Luther, Martin - Wittenberger Predigten - 8. Predigt, oder ein kurzer Begriff des Sermons (Wittenberg 1522)

Luther, Martin - Wittenberger Predigten - 8. Predigt, oder ein kurzer Begriff des Sermons (Wittenberg 1522)

gepredigt am Sonntage Reminiscere von der Beicht

Von den „Acht Sermone“ wider Dr. Karlstadt's Neuerungen in Wittenberg, daselbst gepredigt in der Fasten (Sonntag Invocavit bis Reminiscere), Anno 1522, theilen wir hier die achte mit.

Wir haben nun die Stück gehört, die sich hie begeben haben, bis auf die beicht; die wollen wir auch kurz behandeln.

Zum ersten ist eine Beicht, die in der Schrift ihren Grund hat. Als, wenn Jemand öffentlich gesündigt hatte, so daß die Leute daon wußten, so ward derselbig auch öffentlich vor dem Haufen angeklaget. Stund er von dem Laster abe, so baten sie für ihn vor Gott, und halten ihn versühnen. Wollt er aber davon nicht abstehen, und den Haufen oder die Gemeine nicht hören, so ward er in Bann gethan, und von der Versammlung verworfen und abgesondert, so daß Niemand mit ihm mußte weder zu schicken noch zu schaffen haben.

Von dieser Beicht sagt Christus im Matthäo also: Sündiget dein Bruder an dir, so gehe hin, und strafe ihn zwischen dir und ihm alleine. Höret er dich, so hast du deinen Bruder gewonnen. Höret er dich nicht, so nimm noch einen oder zween zu dir, auf daß alle Sache bestehe auf zweier oder dreier Zeugen Munde. Höret er die nicht, so sag es der Gemeine. Höret er die Gemeine nicht, so halt ihn als einen Heiden un Zöllner. Matth. 18, 15. 16. 17. Und wenn ihn die Gemeine verwarf, oder wiederum aufnahm, so war er vor Gott auch verworfen oder wiederum aufgenommen. Darum sagt der Herr daselbst bald drauf V. 18: Wahrlich, ich sage euch, was ihr auf Erden binden werdet, soll auch im Himmel gebunden sein; und was ihr auf Erden lösen werdet, soll auch im Himmel los sein.

Dieser Beicht haben wir kein Zeichen mehr in der Kirchen. An diesem Ort liegt das Evangelion gar darnieder. Wer diese Beichte könnte wiederum aufrichten, der thät ein köstlich gut Werk.

Allhie, lieben Freunde, sollt ihr euch bemühet haben, und diese Beicht wiederum aufgericht haben, und ander Ding haben lassen anstehen; denn durch diese Stücke wäre Niemand geärgert worden. Und es sollt also zugehen mit dieser Beicht: Wenn du einen Wucherer sähest, oder einen Räuber, Ehebrecher, Buhler, Säufer, und mit dergleichen Laster mehr beladen; so sollst du zu ihm gehen in geheim, und ihn vermahnen, daß er von dem oder diesem Laster abstehen wolle. Kehret er sich dran; wohl und gut. Kehret er sich nicht dran, sondern fähret fort in seinem Laster; so sollst du zwei oder drei zu dir nehmen, und ihn noch einmal, in Gegenwärtigkeit dieser dreier, brüderlich vermahnen. Wo er diese Vermahnung nicht annehmen, sondern verachten wollt; so sollst du es vor dem ganzen Haufen dem Pfarrherrn ansagen, und deine zwei Zeugen bei dir haben und öffentlich sagen: Lieber Pfarrherr, dieß und die? Laster hat der Mensch gethan, und hat unser brüderliche Vermahnung nicht wollen annehmen, auf daß er von diesem seinen Laster abstünde, sondern hat dieselbige veracht, und ist immerdar blieben in seinem Laster: darum beschuldige ich ihn hie öffentlich vor der ganzen Gemeine, mit diesen meinen Gezeugen, wleche meine brüderliche Vermahnung haben angehöret. Und wo alsdenn er nicht würde abstehen, und die Beschuldigung willig annehmen, sollt ihn der Pfarrer von wegen des ganzen Haufens absondern, und in den Bann thun, bis daß er sich erkennte, und wiederum angenommen würde. Dieß wäre ein christlich Werk, wer das könnte zuwegen bringen, aber ich getraue mirs nicht aufzurichten.

Zum andern ist ein Beicht, da wir Gott unsere Sünden allein klagen, und Gott selbst beichten, vor welchen wir alle unsere Gebrechen ausschütten; und diese Beicht ist uns groß vonnöthen, ja so sehr, daß wir alle Stunden und alle Augenblick thun sollen, und ist uns auch geboten.

Von dieser Beicht sagt David im Psalm: Darum thu ich kund meine Sünde, und verhehle meine Missethat nicht. Ich sprach: Ich will dem Herrn meine Uebertretung bekennen, wider mich, da vergabst du mir die Missethat meiner Sünde. Dafür werden alle Heiligen bitten vor dir zur rechten Zeit, Ps. 32, 5.6.

Zum dritten ist auch eine Zeit, da einer dem andern beichtet, und nimmet ihn allein auf ein Ort, und erzählt ihm, was sein Noth und Anliegen ist, auf daß er von ihm ein tröstlich Wort höre, damit er sein Gewissen stille. Diese Beicht hat der Pabst gestreng geboten und einen Nothstall draus gemacht, daß es zu erbarmen ist. Dieß Nöthigen und Zwingen hab ich verworfen und hart angegriffen, da ich von der Beicht gepredigt und geschrieben habe. Und eben darum will ich nicht beichten, daß es der Pabst geboten hat und haben will. Denn er soll mir die Beicht frei lassen, und keinen Zwang noch Gebot draus machen: deß er keine Macht noch Gewalt hat zu thun.

Aber dennoch will ich mir die heimliche Beichte Niemand lassen nehmen, und wollte sie nicht um der ganzen Welt Schatz geben; denn ich weiß, was Stärk und Trost sie mir gegeben hat. Es weiß Niemand, was die heimliche Beicht vermag, denn der mit dem Teufel oft fechten und kämpfen muß. Ich wäre längst von dem Teufel überwunden und erwürget worden, wenn mich diese Beicht nicht erhalten hätte. Denn es sind viel zweifelhaftig und irrige Sachen, darein sich der Mensch allein nicht wohl schicken kann, noch sie begreifen. Wenn er nun in einem solchen Zweifel stehet, und weiß nicht wo hinaus, so nimmet er seinen Bruder auf ein Ort, und hält ihm vor seine anliegende Noth, klagt ihm seine Gebrechen, seinen Unglauben und seine Sünde, und bittet ihn um Trost und Rath. Denn was schadets ihm, daß er sich vor seinem Nächsten ein wenig demüthige und sich zu Schanden mache?

Wenn dir denn da ein Trost widerfährt von deinem Bruder, den nimm an und glaube ihm, als wenn dirs Gott selbst gesaget hätte; wie Christus im Matthäo spricht: Wo zwei unter euch eins werden auf Erden, warum es ist, das sie bitten wollen, das soll ihnen widerfahren von meinem Vater im Himmel. Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen, Matth. 18, 19. 20. Wir müssen auch viel Absolution haben, damitwir unser blödes Gewissen und verzagtes Herz gegen den TEufel und vor Gott stärken und trösten mögen: darum soll man die heimliche Beicht nicht verbieten, noch Jemand davon halten.

Wer sich nun mit den Sünden beißt, und deren gerne los wäre, will er einen gewissen Trost und Spruch hören, damit er sein Herz stille: der gehe hin und klage seine Sünden in geheim seinem Bruder, bitte ihn um eine Absolution und um ein tröstlich Wort. Gibt er dir nun eine Absolution, und saget dir zu, deine Sünden sind dir vergeben, du habest einen gnädigen Gott und barmherzigen Vater, der dir deine Sünden nicht will zurechnen: so glaube dieser Zusage und Asolution frisch und fröhlich, und sei gewiß, daß dir Gott solche Zusage selbst thu durch deines Bruders Mund. Wer aber einen festen, starken Glauben hat zu Gott, und ist gewiß, seine Sünden sind ihm vergeben: der mag diese Beischt wohl lassen anstehen, und allein Gott beichten. Aber wie viel sind ihr, die solchen festen, starken Glauben und Zuversicht zu Gott haben? Es sehe ein jeglicher hie auf sich selbst, daß er sich nicht verführe.

Darum habe ich gesagt, und sags noch, daß ich mir diese heimliche Beicht nicht will nehmen lassen. Ich will auch Niemand darzu zwingen, oder gezwungen haben; sondern einem jeglichen frei heimstellen. Unser Gott ist nicht so karg, daß er uns nur Eine Absolution und nur Einen Trostspruch gelassen hätte, zu Stärke und Tröstung unsers Gewissens; sondern wir haben viel Absolution im Evangelio, und sind reichlich mit viel Tröstungen überschüttet: welche Tröstungen und Zusagen wir nicht verachten sollen, sie von unsern Brüdern zu fordern und zu hören.

Ueber das, daß wir je gewiß sein sollen, daß uns unsere Sünden vergeben sind, hat uns Christus auch die Sakrament hie gelassen; die Taufe, sein Leib und Blut im Sakrament des Altars. Diese Sakrament soll ich nicht verachten zu nehmen. Denn in der Taufe werde ich gewiß der Gnade und Barmherzigkeit Gottes, daß ich sein bin, und er mein, habe mich mit ihm vereinigt, und bin nun von ihm angenommen. Darnach empfange ich den Leib und das Blut Christi, dabei ich auch gewiß werde, daß mir meine Sünden vergeben sind. Und deß zum Zeichen und gewisser Sicherheit esse ich den Leib, der für mich gegeben ist, und trinke das Blut, das für meine Sünde vergossen ist, auf daß ich je nicht verzweifeln soll, ich hab ein gnädigen barmherzigen Gott und Vater.

Also sehet ihr, daß die heimliche Beicht nicht zu verachten ist, sondern ein trefflich Ding sei, der ich meinethalben nicht gerathen wollt um die ganze Welt.

Weil wir denn viel Tröstung haben müssen; so wir wider den Teufel, Tod, Sünde und Hölle streiten, und auch bestehen sollen; so müssen wir uns keine Waffen nehmen lassen, sondern unsern Harnisch ganz bleiben, und die Tröstung, uns von Gott gegeben, unverrückt lassen sein. Denn ihr wisset noch nicht, was es für Mühe und Arbeit kostet, mit dem Teufel zu streiten, und ihn zu überwinden. Ich kenne den Teufel wohl; hättet ihr ihn auch sowohl erkannt, als ich, ihr hättet die heimliche Beicht nicht also in den Wind geschlagen. Das sei davon genug, wollen Gott anrufen um seine Gnade, daß wir auf der rechten Bahn bleiben mögen, und davon nicht geführt werden.

Quelle: Die vier Reformatoren Luther, Melanchthon, Zwingli und Calvin

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