Luther, Martin - Die vierte Wittenberger Predigt.

Luther, Martin - Die vierte Wittenberger Predigt.

Am Mittwoch nach dem Sonntage Invocavit.

Diese Tage über, lieben Freunde, haben wir gehört von den Stücken, die da nöthig sind und sein müssen; als, daß man die Messe für kein Opfer halte, und was wider Gottes Wort ist und mit Beschwerung der Gewissen vollbracht und gethan wird, wider den Glauben, daß man dasselbige alles für nöthig Ding achte, abzuthun und nachzulassen. Darnach haben wir auch von etlichen Stücken gesagt, die da unnöthig sind, die auf kein Müssen dringen, sondern frei sein; als, von dem ehelichen Leben, von Möncherei und Nonnerei, und von Bilder abthun. Diese vier Stücke haben wir bisher gehandelt, und gesagt, daß die Liebe hierinne Hauptmann und Meister sein solle.

Und sonderlich von den Bildern hab ich am letzten also geredt, daß man sie solle abthun, wenn sie angebetet; sonst mag man sie wohl leiden. Wiewohl ich wollte, die Bilder wären in der ganzen Welt abgethan, um des leidigen Mißbrauchs willen, welchen Mißbrauch ja niemand leugnen kann. Denn wenn Einer ein Bild in der Kirche setzen läßt, der meinet bald, er thue Gott einen Dienst und Wohlgefallen dran, und habe ein gut Werk gethan, damit er Etwas von Gott wolle verdienen, welches denn recht Abgötterei ist. Dieß ist die größte und vornehmste Ursach, warum die Bilder wären abzuthun. Aber diese Ursach habt ihr nicht getrieben, sondern gar viel eine geringere; nämlich die, wenn Einer ein Bild hätte, so hielt ers dem gleich, deß das Bild wäre; als, wenn Einer ein Crucifix hätte, der hielte es nicht anders, denn als wäre es Christus, Gott und Mensch selbst, und dergleichen. Das sind gar geringe Ursachen. Denn ich halts dafür, daß Keiner hie sei, der den groben unsinnigen Verstand habe, daß er denke: Dieß Crucifix da ist mein Christus und mein Gott; sondern er halts allein für ein Zeichen, dabei er des Herrn Christi und seines Leidens gedenke. Des andern Mißbrauchs aber ist die Welt voll. Denn wer wollte irgend ein hölzern, schweig denn ein silbern oder goldenes Bild in die Kirche stellen, wenn er nicht gedächte, Gotte einen Dienst dran zu thun. Meinet ihr auch, daß Fürsten, Bischöfe und andere große Hansen mehr so viel köstlichere, silberne und goldene Bilder würden haben in die Kirchen und Stifter lassen machen, wenn sie es nicht dafür hielten, daß es Etwas vor Gott gelten sollte? Ja, sie würdens wohl lassen.

Noch wäre diese Ursach nicht genugsam, alle Bilder umzustoßen, abzuthun und zu verbrennen. Denn es sind viel Menschen noch, die diese Meinung nicht haben; sondern können und wissen der Bilder wohl zu gebrauchen; wiewohl derselbigen Menschen dennoch wenig sind. Darum können wir das nicht verdammen, sollens auch nicht so bald verdammen, deß noch irgend ein Mensch wohl kann brauchen; sondern das wäre der rechte Weg gewesen, wie auch vorhin gesagt daß man gepredigt hätte, daß die Bilder Nichts wären, Gott fragete nichts darnach, man thäte auch Gott keinen Dienst noch Wohlgefallen dran, wenn gleich alle Winkel voll Bilder gemacht wären, von Silber oder von Golde: und daß es besser gethan wäre, mit solchem Gelee armen Leuten helfen, denn nach dieser Meinung viel Bilder setzen; sintemal Gott Jenes geboten hat, dieß aber nicht. Wenn Fürsten, Bischöfe und andere Leute Solches gehört hätten, wären die Bilder von sich selbst, ohn allen Rumor und Aufruhr, abgefallen und umkommen; wie es denn allbereit in Schwang kommen war.

Derhalben müssen wir uns wohl vorsehen, denn der Teufel suchet uns durch seine Apostel aufs allerlistigste und spitzigste: und müssen nicht so bald zufahren, wenn ein Mißbrauch eines Dings vorhanden ist, daß wir dasselbige Ding umreißen oder zunichte machen wollten. Denn wenn wir Alles wollten verwerfen, deß man mißbraucht, was würden wir für ein Spiel zurichten? Es sind viel Leute, die die Sonne, den Mond, und das Gestirn anbeten; wollen wir darum zufahren und die Sterne vom Himmel werfen, die Sonne und den Mond herab stürzen? Ja, wir werden es wohl lassen.

Der Wein und die Weiber bringen Manchen in Jammer und Herzeleid, machen Viele zu Narren und wahnsinnigen Leuten; wollen wir drum den Wein wegschütten, und die Weiber umbringen? Nicht also! Gold und Silber, Geld und Gut stiften viel Böses unter den Leuten: soll man drum Solches alles wegwerfen?

Nein, wahrlich! Ja, wenn wir unsern nächsten Feind vertreiben wollten, der uns am allerschädlichsten ist, so müßten wir uns selbst vertreiben und tödten. Denn wir haben keinen schädlicheren Feind, denn unser eigen Herz; wie der Prophet Jeremias sagt C. 17., V. 9.: Das menschliche Herz ist krumm; oder, wie ichs deutschen soll, böse und ungerade, das immerdar zur Seiten, hinaus weichet. Lieber, was wollten wir wohl anrichten, wenn wir ihm also thäten? Nichts Gutes wollten wir anrichten, sondern Alles zu unterst und oberst umkehren. Es ist gewißlich der Teufel vorhanden; aber wir sehens nicht. Es muß Einer gar eine gute Kohle haben, wenn man den Teufel will schwarz machen: denn er will auch gerne schön sein, wenn er auf die Kirchmesse geladen wird.

Also muß man ihn berösten und fahen: Man spreche also, und frage Einen, der viel Bilder machen läßt: Lieber, sage mir, stellest du darum die Bilder in die Kirchen, daß du vermeinest, Gotte einen Dienst und Wohlgefallen daran zu thun? Spricht er, Ja: wie er denn gewiß Ja sprechen muß; so kannst du bald draus schließen und sagen, daß er eine Abgötterei habe draus gemacht, habe also des Bildes mißbraucht, und dasjenige gethan, das Gott nicht geboten hat: aber Gottes Gebot habe er nachgelassen, nämlich, den Armen sollt er davon geholfen haben, das hat er nicht gethan. Ja, spricht er, kann ich dock den Armen gleichwohl geben, Mare. 14, 7., und auch lassen Bilder machen; was hab ich dran verloren? Darauf antworte du also: daß es unmöglich ist, wenn ers von Herzen glaubet, daß er mit seinem Bilderstiften Gotte keinen Dienst noch Gefallen thue, daß er irgend so große Unkost drauf gehen ließe; er gäbe je lieber einem armen Menschen einen Gülden oder zween, denn daß er fünfzig, sechzig, hundert Gülden, und noch mehr, auf ein unnütz Ding wende. Aber damit kann ich noch nicht allenthalben genugsam erstreiten, daß darum die Bilder nicht sein sollen, oder daß man sie müsse zerbrechen und umreißen. Derhalben müssen wir schließen, und es dabei bleiben lassen, daß die Bilder weder sonst noch so, weder gut noch böse sind; sondern man lasse es frei sein, sie zu haben oder nicht zu haben, allein daß der Glaube oder Wahn davon sei, daß wir mit unserm Bilderstiften Gotte keinen Dienst noch Wohlgefallen thun.

Der Teufel hat euch hie Etwas abgejagt, das er mir nicht hätte nehmen sollen, nämlich, daß wir die Bilder frei sein lassen müssen; sintemal wir bekennen müssen, daß je Leute sind oder gefunden werden rönnen, die der Bilder wohl gebrauchen. Ja, wenn nur Einer auf der ganzen Erde wäre, der ihrer nicht mißbrauchete, so könnte der Teufel sagen wider mich: Warum verdammest du das, welches man kann noch wohl gebrauchen? Den Trotz hat er erlanget, und ich muß es zugeben; dahin sollt ers noch lange nicht gebracht haben, wäre ich hie gewesen. In dem Hochmuth und Trotz hat er uns ein groß Stück abgejagt; wiewohl es dem Worte Gottes keinen Nachtheil bringet.

Ihr habt den Teufel wollen schwarz machen, habt aber der Kohlen vergessen, und für die Kohlen Kreide ergriffen. Derwegen muß man gar wohl drauf sehen, wenn wir mit dem Teufel fechten wollen, daß wir der Schrift wohl wissen zu gebrauchen; das sei davon genug.

Nun wollen wir weiter fahren, und von dem Fleischessen, wie man sich drinne halten soll, auch ein wenig sagen. Es ist je wahr, lieben Freunde, daß wir frei sind und Herrn über alle Speise, es sei Fleisch, Fische oder Butter, mögen die ohne Unterschied essen und gebrauchen, wenn wir wollen; das kann je niemand leugnen, denn Gott hat uns diese Freiheit gegeben, und ist gewiß wahr. Aber doch müssen wir unserer Freiheit wissen recht zu gebrauchen, und uns anders hierinnen halten gegen die Schwachen, und viel anders gegen die Halsstarrigen. Darum merket eben darauf, wie ihr dieser Freiheit sollt gebrauchen.

Zum Ersten: Wenn du es nicht entbehren kannst ohne deinen Schaden, oder bist krank, magst du wohl essen, was dich gelüstet, es ärgere sich dran wer da wolle: und wenn sich gleich die ganze Welt dran ärgerte, dennoch sündigest du nicht dran. Denn Gott kann dirs wohl zu gut halten, angesehen seine Freiheit, mit welcher er dich begnadet hat, und deine Nothdurft, in dem, daß du es ohne Gefahr deiner Gesundheit nicht kannst entbehren.

Zum Andern: Wenn dich jemand drauf bringen wollt, wie denn der Pabst gethan hat mit seinen närrischen tollen Gesetzen, du solltest nicht Fleisch essen auf den Freitag, sondern Fische; desgleichen, in der Fasten Fische, und nicht Fleisch, Eier oder Butter essen, oder nicht essen, und so fortan: da sollst du dich mit keiner Weise von deiner Freiheit, die dir Gott gegeben hat, dringen lassen, sondern ihnen zu Trotz das Widerspiel thun, und frei sprechen: Ja, eben darum, daß du mir verbietest Fleisch zu essen, und unterstehest dich, aus meiner Freiheit ein Gebot zu machen; so will ich dirs zu Trotz essen. Und also sollst du in allen andern Dingen thun, die da frei sind. Deß nimm ein ander Exempel: Wenn mich der Pabst oder sonst jemand zwingen wollt, ich müßte die Kappen tragen, deß und kein Anders; so wollt ich ihm zu Trotz die Kappen ablegen, Gott gebe, er lachete oder sähe sauer darüber; ja, wenn er gleich rasend und unsinnig, toll und thöricht darüber würde. Denn was mir Gott nicht verbeut, und ichs frei hab, zu thun oder zu lassen, da soll mir kein Mensch, ja kein Teufel noch kein Engel irgend ein Gebot draus machen, und sollt es auch Leib und Leben kosten.

Zum Dritten: Es sind Etliche, die noch schwach im Glauben sind, die da wohl zu weisen wären, und gläubten auch gerne wie wir: aber allein ihre Unwissenheit hindert sie; und wenn ihnen das gepredigt wäre, wie uns, Gott Lob, geschehen, so reichlich und klar, wären sie mit uns der Sachen eins, und würden sich an gar Nichts ärgern.

Gegen solche gutherzige Menschen müssen wir uns viel anders halten, denn gegen die halsstarrigen. Mit denselbigen sollen wir Geduld tragen, und uns unserer Freiheit enthalten; sintemal es uns keinen Schaden noch Gefahr bringet, weder am Leibe noch an der Seele; ja, es ist uns förderlich und geschieht unserm Nächsten zu großem Nutz und Frommen. Wenn wir aber unsere Freiheit ohne Noch, so frech, unserm Nächsten zu Aergerniß brauchen wollen, so treiben wir den zurück, der noch mit der Zeit auch zu unserm Glauben kommen möchte.

Also that St. Paul, da er Timotheum beschneiden ließ. Denn da sich die Juden ärgerten, und waren einfältige Leute, gedachte Paulus: Was mags schaden, dieweil sie sich aus Unverstand ärgern, du willst Timotheum lassen beschneiden, Apg. 16, 4., und er ließ ihn auch beschneiden. Aber da die zu Antiochien wollten drauf dringen, daß er Titum sollte und müßte beschneiden, stund er auf wider sie alle, und zu Trotz ließ er Titum nicht beschneiden.

Desgleichen that St. Paul abermals zu Antiochien mit St. Peter, da Petrus durch seine Freiheit einen bösen Verstand und Wahn in die einfältigen Herzen trieb, damit, wenn er zu den Heiden kam, aß er mit ihnen, was sie hatten, Schweinefleisch, und was man ihm vorsetzet?, und scheuete Nichts, gebrauchte seiner Freiheit öffentlich. Da aber etliche Juden gen Antiochien kamen, entzog er sich, und sonderte sich, wollte mit den Heiden nicht mehr allerlei essen, wie vor. Da gedachten die Heiden, die neulich zum Glauben kommen waren: Ei, wir müssen auch nicht Schweinefleisch essen, müssen auch nicht allerlei essen, wie die Juden thun, müssen das Gesetz auch mit halten; machten ihnen also über einem geringen Ding ein groß Gewissen. Da das Paulus gewahr ward, daß Petrus ein solch Bekümmerniß und Aergerniß in die einfältigen schwachen Heizen der Juden gebracht hatte, und sich fürchtete, solcher Handel möchte einen großen Nachtheil an der evangelischen Freiheit bringen, redet er Petrum hart an, las ihm eine alte Lection, und sprach zu ihm vor Allen öffentlich: So du, der du ein Jude bist, heidnisch lebest, und nicht jüdisch, warum zwingest du denn die Heiden, jüdisch zu leben?

Aus dieser Geschichte sollt ihr lernen, daß wir unserer Freiheit gebrauchen sollen zu rechter und bequemer Zeit, damit der christlichen Freiheit Nichts abgebrochen und unsern Brüdern und Schwestern, die noch schwach und dieser Freiheit unwissend sind, kein Aergerniß gegeben werde. Das sei davon genug.

Quelle: Luthers Volksbibliothek, Band 17 + 18

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