohne Gesetz lebt, und sich dessen mit Fleiß erwehrt, gelangt nie zur Gnade; denn das Gesetz ist der Vorhof, durch welchen man durchgehen muß, wenn man in das Heiligthum der Gnade hineingehen will. Wehe aber auch demjenigen, der, wenn er in diesen Vorhof gekommen ist, wieder zurückgeht, ehe er zur Gnade gelangt ist! Gnade ist das Ziel der Bekehrung. Unter der Gnade sein ist ein seliger Stand, der ewiglich währen soll.

Mel.: Von Gott will ich etc.

1.
Wir leben unter Gnade,
Nicht im Gesetzeszwang;
Gott droht nicht gleich gerade
Mit Fluch und Untergang.
Wir sind mit Gott versöhnt,
Der zeigt dann einem Sohne,
Wie Er des Glaubens schone,
Der Ihm mit Treue dient.

2.
HErr, wolltest du stets rächen,
Wie Dein Gesetz gedroht,
So brächten die Gebrechen
Uns alle Tag‘ den Tod.
Doch das Besprengungsblut
Läßst Du stets für uns reden;
Du hast nicht Lust zu tödten,
Dein Vaterherz ist gut.

3.
Wenn wir uns täglich beugen,
Beschämt von uns’rer Schuld,
So darf Dein Geist uns zeugen,
Wir steh’n noch in der Huld.
O wäre Gnade nicht,
Du hättest keine Kinder;
Wir blieben alle Sünder,
Und müßten in’s Gericht!

4.
Nun bleibt man Dir in Armen,
Dein Kind lebt nun von Dir;
Von Treue, von Erbarmen,
Von Langmuth singen wir.
Bring‘ uns zum Heiligthum,
Wo wir nicht können fehlen,
So hat an unsern Seelen
Die Gnade ewig Ruhm.

13. November Abend-Andacht.

So ihr anders geschmecket habt, daß der HErr freundlich ist. 1 Petr. 2,3.

Schmecken, daß der HErr freundlich sei, steht nicht nur denjenigen Christen zu, welche es in der Heiligung weit gebracht haben, sondern auch den neugebornen Kindlein in Christo; denn Petrus sagt: seid begierig nach der vernünftigen lautern Milch, als die jetzt gebornen Kindlein, auf daß ihr durch dieselbe zunehmet, so ihr anders geschmecket habt, daß der HErr freundlich ist. Die Wiedergeburt geschieht nicht, ohne daß die Seele die Freundlichkeit Gottes schmecken darf. Wenn sie nämlich durch das Gesetz, welches ihr das Recht Gottes, sie zu verdammen, vorhält, ja sie die schwere Hand Gottes fühlen läßt, erschreckt und zermalmt worden ist, so wird sie durch die Empfindung der Freundlichkeit Gottes wieder aufgerichtet, und bekommt durch dieselbe diejenige Erquickung, welche der Heiland allen Mühseligen und Beladenen, die zu Ihm kommen, verheißen hat. Durch diese Erquickung entsteht der Glaube in der Seele, durch welchen der Mensch die Gerechtigkeit und das ewige Leben erlangt. Das Mittel, welches der Heilige Geist dabei braucht, ist das Evangelium, welches Er der Seele auf eine kräftige und empfindliche Weise zueignet; deßwegen sind diejenigen, welche die Freundlichkeit Gottes durch das Evangelium, und so wie sie im Evangelium geoffenbart ist, geschmeckt haben, noch weiter nach dieser vernünftigen lautern Milch begierig. Das Evangelium wird eine Milch genannt, weil es lieblich, stärkend, und auch Kindern in Christo faßlich ist, eine lautere Milch, weil es mit keinem Irrthum vermengt ist, und eine vernünftige Milch, weil es von dem göttlichen Sinn oder Verstand ausgeflossen ist, und mit dem Verstand des Menschen gefaßt werden muß. Nach dieser vernünftigen lautern Milch sollen denn die jetzt gebornen Kindlein in Christo begierig sein, damit sie durch dieselbe zunehmen. Was also zur Erweckung des Glaubens und zur ersten Erquickung der Seele dienlich ist, ist auch zum geistlichen Wachsthum dienlich, und es ist begnadigten Seelen sehr schädlich, wenn sie nach ihrer Begnadigung die lautere Milch des Evangeliums als etwas, das nur für Anfänger gehöre, verlassen, nach seltsamen Meinungen lüstern werden, und sich hernach von mancherlei und fremden Lehren umtreiben lassen. Wer aber in seinem Christenthum recht zunehmen will, glaubt im Fortgang eben dasjenige Evangelium völliger, welches er zuerst schwächlich geglaubt hatte, und erkennet Christum, welcher ihm durch dasselbe im Anfang vor die Augen gemalt worden ist, im Fortgang besser und mit einer gewissern Zuversicht. Es gibt kein anderes Evangelium, als das einzige, Gal. 1,7. Wenn man’s aber glaubt, und als eine Milch gleichsam trinkt, so kann man durch dasselbe von Zeit zu Zeit wieder schmecken, daß der HErr freundlich sei; ja dieses Schmecken nimmt selber zu, weil der neue Mensch mit seinen geistlichen Sinnen immer stärker wird. Fürwahr, wer die Freundlichkeit Gottes und die Kräfte der zukünftigen Welt schmeckt, genießt etwas, womit die Freuden der Welt bei Weitem nicht zu vergleichen sind. HErr Jesu, Du bist nicht nur gut und voll Liebe in Dir selbst, sondern auch freundlich, und gibst Dich zu empfinden und zu genießen. Wer hätte eine gute Stunde ohne Doch? Gib Dich mir, und nimmt mich hin.

Mel.: Ruhet wohl, ihr Todtenbeine.

1.
Jesus, an dem Kreuz geschlachtet,
Jesus in der Herrlichkeit,
Der ist’s, den die Welt nicht achtet,
Aber der das Herz erfreut;
Was ich habe, was ich rühme,
Was ich hoffe, ist in Ihme.

2.
Wohl dem, welcher einmal schmecket,
Wie der HErr so gütig sei;
Das Verlangen wird erwecket,
Und der Hunger immer neu.
Es verschmachtet eine Seele
Im Gefühl, daß Jesus fehle.

3.
Könnt‘ ich nicht auf Jesum sterben,
O wo fänd‘ ich dann ein Heil?
Dürft‘ ich nicht mit Christo erben,
O wo bliebe dann mein Theil?
HErr! wie gütig bist Du denen,
Die nach Dir sich herzlich sehnen.

4.
Wie nach mütterlichen Brüsten
Neugeborne Kindlein schrei’n,
Also laß auch mein Gelüsten,
HErr! nach Deiner Güte sein;
Nichts mag mein Verlangen stillen,
Du kannst’s ewiglich erfüllen.

5.
Jesus an dem Kreuz geschlachtet,
Jesus in der Herrlichkeit,
Der sei, wenn mein Herz einst schmachtet,
Mir noch zur Zufriedenheit. –
Schmeckt die Güte hier so süße,
Was wird’s sein im Paradiese!

14. November. Morgen-Andacht.

Freuen und fröhlich müssen sein an Dir, die nach Dir fragen, und die Dein Heil lieben, immer sagen: hochgelobet sei Gott. Ps. 70,5.

Nicht nur eine Errettung und daraus entstehende Zufriedenheit, sondern Freude und Frohlocken ist den Gerechten bereitet. Sie müssen und werden in Gott sich freuen und frohlocken, denn es ist den Rechten Seines Reichs gemäß, und Er hat’s ihnen verheißen. Was davon nicht in dieser Welt vorkommt, wird in der zukünftigen nach einem vollen und überfließenden Maß vorhanden sein. Welches sind aber die Leute, die sich unfehlbar noch in dem HErrn freuen, und Seinetwegen frohlocken müssen? Es sind solche, die vielleicht heute, wie David V. 6., bekennen und beten müssen: ich bin elend und arm; Gott eile zu mir; denn Du bist mein Helfer und Erretter; mein Gott verzeuch nicht. Indem sie so klagen und beten, frohlocken sie noch nicht; doch fragen sie nach dem HErrn, suchen Sein Antlitz, wenden sich bei ihrer geistlichen Armuth zu Ihm, und lieben sein Heil. Das ist ihnen nämlich lieb, daß sie einen Gott haben, der da hilft, und daß Er Jesum als einen Held erweckt hat, der allen Elenden helfen soll, Ps. 89,20. Sie bitten also Ihn um das Heil, das Er zu erweisen pflegt, und um die Hülfe, die Er den Elenden erzeigt, und wenn diese Hülfe verzeucht, so sprechen sie ihren Seelen so zu, wie David that, da er Ps. 42,12. sagte: was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir? Harre auf Gott, denn ich werde Ihm noch danken, daß Er meines Angesichts Hülfe und mein Gott ist. Sie lieben dieses Heil und diese Hülfe Gottes, weil sie dieselbe schon vorher erfahren haben, und weil sie sowohl aus dem Wort Gottes als auch aus der Erfahrung wissen, daß Gott den Elenden herrlich helfe, daß Er zur rechten Zeit helfe, und daß Er Sein Heil und Seine Hülfe so erzeige, daß es eine gute folge auf die Ewigkeit hinein hat, weil die durch’s Elend geläuterte Seele zugleich erleuchtet, gestärkt und zur Empfahung des himmlischen Erbes zubereitet wird. Die unglaubige Welt betet nicht, und liebt das Heil Gottes nicht. Sie will nicht, daß Er ihr helfe, weil Er zu spät und nicht nach dem Willen des Fleisches und der Vernunft zu helfen scheint, ja sie traut es Ihm bei ihrem Unglauben gar nicht zu, daß Er helfen werde. Sie sucht sich also selber zu helfen, wie Israel, da es einen König begehrte, 1 Sam. 8., und Ahas, da er einen Bund mit den Assyrern machte, Jes. 7., Kön. 16., und die Hülfe, die ihm Gott durch den Propheten Jesajas anbieten ließ, verachtete. Wer so gesinnt ist, fürchte den Fluch und bedenke den Segen, der Jer. 17,5.6.7.8. von dem HErrn selbst ausgesprochen ist. Diejenigen, die nach dem HErrn fragen und Sein Heil lieben, müssen sich zuletzt in Ihm freuen, und frohlockend immer sagen: hochgelobet sei Gott; denn es muß erfüllt werden, was Sprüchw. 10,28 steht: das Warten der Gerechten wird Freude werden, aber der Gottlosen Hoffnung wird verloren sein. Was hievon in der Zeit der Pilgrimschaft zurückbleibt, wird in dem himmlischen Vaterland nachgeholt werden. HErr, mein Herz hält Dir vor Dein Wort: du sollst Mein Antlitz suchen; darum suche ich auch, HErr, Dein Antlitz. Verbirg Dein Antlitz nicht von mir, und lasse auch mein Warten zur Freude werden, und wische wenigstens in jener Welt alle Thränen von meinen Augen ab.

Mel.: Allein Gott in der Höh‘ etc.

1.
Ein Gott, der hilft, ist unser Gott,
Er hilft den Heilsverwandten.
Zu Schanden wird der Feinde Rott‘,
Wir werden nicht zu Schanden.
Mit List, Gewalt und Spötterei
Fragt oft der Feind uns, wo Er sei.
Nur still! Er ist vorhanden.

2.
Das macht die Glaubigen getrost
Auch gegen Thier und Drachen;
Ihr Grimm ist groß, ihr Sinn erbost,
Doch Gott kann ihrer lachen.
Die Kirche bleibt, es lebt ihr Haupt.
HErr, schütze ferner, was noch glaubt;
Sei mächtig in den Schwachen!

3.
Es müssen fröhlich sein an Dir,
Die nach Dir, HErr, noch fragen;
Die Dein Heil lieben, müssen hier
Und dort einst immer sagen:
Gott, unser Gott, sei hoch gelobt,
Die Feinde haben ausgetobt,
Sein Wort hat sie geschlagen!

14. November. Abend-Andacht.

Kindlein, ihr seid von Gott, und habt Jene überwunden; denn der in euch ist, der ist größer, denn der in der Welt ist. 1 Joh. 4,4.

Johannes hatte vor diesen Worten von falschen Propheten geredet, welche in die Welt ausgegangen seien, und deren Hauptirrthum darin bestand, daß sie nicht glaubten, folglich auch nicht bekannten, daß Jesus Christus in dem Fleisch gekommen sei. Sie leugneten also, daß Jesus Christus ein Fleisch oder einen Leib gehabt habe. An diesem Irrthum hingen viele andere Irrthümer; diese Irrlehrer aber und ihre Lehren waren so beschaffen, daß Johannes V. 5. sagen konnte: sie sind von der Welt, folglich nicht aus Gott geboren; darum reden sie von der Welt, oder aus einem ungeänderten Weltsinn, und die Welt höret sie, und gibt ihnen Beifall. Hingegen gab er den Rechtglaubigen, an die er schrieb, dieses Zeugniß: Kindlein, ihr seid von Gott und durch die Wiedergeburt Kinder Gottes worden, und habt Jene überwunden. Wie mag aber dieses zugegangen sein? Haben sie etwa jene Irrgeister von der Wahrheit überzeugt und bekehrt? Dieses war nicht geschehen; denn Johannes gibt V. 5. zu verstehen, daß sie damals, da er dieses schrieb, ihre Irrthümer noch ausgebreitet haben. Oder haben die Rechtglaubigen alle spitzfindigen Scheingründe der Irrgeister beantwortet, und ihnen durch Beweise der Wahrheit wenigstens den Mund gestopft? Johannes scheint auch auf diesen Sieg nicht zu deuten, wie es denn den wenigsten Christen gegeben ist, sich mit Irrlehrern in eine Disputation einzulassen, und sie darin mit Worten zu überwinden. Johannes leitet den Sieg der Glaubigen daraus her, daß er in ihnen ist, größer sei, denn der in der Welt ist. In ihnen ist der ewige und allmächtige Geist Gottes, der Geist der Wahrheit, wie auch der ewige Vater, der größer als Alles ist, und der Sohn Gottes, welcher das Licht der Welt, und der Amen und treue Zeuge heißt. In der Welt aber ist und herrscht der Teufel, der Lügner und Mörder, und der Feind aller Wahrheit und Gerechtigkeit. Wenn nun böse Menschen von dem Teufel unterwiesen werden, kräftige Irrthümer auszubreiten, welche andern bösen Menschen angenehm sind, und deßwegen von diesen ohne einen scheinbaren Beweis gern angenommen werden, so hält der große Gott die Seinigen in Seiner Hand, zeigt ihnen die Wahrheit deutlich, läßt sie die Kraft derselben empfinden, läßt sie einsehen, wie jene Irrthümer kraftlos, schädlich, und dem Weltsinn gemäß seien, macht ihre Herzen in der Erkenntniß der Wahrheit fest: und so überwinden sie alle Irrlehrer. Die Salbung, welche sie von Gott empfangen haben, lehret sie vielleicht nicht disputiren, hingegen lehret dieselbe sie Alles klar und mit fester Ueberzeugung erkennen, was zur Seligkeit nöthig ist; da sie dann das Gegentheil leicht als etwas Fremdes verwerfen können, weil keine Lüge aus der Wahrheit kommt,1 Joh. 2,20.21.7. Ein solcher sieg über Verführer ist edel, und auch zu unserer Zeit sehr nöthig. Der Geist des Widerchrists regt sich sehr. Viele Leute gegen der Wahrheit mit dem Munde noch Beifall, weil sie noch keine starke Versuchung zum Abfall bekommen haben, und bei der wahren Lehre ihr zeitliches Glück finden; wenn aber scharfe Versuchungen kommen, so wird offenbar, daß Niemand überwinden könne, als derjenige, der von Gott und in dem Gott ist.

Mel.: O Haupt voll Blut und Wunden.

1.
Der große Grimm des Drachen
In seiner kurzen Zeit
Soll uns nicht zaghaft machen,
Denn Jesus führt den Streit;
Er ist und bleibt Erlöser,
Der Sieg ist Seines Thuns;
Der in uns ist, ist größer,
Als der, der außer uns.

2.
Der Drach‘ führt große Lügen.
Ihr Kindlein, wanket nicht:
die Wahrheit wird doch siegen,
Die unser Tröster spricht.
Der Drach‘ zückt zwar zum Hiebe
Das Beil, sein Haß ist groß;
Doch größer ist die Liebe,
Daß Jesus Blut vergoß.

3.
Der Drach‘ hat große Stärke;
Doch Christus hat viel mehr,
Und zeigt es in dem Werke:
Den Drachen stürzet Er.
Man werde ja nicht scheue
Vor Satans großer List;
Wir wissen, daß die Treue
Des Heilands größer ist.

4.
So bleibe in den Deinen,
HErr Jesu, Gottes Sohn;
Laß uns Dein Heil erscheinen,
Und stürz‘ des Drachen Thron!
Er darf’s nicht lange treiben;
Dein Volk vertrauet Dir.
Wir wollen Kindlein bleiben,
So überwinden wir!

15. November. Morgen-Andacht.

Mitten unter dem unschlachtigen und verkehrten Geschlecht scheinet ihr Gottes Kinder als Lichter in der Welt, damit, daß ihr haltet ob dem Wort des Lebens. Phil. 2,15.16.

Paulus theilet hier das menschliche Geschlecht in zwei Haufen, und nennt den einen Kinder Gottes, den andern aber ein unschlachtiges und verkehrtes Geschlecht. Diejenigen, die zu diesem Geschlecht gehören, wollen zwar die Namen unschlachtig oder störrig und verkehrt von sich ablehnen, werden aber doch, wenn sie ihren Sinn nicht ändern, als solche am Tage Jesu Christi offenbar und zu Schanden werden. Gottes Kinder müssen unter dem unschlachtigen und verkehrten Geschlecht wohnen, denn Gott hat ihnen bisher kein eigenes Land gegeben. Der Waizen muß auf dem Acker Gottes das Unkraut neben sich dulden, weil ihm Gott bisher keinen abgesonderten Theil dieses Ackers eingeräumt, und durch Seine Engel noch keine äußerliche Scheidung zwischen beiden gemacht hat. Bei dieser Verfassung aber liegt den Kindern Gottes ob, ihrer selbst wohl wahrzunehmen, daß sie von dem Sinn des ungeschlachten und verkehrten Geschlechts nicht angesteckt werden, an ihrem eiteln Wandel und bösen Werken keinen Antheil nehmen, und aus der Festung ihres Gnadenstandes nie entfallen. Ihren Theil von Leiden, die ihnen dieses Geschlecht verursacht, sollen sie gern übernehmen, übrigens aber als Lichter in der finstern Welt scheinen, weil doch ein jedes Kind Gottes durch die Wiedergeburt ein Licht von dem HErrn empfangen hat, ja ein Licht in Ihm worden ist. Diesen Lichtstand nun soll man bewahren, und ob dem Wort des Lebens halten. Gleichwie nämlich der Tod herrscht, wo die Finsterniß herrscht, also ist da ein geistliches Leben, wo ein geistliches Licht ist. Gott erleuchtet durch Sein Wort; dieses Wort ist aber auch ein Wort des Lebens, weil es ein geistliches Leben, das ewig ist, gibt und verspricht. Die Welt achtet es für nichts, sondern behilft sich mit dem Schimmer ihrer durch Lüste verkehrten und ohnehin nicht weit reichenden Vernunft, und wandelt hin im Licht ihres Feuers, und in Flammen, die sie angezündet hat, Jes. 50,11., ist aber dabei in Ansehung der geistlichen Dinge, die das Reich Gottes in sich faßt, für todt zu achten; aber Kinder Gottes, die ein Licht in dem HErrn sind, halten ob dem Wort des Lebens. Sie glauben es, und richten sich in ihrem Thun und ganzen Wandel darnach. Das Wort des Lebens ist ihr Rathgeber und ihre Richtschnur, aber auch ihr Trost und ihre Erquickung, und verschafft ihnen die geistliche Stärke, welche sie zur Erduldung der Leiden und zur Ausrichtung des Willens Gottes nöthig haben. So lange der Baum, den David Ps. 1. beschreibt, an diesem Wasserbach stehen bleibt, wird er fruchtbar bleiben, und seine Blätter werden nicht verwelken. Wir haben uns zu prüfen, ob wir durch die Wiedergeburt Kinder Gottes und Lichter in der Welt worden, und ob wir solche geblieben seien. Ach daß wir durch nichts verdunkelt werden, sondern immer brennende und hell scheinende Lichter bleiben! Ach daß das lange Wohnen unter Mesech und in den Hütten Kedars, das ist das lange Wohnen und Wandeln unter dem unschlachtigen und verkehrten Geschlecht, uns nicht gegen ihre Weise gleichgiltig und demselben ähnlich mache! Ach daß das Wort des Lebens uns immer leite und zum Sieg über die Welt stärke!

Mel.: Wo ist mein Schäflein, das ich liebe.

1.
HErr, Dein Wort ist ein Wort des Lebens,
Wen dieß nicht rührt, der bleibt im Tod;
Dem Glauben ist’s ein Himmelsbrod,
Dem Weltwitz eckelt’s als vergebens.
Gott, der das Leben in Sich hat,
Hat’s uns durch Seinen Geist gegeben,
Es zeigt uns in dem Sohn das Leben,
Und auch den Riß von jener Stadt.

2.
HErr, laß uns an dem Worte halten,
Dabei man an dem Leben hält.
Verwelken muß das Bild der Welt,
die Himmel wie ein Kleid veralten,
Nur dieß Wort bleibet ewiglich.
Was will ich halten in dem Sterben?
Was kann mich halten im Verderben?
Halt‘ ich dieß Wort, so hält es mich.

3.
Lebendiger, Dir soll man danken,
Dein Wort ist, wie Du selber bist,
Und wie Dein Sohn, der ewig ist.
Wenn diese fallen, jene wanken,
So glauben wir und danken fort
Und singen einst in Salems Thoren,
Vom Wort des Lebens neu geboren:
Gott ist wahrhaftig und Sein Wort!

15. November. Abend-Andacht.

Der HErr Jesus Christus ist unsere Hoffnung. 1 Tim. 1,1.

Wenn wir eine gegründete Hoffnung haben wollen, in allen Nöthen und Gefahren erhalten, gegen den Geist der Welt geschützt, aus allem Uebel erlöset, und in das himmlische Reich Gottes nach diesem Leben aufgenommen zu werden: so müssen wir uns an den HErrn Jesum Christum halten; denn dieser allein ist unsere Hoffnung. Nur die Reben an Christo dem Weinstock, nur die Glieder Seines Leibes, nur die Schafe, die Ihm als Hirten angehören, nur diejenigen, die durch den Glauben in Ihm erfunden werden, sind diejenigen, denen Gott hilft, die Gott segnet und schützt, und denen Er zuletzt Sein Reich als ein Erbe schenkt. Die Hoffnung des Heuchlers, der außer Christo sich selber in seinem Thun gefällt, die Hoffnung des Gottlosen, welcher frech sagt: wer ist der HErr Jesus Christus, dessen Stimme ich hören sollte? wird verloren sein. Wer aber dem HErrn Jesu Christo angehört und anhangt, genießt in Ihm viel Gutes, und hofft noch viel mehr Gutes, und diese seine Hoffnung läßt ihn nicht zu Schanden werden. Als HErr hat Er Alles in Seiner Hand, und es ist ihm ein Leichtes, die Welt so zu regieren, daß Seine Kinder Raum bekommen, darin unanstößig zu wandeln, und Seinen Willen auszurichten. Auch hat Er die Macht, sie in den Himmel aufzunehmen, weil Er selbst den Himmel als der HErr desselben eingenommen hat, Ap. Gesch. 3,21. Als Jeus ist Er ihr Erlöser, und will diesen Namen an ihnen wahr und sie selig machen von ihren Sünden. Als Christus ist Er der Gesalbte, und will das Freudenöl, womit Er ohne Maßen gesalbt worden ist, auch auf sie fließen lassen, und sie dadurch Seiner Freude theilhaftig machen. In dem menschlichen Leben kommen viele Fälle vor, bei welchen die Hoffnung den Menschen stärken und aufheitern muß, niemals aber trägt die Hoffnung mehr aus, als wenn man dem Tod nahe ist. Nun soll der Mensch aus der sichtbaren Welt gehen, deren er gewohnt war, und in eine andere übergehen, die er noch nie gesehen hat. Nun soll er sehen, was er noch nie gesehen hat, hören, was er noch nie gehört hat, fühlen, was er nie gefühlt hat; nun soll sein ewiges Schicksal einen großen Ausschlag bekommen. Soll er nun als ein Gerechter auch im Tode getrost sein, so muß er Hoffnung haben; diese Hoffnung aber muß ihm sein HErr Jesus Christus sein. In der Einfältigkeit auf Ihn müssen seine Seelenkräfte zusammen gefaßt sein. Er muß sich bewußt sein, daß er an Ihn glaube, Ihm anhange und angehöre, und von Seinem Namen, oder von Allem, was er von Ihm hört, eine Kraft empfinden. Bei wem es so steht, an dem wird das Wort Salomo’s Spr. 10,28. erfüllt werden: das Warten der Gerechten wird Freude werden; an den Unglaubigen und Gottlosen aber der Ausspruch, der dabei steht: der Gottlosen Hoffnung wird verloren sein. Niemand lasse es aber darauf ankommen, daß er erst auf seinem Todtenbett sich zu dem HErrn Jesu Christo wenden, und Ihn da in der Schnelle gleichsam erhaschen wolle. Der Glaube ist alsdann nicht Jedermanns Ding; darum sollen wir in gesunden Tagen, alldieweil wir das Evangelium hören, dieses unser Bestreben sein lassen, daß wir Christum gewinnen, und in Ihm erfunden werden.

Mel.: Allein Gott in der Höh’ sei Ehr‘.

1.
Herz! prüfe deiner Hoffnung Grund;
Ist’s Hoffnung jenes Lebens?
Der Unglaub‘ hoffet mit dem Mund,
Hofft aber ganz vergebens;
Wie Einer, dem vom Essen träumt,
Und wenn er wacht, ist’s weggeräumt,
Da fühlt er erst den Hunger.

2.
Wer Hoffnung außer Christo hat,
Deß Hoffnung ist verloren;
Das Herz bleibt leer und wird nicht satt,
Und redet wie die Thoren.
Nur Jesus Christus muß allein
Im Glauben uns’re Hoffnung sein,
So wird man nicht zu Schanden.

3.
Das, was der Vater uns verheißt,
Will uns der Sohn erfüllen,
Und dieß versiegelt dann Sein Geist;
Man hofft nach Gottes Willen;
Man hofft, wo nichts zu hoffen scheint,
Und doch wird, eh‘ die Welt es meint,
Die Hoffnung noch zur Freude.

4.
Mach‘, Jesu, meine Hoffnung fest,
So hoff‘ ich nie vergebens;
Denn wenn Du mich auch sterben läßst,
Sterb‘ ich als Erb‘ des Lebens.
Da wird das Herz auf ewig satt,
Es hat, was es gehoffet hat,
Und wacht nach Deinem Bilde!

16. November. Morgen-Andacht.

Ihr seid der Leib Christi, und Glieder, ein Jeglicher nach seinem Theil. 1 Kor. 12,27.

Die Apostel waren gewohnt, einzelnen christlichen Gemeinden solche Namen beizulegen, welche sonst der allgemeinen christlichen Kirche gebühren. Auf diese Weise nennt Paulus die Korinther eine reine Jungfrau, die er Christo als eine Braut zuzuführen wünsche, 2 Kor. 11,2., ingleichen den Tempel des lebendigen Gottes, Kor. 6,16., und 1 Kor. 12,27. den Leib Christi, da sie doch nur ein Theil dieser Braut, dieses Tempels und dieses Leibes waren. Petrus nennt die auserwählten Fremdlinge, an die er schrieb, da heilige Volk und das Volk des Eigenthums, 1 Petr. 2,9., da sie doch nur ein Theil dieses Volkes waren. Der Grund dieser Weise zu reden ist dieser, daß sich Gott gegen die Theile Seiner Kirche erzeiget, wie Er Sich gegen die ganze Kirche erzeiget, weßwegen auch die Namen der ganzen Kirche, welche große Vorrechte anzeigen, den Theilen derselben beigelegt werden. Der Leib Christi hangt an Christo als dem Haupt, ist also mit demselben inniglich verbunden, genießt aus Ihm den Einfluß des Heiligen Geistes, und wird von Ihm durch diesen Geist regiert. Einzelne Christen sind Glieder an diesem Leib, und zwar ein Jeglicher nach seinem Theil, so nämlich, daß ein jedes Glied seine eigene Fähigkeit und Bestimmung hat. Unter diesen Gliedern soll keine Spaltung sein, sondern die Glieder sollen für einander gleich sorgen, 1 Kor. 12,25. Ein Glied soll an dem andern hangen, und eines dem andern Handreichung thun nach dem Werke eines Jeglichen in seinem Maße, und machen, daß der Leib wachse zu seiner selbst Besserung, und das alles in der Liebe, Eph. 4,16. Zu diesem Ende hat Gott verschiedene Aemter in der Kirche geordnet, und gibt zur Verwaltung derselben die dazu nöthigen Gaben; diejenigen aber, die keine Aemter bekleiden, sollen wenigstens geistliche Gaben und Kräfte empfangen haben, Alle aber mit der Liebe, als der besten und allgemeinen Gabe, erfüllt sein, 1 Kor. 12,28-31. Eph. 4,4-11.

Dieses ist nun die wahre Gestalt einer christlichen Gemeinde, welche, wie die korinthische, aus Geheiligten in Christo Jesu, aus berufenen Heiligen, und aus Leuten, die keinen Mangel an irgend einer Gabe haben, besteht, 1 Kor. 1,2.7. Wo sind aber nun solche Gemeinden? Heut zu Tage besteht die heilige christliche Kirche, die den ganzen Leib Christi auf Erden ausmacht, aus zerstreuten Kindern Gottes, unter denen die Einigkeit meistens unsichtbar, und die geistliche Handreichung durch viele Hindernisse erschwert ist. Es ist ein falscher Ruhm, wenn das neue Babylon sagt: ich sitze und bin eine Königin, und werde keine Wittwe sein, und Leid werde ich nicht sehen, Offenb. 18,7.; denn diese Königin ist eine große Hure, und nicht die Braut des Lammes, und das Leid, daß sie zu sehen nicht fürchtet, wird gewißlich über sie kommen. Ein Christ muß sich meistens damit begnügen lassen, daß er sich zu einer Gemeinde halten kann, bei welcher das Wort Gottes und die heiligen Sakramente als die ächten und allzeit kräftigen Gnadenmittel zu finden sind, und sich’s nicht irren lassen, wenn es in selbiger Gemeinde Leute gibt, welche am jüngsten Tage vergeblich sagen werden: HErr, HErr, thue uns auf; wir haben vor Dir gegessen und getrunken, und auf unsern Gassen (oder in unsern Kirchen) hast Du uns gelehret, Luk. 13,25.26. Niemand rühme sich eines Menschen oder einer Kirche, zu der er äußerlich gehöret, wer sich aber rühmen will, der rühme sich des HErrn, und bestrebe sich, immer ein lebendiges und wohlanständiges Glied an Seinem Leibe zu sein.

Mel.: Nun ruhen alle Wälder.

1.
Der Neid und Ehrgeiz quälen
Die weltgesinnten Seelen
Bei ihres Mitglieds Gut.
Nur Gottes guter Wille
Und Demuth macht sein stille;
Denn weis‘ und recht ist, was Gott thut.

2.
Hab‘ ich die kleinsten Gaben;
Der sie gab, wollt‘ es haben,
So bleib‘ ich, was ich bin.
Denn daß kein Ohr zum Auge,
Ein Fuß zur Hand nicht tauge,
Das wußt‘ der weise Gott vorhin.

3.
Wer hadert mit dem Schöpfer;
Spricht auch der Thon zum Töpfer:
Was machest du mich so?
Wenn ich ein Glied am Leibe,
Auch das geringste, bleibe,
So preis‘ ich Gott und bin noch froh.

4.
Ich lobe, HErr, Dein Fügen
Und danke mit Vergnügen;
Die Gaben sind ja Dein.
Laß mich, wie ich begehre,
Nur ein Gefäß zur Ehre,
Ein Werkzeug Deiner Gnade sein!

16. November. Abend-Andacht.

Die Berufenen sollen fliehen die vergängliche Lust der Welt. 2 Petr. 1,4.

Ein gewaltiger, lauterer und tiefer Strom der Wahrheit floß aus dem Herzen Petri aus, da er 2 Petr. 1,3 u.ff. schrieb: indem die göttliche Kraft unsers HErrn uns Alles, was zum Leben und göttlichen Wandel dienet, geschenket hat, durch die Erkenntniß deß, der uns berufen hat mit Seiner Herrlichkeit und Tugend, durch welche Er uns die theuren und allergrößesten Verheißungen geschenkt hat, daß ihr durch diese sollet Genossen der göttlichen Natur werden, nachdem ihr dem Verderben in der Lust, das in der Welt ist, entflohen seid: so leistet eben auch ihr allen Fleiß hiebei, und reichet dar in eurem Glauben die Tugend, in der Tugend aber Bescheidenheit, in der Bescheidenheit aber die Mäßigung, in der Mäßigung aber die Geduld, in der Geduld aber Gottseligkeit, in der Gottseligkeit aber die brüderliche Huld, in der brüderlichen Huld aber die Liebe u.s.w. Wohl dem, der von diesem Strom der Wahrheit hingerissen wird, dem HErrn, von dem Petrus redet, sich ganz zu ergeben. Ein solcher ist dem Verderben in der Lust, das in der Welt ist, entflohen, und soll dasselbe noch weiter mit allem Fleiß fliehen. Bei der Lust ist Verderben. Der alte Mensch verderbet sich durch Lüste in Irrthum. Die fleischlichen Lüste streiten wider die Seele und zerrütten sie immer mehr. Je mehr ein Mensch seiner Lust nachhängt, je begieriger er sie ausübt, desto mehr wird er befleckt und von der Lust selber als von einem Tyrannen gefesselt. Er konnte anfangen seine Lust zu büßen, aber aufhören kann er nimmer, wenn ihm der HErr nicht etwas Neues, das zum Leben und göttlichen Wandel dient, schenkt, welches er aber ohne tiefe Scham und Reue, Seufzen und Flehen nicht empfangen kann. Ehe aber dieses geschieht, sammelt er sich einen Schatz des göttlichen Zornes, und vermehrt die Unruhe seines Herzens; ja er wird zu seinem Schaden inne, daß wahr sei, was Salomo Sprüchw. 1,32 sagt: das die Albernen gelüstet, tödtet sie, und der Ruchlosen Glück bringet sie um. Wie nöthig ist also die Enthaltung, die Petrus unter andern Tugenden anpreiset. Die verderbliche und zugleich vergängliche Lust preiset sich oft als eine erlaubte Sache an, und der arge Mensch beuget und drehet oft die Gebote Gottes so lange, bis es ihn deucht, er habe ein Recht, jene Lust auszuüben, gefunden, dann diese verkehrte Lehre von der Freiheit sein ganzes Evangelium ist, das er in seinem Sinn und Mund hat. Allein wen der Sohn Gottes von der Herrschaft der bösen Lust frei macht, der ist recht frei. Fliehen muß man diese verderbliche Lust, wenn man frei bleiben will. Gleichwie ein Wandersmann, der einen gebahnten Weg und zuverlässige Fußstapfen vor sich sieht, nicht am äußersten Rand desselben wandeln soll, wo er leichtlich in den Graben fallen kann, also soll ein Christ seine Freiheit nicht so weit treiben, als es ihm dünkt möglich zu sein, weil der Mißbrauch derselben und der Seelenschaden alsdann nahe ist. Ein Christ ist berufen – zu was? Zum Reich Gottes, zu Seiner Gemeinschaft, zur Herrlichkeit. Derjenige, der ihn berufen hat, hat ihm theure und sehr große Verheißungen geschenkt, durch welche er ein Genosse göttlicher Natur werden soll, weil nämlich der Dreieinige Gott nach seinem Wesen in ihm wohnen, und er dem HErrn anhangen und Ein Geist mit Ihm sein soll. Es soll ihm der Eingang in das ewige Reich Jesu Christi reichlich dargereicht werden. Wer diese wichtigen Worte zu Herzen nimmt, wird der verderblichen Lust leichtlich entgehen.

Mel.: Wer nur den lieben Gott etc.

1.
Zur Ewigkeit sind wir gebildet,
Die Seele fühlt den Zug dahin;
Nun aber ist das Herz verwildet,
Und folget dem verkehrten Sinn,
Daß man die Ewigkeit vergißt,
Und lieb und sucht, was irdisch ist.

2.
Ach mein Gott! ziehe mir die Seele
Durch Deinen Geist, der Weisheit lehrt,
Daß ich nicht meines Ziels verfehle,
Das selig ist und ewig währt;
Sonst führet mich mein Fleisch dahin,
Wo ich auf ewig elend bin.

3.
Ich war ja schon einmal verloren,
Gib, daß ich es nicht zweimal sei;
Du hast mich wieder neugeboren,
Ach so erhalte mich dabei;
Ich bin zur Ewigkeit getauft,
Ich bin zum Seligsein erkauft!

4.
Wem fällt der Mensch hin in dem Sterben?
Der Gnade oder dem Gericht!
HErr, rette mich von dem Verderben,
Du mußt es thun, ich kann es nicht;
Du wirst es thun, ich glaube Dir,
Denn Dein Wort ist mir gut dafür!

5.
Ich halte mich an den Erlöser,
Er soll mein Weg zum Himmel sein;
Was Er verheißt, wird immer größer
Bis in die Ewigkeit hinein;
Da wird man sehen, wo Du bist,
Was selig heißt, was ewig ist!

17. November. Morgen-Andacht.

Wisset ihr nicht, daß euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch ist, welchen ihr habt von Gott, und seid nicht euer selbst; denn ihr seid theuer erkauft. 1 Kor. 6,19.20.

Paulus schließt so: ihr seid durch das Blut Christi theuer erkauft, euer Leib und euer Geist sind also Gottes. Gott hat auch von euch schon Besitz genommen. Ihr seid Gottes Tempel, V. 19. Und wenn ihr euren Leib ausnehmen wolltet, so wisset, daß auch derselbe ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch ist, und welchen ihr von Gott habet. Darum steht es euch nicht zu, euren Leib zu brauchen wie ihr wollt, und wohl gar zur Hurerei zu mißbrauchen. Preiset vielmehr Gott an eurem Leib und an eurem Geist, welche Gottes sind.

Wohl dem, der von Herzen erkennt, daß er mit seinem Geist und Leib Gottes, folglich nicht mehr sein eigen sei, weil er Gott durch’s Blut Christi erkauft worden ist. Bei dem unbegränzten und hohen Recht, das Gott über uns hat, verschwindet also alles Recht, das der Mensch über sich selbst zu haben meint. Aller unbotmäßigen Eigenwille soll zernichtet, und alle Lust, welche dem Willen Gottes widerstrebet, getödtet werden. Wir sind ganz Gottes, und sollen Gott in Christo Jesu leben. Niemand denke, daß dieser Zustand ein beschwerlicher Sklavenstand sei, denn er wird daraus hergeleitet, daß uns Christus durch Sein Blut erkauft hat. Nun wissen wir aber, daß das Blut Christi zu unserem Heil vergossen worden: folglich ist der Stand, worin man nach dem Erlösungsrecht Gottes ist und Gott lebt, ein seliger Stand. Im Himmel wird er vollkommen sein.

Wie eignet sich aber Gott Sein erkauftes Eigenthum zu? So daß er durch Seinen Heiligen Geist den Leib und die Seele eines Christen in Besitz nimmt, und in ihm, insonderheit auch in dem Leib desselben, als in Seinem Tempel wohnt. Als der große Gott den Tempel, den Salomo gebaut hatte, in Besitz nahm, ließ Er auf den Brandopferaltar Feuer vom Himmel fallen, welches das Opferfleisch verzehrte, und Seine Herrlichkeit erfüllte durch eine Wolke den ganzen innern Tempel, daß die Priester nicht da hinein gehen konnten, 2 Chron. 7. Ezechiel sah einen andern Tempel im Gesicht: und siehe, schreibt er K. 43,2.4., die Herrlichkeit des HErrn kam vom Morgen, und brausete, wie ein groß Wasser brauset, und es ward sehr licht auf der Erde von Seiner Herrlichkeit, und die Herrlichkeit des HErrn kam hinein zum Thor gegen Morgen, und erfüllte das Haus. So prächtig nun dieses Alles ist, so ist es doch noch etwas Wichtigeres und Größeres, wenn Gott einen Menschen, der edler als ein steinerner Tempel ist, in Besitz nimmt, und dieses geschieht alsdann, wenn das Wort Christi erfüllt wird: wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm machen, oder wenn die Liebe Gottes in dem Herzen eines Menschen durch den Heiligen Geist ausgegossen, und dieser ihm zugleich gegeben wird. Es geschieht dieses freilich nicht mit äußerlichen Zeichen, doch aber ist die Dunkelheit und Licht und Feuer dabei, der Mensch opfert sich dem HErrn ganz auf, und der HErr nimmt dieses Opfer gnädig an. Von da an spürt der Mensch, daß nicht mehr sein eigener Wille, sondern der HErr in ihm herrsche, und er seinen Leib und seine Seelenkräfte nur nach dessen Antrieb und Willen und unter Seiner Zucht brauchen dürfe. Wehe dem Menschen, der eine Zeit lang ein Tempel Gottes war, von dem aber Gott wieder weicht, wie Er nach dem Gesicht, das Ezechiel K. 10.11. sah, vom Tempel Salomo’s vor seiner Zerstörung gewichen ist.

Mel.:O Jerusalem, du schöne.

1.
Gott, was ist der Leib von Erden,
Wo die Sünde sonst gewohnt,
Daß er darf zum Tempel werden,
Da der Geist im Dunkeln thront,
Weil ihn Jesus hochgeacht’t,
Und mit Blut an Gott gebracht.

2.
HErr, ich danke Dir die Ehre;
So machst Du zu Gottes Haus,
Was ein Hain der Götzen wäre,
Da schaffst Du die Gräu’l hinaus,
Und das Oel des Geistes weiht
Ihn Sich selbst zur Herrlichkeit.

3.
In der Taufe war die Weihe.
Bricht der Tod die Hütte ein,
So baut Salomo ganz neue,
Daß sie muß ein Tempel sein;
Gott erweckt den Leib darum,
Weil er war ein Heiligthum.

4.
O daß Gott an meinem Leibe
Hier schon stets gepriesen sei,
Daß ich Gottes Lob stets treibe,
Bis ich gar von Sünde frei
Dort in einem neuen Bau
Gott als Priester rühm‘ und schau‘!

17. November. Abend-Andacht.

Ruth sprach: rede mir nicht drein, daß ich dich verlassen sollte. Dein Gott ist mein Gott. Ruth 1,16.

Ruth ist ein Beispiel einer rechtschaffenen und von Gott gesegneten und begnadigten Proselytin. Sie und eine andere Moabitin Namens Arpa heiratheten in ihrem Vaterland zwei israelitische Männer, welche bald starben, und sie als junge Wittwen hinterließen. Der Schwäher war schon vor den Söhnen gestorben, und nun war nur noch die ehrwürdige Schwieger Naemi übrig. Als diese in’s Land Juda und zwar nach Bethlehem zurückkehrte, wurde sie von den zwei verwittweten Söhnerinnen ein Stück Wegs begleitet. Diese Beiden weinten, als sie unterwegs von ihnen Abschied nehmen wollte, und beide sagten zu ihr: wir wollen mit dir zu deinem Volk gehen. Als ihnen aber Naemi vorstellte, wie sie bei ihr keine Aussicht auf ein zeitliches Glück hätten, ging Arpa zurück, Ruth aber blieb bei ihr. Naemi war so weit entfernt, sie als eine Proselytin anzuwerben, daß sie vielmehr zu ihr sagte: siehe, deine Schwägerin ist umgewandt zu ihrem Volk und zu ihrem Gott, kehre du auch um, deiner Schwägerin nach. Ruth aber antwortete: rede mir nicht drein, daß ich dich verlassen sollte und von dir umkehren. Wo du hingehest, da will ich auch hingehen; wo du bleibst, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott; wo du stirbst, da sterbe ich auch, da will ich auch begraben werden. Der HErr thue mir dieß und das: der Tod muß mich und dich scheiden. Ruth hatte also eine große Liebe zu ihrer Schwieger und zu ihrem Volk, glaubte aber auch schon in ihrem Herzen an den Gott Israels. Ihre Schwägerin war zu ihrem Volk und zu ihrem Abgott Camos umgekehrt, das Herz der Ruth aber hing nicht mehr an diesem Abgott, sondern an dem Jehovah, dem Gott Israels, und sie schwur auch bei Seinem Namen. Ihr Glaube war schon so fest, daß sie um des wahren Gottes willen ihr Volk und Vaterland verlassen konnte. Sie that, was Christus lange hernach Matth. 19,29. befohlen hat. Als sie mit ihrer Schwieger nach Bethlehem ging, führte sie einen guten Wandel in der Furcht Gottes, und las in der Ernte Aehren auf, sah aber zu ihrer leiblichen Versorgung eine Zeit lang keinen offenen Weg vor sich. Zwar waren die liebenden Güter ihres verstorbenen Schwähers, welche nach dessen Tod ihrem Mann und dessen Bruder zugefallen waren, vorhanden: allein nach dem Gesetz Mosis durfte keine Wittwe ein liegendes Gut erben, sondern dies fiel dem Bruder ihres verstorbenen Mannes, oder wenn keiner vorhanden war, dem nächsten Vetter zu, der aber auch verpflichtet war, die Wittwe zu heirathen, und dem Sohn, den er etwa mit ihr zeugte, ihres ersten Mannes Güter zu hinterlassen. Wer sollte aber nun die arme Ruth heirathen, die von den Moabiten herstammte, von denen kein Mannsbild jemals in die Gemeinde Gottes aufgenommen werden durfte? 5 Mos. 23,3-6. Gott lenkte aber dem alten und reichen Boas das Herz dazu. Ruth wurde durch diese Heirath eine reiche Frau, und konnte ihrer rechtschaffenen Schwieger Gutes thun. Die liegenden Güter des Elimelech, welche sie dem Boas zubrachte, fielen nach dessen Tod ihrem Sohn Obed zu, und dieser war ein Großvater des Königs David; folglich ist die Ruth gewürdigt worden, die Urgroßmutter eines Königs zu werden, von welchem der Messias abstammte.

Mel.: Meinen Jesum laß ich nicht.

1.
Rede mir nur Niemand ein,
Daß ich Jesum soll verlassen;
Soll ich ohne Jesum sein?
Soll ich meine Seele hassen?
Jesu! an Dir hang‘ ich fest,
Weil Du mich auch nicht verläßst.

2.
Ist nicht Sein Gott auch mein Gott,
Wo ist einer sonst zu finden?
Werd‘ ich nicht zu Schand‘ und Spott,
Wenn nicht Er mich wascht von Sünden?
Ist nicht Christi Geist in mir,
Welcher Geist treibt mich dafür?

3.
Bleib‘ ich hier von Jesu fern,
Darf ich dort nicht mit Ihm erben;
Sterb‘ ich nicht einst in dem HErrn,
Kann ich ja nicht selig sterben;
Und wo will ich ewig hin,
Wenn ich nicht bei Jesu bin?

4.
Nun so sei es festgesetzt:
Ich will nur bei Jesu bleiben,
So wird mich der Tod zuletzt
Nicht von meinem Heiland treiben;
Ich darf wieder aufersteh’n,
Ich darf ewig Jesum seh’n.

5.
Jesu! halte mich an Dich,
Weil Du mich zu Dir gezogen;
Deine Gnade glaube ich,
Die die Sünde überwogen;
Bring‘ mich dahin, wo Du bist,
Und Dein Gott auch mein Gott ist!

18. November. Morgen-Andacht.

Das Reich Gottes hält sich also, als wenn ein Mensch Samen auf das Land wirft. Mark. 4,26.

Der HErr Christus hat das Reich Gottes, welches Er auch das Himmelreich nannte, weil es auf Erden gepflanzt wird und im Himmels eine Vollkommenheit erreicht, etliche Mal mit dem Ackerbau verglichen, und insonderheit Mark. 4,26. ff. gesagt: das Reich Gottes hält sich also, als wenn ein Mensch Samen auf das Land wirft, und schläft und stehet auf Nacht und Tag; und der Same gehet auf, und wächset, daß er’s nicht weiß (denn die Erde bringt von ihr selbst zuerst das Gras, darnach die Aehren, darnach den vollen Waizen in den Aehren). Wenn sie aber die Frucht gebracht hat, so schickt er bald die Sichel hin, denn die Ernte ist da. Es steht in den Büchern der Evangelisten Vieles, welches verhüten soll, daß man sich nicht an der gering scheinenden Frucht des Lehramts Jesu ärgern soll. Er sollte das Reich Gottes durch Sein Evangelium anrichten: nachdem Er’s aber schon zwei Jahre gepredigt hatte, so fragte man noch: wann kommt das Reich Gottes? Er aber antwortete: es kommt nicht mit äußerlichen Geberden, es ist aber schon mitten unter euch, Luk. 17,20.21. Aber nicht Alle, denen Er predigte, haben an Ihn geglaubt. Sollte denn auch der Sohn Gottes durch Seine Predigt den Glauben nicht in allen Zuhörern gewirkt haben? Die Antwort steht Matth. 13,13.14.15.19.20.21.22. Joh. 12,38.39.40.41., und es wird in dieser Antwort gesagt, daß das menschliche Herz so unachtsam, leichtsinnig, irdisch gesinnt und verstockt sein könne, daß wenn auch der Sohn Gottes selber predige, keine Frucht erfolge. Doch glaubten Einige an Ihn; diese Glaubigen aber waren geringe Leute, und in der Vergleichung mit dem ganzen menschlichen Geschlecht, ja auch mit der Menge der Christen, welche durch den Dienst der Apostel bekehrt wurden, ein sehr kleiner Haufe. Allein das Reich Gottes sollte nach dem weisen Rathschluß Gottes auf Erden so entstehen, wie der Senf gepflanzt wird, dessen Samen sehr klein ist, der aber, wenn man warten kann, im Morgenland die Größe eines Baumes erlangt, auch sollte es so entstehen, wie ein Teig durchsäuert wird, welches nicht plötzlich, sondern nach und nach geschieht. Dem HErrn Jesu, welcher das Senfkorn gesäet und den Sauerteig unter das Semmelmehr gemengt hat, hat man doch das ganze Gewächs und die ganze Ausbreitung des Reichs Gottes bis an’s Ende der Welt zu danken. Aber auch diese Glaubigen behielten bis zur Auferstehung Jesu noch jüdische Vorurtheile, und die Besten unter ihnen, nämlich die Apostel, waren zunächst vor dem Tod Jesu so schwach, daß ihnen ihr HErr solche Wahrheiten noch nicht sagen konnte, welche man jetzt den Kindern sagt; der Heiland sagte aber mit großer Geduld und Sanftmuth, es müsse so gehen, denn das Reich Gottes verhalte sich wie ein Ackerbau. Zuerst werfe man den Samen auf die Erde, hernach bringe die Erde von ihr selbst zuerst das Gras, oder ein Gewächs, das wie Gras aussehe, und von Unverständigen verachtet werden könnte, hervor: aber aus diesem Gras entstehen hernach die Aehren, und zuletzt der volle Waizen in den Aehren. Ein schwacher Anfang des wahren Christenthums ist also schon hoch zu schätzen. Wer den Samen des Evangeliums recht gefaßt hat, und kein felsigtes und dornigtes, sondern ein tief gepflügtes und lauteres Erdreich ist, darf nicht ängstlich für sein geistliches Wachsthum sorgen, denn der Samen treibt sich selber. HErr Jesu, gib Dein Gedeihen zu meinem und anderer schwachen Christen Wachsthum!

Valet will ich dir geben.

1.
Auf Seelen, Gott zu rühmen,
Der alle Dinge schafft.
Die Felder anzublümen,
Gibt Er dem Samen Kraft;
Und in dem Reich der Gnaden
Hat unser Herz Sein Wort,
Da wächst’s von Grad zu Graden
Bis in den Himmel fort.

2.
Das ist von Gottes Segen;
Was Niemand kommen sah
Auf den verborg’nen Wegen
Das steht gewachsen da;
Das göttliche Gemächte
Ist unverseh’ns im Flor;
Wo man an Sterben dächte,
Da lebt der Glaub‘ hervor.

3.
Laßt Glaubensfeinde raunen,
Was eignem Witz geträumt,
Wir merken mit Erstaunen,
Wie Wort und Same keimt.
Wir preisen Dessen Namen,
Der Macht und Weisheit übt,
Uns Früchte aus dem Samen,
Vom Wort den Glauben gibt.

4.
Vom Feld sei Gott erhoben,
Wenn Er es trächtig macht;
Ihn sollen Herzen loben,
Wo Sein Wort Frucht gebracht.
Das Feld, HErr, singt, wie reichlich
Du Deine Güter gibst;
Das Herz, wie unvergleichlich
Du uns in Christo liebst.

18. November. Abend-Andacht.

Jesus sprach: es ist vollbracht. Joh. 19,30.

Als Moses die Schöpfung der Welt beschrieben hatte, so setzte er 1 Mos. 2,2. hinzu: also vollendete Gott am siebenten Tage Seine Werke, die Er machte, und ruhete am siebenten Tag von allen Seinen Werken, die Er machte; und als Johannes die Erscheinung eines neuen Himmels und einer neuen Erde und des neuen Jerusalems beschrieben hatte, so setzte er Offenb. 21,5.6. hinzu: der auf dem Stuhl saß, sprach: siehe, ich mache Alles neu; und Er spricht zu mir: schreibe, denn diese Worte sind wahrhaftig und gewiß. Und Er sprach zu mir: es ist geschehen. Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende. Gott hat also bei der Schöpfung Seine Werke vollendet, und am Ende der Welt macht Er Alles neu, und spricht: wie man am Ende eines großen Werkes zu sagen pflegt: es ist geschehen. Nach der Schöpfung war wegen der Sünde, die in die Welt eingedrungen war, eine Erlösung nöthig, und dieser Erlösung ist der Grund der großen Erneuerung und Verherrlichung, von welcher Offenb. 21. die Rede ist, und in welche die Vollendung des guten Werkes, welches Gott in einem jeden Auserwählten einmal anfängt und hernach fortführt, eingeschlossen ist, Phil. 1,6. Die Erlösung kostete den HErrn Jesum ein unbeschreiblich schweres Leiden. Welch‘ eine Liebe und Treue und welch‘ eine große Geisteskraft wendete Er also an, um darin so lange auszuharren, bis Er rechtmäßig sagen konnte: es ist vollbracht! Er sagte aber dieses, da Er wußte, daß schon Alles zur Erfüllung der Schrift völlig geschehen sei, Joh. 19,28. Was dieses Vollbringen , oder diese völlige Erfüllung der Schrift, die das verdienstliche Leiden Jesu vorher verkündigt hatte, nütze und nach sich ziehe, wird am Ende der Welt völlig offenbar werden; jetzt aber können wir erkennen, daß das Erlösungswerk Christi keiner Ergänzung durch unsere Werke oder Leiden bedürfe, weil es etwas Ganzes oder Vollkommenes war. Niemand der selig werden will, hat nun nöthig, ein Verdienst der Werke aufzubringen, und dadurch seine Sündenschulden zu bezahlen, und sich und Andere mit Gott zu versöhnen: Christus Jesus hat dieses Alles völlig geleistet. In Sein Mittleramt soll Niemand greifen. Niemand soll etwas von demjenigen leisten wollen, was nur er für die Sünder hat leisten können. Unsere Reue, unser Glaube, unser Gebet, unsere Leiden, und unser Halten der Gebote Gottes gehören zu einem andern Werk, nämlich zu dem Werk der Heiligung; denn weil wir durch das Leiden und den Tod Jesu erlöst und versöhnt sind, so sollen wir nun nach der Vorsehung Gottes des Vaters durch die Heiligung des Geistes zum Gehorsam und zur Besprengung des Blutes Jesu Christi gelangen, 1 Petr. 1,2., und so tüchtig werden, dem HErrn Jesu zu leben, und solche Werke unter dem Kreuz zu thun, für die Er uns große Gnadengeschenke, welche Er auch Lohn und Vergeltung nennt, geben könne. Dank sei Dir, HErr Jesu, daß Du Alles, was Dir als dem Mittler zwischen Gott und Menschen obgelegen ist, vollbracht hast. Deine Erlösung ist ein völliges Werk. Gib mir nun auch einen völligen Glauben und ein vollendetes oder völlig beruhigtes Gewissen, und vollführe um Deines Namens willen auch das gute Werk der Heiligung in mir.

Mel.: Gott sei Dank in aller Welt.

1.
Jesus Christus hat vollbracht,
Was uns Sünder selig macht,
Und weil nun Sein Tod gescheh’n,
Muß Sein Testament besteh’n.

2.
Alles hat Er ausgesöhnt,
Alles hat Er uns verdienst;
Alles, was uns Gott verhieß,
Ist auf ewighin gewiß.

3.
Alle Sünde, aller Tod,
Alles, was die Hölle droht,
Alles, was uns schrecken kann,
Ist zunicht, und abgethan.

4.
Alle Schriften sind erfüllt,
Aller Zorn ist ganz gestillt,
Alle Gnade waltet hier,
Allen Frieden haben wir.

5.
Zu dem Vater darf man geh’n;
In dem Sohne darf man fleh’n;
Und der Geist versiegelt schon
Unser Erbtheil mit dem Sohn.

6.
Sprach dieß unsers Mittlers Mund,
So hat unser Glaube Grund,
So hat uns’re Hoffnung Ruhm;
Wir sind Christi Eigenthum.

7.
Hier greift meine Seele zu;
Du vollkomm’ner Heiland, Du
hast auch mir zu gut vollbracht,
Was mich Sünder selig macht!

8.
Was Du schenkest, ist auch mein;
Was ich habe, sei nun Dein.
Zu dem Vater komme ich
Anders nicht, als nur durch Dich.

9.
Wenn mein Herz in Zügen liegt,
Mach‘ mich durch dieß Wort vergnügt:
Jesus Christus hat’s vollbracht;
Ihm sei Herrlichkeit und Macht!

19. November. Morgen-Andacht.

Selig ist, der da lieset, und die da hören die Rede der Weissagung, und bewahren, was darinnen geschrieben ist, denn die Zeit ist nahe. Offenb. 1,3.

Indem Johannes schrieb: selig ist, der da lieset, und die da hören die Worte der Weissagung u.s.w., so forderte er nicht, daß der Vorleser und die Zuhörer alle Worte dieser Weissagung verstehen sollen, denn die verheißene Seligkeit hängt nicht von diesem völligen Verständniß ab: hingegen mußten jener und diese schon zur Zeit des Johannes so viel von dieser Weissagung verstehen, als ihnen damals nöthig war, und so verhält es sich mit Allen, welche zu allen Zeiten das Buch der Offenbarung zu ihrem geistlichen Nutzen lesen, oder als vorgelesen hören sollen. Johannes sagte, die Zeit sei nahe, da dieses Buch anfangen werde, in die Erfüllung zu gehen, man solle es also nicht weglegen und ungebraucht liegen lassen, sondern alsbald in den Gemeinden vorlesen, und wenn es vorgelesen werde, aufmerksam anhören. Alle damaligen Gemeinden hatten insonderheit nöthig, dasjenige zu verstehen und zu Herzen zu nehmen, was der Geist aus dem Munde Jesu ihnen in den sieben Briefen Kap. 2. und 3. sagte. ob nun gleich diese sieben Briefe zu allen Zeiten sehr nützlich sind, so haben doch die Christen in den folgenden Zeiten noch besonders auf diejenigen Theile dieser Weissagung Achtung zu geben gehabt, welche zu ihrer Zeit erfüllt wurden. Man bemerkt auch in den alten Schriften, daß sie zu derjenigen Zeit, da Viele um des Namens Christi willen getödtet wurden, auf dasjenige besonders aufmerksam gewesen seien, was Offenb. 6,9.10.11. von den Seelen der Märtyrer geschrieben steht. Christen, die zur gegenwärtigen Zeit leben, sollen vornehmlich dasjenige verstehen lernen und beherzigen, was vom 13. Kapitel der Offenbarung an geweissagt ist. Ueberdieß enthält das Buch der Offenbarung Vieles, das zu allen Zeiten zur Erweckung und Stärkung des Glaubens, der Leibe und der Hoffnung nützlich sein kann, wie denn darin von der Macht des erhöhten Heilandes, von der Gemeinschaft der Heiligen, von den himmlischen Dingen, von dem Ende der Welt und von der Stadt Gottes deutlichere und ausführlichere Nachrichten enthalten sind, als in allen andern Büchern der heiligen Schrift; und weil alle diese Nachrichten von unsichtbaren dingen handeln, so haben alle den Geist der Weissagung zum Urheber, und sind eigentliche Weissagungen. Wer nicht wahrnimmt, daß dieses Buch der Weissagung durch eine göttliche Offenbarung entstanden sei, und der Mund des HErrn darin rede, hat weniger geistliches Gemerk und Gefühl als die Knechte der Pharisäer und Hohenpriester, deren Joh. 7,46. Meldung geschieht. Soll aber dieses Buch einem Lesenden oder Hörenden zur Seligkeit dienen, so muß die darin enthaltene Wahrheit Buße, Glauben, Wachsamkeit, Geduld, Hoffnung, und einen steten Fleiß, die Gebote Gottes zu halten, wirken. Auch darf der Eindruck, den sie macht, nicht wieder verschwinden, sondern muß bewahrt werden. Die Unterhaltung des Vorwitzes ist nicht der Zweck dieses Buches, sondern die Seligkeit der Menschen. Wer die Worte dieses Buches bewahrt, den bewahren sie hinwiederum in den gefährlichen Versuchungen, die auf Erden entstehen. HErr, laß dieses mir und allen Auserwählten zu dieser Zeit widerfahren.

Mel.: Wer weiß, wie nahe mir mein Ende.

1.
Man dankt dir, Gott, die Offenbarung,
Die Jesus Christus ausgestellt,
Sie dient dem Glauben zur Bewahrung,
Bis Hur‘ und Thier und Drache fällt,
O Wohlthat! weil doch selig ist,
Wer Jesu Christi Buch recht liest.

2.
Da lernt der Glaube freudig hoffen
Auf das, was Gott bereitet hat,
Da zeigt der Himmel selbst sich offen,
Und Neu-Jerusalem, die Stadt;
Da lernen Seine Heiligen,
Hier in Geduld und Glauben steh’n.

3.
Da rechnen sie auf Jahr und Zeiten,
Die Gottes Rath zuvor bestimmt;
Sie sehen schon ihr Heil im Weiten,
Und wenn ihr HErr sie zu sich nimmt,
Bis zu dem endlichen Gericht
Der noch verborg’ne Tag anbricht.

4.
Das ist ein Werk von Deiner Treue,
O Gott, und Dir sei Lob dafür!
So machst Du frei von Menschenscheue
Und lehrst die wahre Furcht vor Dir,
So hat auch nach dem Marterthum
Gott und das Lämmlein ewig Ruhm.

19. November. Abend-Andacht.

Deine Todten werden leben und mit dem Leichnam auferstehen. Wachet auf und rühmet, die ihr lieget unter der Erde; denn Dein Thau ist ein Thau des grünen Feldes. Jes. 26,19.

Jesaias weissagt Kap. 24-34. von den harten Strafen, welche über die Königreiche Juda und Israel durch die Assyrer ergehen sollten, deutet aber zugleich auf das große Heil, welches dem Volk Israel in der letzten Zeit widerfahren werde, da Gott eine hohe Stadt, die sich Seinem Reich entgegensetze, erniedrigen, Kap. 26,5., den Antichrist, der einer geraden Schlange, und den falschen Propheten, der einer krummen Schlange ähnlich sein wird, mit Seinem harten, großen und starken Schwert heimsuchen, und die Drachen im Meer, das ist die mächtigen und schädlichen Anhänger jener Beiden, erwürgen werde, Kap. 27. Das 26. Kapitel gehört also in diejenige Zeit, in welcher, was Offenb. Joh. 16.17.18. und 19. geweissagt ist, erfüllt werden wird. V. 14. sagt das Volk Gottes frohlockend: die Todten (die uns, alldieweil sie lebten, geplagt hatten) werden nicht wieder lebendig, die Tyrannen stehen nicht wieder (zu diesem Leben) auf (man ist also ihrer auf immerhin los), denn Du hast sie heimgesucht und vertilgt, und zunicht gemacht all‘ ihr Gedächtniß. Hingegen wird V. 19. zu Gott gesagt: aber Deine Todten werden wieder leben und mit dem Leichnam auferstehen. Es gibt also Todte, von denen man zu dem HErrn sagen darf: sie sind Deine Todten. diese Todten sind diejenigen, die in dem HErrn sterben, und von denen das Wort des Paulus gilt: wir leben oder sterben, so sind wir des HErrn. Diese Todten werden zu derjenigen Zeit, auf welche der Geist Gottes durch den Jesajas deutet, wieder leben und mit dem Leichnam auferstehen. Ohne Zweifel ist hier von der ersten Auferstehung die Rede, welche Offenb. 20,4.5. beschrieben wird, durch welche die Todten des HErrn zwar nicht zum irdischen, aber doch zu einem himmlischen Leben werden erweckt, und Thronen und ein Richteramt empfangen, folglich eine Gewalt über die Dinge, die auf der Erde geschehen, bekommen werden. Die Gewißheit dieser Auferstehung zu bestätigen, ruft der Heilige Geist schon durch den Jesajas diesen Todten des HErrn zu: wachet auf und frohlocket, die ihr unter der Erde lieget; und sagt hierauf zu dem HErrn: denn Dein Thau ist wie der Thau, welcher die welken Pflanzen wieder aufrichtet, und das Feld grün macht. Dieser Thau ist ohne Zweifel etwas, das sich vom Himmel herablassen wird, um die todten Leichname zu berühren, lebendig zu machen und zu verklären. Paulus nennt es 1 Kor. 15,53. die Unverweslichkeit und Unsterblichkeit, das ist etwas, das eine unverwesliche und unsterbliche Kraft in sich hat, und dem Verweslichen und Sterblichen sich mittheilt. Wehe denen, derenthalben die Knechte Gottes V. 18. klagen müssen, daß sie nicht fallen, und dem Reich Gottes durch ihren Fall nicht Platz machen wollen, s. Luk. 13,7. Wehe den Todten, wegen welcher man froh sein muß, daß man ihrer auf immerhin los ist, und sie nicht wieder zum Herrschen auf der Erde auferstehen! Glückselig aber sind die Todten, die des HErrn sind, weil sie entweder in der ersten Auferstehung, oder am Ende der Welt zum ewigen Leben, ja zum Herrschen mit Christo werden auferweckt werden! HErr laß auch mich als lebendig und todt Dein sein, und an der Hoffnung der Deinigen Antheil haben.

Mel.: Alles ist an Gottes Segen.

1.
Wenn ich Blumen sehe sterben,
Die nach kurzer Pracht verderben,
Denk‘ ich an des Menschen Tod.
Seh‘ ich Blumen wieder leben,
Weil ihr Schöpfer Kraft gegeben,
Macht mir Sterben keine Noth.

2.
Fault das Fleisch, vermodern Knochen,
Hat doch Gottes Wort versprochen,
Daß sie werden aufersteh’n;
Gott, der hier die Lilien kleidet,
Läßt, wenn Alt’s und Neu’s sich scheidet,
Uns in frischer Blüthe seh’n.

3.
Brenn‘, mein Herz, recht vor Verlangen,
Die Verheißung zu empfangen,
Die uns Gottes Wort gewährt:
Die ihr lieget in der Erden,
Wißt, ihr sollt erwecket werden,
Rühmet, daß euch Gott verklärt.

4.
Mach‘ mich, Jesu, Dir zur Pflanze,
Die Du einst in reinem Glanze
Auf Dein grünes Feld versetzst;
Hier mit Blut aus Deinen Wunden,
Dort, wenn Nacht und Tod verschwunden,
Mit dem Thau des Lebens netzst.

5.
Schaffe, daß ich Dir hier lebe,
Mich in Deine Hand ergebe,
Und gesund im Glauben sei,
Und die abgestorb’nen Glieder
Schaff‘ an Deinem Tage wieder,
Wie verdorb’ne Blumen, neu!

20. November. Morgen-Andacht.

Nun aber spiegelt sich in uns Allen des HErrn Klarheit mit aufgedecktem Angesicht, und wir werden verkläret in dasselbe Bild von einer Klarheit zu der andern, als vom HErrn, der der Geist ist. 2 Kor. 3,18.

Paulus sagte 2 Kor. 3., das Amt des Moses sei dadurch sehr veredelt worden, daß er ein glänzendes Angesicht von dem Berg Sinai herabgebracht habe, bezeugte aber auch, daß dieser Glanz oder diese Herrlichkeit des Angesichts Mose’s vergänglich gewesen sei, und bei Weitem nicht an die Herrlichkeit hingereicht habe, welche das Amt des Neuen Testaments den Dienern Gottes verschaffe. Er erinnerte ferner, daß Moses sein glänzendes Angesicht mit einer Decke verhüllt habe, und sagte, den Juden zu seiner Zeit gehe es noch ärger als ihren Vätern. Gleichwie diese das glänzende Angesicht Mose’s wegen der Decke, die darauf lag, nicht haben sehen können, also sehen jetzt die Juden nicht das Ende oder Ziel des Alten Testaments, welches hat aufhören sollen, das ist, sie sehen oder erkennen Christum in Seiner Herrlichkeit nicht, welcher des Gesetzes Ende sei, ja sie verstehen das Alte Testament nicht, wenn sie es schon lesen. Es liege gleichsam eine Decke vor ihren Herzen, weßwegen sie nicht einsehen, wie alle Propheten durch Vorbilder und Weissagungen von Christo gezeugt haben. Wenn sie sich aber zum HErrn bekehren, so werde die Decke abgethan, gleichwie auch Jesajas Kap. 25,7. weissagt, daß Gott dereinst die Hülle wegthun werde, damit alle Völker verhüllt seien, und die Decke, damit alle Heiden zugedeckt seien; da dann alle gelehrten Glossen, wodurch Juden und Heiden die Bibel verdrehen oder austrocknen, von sich selbst verschwinden werden. Uebrigens, sagt Paulus, habe die Decke, womit Moses sein Angesicht hat verhüllen müssen, angezeigt, daß die Herrlichkeit desselben etwas Schreckendes gewesen, und die Israeliten dadurch in eine knechtische Furcht vor Gott, dessen Herrlichkeit sich in Moses Angesicht abgedruckt habe, haben gesetzt werden sollen: jetzt aber offenbare sich der HErr nicht mehr in einem schreckenden sichtbaren Glanz, sondern sei lauter Geist, wo aber der Geist des HErrn sei, da sei Freiheit, im Gegensatz gegen die furchtsame Knechtschaft. Es spiegle sich aber jetzt unter dem Neuen Testament die Herrlichkeit des HErrn in allen Seinen Knechten, so daß Er ihre sonne und sie Seine Spiegel seien, und so bekommen sie Alle einerlei Bildung, und werden von einer Herrlichkeit zu der andern verwandelt, das ist, sie werden so verwandelt, daß sie von Zeit zu Zeit eine größere Herrlichkeit bekommen; diese Herrlichkeit aber sei kein sichtbarer Glanz, sondern so beschaffen, wie sie von einem HErrn, der lauter Geist ist, herrühren könne. Dabei seien aber die Knechte Gottes sehr freimüthig, V. 12. Sie verhüllen ihre Herrlichkeit nicht. Mit aufgedecktem Angesicht wandeln sie unter den Menschen, und lassen das Bild oder die Herrlichkeit des HErrn, die in ihnen sei, durch das Evangelium, welches sie mit Ueberzeugung und Kraft predigen, durch ihren Wandel, ja auch durch ihre Mienen von sich ausstrahlen. Wo sind aber nun jetzt solche Knechte Gottes? Wer kennt, liebt und ehrt sie als Spiegel der Herrlichkeit des HErrn? In einem jeden Christen, wenn er schon kein Prediger des Evangeliums ist, soll sich die Herrlichkeit des HErrn spiegeln, Sein Bild eingedrückt sein, und die Verwandlung von einer Herrlichkeit zur andern ihren Fortgang haben, damit erfüllt werden, was Röm. 8,29. gesagt ist.

Mel.: O daß ich tausend Zungen hätte.

1.
Gottlob! daß wir von Jesu lesen,
Was uns’re Herzen ewig freut,
Das Ebenbild von Gottes Wesen,
Der Abglanz Seiner Herrlichkeit,
Das Licht der Welt, so uns verklärt,
Daß man der Lichter Vater ehrt.

2.
So kennt man Gott in Seinem Lichte,
Und Christum als den Morgenstern;
Mit aufgedecktem Angesichte
Seh’n wir die Klarheit unsers HErrn,
Wie sich ein Licht im Spiegel malt
Und da als Licht zurückgestrahlt.

3.
Der Geist des HErrn, der Geist der Wahrheit,
Verwandelt uns in gleiches Bild
Von Klarheit immer mehr in Klarheit,
Bis uns das Licht einst ganz erfüllt.
Des HErrn Licht wird in uns gebracht,
Und wir zum Licht im HErrn gemacht.

4.
So kann sich Gott Sein Lob erhöhen,
Wenn wir den Vater in dem Sohn,
Und uns in Seinem Sohne sehen,
Da zeuget beider Geist davon,
Und danken nach des Glaubens Pflicht
Wir hier im Schatten, dort im Licht.

20. November. Abend-Andacht.

Es sollen Berge weichen und Hügel hinfallen, aber Meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund Meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der HErr, dein Erbarmer. Jes. 54,10.

So spricht der HErr zu Seinem Volk, welches Er einen kleinen Augenblick verlassen, und vor welchem Er Sein Angesicht im Augenblick des Zorns ein wenig verborgen hatte, ja welches Er selbst V. 11. ein elendes Volk, über das alle Wetter gehen, und ein trostloses nennt. Wer in einem solchen Zustand auf den HErrn harret, bei dem sind die zärtlichen und vollen Verheißungen, die in diesem Kapitel vorkommen, wohl angelegt; der demüthige Glaube kann sie fassen, und es ist alsdann kein Mißbrauch derselben zu befürchten. Ps. 89,2.3 sagt Ethan, der Esrahit: ich will singen von der Gnade des HErrn ewiglich, und Seine Wahrheit verkündigen mit meinem Munde für und für, und sagen also. daß (durch den Messias) eine ewige Gnade wird aufgehen, und Du wirst Deine Wahrheit treulich halten im Himmel. Ps. 103,15.17.18. spricht David: ein Mensch ist in seinem Leben wie Gras – die Gnade aber des HErrn währet von Ewigkeit zu Ewigkeit, und Seine Gerechtigkeit auf Kindeskind bei denen, die Seinen Bund halten und gedenken an Seine Gebote, daß sie darnach thun. Auch sagt Paulus Röm. 11,29.: Gottes Gaben und Berufung mögen Ihn nicht gereuen; Jes. 54,8.9.10. aber wird die ewige Gnade Gottes gegen Sein Volk gepriesen, und Gott verheißt sogar mit einem Schwur, daß Er so wenig mehr über dasselbe zürnen wolle, so wenig Er hinfort eine Sündfluth werde kommen lassen, und daß Seine Gnade und der Bund Seines Friedens fester sei als Berge und Hügel, und niemals von Seinem Volk weichen und hinfallen werde. Aus allen diesen Zeugnissen ist Folgendes zu schließen: wenn Gott einem Menschen namentlich große Gnade verheißen hat, wie dem Abraham, Isaak, Jakob und David geschehen ist, oder wenn Er einem Volk große Verheißungen gegeben hat, wie dem Volk Israel, und hernach auch der christlichen Kirche widerfahren ist, so läßt Sich Gott diese Gnade nie reuen, und die Verheißungen, welche, wenn sie feierlich bestätigt sind, ein Friedensbund heißen, werden nie zernichtet werden; doch müssen dieselben einzelnen Menschen glaubig sein und bleiben, und wenn sie gefallen sind, wie David ernstlich Buße thun: auch sind von dem Volk, dem die Verheißungen gegeben sind, nur diejenigen des Genusses derselbigen fähig, welche wahre Israeliten oder Christen sind und bleiben. Wenn Gott sagt: Ich will nimmer über dich zürnen, so sieht Er voraus, daß man durch Seine Kraft im Glauben fest stehen werde bis an’s Ende. Auf Gottes Seite ist kein Wankelmuth. Wenn auch von einem solchen Volke Viele unglaubig sind und durchfallen, so hebt solches Gottes Treue nicht auf. Die Gnade weicht doch nicht von diesem Volk, und der Bund des Friedens fällt nicht hin; Andere können sich anstatt Jener daran halten, und dadurch selig werden; und ein solches Volk kann in spätern Zeiten durch die ewige Gnade Gottes wieder gesegnet und erleuchtet werden, wenn es lange in der geistlichen Unfruchtbarkeit und Finsterniß gesteckt ist. Lasset uns wachen, beten, treu sein, Glauben halten, wozu Er selbst kraft schenken will, so werden wir ewiglich die Gesegneten des HErrn sein.

Mel.: O Jerusalem, du schöne.

1.
Weicht ihr Berge, fallt ihr Hügel,
Gottes Gnade weicht mir nicht,
Und der Friede hat dieß Siegel,
Daß Gott Seinen Bund nicht bricht.
Dieses macht mich unverzagt,
Weil es mein Erbarmer sagt.

2.
Das sind Worte für die Blöden,
Die sind aller Annahm‘ werth;
Das heißt an die Herzen reden
Das ist Trost, wie man begehrt:
Gottes Gnade weicht dir nicht,
Weil es dein Erbarmer spricht.

3.
Hier ist Kraft für alle Müden,
Die so manches Elend beugt;
Man find’t Gnade, man hat Frieden,
Welcher Alles übersteigt.
Mein Erbarmer, sprich mir du
Dieß in allen Nöthen zu!

4.
Wenn mich meine Sünden schmerzen,
Und der Strafen lange Pein,
Ach so rede meinem Herzen
Deine Huld und Frieden ein,
Daß Du mir in Jesu Christ
Ewig ein Erbarmer bist.

5.
Gib mir einen starken Glauben,
Der Dein Wort mit Freuden faßt;
So kann mir der Tod nicht rauben,
Was Du mir geschenket hast!
Auch die Hölle nimmt mir nicht,
Was mir mein Erbarmer spricht!

21. November. Morgen-Andacht.

Denn was für einen Dank können wir Gott vergelten um euch, für alle diese Freude, die wir haben von euch vor unserm Gott. 1 Thess. 3,9.

Paulus hatte von Athen aus den Timotheus nach Thessalonich gesandt, um sich zu erkundigen, wie sich die neugepflanzte Gemeinde daselbst unter den Trübsalen, denen sie ausgesetzt war, verhalte. Da nun Timotheus wieder zu dem Apostel Paulus zurück kam, und ihm den Glauben und die Liebe der Thessalonicher verkündigte, so wurde dieser über sie getröstet, ja er wurde lebendig, das ist aufgemuntert, und sagte in dem zärtlichen Brief, den er unter dem Gefühl dieser Wonne an die Thessalonicher schrieb, unter Anderem: was für einen Dank können wir Gott vergelten um euch, für alle diese Freude, die wir haben von euch vor unserm Gott? Die Thessalonicher hatten Gott für Vieles zu danken, das Er ihnen durch den Dienst des Paulus erwiesen hatte; wie sie denn durch denselben aus blinden Juden und Heiden zu erleuchteten und begnadigten Christen worden waren. Paulus aber dankte Gott auch, ja er bezeugte, er wisse nicht, wie er Ihm genug danken könne für die Freude, welche er wegen der Thessalonicher vor Gott habe.

Diese Freude ist einem jeden evangelischen Lehrer zu gönnen und zu wünschen. Säen und lange keine Frucht erblicken, ist eine kümmerliche Arbeit, die man aber doch eine Zeit lang in der Hoffnung, daß Gott Sein Gedeihen zu rechter Zeit geben werde, verrichten muß. Wenn aber, wo nicht bei einer ganzen Gemeinde, doch aber bei einem Theil derselben eine Frucht hervor kommt, so gereicht’s einem treuen Lehrer zur Freude, und er soll nicht vergessen, dem HErrn dafür zu danken, und wenn die Frucht beständig bleibt und immer mehr erstarkt und zum Einsammeln in die himmlische Scheune reist, so ist dieses wiederum eine Ursache der Freude und des Dankes gegen Gott. Diejenigen Hirten, welche der Heiland Miethlinge nennt, sind freilich nicht so gesinnt. Sie haben den wahren Zweck ihres Amts, welcher die Bekehrung und Seligmachung ihrer Zuhörer ist, nicht vor Augen, gleichwie sie auch selbst sich nicht bekehren wollen, damit sie selig würden. Sie predigen also, damit geprediget sei, und richten alle ihre Amtsverrichtungen aus, damit sie ausgerichtet seien und der obrigkeitlichen Verordnung ein Genüge geschehe. Dabei trösten sie sich ihrer guten Tage, und freuen sich über ihr Einkommen, wenn dessen viel wird: auch rühmen sie sich, wenn sie über das Volk herrschen, und durch den Beistand des weltlichen Amts einem oder dem andern Unfug steuern können, obschon daneben keine Seele durch ihren Dienst gewonnen worden ist. HErr Jesu! Du hast zu Deinen Jüngern gesagt: die Ernte ist groß, aber wenig sind der Arbeiter; darum bittet den HErrn der Ernte, daß Er Arbeiter in Seine Ernte sende. Wir bitten nun Dich, daß Du, weil es auch jetzt so steht, wie Du gesagt hast, wahre und treue Arbeiter in Deine Ernte sendest, und ein solches Gedeihen zu ihrer Arbeit gebest, daß sie ihr Amt mit Freuden und nicht mit Seufzen thun können. Dir gebührt der Dank für Alles, das Du gethan hast und thun wirst.

Mel.: Von Gott will ich nicht lassen.

1.
Ob den bekehrten Sündern
Freut sich der Himmel auch,
So ist bei Gottes Kindern
Auch Freude der Gebrauch,
Wenn Jesus Viele find’t,
Die glauben, die Ihn lieben,
Geduld in Hoffnung üben,
Und sterbend selig sind.

2.
Wenn Gottes Wort schnell laufet,
Wenn Christi Reich einbricht,
Wenn man die Zeit recht kaufet,
Wenn sein viel Gut’s geschicht,
Viel Danks und Lobs erklingt
Bei reicher Worteswaide,
Das ist’s, was Christen Freude
Ob Gottes Ehre bringt.

3.
Dir sei denn Lob gesungen,
Du HErr der Herrlichkeit,
Daß Du durch so viel Zungen
Dir hast ein Lob bereit’t;
Für Alle danken wir,
Die aus des Elends Tiefen,
Wie wir, um Gnade riefen,
Und fanden sie bei Dir.

4.
Für Alle, die da wallen
Nach uns’rer Vaterstadt,
Und wen Dein Wohlgefallen
Zum Kind gezeuget hat,
Für Alle sei Dir Ruhm.
Wie herrlich wird’s einst klingen,
Wann wir zusammen singen
In Deinem Heiligthum!

21. November. Abend-Andacht.

Ich hörete eine große Stimme im Himmel sprechen: jetzt ist das Heil und die Macht und das Königreich unsers Gottes, und die Gewalt Seines Gesalbten worden. Offenb. 12,10.

Johannes sah im Geist einen großen Streit, der sich im Himmel erhob. Michael nämlich, der Engelfürst, und seine Engel stritten mit dem Drachen, und der Drache stritt und seine Engel, und siegten nicht, auch ward ihre Stätte nicht mehr gefunden im Himmel. Und es ward ausgeworfen der große Drache, die alte Schlange, die da heißet der Teufel und der Satanas, der die ganze Welt verführt, und ward geworden auf die Erde, und seine Engel wurden auch dahin geworfen. Dieses ist eine große Begebenheit, welche unter der siebenten Trompete in der unsichtbaren Welt vorgefallen ist. Bald nach der Schöpfung sündigten viele Engel, behaupteten ihr Fürstenthum, oder ihren mit einer gewissen Gewalt verbundenen Ehrenstand nicht, und verließen ihre himmlische Behausung aus Feindschaft wider Gott freiwillig, Jud. 6. Ob sie aber gleich hernach keine Behausung mehr im Himmel hatten und haben wollten, so hatten sie doch noch eine Stätte darin, wo sie die Heiligen verklagen konnten, und dieses that insonderheit ihr Oberster, der große Drache, die alte Schlange, der Teufel und Satanas, s. Hiob 1,6. 2,1. Offenb. 12,10. Bei dem großen Streit aber, den Johannes sah, wurde derselbe mit seinen bösen Engeln so mit Gewalt aus dem Himmel ausgestoßen und auf die Erde herabgeworfen, daß von da an ihre Stätte nicht mehr im Himmel gefunden wurde; gleichwie er hernach auf tausend Jahr in den Abgrund verschlossen, endlich aber in den feurigen Schwefelpfuhl geworfen wird, Offenb. 20,1.2.3.10. Auf dieses Alles, aber auch auf die Zerstörung der Werke des Teufels, die zu allen Zeiten durch das Evangelium auf Erden geschieht, deutete der Heiland, da Er sagte: jetzt gehe das Gericht über die Welt, jetzt wird gerichtlich ausgemacht, wie der HErr der Welt sein soll, nun wird der Fürst dieser Welt nach und nach ausgestoßen werden, Joh. 12,31. Daß aber die gewaltsame Ausstoßung des Satans aus dem Himmel in der Regierung Gottes sehr Vieles austrage, ist aus den Worten derjenigen zu schließen, die im Himmel gemeinschaftlich ausriefen: jetzt ist das Heil und die Macht und das Königreich unsers Gottes, und die Gewalt Seines Gesalbten worden. Sie gaben also zu verstehen, daß von da an Gott auf eine neue Weise Sich als der Gott des Heils beweisen, Seine Macht brauchen und königlich regieren werde, und daß auf’s Neue offenbar werde, daß in dem göttlichen Gericht, dessen Joh. 12,31. gedacht wird, die Gewalt über die Menschen dem Gesalbten Gottes und nicht dem Satan zugesprochen worden sei, und Jener sie auf eine neue Weise ausüben werde. Sie verhehlen dabei nicht, daß ihre Brüder auf Erden, obschon ihr Verkläger verworfen worden, und sie also wegen seiner Anklage keine schwere Prüfung mehr, wie Hiob, auszustehen haben, noch eine Zeit lang von seinem großen Zorn werden bedrängt werden, V. 12. Lasset uns glauben, daß es Gott und Seinem Gesalbten überall gelinge, und Seine Siege (ungeachtet oft das Widerspiel vor unsern blöden Augen erscheint) an Einem fortgehen, bis das höchste Ziel in Seiner Regierung erreicht ist.

Mel.: Nun ruhen alle Wälder.

1.
Treibt der verworf’ne Drache
Voll Zorn die böse Sache
Auf uns’rer Erde gleich,
So schreckt uns solches wenig:
Es bleibt doch uns’rem König
Das Heil, die Macht, das Königreich.

2.
Die dem Gesalbten dienen,
Erfahren doch an ihnen
Sein wunderbares Heil;
Er kann sie in Gefahren
Durch Seine Macht bewahren,
Und gibt an Seinem Reiche Theil.

3.
Ihr, die ihr Glauben übet
Und euren König liebet,
Dieß Wort sei euer Halt.
Die Zeit ist bald verloffen,
Da seh’n wir, was wir hoffen;
Er hat das Recht und die Gewalt.

4.
HErr! der Du Deinen Knechten
Die Siege Deiner Rechten
Zuvor zu wissen thust,
Hilf, daß wir ja nicht zagen
In diesen Wehe-Tagen,
Weil Du Dein Reich behalten mußt.

5.
Laß mich Dein Heil auch finden,
Und hilf mir überwinden
Durch Dein Versühnungsblut;
Gib gegen Satans Stürme
Mir Deine Macht zum Schirme,
Und Dein Reich stärke meinen Muth.

6.
Dort singen schon die Brüder
Vor Deinem Thron die Lieder:
Ihr Himmel freuet euch!
Gib uns auch Sieg, wie Jenen,
Laß auch von uns ertönen:
Dein ist das Heil, die Macht, das Reich!

22. November. Morgen-Andacht.

Du heißest mit Deinem Namen: HErr allein, und der Höchste in aller Welt. Ps. 83,19.

Gott will nicht nur als Gott von uns erkannt und verehrt sein, sondern befiehlt auch, daß wir keine anderen Götter neben Ihm haben sollen. Er will Seine Ehre keinem Andern geben, noch Seinen Ruhm den Götzen. Er begehrt, daß wir erkennen sollen, außer Ihm sei kein Gott, sondern Er heißt mit Seinem Namen: Jehovah, der Seines Gleichen nicht hat. Die Heiden, über deren Wuth und Bosheit Assaph Ps. 83. klagt, verließen sich auf ihre Götzen, und ob sie schon eingestanden, der Gott Israels sei auch ein Gott, so meinten sie doch, ihre Götzen seien auch Götter, wie der Gott Israels, und gleichwie es darauf ankommen, welches Volk es dem andern im Krieg abgewinne, also komme es auch darauf an, welcher Gott es dem andern abgewinne. Wider diesen Unsinn hat der Heilige Geist oft in Seinem Wort geeifert, und unter der Leitung desselben hat Assaph Ps. 83,19. beten müssen, der HErr wolle die Heiden erkennen lassen, daß Er mit Seinem Namen Jehovah allein heiße, und der Höchste nicht nur im Land Israels, sondern auch in aller Welt. Zu unserer Zeit wird in der Christenheit Niemand zu dem alten heidnischen Götzendienst versucht: wenn aber ein Mensch im Unglauben und in einer eiteln Lüsternheit auf Geld und Gut oder Menschengunst sein Vertrauen setzt, und dadurch Alles zu gewinnen und zu erlangen hofft, so treibt er eine Abgötterei. Zwar wird er genöthigt, auch an den wahren Gott zu gedenken, wenn er nämlich Sachen vor sich sieht, in welche der Reichthum oder die menschliche Gunst offenbar keinen Einfluß hat, wie denn solches bei der Witterung, bei der Unfruchtbarkeit und Fruchtbarkeit des Erdbodens, und bei der Gesundheit und Krankheit, insonderheit aber bei dem Sterben handgreiflich wahrzunehmen ist. In diesen Fällen sagt man, Gott solle helfen, segnen, retten: aber wo man meint, daß das Geld oder die Gunst der Menschen etwas vermögen, da fällt man mit seinem Vertrauen ganz auf diese Mittel als Götzen hinein, nimmt den wahren Gott nicht dazu, ruft Ihn nicht an, fragt nicht nach Seinem Willen, und wartet nicht auf Seine Hülfe. Auf diese Weise haben viele Christen andere Götter neben dem wahren Gott, da doch der wahre Gott mit Seinem Namen heißt Jehovah allein. Er allein ist der Unveränderliche und Ewige, der ist und der war und der sein wird, der keines Dinges außer Sich bedarf, der unbewegliche Fels, der Schöpfer aller Dinge, der Inbegriff und die Quelle alles Guten, der Seiner alten Verheißungen noch immer eingedenk ist, der Sein Wort durch die Erfüllung wahr macht, und was Er zusagt, gewiß hält. Wie Er Sich den Patriarchen und wie Er Sich hernach durch Seinen Sohn als Sein sichtbares Ebenbild den Menschen geoffenbart hat, so bleibt Er ewiglich. Er ist der Höchste in aller Welt, unermeßlich über alle, auch die herrlichsten Geschöpfe, erhaben. Ihn soll Jedermann anbeten und ehren. Ihm sollen alle Geschöpfe dienen. Alles, was Athem hat, lobe Ihn. Hallelujah.

Mel. Allein Gott in der Höh‘ etc.

1.
O Gott, Du heißest HErr allein,
HErr Himmels und der Erden;
So sollst Du stets geehret sein
Und angebetet werden;
Was Dich erkennt, das bücket sich,
Was heilig ist, das lobet Dich
Und Deinen großen Namen.

2.
Der Wahnwitz macht sich viele Herrn:
Du, wahrer Gott, bist Einer;
Drum bleibt des Thoren Hülfe fern,
Denn außer Dir hilft Keiner.
Wenn Du allein derselbe bist,
Der aller Andern Herrscher ist,
So bist Du auch der meine.

3.
Wird schon ein größ’res Loblied Dir
Von Thronen stets gesungen,
Nimm doch auch Preis und Dank von mir
Und meiner schwachen Zungen;
Mach‘ Du mir selbst die Lippen rein,
So stimm‘ ich dort noch besser ein.
O Seligkeit, Dich loben!

22. November. Abend-Andacht.

Ich will dem Durstigen geben von dem Brunnen des lebendigen Wassers umsonst. Offenb. 21,6.

So sprach derjenige, der als der Höchste und ewige König auf dem Thron sitzt, zu dem Johannes, nachdem Er vorher zu ihm gesagt hatte: siehe, Ich mache Alles neu, und wiederum: es ist geschehen; Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende. Eines Königs Ehre ist Geben, viel Geben, und durch sein Geben die Bedürfnisse derer, die Mangel leiden, erfüllen. Derjenige, der Alles neu macht, muß auch den Durst, der noch zu dem alten Zustand gehört, aufheben, und weil Er nicht nur das A und der Anfang, sondern auch das O und das Ende sein will, so muß Er die Menschen, deren Schöpfer Er ist, durch Seinen Sohn wieder zu Sich selbst als ihrem höchsten Ziel zurückführen, damit sie mit Ihm wieder vereinigt seien, und ewiglich in Ihm ruhen. Dazu ist aber nöthig, daß Er ihnen Seinen Geist nach ihrem ganzen Bedürfniß und ihrer Begierde, und so völlig als sie Ihn fassen können, mittheile. Wer will aber diese unschätzbare Gabe mit Gesetzeswerken verdienen? Oder wer will Gott ein Geschenk anbieten, um das Er ihm Seinen göttlichen Geist schenken solle? Fürwahr Niemand: folglich ist nichts übrig, als daß Gott Seinen Geist denen, die darnach ein sehnliches Verlangen haben, umsonst gebe. Daß Er es aber thun wolle, vergewissert Er uns durch die Worte: Ich will dem Durstigen geben von dem Brunnen des Wassers des Lebens umsonst. Daß der Heilige Geist das Wasser des Lebens sei, lehrt uns Johannes Joh. 7,38.39. Der Brunnen oder die Quelle desselben ist der Vater und der Sohn, weßwegen die Schrift sagt, daß Er der Geist des Vaters und des Sohnes sei, vom Vater ausgehe, und von dem Vater und Sohn gesandt und gegeben werde. Ja Offenb. 22,1. sahe Johannes einen lautern Strom des Wassers des Lebens klar wie ein Krystall, der von dem Thron Gottes und des Lammes ausging. Den Menschen, die Gott erschaffen und Christus erlöset hat, gebührt, nach diesem Lebenswasser, welches selber lebendig ist, und ewiges Leben gibt, durstig zu sein. Diesen Durst sollen sie, so lange ihr irdisches Leben währt, in sich haben, und ihre Seelen sollen ihn mit sich nehmen, wenn sie in die unsichtbare Welt übergehen. Zwar will Gott schon auf die Durstigen, die noch auf der Erde wallen, Wasser gießen, und der Heiland will den Pilgrimen, die Ihn bitten, Wasser des Lebens geben, wie Er Sich bei der Samariterin Joh. 4. anheischig gemacht hat: allein es ist dem Christen hiebei zu Muth, wie Sirach Kap. 24,28.29. sagt: wer von mir isset, den hungert immer nach mir, und wer von mir trinket, den dürstet immer nach mir. Die Seele nämlich, welche einen tiefen Abgrund und eine sehr große Fähigkeit in ihr hat, so lange sie im Leibe ist, wird von dem Lebenswasser nie so erfüllt, daß sie nicht nach einem völligern Genuß desselben durstig oder begierig werden müßte. Aber alsdann, wenn Alles neu sein wird, wird Gott allen Durst durch die völligste Mittheilung Seines Geistes bei allen Gerechten aufheben. Sie werden trunken werden von den reichen Gütern des Hauses Gottes, sie werden satt werden, wenn sie erwachen nach Seinem Bilde.

Mel.: Die Seele Christi heil’ge mich.

1.
Ich fühle einen Durst in mir,
Für solchen taugt kein Wasser hier;
Es muß ein Lebenswasser sein,
Das gibt der Heiland uns allein.

2.
Wenn sich ein Herz mit Eitlem füllt,
Wird sein Verlangen nie gestillt,
Es ist ein träumender Betrug,
Man trinkt, und trinkt doch nie genug.

3.
Ein Menschengeist wird niemals satt,
Der nichts aus Jesu Fülle hat;
Aus Ihm quillt, was uns Leben gibt,
Und Er gibt gern, weil Er uns liebt.

4.
Dir, Quell des Lebens, lauf‘ ich zu,
Das Lebenswasser schenkest Du;
Du gibst’s umsonst, ich bring‘ nichts her,
Als nur ein herz voll Durst und leer.

5.
Du ziehst mich selbst, Du wirkst in mir
Selbst das Gefühl des Dursts nach Dir,
Und lässest mir das Aug‘ aufgeh’n,
Von ferne diesen Brunn zu seh’n.

6.
Bei diesem Durst hat’s keine Noth,
Er zeigt nur an, man sei nicht todt;
Stirbt man, so zeugt Dein Wort dabei,
Daß noch ein Schritt zum Brunnen sei.

7.
Nimm meinem Herzen alle Lust
Nach den Cisternen, die voll Wust,
Wohin uns Welt und Satan winkt,
Und wo man sich zu Tode trinkt.

8.
Wie einem Baum zum Leben dient,
Der vom Geruch des Wassers grünt,
So dringt Dein Trostwort hier schon ein:
O was wird’s um die Quelle sein!

23. November. Morgen-Andacht.

Saget unter die Heiden, daß der HErr König sei. Ps. 96,10.

Dies ist der kurze Inhalt des Evangeliums, welches der Heilige Geist zur Zeit des neuen Testaments unter den Heiden zu predigen befohlen hat. Es ist aber leicht zu erachten, daß diese Worte nicht nur dieses in sich fassen, daß der HErr mit Seiner Allmacht Alles umfasse und beherrsche, denn diese Wahrheit ist, wenn sie allein bleibt, den Sündern schrecklich, sondern daß noch viel mehr darin enthalten sei, welches nach V. 1. die Materie zu einem neuen Lied, das man singen kann, abgeben, und nach V. 2. zum Lob Gottes erwecken, ja die Sünder überzeugen kann, daß ihnen Heil widerfahren solle. Wenn unter den Heiden gepredigt und geglaubt wird, daß der HErr König sei, so wird erstlich der ganze Götzendienst nach V. 4.5. zu nichte gemacht, weil Jehovah allein König ist, und keinen Andern neben sich haben kann. Einem König gebührt Herrlichkeit, Pracht, Gewalt und Ehre: wenn nun Jehovah König ist, so soll man nach V. 6. glauben, es stehe herrlich und prächtig vor Ihm, und gehe gewaltig und löblich zu in Seinem Heiligthum. Der Heilige Geist, der dieses zeugete, wußte wohl, daß zu derjenigen zeit, da die Heiden zur Anbetung Gottes werden berufen werden, das Heiligthum oder der Tempel zu Jerusalem werde verbrannt werden; darum deutete Er hier auf die Kirche als den Tempel Gottes, im völligen Verstand aber auch das himmlische Heiligthum, in welches Christus bei Seiner Himmelfahrt als Hoherpriester eingegangen ist. In demselben steht’s freilich herrlich und prächtig vor dem HErrn, und es geht gewaltig und löblich darin zu. Hier ist also den Heiden etwas zu hoffen vorgelegt, denn in diesem himmlischen Heiligthum oder Tempel sollen sie dereinst dem HErrn Tag und Nacht dienen, Offenb. 7,9.15. Ehe sie aber dahin gelangen, werden sie von dem Heiligen Geist aufgerufen, auf Erden die schuldige Anbetung zu leisten. Ihr Völker, sagt Er, bringet her dem HErrn, bringet her dem HErrn Ehre und Macht. Das ist, ehret den HErrn allein, und bekennet von Herzen, daß Er allein mächtig sei. Bringet her dem HErrn die Ehre Seinem Namen, bringet Geschenke, opfert Ihm euch selbst, und Alles, was ihr habt, auf, bringet Geschenke und kommt in Seine Vorhöfe; vereiniget euch mit den glaubigen Israeliten. Betet an den HErrn im heiligen Schmuck der Gerechtigkeit; es fürchte Ihn alle Welt. Es wird ferner V. 10. die weite Ausbreitung und die ewige Dauer des Reiches Gottes gepriesen, damit die Heiden nicht meinen möchten, es werde dasselbe im Neuen Testament beschaffen sein, wie das irdische Reich Davids, welches in enge Grenzen eingeschlossen gewesen, und bald wieder vergangen ist, und endlich werden V. 11.12.13. der Himmel, die Erde, das Meer und was darinnen ist, das Feld und Alles, was darauf ist, ja alle Bäume im Wald aufgerufen, sich zu freuen, weil der HErr als König zum Gericht komme, da Er dann nicht nur den Auserwählten Sein Reich als ein Erbe geben, sondern auch an Seinen und ihren Feinden Rache ausüben, und überdieß die seufzende Kreatur von dem verderblichen Dienst frei machen, und ihr zur Theilnehmung an der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes verhelfen wird, Röm. 8,21. So Vieles wird angezeigt, wenn man sagt, daß der HErr König sei.

Mel.: Jesu, meine Freude.

1.
Singt doch auf uns’rem König,
Singt Ihm unterthänig,
Lobt Sein herrlich Reich;
Hat der Himmel Thronen,
Hat die Erde Kronen:
Nichts ist Jenem gleich.
Ahmt die Sprach‘
Der Engel nach,
Die von Jesu selbst bekennen:
Er sei HErr zu nennen.

2.
Er hat eine Gnade,
Die vom tiefsten Grade
Zu dem höchsten schwingt;
Er liebt Seine Diener,
Die Er, als Versühner,
In den Himmel bringt;
Er ist Sohn,
Er hat den Thron;
Er läßt Sich von Niemand geben,
Er schenkt selbst das Leben.

3.
Liebt denn Seine Ehre,
Glaubt die Gnadenlehre,
Sagt von Seiner Macht;
Singt die weisen Werke,
Preist die Wunderstärke,
Rühmt des Reichthums Pracht!
Nehmet Theil
An Seinem Heil,
Jauchzt Ihm froh, doch unterthänig:
Jesu, Du bist König!

23. November. Abend-Andacht.

Die Zeit der Ernte ist kommen, denn die Ernte der Erde ist dürre worden. Offenb. 14,15.

Der Prophet Joel, welcher Kap. 3. von eben der großen Begebenheit geweissagt hat, welche Jes. 63. Dan. 11,45.. Zach. 14. und Offenb. 19. verkündiget worden ist, und den Durchbruch von der trübseligsten und gefährlichsten Zeit in eine heitere und gesegnete in sich faßt, sagt daselbst V. 16.17.18.: rottet euch und kommt her alle Heiden um und um, und versammelt euch; daselbst wird der HErr deine Starken darnieder legen. Die Heiden werden sich aufmachen und heraufkommen zum Thal Josaphat; denn daselbst will Ich sitzen zu richten alle Heiden um und um. Schlaget die Sichel an, denn die Ernte ist reif, kommet herab, denn die Kelter ist voll, und die Kelter läuft über; denn ihre Bosheit ist groß. Dieses Alles zielt auf die große Schlacht, deren Ps. 110,6. Meldung geschieht, und welche Zach. 14,3.12.13. Offenb. 19,11-21. beschrieben ist. Will man das Abschneiden mit der Sichel und das Pressen in der Kelter von einander unterscheiden, so kann man sagen, daß jenes einen unblutigen, dieses aber einen blutigen Tod der Feinde des HErrn andeute; wie denn auch beide Todesarten Zach. 14,12.13. angezeigt werden. Gleichwie nun Offenb. 14,8. der Fall Babylons, V. 9.10.11. aber das unselige Schicksal derer, die das Thier anbeten, in der Absicht auf ihren zustand in der Hölle angezeigt wird, also wird V. 15-20. das klägliche ende der Anbeter dieses Thiers in Ansehung des Ausgangs ihres irdischen Lebens vorher verkündigt, gleichwie überhaupt in der Offenb. Joh. und in allen Weissagungen oft das Ziel zuerst, und hernach erst der Weg zu diesem Ziel angezeigt wird. Es gibt also eine Ernte, welche reif sein wird, wenn die wunderbaren Führungen des Volkes durch die gefährlichsten Wege ein Ende haben werden, oder wenn das Zerstreuen des heiligen Volkes ein Ende haben wird, Dan. 12,6.7., oder wenn die Heiden von Harmageddon zum Thal Josaphat werden heraufgekommen sein, und Jerusalem, in welchem ein heiliges Volk wohnen wird, werden eingenommen haben, Zach. 14. Diese Zeit ist die Zeit der Ernte, von welcher Joel und Johannes reden. Eine andere Zeit der Ernte ist diejenige, von welcher Christus Matth. 13,30 redet, wo Er sagt: um der Ernte Zeit will Ich zu den Schnittern sagen: sammelt zuvor das Unkraut und bindet es in Bündlein; daß man es verbrenne; aber den Weizen sammelt Mir in Meine Scheuren. Die Zeit dieser Ernte, welche das Unkraut sowohl als den Weizen angeht, ist das Ende der Welt, wie Christus V. 39.40. anzeigt. wohl dem, der alsdann als ein guter Weizen erfunden wird! Was die Feinde Gottes anbelangt, so ist Gottes Langmuth über ihnen sehr groß. Er läßt sie reif werden. Nicht nur die Heiligen auf Erden, sondern auch diejenigen, die schon im Himmel sind, sagen: HErr, wie lange? Offenb. 6,10. Endlich aber kommt die Zeit der Ernte, und wenn sie kommt, so wird zur Ehre Gottes offenbar, daß sie nicht bälder und nicht später habe kommen sollen. Lasset uns mit dem Anwachs der Jahre als ein guter Weizen zur Aufnahme in die himmlische Scheuer reifen, und auf die Sammlung in die Scheuer Christi mit einer fröhlichen Hoffnung warten.

Mel.: Es ist gewißlich an der Zeit.

1.
Die Ernte reift nun stark genug,
Die Sichel anzuschlagen,
Und das, was gute Früchte trug,
Gesammelt einzutragen;
Der Engel hat sich schon gerüst’t,
Wenn die befohl’ne Stunde ist,
Des HErrn Wort zu erfüllen.

2.
HErr! Deine Kirche freuet sich
Auf diese Ernt‘ der Erden;
Es ist ihr gar nicht fürchterlich,
Schnell abgemäht zu werden,
Den Deinen ist kein Schnitt zu scharf,
Wer nur in Christo sterben darf,
Und dort bei Ihm auch leben.

3.
Dein Wort, HErr Jesu, hat an mir
Auch seine Kraft erwiesen;
Gott, mein Erlöser, sei dafür
In Ewigkeit gepriesen!
Ich glaube auch, ich liebe Dich,
Und in der Hoffnung leid‘ ich mich,
Und wünsche Dich zu schauen.

4.
O, daß nur Alles völliger
Nach Deinem Willen wäre!
Ach pflanz‘ mich selbst je mehr und mehr
Zu Deines Namens Ehre;
Verbeß’re, was noch mangelhaft,
Und gib mir immer neue Kraft
Zum Wachsthum in der Gnade!

5.
Laß mich in Dir gewurzelt sein,
Daß sich mein Glaube steife,
Und, bis die Stunde bricht herein,
Zur nahen Ernte reife.
Soll dann der Schnitt geschwind gescheh’n,
Laß nur den Engel an mir seh’n,
Daß ich Dir angehöre!

24. November. Morgen-Andacht.

Drei sind die da zeugen im Himmel, der Vater, das Wort und der Heilige Geist, und diese Drei sind Eins. 1 Joh. 5,7.

Wir lernen aus diesen Worten, wie nöthig und wichtig der Glaube an den HErrn Jesum sei, weil er sich auf das Zeugniß der drei göttlichen Personen gründet. Drei sind im Himmel, die da zeugen, der Vater, das Wort und der Heilige Geist. Der Vater hat gezeuget, da Er bei der Taufe Christi vom Himmel rief: dieß ist Mein lieber Sohn, an dem Ich Wohlgefallen habe, und da Er bei Seiner Verklärung auf dem Berg eben diese Worte wiederholte und dazu setzte: den sollt ihr hören. Er zeugte auch, da Er auf das Begehren Seines Sohnes: Vater, verkläre Deinen Namen, antwortete: ich habe ihn verklärt und will ihn abermals verklären, und Sich dadurch abermals als den Vater unser HErrn Jesu Christi offenbarte. Er hat auch thätlich gezeugt, da Er Ihn von den Todten auferweckte, und durch eine Himmelfahrt, die zum Theil sichtbar war, zu Seiner Rechten erhöhete. Das Wort hat gezeugt, da es in der angenommenen Menschheit auf Erden, und da es mit Paulus und Andern vom Himmel redete; und der Heilige Geist hat gezeugt, da Er bei der Taufe Jesu in der Gestalt einer Taube herabkam, und über Ihm blieb, und da Er mit sichtbaren Zeichen über die Apostel kam, und hernach auch über Andere so ausgegossen wurde, daß man Seine Zukunft aus deutlichen Merkmalen alsbald erkennen konnte. Was zeugen aber diese drei göttlichen Zeugen? Das ist ihr Zeugniß, daß uns Gott das ewige Leben hat gegeben, und solches Leben ist in Seinem Sohn, V.11. Ist Jesus der Sohn Gottes, so ist das ewige Leben in Ihm und zwar nicht nur, daß Er’s selber hat, sondern auch, daß wir dasselbe in Ihm haben sollen. Wer also das ewige Leben anderswo als in Jesu sucht, wer es in seinen eigenen Werken und Leiden, oder in der Gunst heiliger Menschen sucht, widerspricht dem Zeugniß der ganzen heiligen Dreieinigkeit, und leugnet, daß Jesus der Sohn Gottes sei. Wer auf diese Weise Gott nicht glaubet, der macht Ihn zum Lügner, denn er glaubt nicht dem Zeugniß, das Gott zeugt von Seinem Sohn, V. 10. Ist der Vater in der heiligen Dreieinigkeit der Vater unsers HErrn Jesu Christi, so liebt Er die von Seinem Sohn erlösten Menschen nicht anders als um Seines Sohnes willen, an dem Er Wohlgefallen hat. Ist Jesus das Wort, das im Anfang war, und bei Gott und selber Gott war, so ist Er wahrhaftig der Erlöser der Menschen, ja Er ist als wahrhaftiger Gott das ewige Leben, V. 20. Wer Ihn hat, der hat das Leben, V. 12. Ist der Geist, der bei der Taufe Jesu erschien, und über die Apostel und Andere ausgegossen wurde, der Heilige Geist, so ist Jesus der Messias oder Gesalbte des HErrn, der den Heiligen Geist und mit demselben das ewige Leben gibt, und von demselben in den Herzen der Glaubigen verkläret wird. Diese Drei sind Eins auf eine unbegreifliche Weise. Es ist Ein Gott und Ein göttlicher Name, auf den wir getauft werden. Der Dreieinige Gott, der Sich als Vater, als Wort und als der Heilige Geist geoffenbart hat, lasse uns Seine Liebe, Gnade und Gemeinschaft ewiglich genießen: ja der Vater lasse uns durch die Wirkung Seines Geistes ewiges Leben in Seinem Sohn haben.

Mel.: Wer nur den lieben Gott etc.

1.
Wir bücken uns vor Deinem Stuhle,
HErr, Gott, Du Vater, Sohn und Geist;
Du selbst lehrst in des Geistes Schule,
Wie Du mit Deinem Namen heißst;
Uns muß ja unbegreiflich sein,
Was Niemand weiß, als Gott allein.

2.
Doch ist unser ewig’s Leben,
Dich kennen, daß Du Vater bist,
Und Dir in Jesu Ehre geben,
Daß er von Dir gesendet ist,
Und daß der Vater und der Sohn
Den Geist uns senden von dem Thron.

3.
Gott zeugt von Sich, und das ist Gnade,
Daß nun der Mensch den Namen trägt,
Den Gott schon bei dem Wasserbade
Auf neugeborne Kinder legt;
Was hier der Glaube sagen kann,
Ist dieß allein: wir beten an.

4.
Wir danken Dir für Dein Erwählen,
Wodurch dieß Zeugniß uns erfreut.
HErr, weihe Dir doch uns’re Seelen
Zum Tempel der Dreieinigkeit;
Schreib‘ Deinen Namen Dir zum Ruhm
Auch dort auf uns im Heiligthum.

24. November. Abend-Andacht.

Den Frieden lasse Ich euch, Meinen Frieden gebe Ich euch. Joh. 14,27.

Der Friede, von welchem der Heiland hier redet, ist der Unruhe und der Furcht entgegen gesetzt, in welche die Apostel wegen des Hingangs Jesu versinken wollten; wie Er denn Joh. 14,1. zu ihnen sagte: euer Herz werde nicht beunruhigt noch furchtsam, glaubet an Gott, und an Mich glaubet. Wenn ein Mensch durch den Glauben Gnade gefunden hat, oder gerechtfertigt worden ist, so hat er schon Frieden in Ansehung Gottes, wie Paulus Röm. 5,1. lehret, und wenn er sein Verhältniß gegen Gott allein betrachtet, so darf und kann er versichert sein, daß er vom Zorn Gottes und vom Fluch des göttlichen Gesetzes keine Gefahr habe. Wenn aber Umstände, die gefährlich scheinen, dazu kommen, wenn Gott etwas thut, das dem Menschen ganz unerwartet ist, und seiner menschlichen Einsicht und Willkür gerade entgegen steht, so kann sein Herz unruhig und kleinmüthig, und seine Seele, wie Jeremias Klagl. 3,17. redet, aus dem Frieden vertrieben werden. Hier ist nun eine Stärkung des Glaubens nöthig, denn daß der Friede aus dem Glauben entstehe, hat der Heiland dadurch angezeigt, daß Er zu dem Verbot, nicht unruhig und furchtsam zu sein, hinzu setzte: glaubet an Gott, und an Mich glaubet. Er stärkte auch den Glauben Seiner Apostel durch einen freundlichen und kräftigen Zuspruch, dessen Zweck dieser war, daß Er zu ihnen sagen konnte: den Frieden lasse Ich euch, Meinen Frieden gebe Ich euch, und Joh. 16,33.: solches habe Ich zu euch geredet, daß ihr in Mir Frieden habet. Er wollte von ihnen scheiden, ließ ihnen aber den Frieden. Er entzog ihnen Seine sichtbare Gegenwart, gab ihnen aber Seinen Frieden, nämlich den Frieden, den Er selbst in Sich hatte; denn ob Ihm schon ein unbegreiflich schweres Leiden und ein schmählicher Tod bevorstand, so behauptete Er doch einen vollkommenen Glauben, und mit demselben einen unverrückten innerlichen Frieden in Sich selber. Auch am Oelberg und am Kreuz behauptete Er diesen Glauben und diesen Frieden, ob Er wohl damit in den allerschwersten Kampf hineingerieth. Es sahe dabei in Seinem Herzen immer so aus, wie Ps. 22.69.109. und Jes. 50,5-9. geschrieben steht. Diesen Seinen Frieden gab nun der Heiland auch Seinen Aposteln, und will ihn auch uns geben, gleichwie Er uns auch Seine Freude geben will, Joh. 15,11. Er will uns nämlich durch die Mittheilung Seines Geistes und durch die kraft Seines Wortes stärken, daß wir in den verwirrtesten und schwersten Umständen getrost und ruhig bleiben, und uns schon des guten Ausgangs freuen. Doch heißt dieser Friede auch deßwegen Sein Friede, weil er auf die von Ihm ausgerichtete Erlösung, durch welche alle Verheißungen Gottes in Ansehung unser Ja und Amen worden sind, gegründet ist, und weil man denselben hat, wenn man durch den Glauben in Ihm ist. HErr Jesu, mehre unsern Glauben, und gib uns Deinen Frieden!

Mel.: Alles ist an Gottes Segen.

1.
Jesu! du bist unser Friede,
Der zu Deinem Krippenliede
Schon den Text den Engeln gab;
Und noch eh‘ Du abgeschieden,
Ließst Du Deinen Jüngern Frieden,
Und bracht’st Frieden aus dem Grab;

2.
Friede für versühnte Sünder,
Friede für die Gotteskinder,
Friede über die Vernunft,
Friede mitten in dem Kriege,
Friede bis zum vollen Siege
In des Heilands Wiederkunft!

3.
Wenn die Knechte ihrer Sünden
Nirgends keinen Frieden finden,
Findet ihn der Glaube doch;
Der sucht Gnade, der find’t Frieden,
Also geht er ohn‘ Ermüden
Unter Christi sanftem Joch.

4.
Treuer Heiland! laß mich diesen
Im Gewissen auch genießen;
Gibst Du den, so laß ihn mir;
Will mich Welt und Satan schrecken,
und die Sünde Angst erwecken,
Such‘ ich diesen nur bei Dir.

5.
Deinen Frieden laß mich trösten,
Daß Du endlich die Erlösten
Lässest nach der Arbeit ruhn;
Werd‘ ich einst hier weggenommen,
Laß mich dort zum Frieden kommen,
O wie sanft wird solches thun!

25. November. Morgen-Andacht.

Hie ist Geduld der Heiligen. Hie sind, die da halten die Gebote Gottes und den Glauben an Jesum. Offenb. 14,12.

Diese Worte gehen uns und unsere nächsten Nachkommen vorzüglich an, denn sie stehen mitten inne zwischen der Beschreibung des ersten und andern Thiers, welche K. 13. enthalten ist, und zwischen der Weissagung von den sieben letzten Zornschalen, wodurch das antichristische Unwesen gedämpft werden soll. Hier ist also Geduld der Heiligen wohl angelegt. Zu allen Zeiten ist Geduld nöthig, daß man den Willen Gottes thue und die Verheißung empfahe; aber eine besonders böse Zeit, dergleichen eine die unsere ist und die nächstfolgende sein wird, erfordert bei den Heiligen eine besondere Geduld. Mit Geduld müssen sie zusehen, daß Babel und die ganze Christenheit, welche sie gemeinschaftlich gern heilen wollten, sich nicht heilen lassen wolle. mit Geduld müssen sie wahrnehmen, daß viele gutgemeinte politische und kirchliche Anschläge zu bloßen guten Wünschen werden, die sich nicht ausführen lassen. Mit Geduld müssen sie zusehen, wie die besten Anstalten in Verfall gerathen, und Gott selber abbreche, was Er gebauet hat, und ausrotte, was Er gepflanzt hat. Mit Geduld müssen sie den Abfall und nach demselben die kräftigen Irrthümer wahrnehmen, von denen Paulus 2 Thess. 2. geweissagt hat, ohne daß sie jenem steuern und diese zurücktreiben könnten, weil der Zorn Gottes solches nicht zuläßt. Mit Geduld müssen sie endlich den großen Grimm des Teufels, und den Zorn der Nationen wider das Reich Christi, und die antichristische Verfolgung, welche Kap. 13. verkündigt ist, mit einander leiden, dann ein jeder so viel davon erdulden muß, als Gott über ihn verhängt. Hier ist also Geduld der Heiligen; aber diese Geduld soll kein sündliche Nachgeben, und keine Gemeinschaft mit dem eitlen Sinn und Wandel nach sich ziehen; denn ob man schon dem Land nicht helfen kann, Jes. 26,18., so sollen doch die Heiligen für sich selbst Gottes Gebote halten; denn der Unterschied zwischen den Heiligen und der antichristischen Welt betrifft nicht nur Meinungen und willkürliche Gebräuche, sondern die Gebote Gottes von der Verleugnung seiner selbst, von der Demuth, Sanftmuth, Nüchternheit, Keuschheit, und überhaupt alle Seine Gebote halten, aber daneben auch den Glauben an Jesum. Ehe ein Mensch die Gottheit Jesu und die von Ihm vollbrachte Versöhnung der Welt leugnet, hat er sich schon gröblich wider die Gebote Gottes versündiget. Wer Arges thut, hasset Jesum als das Licht, und verleugnet Ihn. Wer aber die Wahrheit thut und die Gebote Gottes hält, glaubt an Jesum, obschon Vieles an Ihm unbegreiflich und unergründlich ist. Wohl dem, der unter der Menge der Widerchristen den Glauben Jesu, nämlich den Glauben, den Jesus selbst gepredigt hat, hat und bewahrt, und der im Glauben an Ihn als Gott-Menschen und Erlöser ist und bleibet. Je mehr Unglaube in der Welt ist, desto werther ist der Glaube der Auserwählten vor den Augen Gottes. Man erwäge auch noch in der Anwendung auf unsere Zeit, was Dan. 12,10. steht.

Mel.: Nun laßt uns Gott dem etc.

1.
Wir danken Gottes Treue,
Der eine heil’ge Scheue
Vor Hure, Thier und Drachen
Uns durch Sein Wort will machen.

2.
So kann Er in Gefahren
Den Glauben uns bewahren,
Der Jesum frei bekenne
Und sich von Ihm nicht trenne;

3.
Daß er aus Christi Reich
Nicht durch Versuchung weiche,
Und nach der Kreuzesprobe
Sein Heil im Himmel lobe.

4.
Weh‘ dem, der mitgeloffen
Und Babels Wein gesoffen,
Daß er im Rausch hinrennet,
Wo ew’ger Schwefel brennet!

5.
HErr, laß uns nicht berauben;
HErr, stärke uns den Glauben,
Der in Geduld sich übe
Und Dein Erscheinen liebe!

6.
HErr, der Du überwunden,
Hilf in Versuchungsstunden,
Daß wir stets Gnade finden
Und in Dir überwinden.

7.
So ist kein Kampf vergebens;
Wir steh’n im Buch des Lebens;
Das Heil, das Du erwiesen,
Wird ewiglich gepriesen!

25. November. Abend-Andacht.

Sehet zu, wachet und betet, denn ihr wisset nicht, wann es Zeit ist. Mark. 13,33.

Die Menschen sind begierig, Vieles zu wissen, und meinen, nur dasjenige, was sie wissen, trage etwas zu ihrer Besserung aus: hier lehrt uns aber Christus, daß auch das Nichtwissen einen guten Antrieb zum Wachen und Beten geben soll. Sehet zu, sagt Er, wachet und betet, denn ihr wisset nicht, wann es Zeit ist, daß nämlich der HErr komme. Indem Er aber hier und anderswo befiehlt, wir sollen wachen, so setzt Er voraus, daß der Spruch an uns erfüllt sei: wache auf, der du schläfest, und stehe auf von den Todten, so wird dich Christus erleuchten, Eph. 5,14.: denn wer noch nie aufgewacht wäre und kein Licht von Christo empfangen hätte, könnte nicht wachen. Ist man aber aufgewacht und von Christo erleuchtet, so kann man an den zwei Geboten: wachet und betet, bis an sein Ende genug haben, wie denn das ganze rechtschaffene Verhalten eines begnadigten Christen in diese zwei Punkte eingeschlossen ist. Wer bei dem Schein des göttlichen Lichts wacht, kann von der Sünde nicht betrogen und überwältigt werden, weil er sie alsbald als etwas Greuliches, als ein tödtendes Gift, als einen schädlichen Feind ansieht: hingegen wird derjenige, der schlummert und die Finsterniß in seiner Seele anbrechen läßt, von der Sünde leicht hingerissen, weil er ihre wahre Gestalt nicht ansieht, sondern nur ihre Annehmlichkeit, welche sie für das Fleisch hat, empfindet, und deßwegen gern mit seiner blinden Vernunft eine Rechtfertigung für sie aussinnt, nach welcher sie erlaubt oder gar nothwendig sei. Sehet also zu, sagt der Heiland, wachet , thut eure Augen auf, besinnt euch, seid bei euch selber, und gebt auf Mein Wort und auf die Zucht Meines Geistes Achtung. Betet aber auch, denn ihr habt über die empfangene Gnade noch mehr Gnade, über das erlangte Licht noch mehr Licht, über die mitgetheilte Kraft noch mehr Kraft nöthig. Ihr bedürfet Trost, Unterweisung und Hülfe in vielen Fällen. Ihr habt den Tod und die Zukunft eures HErrn vor euch. Betet also, daß ihr bis dahin überwindet, euer Tagwerk wohl ausrichtet, und von Ihm das Zeugniß bekommt, daß ihr fromme, treue und kluge Knechte und Mägde gewesen seid. Ihr wisset nicht, wann die Zeit ist, da euer HErr kommt. Fällt Seine herrliche Zukunft nicht in eure Lebenszeit, so kommt Er doch euch, wenn Er euch von der Welt abfordert und ihr wisset auch nicht, wann dieses geschehen werde. Alsdann wird aber euer ewiges Glück und Unglück schon einen großen Ausschlag gewinnen und die Saatzeit zu Ende gegangen sein. So wachet also und betet in der noch übrigen kurzen Zeit eurer Wallfahrt, und lasset euch den Schlaf, welcher immer mit der Trägheit zum Gebet verbunden ist, nicht erst gegen das Ende derselben überfallen.

Lasset uns diese Ermahnung Jesu zu Herzen nehmen, auch am Abend dieses Tages alle unsere Geisteskräfte rege werden lassen, und den HErrn noch im Geist und in der Wahrheit anbeten, ja im Namen Seines Sohnes Jesu Christi um Vergebung der Sünden, um Fortsetzung Seines Gnadenwerkes in uns, und um die Bewahrung vor allem Uebel bitten.

Mel.: Gottlob, ein Schritt zur Ewigkeit.

1.
Der HErr befiehlt die Wachsamkeit
Und das Gebet den Seinen;
Wir wissen nicht, in welcher Zeit
Er herrlich wird erscheinen;
Wer Abends und zu Mitternacht,
Beim Hahnenschrei und Morgens wacht,
Der wird bereit erfunden.

2.
HErr! schärf‘ mir Deine Worte ein
Und lehr‘ mich wachsam beten,
Auf Deinen Tag geschickt zu sein,
Da man vor Dich soll treten;
Weck‘ selbst mich, wenn ich schläfrig bin;
Es gehe keine Stunde hin,
Daß ich nicht auf Dich warte.

3.
Daß Du uns kommst, das ist gewiß,
Wann Du kommst, ist verborgen;
Doch eines Knechtes Pflicht ist dieß,
Für den Empfang zu sorgen;
Denn Du bist HErr, und kommst in Kraft,
Und forderst die zur Rechenschaft,
Die Du als schlafend findest.

4.
Es wirke selbst Dein Geist in mir
Ein unabläßig Flehen,
Damit ich würdig sei, vor Dir
Zu aller Zeit zu stehen;
Und schwächt die Sünde mir den Muth,
Laß mich in Deinem Lammesblut
Die Kleider täglich waschen.

5.
So wird mein Tod mir nie zu früh
Noch unversehens kommen;
Ich sage stets: HErr! ich bin hie;
Hast Du mich angenommen,
Nimm mich auch ewig zu Dir ein;
Das soll mein letztes Beten sein:
Nimm mich zu Dir, HErr Jesu!

26. November. Morgen-Andacht.

Jesus Christus ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben. 1 Joh. 5,20.

Jesus Christus hat auch im Stand der Erniedrigung geredet als Derjenige, der selber Gott ist. Er hat versprochen, was nur Gott versprechen kann, nämlich das ewige Leben; Er hat geboten, was nur Gott gebieten kann, nämlich daß man zu Ihm kommen und an Ihn glauben soll, um das ewige Leben zu erlangen. Nachdem Er gen Himmel gefahren ist, sitzt Er zur Rechten des Vaters auf dem allerhöchsten göttlichen Thron, und ist so hoch erhaben wie der Vater. Wir wissen auch aus der Offenbarung Johannis, daß er mit eben den Worten und mit eben der Ehrerbietung von den Engeln und verklärten Menschen gepriesen werde, mit welchen der Vater gepriesen wird. Er war auch als das wesentliche Wort ehe Abraham war, im Anfang der Welt, ja ehe die Welt war. Er war bei Gott und selber Gott. Der göttliche Geist, der Geist des Vaters, ist auch Sein Geist: Er sendet und gibt ihn. Vor Ihm sollen sich alle Kniee beugen, Ihn sollen alle Geschöpfe anbeten, und dieser Verehrung und Anbetung sind nirgends Schranken gesetzt. Alle Seine Worte, in welchen Er von Sich selbst als Demjenigen redete, der Seines Vaters Gebote halte und Seinen eigenen Willen nicht thue, und sogar sagte, der Vater sei größer als Er, beziehen sich auf Seine damals tief erniedrigte menschliche Natur, und dürfen andern Aussprüchen, in welchen Er sagte, Er und der Vater sei Eins, und man solle Ihn ehren, wie man den Vater ehre, und was er den Vater thun sehe, thue Er gleichermaßen, nicht entgegen gesetzt werden.

Paulus nennt Ihn Röm. 9,5. Gott über Alles, gelobet in Ewigkeit, und Johannes 1 Joh. 5,20. den wahrhaftigen Gott und das ewige leben. Durch das Wort wahrhaftig zeigt er an, daß der Name Gott hier die allerhöchste und eigentliche Bedeutung habe. Engel und Regenten werden in der heiligen Schrift Götter genannt, aber keiner unter ihnen ist der wahrhaftige Gott. Dieser Name bezieht sich bei ihnen nur auf die Gewalt, die sie haben, nicht aber auf ihre Natur oder ihr Wesen, Jesus Christus aber ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben. Es war dem Johannes nicht genug, Ihn den Ewigen und Lebendigen zu nennen, sondern er nannte Ihn das ewige Leben, und hatte dabei die Absicht, uns zu belehren, wie und wo wir das ewige Leben finden können, wie er denn V. 11.12.13. sagt: das ist das Zeugniß Gottes, daß uns Gott das ewige Leben hat gegeben, und solches Leben ist in Seinem Sohn. Wer den Sohn Gottes hat, der hat das Leben, wer den Sohn Gottes nicht hat, der hat das Leben nicht. Solches habe ich euch geschrieben, die ihr glaubet an den Namen des Sohnes Gottes, auf daß ihr wisset, daß ihr das ewige Leben habt, und daß ihr glaubet an den Namen des Sohnes Gottes. Christus ist also das ewige Leben für diejenigen, die an Ihn glauben. Johannes will, daß die Glaubigen solches wissen, damit sie ihres guten Looses gewiß seien, und außer Jesu das ewige Leben nirgends suchen. Ein Mensch bedarf nur Seiner, um ewig zu leben. HErr Jesu, hilf mir dazu, daß ich täglich und insonderheit vor meinem Abscheiden den Schluß machen könne: ich habe Dich, und deßwegen habe ich das ewige Leben.

Mel.: Jesus, meine Zuversicht.

1.
Jesus Christus, Gottes Sohn,
Von dem Vater selbst gezeuget,
Ist ein Lied im Himmelston,
Das die Erde übersteiget;
Nur der glaube, der ihn kann,
Stimmt ihn schwach, doch mächtig an.

2.
Wahrer Gott und wahrer Sohn,
Seinem Vater gleich am Wesen,
Gleich an Liebe, Lob und Thron,
Dem man nichts kann Gleiches lesen;
Doch der Vater zeugt es so,
Und der Glaube singt es froh.

3.
Gottes Sohn, und Gottes Lamm,
Von der Liebe selbst geschlachtet,
Noch im Fleisch am Kreuzesstamm
Von Gott selbst als Sohn geachtet,
Jetzt lebendig und erhöht,
Ehrt man Seine Majestät.

4.
Wär‘ nicht Er zum Heil gesetzt,
O wie könnt‘ ein Sünder leben?
Aber in dem Sohn ist jetzt
Uns der Himmel selbst gegeben.
Ewig sing‘ ich vor dem Thron:
Jesus Christus, Gottes Sohn!

26. November. Abend-Andacht.

Die Apostel sprachen zu dem HErrn: stärke uns den Glauben. Luk. 17,5.

Wie hat denn der HErr Jesus damals Seiner Apostel Glauben gestärkt? Erstlich hat Er ihnen das große Privilegium vorgehalten, welches der Glaube habe, wenn er auch einem kleinen Senfkorn ähnlich sei. Wenn ihr Glauben habt, sagt Er, als ein Senfkorn, so werdet ihr sagen zu diesem Maulbeerbaum: reiß dich aus und versetze dich in’s Meer; so wird er euch gehorsam sein, wenn es nämlich zur Verherrlichung Gottes nöthig ist. Hernach warnte Er sie, daß sie nicht mit Werken umgehen, und mit Gott nach einer stolzen Lohnsucht handeln sollen. Ihr seid, sagt Er, den leibeigenen Knechten gleich, denen ihr Herr, wenn sie Alles gethan haben, weder Dank noch Lohn schuldig ist, und die sich selber unnütz sind, weil sie nichts erwerben. lasset also Alles auf die Güte eures HErrn ankommen, und habet das große Vertrauen zu Ihm, daß Er euch mehr geben werde, als ihr in der Thorheit meinen könntet verdient zu haben. Diese Lehre dient in allweg zur Stärkung des Glaubens, denn nichts hindert sein Wachsthum mehr als die Einbildung von einem Verdienst der Werke. Meint der Mensch, sich eine Zeit lang wohl gehalten zu haben, so erwartet er, daß ihm Gott aus Pflicht viel gebe: aber diese Erwartung ist nicht der Glaube, auf den Gottes Augen sehen. Mißlingen ihm aber seine Werke und wird er wegen vieler Mißtritte bestraft, so ist er verzagt. Auf diese Weise wird der Mensch wie ein Schiff auf dem Meer bald in die Höhe gehoben und bald in die Tiefe geführt, und hat keine Glaubensfestigkeit in sich selber, bis er ohne Lohnsucht sich lediglich der Gnade und Güte des HErrn überläßt.

Ein anderesmal hat der Heiland den Glauben Seiner Jünger durch das heilige Abendmahl gestärkt, ein andersmal durch viele freundliche Tröstungen, Verheißungen und Lehren, mit denen Er so lange angehalten, bis Er Joh. 16,31. sagen können: jetzt glaubet ihr. Nach Seiner Auferstehung hat er ihren Glauben dadurch gestärkt, daß er ihnen die Schrift, ja das Verständniß öffnete, wobei aber eine heilsame Bestrafung wegen des Unglaubens vorherging. Am allermeisten wurde ihr Glaube in kurzer Zeit gestärkt, da der Heilige Geist am Pfingsttag über sie ausgegossen wurde.

Die Bitte: HErr, stärke uns den Glauben, ist zu allen Zeiten sehr nöthig, denn der Glaube ist die einzige kraft einer wiedergebornen Seele, womit sie sich zu Gott hinneigt, aus der Fülle Jesu Gnade um Gnade empfängt, die Welt überwindet, durch die Liebe thätig ist, und der Seelen Seligkeit erreicht. Die Stärkung des Glaubens ist aber ein Werk Gottes. Niemand kann auch hierin seiner Länge eine Elle zusetzen, ob er schon darum sorget. Wenn aber Gott den Glauben stärkt, so bekommt die Seele nicht ohne Bestrafung und Zermalmung mehr Licht und mehr Kraft, und hat von dieser Stärkung den Vortheil, daß sie den Frieden Gottes besser behaupten, und im Dienst Gottes heiterer, munterer und thätiger sein kann. Die Seele bekommt durch die Stärkung des Glaubens eine Festigkeit, bei welcher sie nicht mehr wie ein Rohr durch alle Anfälle umgetrieben wird, sondern diesen Anfällen besser widerstehen und ihren Gang gleichförmiger fortsetzen kann. Auch an diesem Abend bitten wir Dich, lieber HErr: stärke uns den Glauben!

Mel.: HErr Jesu, Gnadensonne.

1.
HErr! stärke mir den Glauben,
Er ist ein Werk von Dir:
So kann kein Feind mir rauben,
Was Du selbst schaffst in mir;
bis an die Todespforte
Halt‘ ich Dir Deine Worte,
Die theuren Worte für.

2.
Wenn ich bei meinem Fehlen
Mich fast zu glauben scheu‘,
Mach‘ mir in meiner Seelen
Die Glaubensgründe neu,
Des Geistes Gnadentriebe,
Des Sohnes blut’ge Liebe,
Des Vaters ew’ge Treu.

3.
Im Beten lehr‘ mich trauen,
Daß Du so gnädig bist;
Im Wandel laß mir grauen,
Was nicht aus Glauben ist;
Und stell‘ mich dar im Kämpfen,
Des Bös’wichts Pfeil zu dämpfen,
Mit Glauben ausgerüst’t.

4.
Wenn ich auch oft nichts fühle
Von froher Zuversicht,
Entzieh‘ nur bis zum Ziele
Mir Deine Gnade nicht;
Gib mir doch ein Verlangen,
An dem noch fest zu hangen,
Was mir Dein Wort verspricht.

5.
Gib, daß auch in dem Sterben
Mein Glaube Kräfte hat;
Alsdann mach‘ mich zum Erben
In Deiner Gottesstadt.
Hier müssen wir nur dürsten:
Bei Dir, dem Lebensfürsten,
Wird man im Schauen satt!

27. November. Morgen-Andacht.

Wenn aber der Tröster kommen wird, welchen Ich euch senden werde vom Vater, den Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht, der wird zeugen von Mir. Joh. 15,26.

Eine jede Partei unter den Christen rühmt sich des Heiligen Geistes; Johannes aber schrieb schon zu seiner Zeit 1 Joh. 4,1.: ihr Lieben, glaubet nicht einem jeglichen Geist, sondern prüfet die Geister, ob sie aus Gott sind. Woran kann man aber den Heiligen Geist als den Geist der Wahrheit erkennen? Daran, daß Er von Jesu zeuget. Seine erleuchtende Kraft, Sein Trieb, Sein Trost und Seine Gaben, wenn es auch Wundergaben wären, zielen darauf, daß der HErr Jesus verherrlicht werde, und die Menschen zum Glauben an Ihn gebracht und darin befestigt werden. Wenn ein Geist die Menschen, die doch Sünder und eines Heilands höchst bedürftig sind, in’s weite Feld führen, ihnen die Tiefen der Gottheit erklären, die Geisterwelt nach dem Abriß, den die Einbildung davon machen kann, zeigen, die innerliche Beschaffenheit erschaffener Dinge auslegen, aber keinen Jesum vor die Augen malen und doch zur Seligkeit weise machen will: so ist es nicht der Geist der Wahrheit. Wenn er aber auch Christum nennt, aber einen andern Christum schildert, als derjenige ist, den die Apostel und Propheten gepredigt haben, so ist er ebenfalls ein falscher Geist und nicht der Geist der Wahrheit.

Der Geist der Wahrheit, oder der wahrhaftige Heilige Geist, welcher nichts als Wahrheit lehret, ist ein Tröster oder Beistand der Glaubigen, und lehret sie, was sie beten, reden und thun sollen. Sie dürfen also nicht nach ihrem eigenen Willen und Gutdünken leben, sondern müssen diesem Tröster unterthan sein und sich von Ihm lehren und leiten lassen. O aber ein seliger Zustand, wenn man sich von diesem göttlichen Geist regieren läßt! Vor wie vielen beschämenden Ausschweifungen und wehthuenden Verstößen wird man durch Ihn bewahrt! Seine Leitung ist mit Licht und Kraft verbunden, und indem Er von Jesu zeuget, so bringt Er die Seele zur wahren Ruhe und erhält sie darin. Er geht vom Vater aus, weil Er der Geist des Vaters ist, Er geht aber auch von dem Sohn aus, wie das Wasser von einem Brunnen, Joh. 7,38. Welch‘ eine Gnade ist es, daß uns der Vater Seinen Geist zum Beistand geben und der HErr Jesus eben denjenigen Geist mittheilen will, mit welchem Er selbst ohne Maßen gesalbt worden ist! Wir werden also durch den Heiligen Geist mit dem Vater und Sohn vereinigt, aber auch mit allen Gliedern am Leib Christi, sie mögen im Himmel oder auf Erden sein, verbunden, weil Ein Geist in Allen ist. HErr Jesu, ohne deinen Geist sind wir Menschen finster, todt, trocken und zu allem Guten untüchtig. Sende Ihn auch in unsern Tagen zu uns und vielen Andern. Die Menschen sind immer bemüht, sich und Andere zu bessern und lassen es an Gesetzen, Anstalten und mündlichen und schriftlichen Unterweisungen nicht fehlen. Nur fehlt gemeiniglich noch Eins, nämlich die Sendung des Geistes der Wahrheit, welcher allein die Todtenbeine lebendig, Ezech. 37., und die dürren Wüsteneien fruchtbar machen kann, Jes. 44. So gib denn diesen gnädigen Regen, und lasse durch denselben die Bemühungen Deiner Knechte gesegnet, und ihre Wünsche erfüllt werden!

Mel.: HErr Jesu Christ, mein’s Lebens etc.

1.
Der Geist des HErrn ist HErr, wie Er,
Nicht minder Gott, und auch nicht mehr,
Von gleichem Wesen, Ehr‘ und Macht,
Ein gleiches Licht in gleicher Pracht.

2.
Er ging von Ewigkeiten schon
Vom Vater aus und von dem Sohn,
Der Sohn und Vater senden Ihn;
Des Glaubens Leben liegt hierin.

3.
Wer Gottes Leben nicht versteht,
Weiß auch nicht, wie Sein Athem geht;
Nur Gott macht durch des Sohnes Mund
Uns diese theure Wahrheit kund.

4.
Hierauf ist meine Tauf‘ gegründ’t:
Er zeugt mir, ich sei Gottes Kind;
Der Vater gibt das Pfand mit Ihm,
Daß ich mich Gottes Erben rühm‘.

5.
Gott will mein Gott im Sohne sein,
Der Sohn ist durch den Geist auch mein;
Denn ohne Zuthun unsers Thuns
Verkläret Er den Sohn in uns.

6.
O Geist des HErrn, verkläre Dich
Auch selbst in mir, so glaub‘ ich Dich,
Und von Dir selbst auch zubereit’t,
Geb‘ ich Dir dort die Herrlichkeit!

27. November. Abend-Andacht.

Der Gottlose besteht nicht in seinem Unglück, aber der Gerechte ist auch in seinem Tode getrost. Sprüchw. Sal. 14,32.

Wenn es mit dem Unglück bei einem Menschen auf’s Aeußerste kommt, so tödtet es ihn: wenn er nun auch in seinem Tode getrost sein kann, so kann er auch in einem jeden andern Unglück bestehen. Salomo sagt aber, daß dieses nur von einem Gerechten erwartet werden könne, weil der Gottlose in seinem Unglück nicht besteht und noch weniger im Tode getrost sein könne. Er redet hier, wie der Gegensatz zwischen dem Nichtbestehen und Getrostsein anzeigt, nicht von den äußerlichen Umständen, denn nach denselben geht es oft den Gerechten wie den Gottlosen. Das Feuer verzehrt jenen ihre Häuser wie diesen; der Hagel schlägt des einen Feldfrüchte darnieder, wie die Feldfrüchte des andern. Der eine kann so arm werden als der andere, und der Tod macht dem natürlichen Leben, bei dem einen wie bei dem andern, unter empfindlichen Schmerzen ein Ende; der Gottlose besteht aber in diesem Unglück nicht, das ist, er kann nicht getrost sein, der Gerechte aber besteht und ist getrost. Es haben sich zwar schon viele Gottlose in ihren Seelen gegen das Unglück und den Tod selber gesteift, wie Agag der Amalekiter König: allein die ganze Kunst dieser Leute besteht darin, daß sie dumm sind, oder wenn sie es nicht sind, ihre Seelen-Augen von ihrem Unglück und von dem Tod selbst, wenn er über sie kommt, wegwenden, und dasjenige, was über sie verhängt ist, nicht, wie es einem weisen Mann zusteht, ansehen und betrachten, da sie dann in beiden Fällen unempfindlich sein können. Daß sie verzagt seien, zeigen sie dadurch, daß sie den ruhigen und bedächtlichen Anblick ihres Schicksals nicht ertragen können. Sie zerstreuen sich, sie leiden und sterben im Unverstand. Gleichwie nun die Erkenntniß Empfindungen erweckt, also macht der Unverstand unempfindlich, und diese Unempfindlichkeit däucht manche rühmlich zu sein, da sie doch an den zustand unvernünftiger Thiere grenzt. Was hilft aber diese Unempfindlichkeit einem Gottlosen? Er besteht doch nicht in seinem Unglück. Er hat weder Trost noch Hoffnung in sich und ringt heimlich mit der Verzweiflung. Das Unglück zerstört ihm sein Liebstes und Bestes, nämlich die guten Tage, die er für sein Fleisch zu haben wünscht. Der Tod ist ihm insonderheit so fürchterlich und schädlich, daß er ihn nicht ansehen mag, er muß ihn aber doch leiden und fühlen, und zugleich inne werden, daß sein Zustand durch denselben sehr verschlimmert werde und seine überbleibende Seele in einen finstern Kerker und peinlichen Zustand gerathe. Der Gerechte aber ist auch in seinem Tode, zu geschweigen in andern Unglücksfällen, getrost. Er überdenkt zwar Alles und fühlt Alles. Er empfindet, daß das Sterben etwas Widernatürliches sei, und ein jedes Unglück wehe thue: sein Herz aber hoffet auf den HErrn, der das Unglück schickt, mäßiget und segnet, und das Sterben zu einem Gewinn macht. Er nimmt sein Zuflucht zu dem Heiland der Sünder und zu Seinem Gnadenthron, und so empfängt er Barmherzigkeit und findet Gnade auf die Zeit, da ihm Hülfe noth ist.

Mel.: Ruhet wohl, ihr Todtenbeine.

1.
Es bleibt Wahrheit: der Gerechte
Ist auch in dem Tod getrost.
O, wie zagen Sündenknechte,
Wenn ein Unglück auf sie stoßt!
Wohl dem, wen in Jesu Wunden
Gott selbst als gerecht erfunden!

2.
Der kann ohne Angst entschlafen,
Und wird wachen ohne Pein;
Denn er fällt nicht in die Strafen,
Er geht nur zum Leben ein,
Und er kommt in seine Kammer
Nicht in Fesseln, noch zum Jammer.

3.
Er hat Gnade: das ist Freude;
Er kennt Jesum: das ist Ruhm;
Und im hellgewasch’nen Kleide
Hat er Recht zum Priesterthum,
Wenn der Tag des HErrn erschienen,
Gott im Tempel stets zu dienen.

4.
Mein Gott! mache mich aus Gnaden
Auch gerecht in Christi Blut,
So kann mir kein Sterben schaden,
Denn der Glaube macht mir Muth;
Ist in Jesu mir vergeben,
Sterb‘ ich auf ein ewig Leben.

5.
Müßt‘ ich sterben unter Schmerzen,
Oder riss‘ das Schwert mich hin,
Zeuge Du nur meinem Herzen,
Daß ich ein Gerechter bin.
Bin ich’s, so wird ja nichts können
Mich von Gottes Liebe trennen!

28. November. Morgen-Andacht.

Und die Stimme, die ich hörete, war wie der Harfenspieler, die auf ihren Harfen spielen, und sangen ein neu Lied. Offenb. 14,2.3.

Wenn in einem Lied alte und bekannte Wahrheiten mit neuen Worten vorgetragen werden, so ist es in gewissem Maße auch ein neues Lied: wenn aber in der Bibel eines neuen Lieds Meldung geschieht, so wird von einem Lied geredet, bei welchem auch die Materie oder der Inhalt neu ist. Ein solches Lied bezieht sich etwa auf die Erfahrung einer neuen und besonderen Hülfe, Ps. 40,4., oder auf die Offenbarung einer vorher unbekannten oder doch dunkel gewesenen Wahrheit, dergleichen zu Davids Zeit die Ausbreitung des Reichs Christi unter den Heiden war, Ps. 96,1. 98,1., oder auf ein neues Werk Gottes, welches vor den Augen der Anbeter Gottes geschieht, dergleichen eines die Uebergabe des Buchs mit sieben Siegeln an das Lamm Gottes war, Offenb. 5,9. Johannes sah Offenb. 14. das Lamm Gottes, wie es auf den himmlischen Berg Zion, wo Sein königlicher Sitz ist, stand, und mit Ihm Hundertvierundvierzigtausend, die Seinen Namen und den Namen Seines Vaters an ihren Stirnen geschrieben hatten, und dadurch herrlich geschmückt, und als Sein und Seines Vaters besonderes Eigenthum ausgezeichnet waren. Diese sind es, deren gemeinschaftliche Stimme Johannes hörte, und diese ihre Stimme war wie der Harfenisten, die auf ihren Harfen spielen, und sie sangen ein neues Lied vor dem Thron und vor den vier Thieren und vor den Aeltesten. Dieses neue Lied bezog sich ohne Zweifel auf eine neue Entdeckung der Wege und Gerichte Gottes, welche dieser auserwählten Schaar widerfahren war. Andere Inwohner des Himmels hörten dieses Lied, wie Johannes selbst, und vernahmen es, konnten es aber nicht lernen, folglich nicht mitsingen: die Hundertvierundvierzigtausend aber waren tüchtig, es zu singen, weil sie bei Leibesleben die Keuschheit und Aufrichtigkeit vor Andern bewahrt hatten, V. 4. Ungeachtet es nun eine unbefugte Vermessenheit wäre, wenn wir den Inhalt dieses Lieds errathen wollten, so dürfen wir doch ohne Zweifel dafür halten, daß es sich, wie Alles, was Offenb. 14. steht, auf die Weissagungen bezogen habe, zwischen denen dieses Gesicht mitten inne steht. Die Anbetung des Thieres, welches Kap. 13. beschrieben ist, wird durch einen falschen Propheten und falsche Wunder befördert: die wahrhaftigen Anbeter aber beten den wahren Gott im Geist und in der Wahrheit an. Babel prangt als eine unreine und mächtige Hure, Christus aber hat eine keusche Braut, mit welcher Er Sich heilig verlobt und vermählt. Die Abtrünnigen werden in dieser und in jener Welt vom Zorn Gottes ergriffen, da hingegen treuen Seelen ein gutes Loos in jener Welt bevorsteht. Von diesem Allem, und von andern damit verbundenen Geheimnissen hat das Lamm Gottes den Hundertvierundvierzigtausenden, die Ihm auch im Himmel nachgehen, wo es hingeht, und die Er aus den Menschen als Sein und Seines Vaters Erstlinge erkauft hat, mit einer heiligen und gnädigen Vertraulichkeit so Vieles entdeckt, daß sie davon ein neues Lied, das sonst Niemand lernen konnte, singen können. Wie herrlich geht es im Himmel zu! Welch eine weise Ordnung ist da! Wie genau richtet sich der Zustand eines Jeden im Himmel nach seinem Verhalten auf Erden.

Mel.: Wer weiß, wie nahe mir mein Ende.

1.
Denk‘ ich an jene Himmelschöre,
Die vor dem Thron der Dreiheit sind,
Zu Gottes und des Lammes Ehre
In ew’gem Loben angezünd’t,
So wünscht mein Herz: o hört ich nah‘,
Was ich hier glaube, wär‘ ich da!

2.
Zweihundertachtundachtzig Meister
Setzt‘ Salomo im Tempel ein:
Doch werden der Gerechten Geister
Viel mehr und viel gelehrter sein.
Klang jenes schön, so klinget ja
Dieß herrlicher: o wär‘ ich da!

3.
Sie spielten Alle auf den Harfen,
Ja Gottesharfen spielten sie,
Auch die die Kronen niederwarfen,
Die Aelt’sten, sah Johannes hie.
Les‘ ich nun dieß, was jener sah,
So ist mein Wunsch: o wär‘ ich da!

4.
Indessen sing‘ ich unter Thränen
Gott und dem Lamm ein irdisch Lied;
Die Zeit kommt doch nach meinem Sehnen,
Daß Gott mich zum Gesang auch zieht.
Hier heißt der Text: o wär‘ ich da!
Dort sing‘ ich mit: Hallelujah!

28. November. Abend-Andacht.

Durch Christum Jesum haben wir den Zugang Alle in Einem Geiste zum Vater. Eph. 2,18.

Die Menschen sind nach ihrem natürlichen rohen Zustand ferne und entfremdet von Gott. Sie leben zwar auf Gottes Erdboden, stehen aber in keiner Gemeinschaft mit Gott, thun was sie wollen, als ob kein Gott wäre, und sind sogar Feinde Gottes durch die Vernunft in bösen Werken. Diesen Zustand hat der Sündenfall Adams angerichtet, und die nachmalige Bosheit vieler Nachkommen Adams noch weiter verschlimmert; in der heiligen Schrift aber erlaubt und befiehlt der große Gott, daß die Menschen sich wieder bekehren oder zu Ihm umkehren sollen. Er ruft ihnen zu: wendet euch zu Mir, so werdet ihr selig aller Welt Ende; suchet den HErrn, weil Er zu finden ist; nahet euch zu Gott, so nahet Er Sich zu euch. Er beruft sie zu Seiner Gemeinschaft und bietet ihnen den Genuß Seiner väterlichen Liebe an, verspricht, ihr Licht und Leben zu sein, in ihnen, alldieweil sie noch auf der Erde leben, zu wohnen, und sie endlich ganz in Seine Ruhe und Freude einzunehmen. Dieses Alles aber hat man Christo Jesu zu danken, der uns Gott durch die Aufopferung Seines Leibs, die am Kreuz geschehen ist, versöhnt hat, und durch den nun wir Sünder alle den Zugang zum Vater in Einem Geiste haben. Niemand verlasse sich bei dem Zugang zum Vater auf ein eingebildetes eigenes Verdienst der Werke oder auf seine Abstammung von einem gewissen Geschlecht, oder auf etwas Anderes, sondern berufe sich im Glauben als ein armer Sünder allein auf Christum Jesum, den Versöhner und Erlöser der Menschen, welcher auch im Stand Seiner Herrlichkeit der Menschen Fürsprecher bei dem Vater ist. Durch Ihn haben Alle (vom ehrbarsten Menschen an bis zum infamsten Maleficanten) den Zugang in Einem Geiste zum Vater. Wer an ihn glaubt, darf zum Vater nahen, und der Vater wird sein Angesicht nicht beschämen, ihn nicht wegstoßen, ja ihm Nichts versagen, weil Er Seinen Sohn mit einer unermeßlichen Liebe lieb, und um Desselben willen Allen, die an Ihn glauben, gern vergibt und gibt. Der Heilige Geist, welcher Jesum verklärt und den Glauben an Ihn in dem Herzen wirkt, muß freilich den Menschen bei diesem Zugang zu dem Vater zu Hülfe kommen, will es aber auch gerne thun, wenn sie Ihm nicht widerstreben. In Einem Geiste nahen alle Sünder durch den einigen Mittler zu dem einigen Vater. Wir wollen also nicht im Unglauben von Gott entfremdet bleiben, weil Christus unser Weg zum Vater ist, und der Heilige Geist uns immer erweckt und antreibt, durch Christum zu dem Vater zu nahen. Wir wollen nicht warten, bis wir nach unserem Ermessen glaubiger und heiliger sind, sondern heute so, wie wir uns fühlen, und mit dem Senfkornglauben, den wir haben, zum Vater nahen: denn unsere Würdigkeit beruhet auf Christo und nicht auf uns selber. Mit einem Mal aber ist’s nicht ausgerichtet, denn das Zunahen zu Gott währt fort, bis Gottes Alles in Allen sein wird. Alsdann wird Christus nimmer der Weg, sondern nur nebst dem Vater und Heiligen Geist das Ziel der Auserwählten, doch aber noch immer der Grund ihres Heils sein.

Mel.: O Durchbrecher aller Bande.

1.
Dankt dem HErrn, ihr Heilsgenossen,
Denn wir geh’n zum Vater hin;
Jesus hat uns aufgeschlossen,
Und der Weg geht nur durch Ihn.
Kommt herzu und nehmet Gnade,
So find’t eure Seele Ruh‘,
Und Sein Geist führt euch gerade
Durch den Sohn dem Vater zu.

2.
Hat die Sünde uns geschieden,
Jesus hat sie weggethan,
Daß der Satan uns den Frieden
Nicht wie vormals stören kann.
Tod und Höll‘ hat keinen Riegel,
Der uns mag gefährlich sein;
Denn der Glaube schwingt die Flügel
In den Himmel selbst hinein.

3.
Unser Beten steigt zum Throne,
Weil’s der Geist der Kindschaft lehrt,
Und der Vater in dem Sohne
Alles gern und reich gewährt;
Flehen Sünder aus dem Staube,
Rufen Kinder in dem Haus,
So befriedigt sie ihr Glaube:
Jesus stoße Keinen aus.

4.
Nun so darf ich frei hin beten,
Wann und wie und was mir noth;
Jesus läßt durch Sein Vertreten
Uns den Zugang auch im Tod;
Laß ihn, HErr, wie ich darf hoffen,
Laß ihn einst, wie Du verheißst,
Meinem letzten Seufzer offen
Und dem aufgegeb’nen Geist!

29. November. Morgen-Andacht.

Die auf den HErrn harren, kriegen neue Kraft, daß sie auffahren mit Flügeln wie Adler, daß sie laufen und nicht matt werden, daß sie wandeln und nicht müde werden. Jes. 40,31.

Diejenigen, die in der Noth auf den HErrn harren, oder mit Zuversicht auf Seinen Trost und Seine Hülfe warten, haben schon eine Kraft in ihren Seelen, weil ohne dieselbe dieses Harren nicht möglich wäre. Wenn sie aber so auf den HErrn harren, so bekommen sie bald nach der Regel Christi: wer da hat, dem wird gegeben – eine neue Kraft. Sie verwechseln ihre kleine Kraft mit einer größern, weil der lebendige Gott, der nicht müde noch matt wird, sie gnädig heimsucht, ansieht und stärkt, und ihnen ein neues Maß des Heiligen Geistes schenkt. Alsdann können sie nicht nur harren, wie vorher, sondern auffahren mit Flügeln wie die Adler. Ihr Geist wird über die ganze Welt und alle Nöthen und Gefahren erhoben, und zu dem hohen und erhabenen Gott gezogen. Die Noth und Gefahr, welche ihnen vorher groß zu sein geschienen hat, däucht sie nun klein zu sein; dagegen fühlen sie aber eine Annäherung zu Gott, der in der Höhe und im Heiligthum wohnet, und erkennen, daß sie in Seine Gnade eingeschlossen seien, und durch Seine Kraft Alles weit überwinden können. Ein solches Auffahren oder eine solche Erhöhung der Seele ist etwas sehr Erquickliches. David hat sie erfahren, da er Ps. 18,29.33.34. schrieb: Du erleuchtest meine Leuchte; der HErr, mein Gott, machet meine Finsterniß licht; Gott rüstet mich mit Kraft und stellet mich auf meine Höhe. In eben diesem Verstand wird Ps. 27,5. von der Erhöhung auf einen Felsen, und Ps. 89,18. Ps. 92,11. und Ps. 112,9. von einer Erhöhung des Horns oder der Kraft geredet, und Ps. 71,20.21. gesagt: Du, HErr, lässest mich erfahren viele und große Angst, und machest mich wieder lebendig, und holst mich wieder aus der Tiefe der Erde herauf. Du machest mich sehr groß und tröstest mich wieder u.s.w.

Bei diesem Auffahren aber oder bei dieser Erhöhung des Geistes wird der Christ innerlich und äußerlich erinnert, daß er auch im Dienst Gottes laufen und wandeln müsse, und es nicht nur mit Gott, welcher den Geist mit Seinem Licht erleuchtet und mit Seiner Rede erquickt, sondern auch mit dem Nächsten zu thun habe. Er wendet also die empfangene neue Kraft zum Laufen und Wandeln an, wie David Ps. 18,37. und Ps. 71,16. sagt, und merkt, daß er dabei nicht matt noch müde werde. Die Knaben, die sich auf ihre natürlichen Kräfte verlassen, werden freilich müde und matt, und Jünglinge, die ihre eigene Stärke zum Laufen anwenden wollen, fallen, V. 30. Wie Viele haben Vorsätze gefaßt, sich wohl zu halten! Wie viele gute Vorsätze und Versprechungen sind bei den Meisten vorhanden, die ein Amt antreten: wie bald sind sie aber müde und matt! wie bald fallen sie! Die Kraft Gottes aber wehrt der Ermüdung und dem Fallen. Auch im Alter ist man noch fruchtbar und frisch. Den Willen Gottes thun, hält man für seine Speise, wie Christus Joh. 4,34. gesagt hat. Man fängt seinen Lauf nicht nur muthig an, sondern vollendet ihn auch. Sinkt die Seele zuweilen als matt wieder in die Tiefe herab, so harret sie wieder auf den HErrn, und bekommt wieder neue Kraft.

Mel.: Schmücke dich, o liebe Seele.

1.
Welche auf den HErrn hoffen,
Sind noch nie umsonst geloffen,
Weil sie neue Kraft stets kriegen,
Daß sie wie die Adler fliegen,
Laufen unter den Beschwerden,
Wandeln, und nicht müde werden;
Gott, der solchen Lauf beschieden,
Der gibt Stärke g’nug den Müden.

2.
HErr, wir geh’n in Deinen Schranken,
Und wir haben Dir zu danken,
Wenn wir neue Stärke fühlen,
Sanfte Luft, uns abzukühlen,
Frisches Wasser für’s Ermatten
Und zum Ruhen stille Schatten.
Gibst Du Kraft, so lauft man munter;
Gäbst Du nicht, wir lägen unter.

3.
Ja Du gibst bei allen Schritten
Neue Kraft, um Kraft zu bitten,
Und bei täglich neuen Proben
Gibst du Kraft, den HErrn zu loben,
Der uns läßt den Lauf gelingen,
Bis wir uns gen Himmel schwingen;
Da wird nach vollend’tem Wallen
Erst Dein Ruhm der Kraft erschallen!

29. November. Abend-Andacht.

Gott wird diejenigen, die entschlafen sind durch Jesum, mit Ihm führen. 1 Thess 4,14.

Wir glauben, daß Jesus gestorben und auferstanden sei. Gleichwie wir nun solches glauben, also hoffen wir auch mit Gewißheit, daß Gott diejenigen, die durch Jesum entschlafen sind, mit Ihm führen werde, nämlich durch den Tod zum Leben, aus dem Grab zur ewigen Heimath, durch’s Leiden zur unaussprechlichen Herrlichkeit. Der Grund hievon ist dieser, daß Jesus und diejenigen, die durch Ihn, oder im Glauben an Ihn und in Seiner Gnade entschlafen, in einer genauen Verbindung mit einander stehen. Er ist das Haupt, sie sind Sein Leib. Er ist der Weinstock, sie sind die Reben. Er ist der Erstgeborene, und schämt Sich nicht, sie Seine Brüder zu heißen, die mit Ihm erben sollen. Er ist der Bräutigam, sie sind Seine Braut. Er ist der Hirte, sie sind Seine Schafe. Er ist der König, sie sind Sein Volk. Er ist der Pfleger oder oberste Priester im himmlischen Heiligthum, Hebr. 8,2., und will sie bei Sich haben, daß sie unter Ihm dem heiligen Gott Tag und Nacht in Seinem Tempel dienen, Offenb. 7,15. Weil nun dieses Alles sich so verhält, so ist nothwendig, daß Gott diejenigen, die durch Christum entschlafen sind, mit Ihm führe, und als ganze Menschen nach der Seele und dem Leib dahin bringe, wo Christus ist; denn der Leib gehört zum Haupt, die Brüder zu dem Erstgebornen unter ihnen, die Braut zu dem Bräutigam u.s.w. Ueberhaupt bekennt sich der HErr Jesus als des Menschen Sohn so zu den Menschen, daß Er sie an Allem, was Er hat, Antheil nehmen läßt, und deßwegen konnte Paulus Röm. 8,17. schreiben, daß die Kinder Gottes, die mit Ihm leiden, auch mit Ihm zur Herrlichkeit erhoben werden. Diejenigen also, die wiedergeboren und gerechtfertiget worden sind, entschlafen durch Jesum in der Hoffnung der Auferstehung zum ewigen Leben. Sie haben also bei dem Anblick des Todes und Grabes keine Ursache, traurig zu sein und sich zu entsetzen, wie diejenigen, die keine Hoffnung haben. Auch haben sie nicht nöthig, wegen der Möglichkeit der Auferstehung zu zweifeln; denn Gott wird sie mit Jesu in’s ewige Leben einführen; Gott aber ist kein Ding unmöglich. So Er spricht, so geschieht’s, so Er gebeut, so steht’s da. Christus wird ihre nichtigen Leiber verklären, daß sie Seinem verklärten Leibe ähnlich werden, und wird es thun durch die Kraft, womit Er Ihm alle Dinge unterthänig machen kann. So tröstet euch nun, ihr sterblichen Christen, mit diesen Worten unter einander. Der Tod ist dem Jordan gleich, durch den die Israeliten gehen mußten, ehe sie in’s gelobte Land kamen. Vor diesen ging die Bundeslade her, und der Jordan vertrocknete. Bei dem Sterben ist Christus selbst unser Vorgänger gewesen, und hat dem Tod die Macht genommen; Er ist aber auch unser Vorgänger, oder, wie Paulus 1 Kor. 15. redet, der Erstling bei der Auferstehung, und hat für unsere Seelen und für unsere Leiber Leben und unvergängliches Wesen an’s Licht gebracht durch das Evangelium. Wir werden leben, wir werden ganz und ewiglich leben, wenn Derjenige, der auf dem Thron sitzt, sagen wird: es ist geschehen; siehe, Ich mache Alles neu. Hallelujah!

Mel.: Wir singen Dir, Immanuel.

1.
So weiß ich nun, Gottlob! wohin,
Wenn ich nicht mehr im Leibe bin:
Mein Heiland nahm den Himmel ein,
Da soll auch meine Seele sein.

2.
Du machst ja doch, verherrlicht Haupt,
Die Seele selig, die da glaubt;
Du wardst ein Mensch, gleich wie wir sind,
Und durch Dich bin ich Gottes Kind.

3.
Du warst im Tod dem Tod ein Gift,
Und hast ein Testament gestift’t,
Worin Du mich auch wohl bedacht
Und mir ein ewig Erb‘ vermacht.

4.
Dein Wiederleben gilt auch mir;
Ich bin auch auferweckt sammt Dir;
Aus Gnaden bin ich auch zuletzt
In’s Himmlische sammt Dir versetzt.

5.
So hab‘ ich denn zum ganzen Heil
An Deiner Himmelfahrt auch Theil;
Und weil der Weg nun offen ist,
So komm‘ ich dahin, wo Du bist.

6.
Ach zieh‘ nur meinen ganzen Sinn
Im Glauben unverrückt dahin,
Daß ich bis an mein Lebensziel
Stets Deinen Zug zum Himmel fühl‘.

7.
Hört endlich mein so kurzer Lauf,
Und Müh‘, und Zeit, und Glauben auf:
Laß mich im Frieden schlafen geh’n,
Mit neuem Leib einst aufersteh’n.

8.
Wann die gesammte Himmelfahrt
Der Deinen sich einst offenbart,
So führ‘ mich mit zur Herrlichkeit,
Bei Dir zu sein auf alle Zeit!

30. November. Morgen-Andacht.

Ich will den HErrn loben allezeit, Sein Lob soll immerdar in meinem Munde sein. Ps. 34,2.

David war zu Gath bei dem König Achis, der, weil er einen Prinzen hatte, auch Abimelech, das ist eines Königs Vater, genannt wurde, in einer großen Gefahr gewesen, und von Gott daraus errettet worden: deßwegen sagte er hernach: ich will den HErrn loben allezeit, Sein Lob soll immerdar in meinem Munde sein. Er wünscht, bei diesem Lob Gottes Andern eine Aufmunterung zu geben, wie er dann ferner sagt: meine Seele soll sich rühmen des HErrn, daß die Elenden hören und sich freuen. Er ladet auch wirklich andere zum gemeinschaftlichen Lob Gottes ein und spricht: preiset mit mir den HErrn, und lasset uns miteinander Seinen Namen erhöhen. Hierauf preiset er den HErrn selbst wegen der Erhörung seines Gebets, wegen des engelischen Schutzes, den er erfahren, wegen Seiner Hülfe und Freundlichkeit, und bekennt zugleich, wie er ungeachtet der Unvorsichtigkeit, mit welcher er sich selbst in die Gefahr gestützt, doch in der Furcht Gottes geblieben sei, und sich insonderheit von einer gewissen Zungensünde, wozu er versucht worden, gehütet habe, und gibt allen Menschen die treue Anweisung, auf diesem Weg und auf keinem andern den Schutz und die Hülfe Gottes zuversichtlich zu erwarten.

Wer ist nun unter denen, die den HErrn fürchten, der nicht auch genug Ursachen hätte, den HErrn allezeit zu loben, und Sein Lob immerdar in dem Munde zu haben? Es ist auch ein köstlich Ding, dem HErrn danken, und lobsingen Deinem Namen, Du Höchster, des Morgens Deine Gnade und des Abends Deine Wahrheit verkündigen. Gott loben ist der schönste Gottesdienst, der auch im Himmel ewiglich fortgesetzt wird. Hat aber David nicht zu viel versprochen, da er sagte: ich will den HErrn loben allezeit, Sein Lob soll immerdar in meinem Munde sein? Hat er nicht ein andersmal in seinem Zagen zu dem HErrn gesagt: ich bin vor Deinen Augen verstoßen; und ein andersmal: meine Thränen sind meine Speise Tag und Nacht, weil man täglich zu mir sagt: wo ist nun dein Gott; und ein andersmal: des Morgens, Abends und Mittags will ich klagen und heulen? Hat er nicht nach seinem Sündenfall anstatt des Lobs traurige Bekenntnisse, Klagen und Bitten vor Gott bringen müssen? Ja wohl. Man vergleiche also seinen Vorsatz mit den Worten, die der Heilige Geist dem Verfasser des letzten Psalmen eingegeben hat: Alles was Odem hat, lobe den HErrn, Hallelujah. Der Heilige Geist wußte wohl, daß nicht Alles, was Odem hat, den HErrn loben werde, und der Prophet, der diesen Psalmen schrieb, wußte es auch. Doch ist Alles, was Odem hat, zum Lob Gottes aufgerufen worden, weil Alles dazu verpflichtet ist. Also hat auch David bei der freudigen Erhebung seines Geistes gesagt: ich will den HErrn loben allezeit, weil er sich für verpflichtet hielt, und auch willig fühlte, es zu thun, da ihm dann in selbigem Augenblick seine Schwachheit, welche das Lob Gottes unterbrechen werde, nicht zugleich vor Augen stand. Solche Vorsätze und Versprechungen werden ohne Heuchelei und Stolz gemacht. Sie sind Aufopferungen des willens, den man hat, den HErrn immer zu loben. Sie sind Bekenntnisse, daß der HErr eines beständigen Lobes würdig, und der Mensch, dem Er so große Gnade und Hülfe erzeigt hat, dazu verpflichtet sei. So verspricht ein Kind vieles bei einer Aufwallung Seiner Liebe, und der Vater hat ein Wohlgefallen daran, übrigens aber auch Geduld mit der Schwachheit desselben. In der seligen Ewigkeit werden alle solche Versprechungen völlig erfüllt werden.

Mel.: Meinen Jesum ich erwähle.

1.
Laßt die Todten Todte loben:
Meine Seele lobt den HErrn,
Der mich aus dem Tod erhoben,
Daß ich Christo leben lern‘.
HErr, was Du schaffst, was Du bist,
Alles ist
Stets ein Trieb zum Lob für mich:
Meine Seele lobet Dich!

2.
Denk‘ ich des Versühnungsblutes,
O so lebt das Herz in mir!
Thust Du mir am Leibe Gutes,
Lobt Dich auch mein Mund dafür.
Jede Wohlthat, alles Heut‘,
Alle Zeit
Ist die Zeit zum Lob für mich:
Meine Seele lobet Dich!

3.
Soll ich leiden, muß ich weinen,
Geb‘ ich doch Dein Lob nicht hin;
Auch am Stäupen muß erscheinen,
Daß ich lieb gewesen bin.
Vater, führe mich nur Du
Himmelzu,
Da, da sing ich ewiglich:
Meine Seele lobet Dich!

30. November. Abend-Andacht.

Ich gedenke deiner Sünden nicht. Jes. 43,25.

Indem Gott zu Seinem Volk sagt: Ich gedenke deiner Sünden nicht, so legt Er kein Bekenntniß einer Vergessenheit ab, denn es ist Alles bloß und entdeckt vor Seinen Augen, sowohl das Gegenwärtige und Zukünftige, als auch das Geschehene oder Vergangene. Gott gedenkt der Sünden nicht, wenn Er sie nicht zurechnet. Billig verwundert man sich aber über diese Rede Gottes. Nach dem Urtheil der Vernunft sollte Gott den Sünder als einen Sünder und den Gerechten als einen Gerechten behandeln. Nun sagt Er aber: Ich gedenke deiner Sünden nicht, ob du Mir schon damit Arbeit und Mühe gemacht hast; Ich liebe dich, als ob du nie gesündigt hättest; Ich behandle dich, der du viel Böses gethan hast, als ob du nichts Böses gethan hättest. Dazu muß nun ein tiefer und wichtiger Grund vorhanden sein. Worin besteht er aber? Hat er etwa das Volk oder der Mensch, zu dem Gott dieses sagt, Werke gethan, wodurch er seine vorigen Sünden ersetzt, und sich auf’s Neue der Liebe Gottes würdig gemacht hätte? Der große Gott verneint dieses, da er V. 23.24. sagt: Mir hast du nicht gebracht Schafe deines Brandopfers, noch Mich geehrt mit deinen Opfern; Mich hat deines Dienstes nicht gelüstet im Speisopfer, habe auch nicht Lust an deiner Arbeit im Weihrauch. Mir hast du nicht um Geld Kalmus gekauft, Mich hast du mit dem Fetten deiner Opfer nicht gefüllt. Hier nennt der große Gott die köstlichsten gottesdienstlichen Werke, die ein Israelit zur Zeit des Alten Testaments thun konnte, und sagt, Er sei dadurch nicht so geehrt und vergnügt worden, daß Er deßhalb die Uebertretung Seines Volks tilge und ihm seine Sünden vergebe. Haben nun diese Werke nichts vermocht, so werden die Werke des Gesetzes, die ein Christ thun kann, auch nichts vermögen. Warum tilgt also Gott die Uebertretung? warum gedenkt Er der Sünden nicht? Um Meinetwillen, sagt der HErr, thue Ich’s; das ist um Meiner Ehre willen. Ist’s aber Gottes Ehre gemäß und Ihm rühmlich, daß er den Sünder behandelt, als ob er nicht gesündigt hätte, und seiner Sünden nicht gedenkt, als ob sie nicht geschehen wären? Und zwar in dem Fall, da Er selber bezeugt, Er finde bei dem Sünder keine Ursache, ihn so gnädig zu behandeln, und so liebreich gegen ihn gesinnt zu sein? Erwartet nicht ein jeder verständige Mensch, daß eine Ursache dieser ungemeinen Gnade Gottes angezeigt werde, welche Seine Ehre vor allen Kreaturen in’s Licht setze, und den Vorwurf der Gleichgültigkeit gegen die Sünde von Ihm abwende? Gewißlich muß eine solche Ursache angegeben werden, aber diese Ursache hat kein menschlicher und kein engelischer Verstand erdacht, sondern Gott selbst hat sie durch einen heiligen und weisen Rathschluß verordnet und in dem Evangelium geoffenbart. Sie ist aber in den Worten Jesajä K. 53 angezeigt: der Sohn Gottes ist um unserer Sünden willen zerschlagen. Der HErr warf unser aller Sünde auf Ihn. Er hat Sein Leben zum Schuldopfer gegeben, und Vieler Sünden getragen. Wir wissen, daß in den Büchern des Neuen Testaments dieses Alles noch ausführlicher und deutlicher gesagt sei. Siehe also, o bußfertiger Sünder, die Ursache, warum der heilige und wahrhaftige Gott zu dir sagen kann: Ich gedenke deiner Sünden nicht.

Mel.: Zeuch ein zu Deinen Thoren.

1.
Wird mir das Angedenken
Der alten Sünden neu,
Bin ich, weil sie mich kränken,
Auch in dem Beten scheu,
So macht das Wort mir Muth:
Die Sünden sind vergeben;
Gott sagt dir: du sollst leben,
Für dich red’t Christi Blut.

2.
Da seh‘ ich erst die Größe
Des Vaters Gnade an,
Und wie in meiner Blöße
Sein Sohn mich decken kann;
Da bin ich ungekränkt,
Da wein ich erst vor Freuden,
Daß mich der Sohn will kleiden,
Der Vaters Schulden schenkt.

3.
O, denk ich, welche Gnade,
Der ich gewürdigt bin!
Ich gehe ganz gerade
Zu meinem Vater hin,
Und Seines Sohnes Geist
Lehrt mich das Abba sprechen;
Gott wird ja nicht erst rächen,
Was schon verziehen heißt.

4.
HErr! sag‘ es meinem Herzen,
Damit es nie vergißt,
Es lasse sich nicht scherzen,
Wenn uns vergeben ist.
Der Vater will auf’s Neu‘,
Daß ich Gehorsam übe,
Daß ich die Brüder liebe,
Für Gnade dankbar sei.

5.
Auch auf dem Sterbebette
Sein mein Trost Deine Huld;
Wenn ich noch Aengsten hätte
Von wegen mancher Schuld,
Und wenn mein Herz gedächt‘:
Auf Sünden folgen Flammen,
So bleibt’s: wer will verdammen?
Gott macht mich selbst gerecht!

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