Leipoldt, Wilhelm - Wir leben und wir sterben dem Herrn!

Leipoldt, Wilhelm - Wir leben und wir sterben dem Herrn!

Predigt
von
W. Leipoldt.
Pastor der evangelischen Gemeinde Unterbarmen.

Text: Römer 14, 7. 8.

Denn unser keiner lebt ihm selber, und keiner stirbt ihm selber. Leben wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Darum, wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn.

Theure, geliebte Gemeinde!

Ein großer Apostel unsers Herrn Jesu Christi, der Mann, der Alles für Schaden achtete, damit er Christum gewinne, spricht dies freie und fröhliche Bekenntniß aus in seinem und seiner Brüder Namen. Es redet von dem innigen und seligen Verhältnisse, in dem der Christ zu seinem Herrn steht, und von dem gewissen und trostvollen Grunde, auf welchem darum sein Leben und sein Sterben ruht. So viele zu aller Zeit den Sohn Gottes als ihren Heiland und Herrn wahrhaftig erkannt haben, die haben sich immer jenem Bekenntnisse der ersten Jüngerschaft freudig angeschlossen, und auch an uns, die wir heute dies Wort betrachten und so gern der apostolischen Nachfolge uns rühmen, ergeht die Frage, ob diese Christenlosung wirklich der Wahlspruch unseres Lebens und unser Trost im Sterben sei! - Es will uns vorkommen, Geliebte, als ob unser Texteswort den Christen unserer Tage vorzugsweise nur von Einer Seite klar und theuer geworden sei, nämlich als ein Trost- und Lebenswort in Todesgefahr. Es mag kaum ein Sterbebette geben, an dem es nicht wenigstens einmal aus dem Munde eines tröstenden Freundes erschallte; und es hat schon tausendfältig an der dunkeln Schwelle, wo aller Menschentrost ein jämmerlich Ende nimmt, seine Macht bewährt und seinen Sieg gefeiert. Manchem verwilderten Herzen, das sonst nur die Welt und ihre Eitelkeit kannte, ist es in der Stille des Krankenlagers als der erste Lichtstrahl von oben begegnet, und hat ihm den Herrn gezeigt, in dessen Hand sein Leben und sein Sterben ruht. Manchen, dem das Schwanken zwischen Lebenshoffnung und Todesfurcht einen harten Kampf kostete, hat es gelehrt, sich in den Rath des Herrn zu fügen, und die Gnade zu suchen, die vom Tode aushelfen kann. Es hat manche Dunkelheit des Glaubens durchbrochen, manche schwere Anfechtung geschlichtet, und ist Manchem ein Stecken und Stab im finstern Thale geworden, daß er kein Unglück mehr fürchtete, sondern mit Fried' und Freude dahinfuhr!

Aber so herrlich und tröstend sich auch dies Wort im Sterben erweist, so ist das doch nicht seine einzige Kraft und Anwendbarkeit. Nicht allein vom Sterben, auch vom Leben steht etwas darin; der Apostel hat es aus dem Leben genommen und für das Leben hingestellt, als eine Regel, nach der wir einhergehen sollen. Unter den Christen zu Rom war mancherlei Verwirrung der Gewissen entstanden. Einige, die aus dem Judenthume berufen waren, behielten den gesetzlichen Unterschied der Tage und der Speisen bei, wie sie es von ihren Vätern her gewohnt waren. Und das mochten sie immer thun, wenn sie nur darin kein besonderes Verdienst setzten und dem Herrn die Ehre gaben. Andere, vorzüglich solche, die vorher Heiden gewesen waren, fanden sich innerlich von dieser gesetzlichen Weise freigesprochen, und sie waren es wirklich, wenn sie mit ihrer Freiheit den Herrn priesen. Aber, wie es dann geht, wenn der Christ auf einen Augenblick vergißt, daß er nicht sich selbst angehört, sondern nur ein Kind im Hause und oft gar noch ein unmündiges sei, - gleich fährt er zu, und will als Herr im Hause walten, regieren und richten. So war's hier. Die Schwachen richteten die Freiheit der Starken, und die Starken verachteten die Schwachen. Darum stellt der Apostel in unsern Textesworten die goldne Regel des Glaubens und der Liebe in ihrer Mitte auf, als rechte Richtschnur ihres Thuns und Lassens, ihres Meinens und ihres Urtheilens; und indem er von dem einzelnen Falle Veranlassung nimmt, spricht er damit ein Losungswort und ein Bekenntniß aus, das alle Christen zu allen Zeiten gleich nahe angeht, und das er, wie im Namen der ganzen Gemeinde auf Erden ausspricht: Wir leben und wir sterben dem Herrn! Verweilen wir mit unserer Betrachtung bei diesem Worte und erwägen, was es umfaßt, so finden wir, daß darin liege:

  1. Der Gegensatz der Gläubigen gegen die Welt;
  2. das Wesen ihres neuen Lebens;
  3. ihr einiger und ewiger Trost.

So gebe denn Gott uns Allen Licht und Gnade, recht zu erkennen, wie wir stehen zu dem vollen Inhalte dieses Worts.

Unser keiner lebt ihm selber und keiner stirbt ihm selber! Mit diesem Losungsworte tritt der Apostel sammt allen denen, die mit ihm denselben theuren Glauben überkommen haben, hervor, und stellt sich denen frei gegenüber, die ihr Heil auf andern Wegen suchen. Die Welt lebt sich selbst und stirbt sich selbst; ein Christ darf und will das nicht mehr; das ist der Gegensatz, in dem die Gläubigen gegen die Welt stehen.

Sich selbst leben, was heißt das? Es heißt, sich selbst als den Herrn seiner Seele und seines Lebens betrachten, und mit seiner Zeit, mit seinen Kräften, mit allem Vermögen des Leibes und des Geistes schalten nach eigenem Gutdünken. Wenn der Haushalter vergißt, von wem und wozu er gesetzt ist, und die Güter seines Herrn durchbringt oder zu seinem Vortheile verwendet, der treibt seine eigne Sache, der lebt sich selbst. Wenn ein Kriegsmann sich in Händel der Nahrung flicht, die ihm nicht gebühren, und statt zu wachen und zu streiten träge schläft oder feige flieht, der thut, was ihn gelüstet, der lebt sich selbst. Und wenn ein Mensch nicht bedenkt, daß ihn die Allmacht Gottes aus dem Nichts ins Dasein gerufen, daß der Sohn Gottes ihn mit seinem theuren Blute erlöset hat, und daß Gott also mit doppeltem Rechte sein Eigenthumsherr ist und setzt statt des Willens Gottes seinen eigenen Willen auf den Thron, und dient seiner Lust auf eignem, selbsterwähltem Wege, der lebt sich selbst!

Mit dieser allgemeinen Beschreibung des sich-selbst-lebens ist schon der Stab über dasselbe gebrochen. Eignes Leben haben zu wollen neben dem göttlichen Leben, das war die Ursünde unsrer ersten Stammältern. Sie wollten sein, wie Gott, wollten sich der unmündigen Abhängigkeit von ihm entreißen, und selbst wissen, was gut und böse ist. Sie fanden ihn bald, den Weg des eignen Lebens, aber sie fanden ihn nur im Abfall von Gott. Sich selbst leben wollen, heißt jenen traurigen Abfall fortsetzen und erneuern. Tief bezeichnend nennt die Schrift dies eigne Leben den Wandel nach väterlicher Weise, das Irren mit dem Herzen, die Herrschaft des Fleisches, und beschreibt es überall als einen Eingriff in die Majestätsrechte des Herrn, als einen Frevel an seiner Macht und Liebe. Es ist zugleich, - wie könnte es auch anders sein, - das größte Unglück für den Menschen, der auf dem Wege des eignen Lebens sich durch Lüste in Irrthum verderbt; ein Zustand der bejammernswerthesten Verblendung und Thorheit, über den die ewige Liebe mitleidig klagt: Mich, die lebendige Quelle verlassen sie, und machen ihnen selbst hie und da ausgehauene Brunnen, die doch löchricht sind und kein Wasser geben!

Fragen wir uns, wo dies eigne Leben zu finden sei, so dürfen wir nicht weit suchen. Wir finden es überall, wo wir Christum und sein Leben nicht finden. Ueberall treffen wir Menschen, die, obgleich umgeben von den Anstalten der suchenden und errettenden Liebe Gottes, dennoch ohne Gott in der Welt dahin leben und mit ihrem Wandel dem Tode Frucht bringen. Trunkenbolde, Wollüstlinge, Geizige, Ungerechte, Hartherzige, Stolze, - offenbar, wie ihre Fleischeswerke, ist auch der Sinn, der sie treibt. Sie haben, jeder in seiner Weise, ihre Lust zu ihrem Gott erkoren, sie haben sich der Sünde verkauft und sind los von dem lebendigen Gott; sie leben sich selbst!

Aber hüten wir uns zu glauben, daß solche offenbar ungöttliche Menschen die Einzigen sind, die sich selbst leben. Das eigne Leben ist überall da geschäftig und kräftig, wo man auch mit besserm äußerem Scheine die Welt lieb hat und was in der Welt ist. Sich selbst leben und der Welt leben, das ist im Wesentlichen Eins und dasselbe. Denn wenn das Herz keinen Gott und Heiland hat, in dem es Leben und volle Genüge findet, so darbt es und fühlt sich verlassen; und in einer Roth, die es sich selbst nicht gestehen mag, nimmt es dann eine ganze Welt mit ihren Gütern und Freuden zu Hülfe, um diese Armuth zu bedecken und diese Leere auszufüllen. Da greift das arme Herz nach den vergänglichen Dingen und meinet ein großes Gut darin zu finden, da dünken ihm die armseligen Freuden dieser Welt so lieblich, ihre eitlen Kleinigkeiten so wichtig, ihr Lob und Tadel so entscheidend; da läßt der Mensch sich's bald gefallen, zu rennen und zu laufen, zu sorgen und zu raffen, getäuscht zu werden und auf den Grund betrogener Hoffnung ein neues Gebäude des Trostes aufzuführen, innerlich zu darben und äußerlich den Schein des Wohlseins zu bewahren. Ach, es ist seine Ruhe, seine Seligkeit, die der Mensch, außer Gott in der Welt erringen will, er liebt und lebt sich selbst, indem er sich an die Welt übergibt. Da bedarf es, wahrlich, keiner rohen Ausbrüche der Sünde, um seinen Abfall von Gott zu beweisen; statt tausend Thaten zeugt die eine Thatsache wider ihn, daß die Welt in seinem Herzen die Stelle einnimmt, die Gott allein gebührt!

Groß ist die Macht, die dies sich selbst leben über den Menschen ausübt. Wäre es nicht die eigne Natur des unwiedergebornen Menschen selbst, so möchte man sagen, es sei ihm so zur andern Natur geworden, daß er nicht anders könne, als sich selbst dienen. Im Lichte des eignen Lebens sieht er sich selbst und alle Dinge an, und sie erscheinen ihm begreiflicher Weise ganz anders, als im Lichte des göttlichen Worts; von dem Standpunkt des eignen Lebens aus denkt, urtheilt„ und schließt er, erwählt und verwirft; in diesem Elemente lebt er sein inneres und äußeres Leben, jedes seiner Worte, all sein Thun und Lassen geht aus diesem Grunde hervor. Was um ihn her aus einem andern Grund und Boden erwächst, was des Geistes Gottes ist, dem ist sein Auge verschlossen, das dünkt ihn Thorheit und kann es nicht erkennen. Das eigne Leben ist geschäftig in seiner Berufsarbeit, wie in seinem gottesdienstlichen Wesen, es leitet ihn in seinem Umgange mit Menschen und befleckt sein Gebet, und selbst da, wo er einmal aus sich selbst herauszugehen scheint, um ein Werk des Glaubens, der Demuth und der Liebe zu vollbringen, ist's im verborgenen Hintergrunde des Herzens doch immer wieder die stolze Eigengerechtigkeit oder die Ehre bei Menschen oder sonst ein zeitlicher Gewinn und selbstsüchtiger Gedanke, der ihn leitete und trieb. Das eigne Leben, wie wohlthätig, klug und fromm es immer scheinen mag, ist es doch ein Wandel ohne Furcht und Liebe Gottes, ohne wahre Liebe des Nächsten, ohne Gefühl der Sünde, ohne Bedürfniß nach Gnade, und also ein gottloses und verkehrtes Leben.

Bei dieser Macht des eignen Lebens, den ganzen Menschen zu durchdringen, sein Herz zu fesseln und seinen Blick zu verwirren, ist's nicht zu verwundern, wenn so viele, und zumal Weise, Edle und Gewaltige nach dem Fleische im eignen Leben befangen sind, ohne es zu wissen. Hätte Nicodemus, als er in der Nacht zu Jesu kam, wohl gedacht, daß die enge Pforte noch vor ihm liege und daß er noch müsse von neuem geboren werden vom eignen Leben zum Leben aus Gott, ehe er in das Reich Gottes eingehen könne? , Hätte der reiche Jüngling, der Alles gehalten hatte von Jugend auf, wohl geahnet, daß er bisher nicht Gotte, sondern sich selbst gelebt hätte und daß ihm noch Alles fehle, um ein Jünger Jesu zu sein? Hätte es Saulus wohl geglaubt, daß er vom eignen Leben umstrickt sei, als er, meinend er thue Gott einen Dienst daran, die Gemeine des Herrn verfolgte? Nur ein Licht von Gott kann die verborgenen Tiefen des Herzens uns kund thun und die Unbekanntschaft aufheben, in der der Mensch mit sich selbst steht; ohne diese göttliche Erleuchtung währet der Selbstbetrug durch's ganze Leben, und reicht wohl über das Erdenleben hinaus. Wenn wir noch an jenem Tage Viele sagen hören: Herr, Herr, haben wir nicht in Deinem Namen geweissagt, haben wir nicht in Deinem Namen Teufel ausgetrieben, haben wir nicht in Deinem Namen Thaten gethan! und das Zeugniß des Herrn vernehmen: Weichet von mir, ich habe Euch noch nie erkannt! - so werden wir mit Schrecken inne, daß Manche bis vor den Thron des Richters hin in dem stolzen Wahne gefangen liegen können, als gehörten sie dem Herrn an, und haben doch nur sich selbst gelebt!

Wer sich selbst lebt, der stirbt sich selbst! Das ist der Fluch, der auf das sich selbst leben folgt. So lange der Mensch in vollem Leben von der Geduld und Güte des Herrn getragen wird, mag er sich selbst weise, stark und fromm vorkommen, und seines Gottes entbehren können. Aber es kommt die Zeit, wo alle Stützen brechen und alle Hüllen zerreißen, und wo die Stimme Gottes: Komm wieder, du Menschenkind! ihm das gesetzte Ziel verkündigt und ihn an die Rechenschaft mahnt. Ach, wer dann im Leben seinen eigenen, unseligen Weg ging, der kann auch im Sterben nur seinen eignen, unseligen Weg gehen. Er ist da sich selbst überlassen, wo seine Kraft und seine Sinne ihn verlassen, wo die ganze Welt ihn nicht zu retten vermag, wo seine Scheintugend wie sein Scheinfriede nichts mehr gilt, und wo die oft verschmähte Hand seines Retters ferne von ihm ist. Was hinter ihm und was vor ihm liegt, ist gleich schrecklich; sein Sterben ist kein Erben, sondern Verderben! Er stirbt sich selbst,- nach seiner Wahl, auf seine Verantwortung, auf seine Gefahr! -

Unser keiner lebt ihm selber und keiner stirbt ihm selber! spricht der Apostel. Das ist der Unterschied, der wesentliche Unterschied zwischen den Christen und den Kindern dieser Welt. Die Welt sucht zwar diesen Unterschied so geringe, wie möglich, zu machen, oder ihn, wenn sie es könnte, ganz zu verwischen. Wir sind Sünder, spricht sie, wir wissens wohl, aber die Andern sind's nicht minder; zeigen wir uns, wie wir sind, so verstehen jene zu heucheln, oder was thun sie Sonderliches vor Andern? Aber der Unterschied besteht dennoch, und mehr als ein Unterschied, ein völliger Gegensatz ist da, und der liegt in der innersten Richtung des Herzens. Mögen Andre ihre Ehre, Lust und Ruhe in den eitlen Dingen der Welt suchen und ihnen nachjagen in unersättlicher Begier, Unser keiner! wir kennen und ergreifen ein anderes Gut! Mag die Welt ihr armes Ich zum Ziele ihres Strebens setzen und in arger Selbstvergötterung nur sich selber huldigen und dienen. Unser keiner! wir haben und lieben einen andern Herrn. Ja, mögen sie Alle, die nicht von neuem geboren sind aus Wasser und Geist, das eigne Leben lieb haben bis in den Tod, es entschuldigen und preisen, es einstimmig für den einzig seligen Weg erklären, Unser keiner! Wir wissen, daß wir aus der Wahrheit sind und folgen dem Herrn auf seinem Pfade und gehen den Weg, der uns nimmer gereut!

Unser keiner lebt ihm selber und keiner stirbt ihm selber! sehet da zu Eurem Troste, ihr Gläubigen, ein untrügliches Kennzeichen, an dem Christen allzeit zuversichtlich sich aus der Welt heraus erkennen können. Nicht wahr, Geliebte, es thut dem Herzen oft noth, ein untrügliches Merkmahl seines Gnadenlebens sich vorhalten und den Glauben daran neu stärken zu können. Doch, wo wäre Eins, das nicht auch die Welt nachmachen könnte in bezüglichem Scheine? Aeußere Gebehrde, Bußthränen, Gebet und Flehen, - das Alles steht ihr ja auch zu Gebote. Und abermals, wo wäre Eins, das nicht, wie ein auf- und untergehender Stern bald helle leuchtete und bald verschwände? Glaubensfreudigkeit, Geisteszeugniß, göttliche Kraft, - das alles kann dem Christen zu Zeiten, wenn auch nur scheinbar, mangeln. Aber hier ist ein Kennzeichen, das untrüglich ist und fest und zu aller Zeit zu finden. Es ist die Frage des Josuah an Israel: Wes willst Du sein und mit wem willst Du es halten? Die Welt, die sich selbst lebt, steht auf der einen Seite, Christus und seine kleine Heerde auf der andern; beiden angehören, ist unmöglich. Frage dich vor Gott, wohin steht Dein Herz, Dein Sinn, Dein Verlangen? Möchtest du noch ferner dir selbst leben und sterben, wie du es einst thatest, oder erfüllt dich das eigne Leben, wo du es an dir merkest, mit Schrecken, Schmerz und Schaam? Liebst du es, in Ausflüchten dein eignes Leben zu beschönigen, oder ergibst du gern und aufrichtig deinen Sinn und Willen darein, um in die apostolische Losung einzustimmen? Möchtest du das: Unser keiner! von Herzen mitsprechen können, sprich es getrost aus, das selige Wort, und schließe dich immer mit an, und wärst du auch der Schwächste und Kleinste, stehst du doch damit auf Christi Seite, der Welt gegenüber, die ins Verderben geht! Unser keiner lebt ihm selber und keiner stirbt ihm selber! das spricht der alte Mensch nicht nach, es kostet ihm sein Leben; die Welt fällt dieser Wahl nicht zu, sie käme mit sich selbst in Widerspruch. Unser keiner! das bleibt für immer der entschiedene Gegensatz, die Scheidung zwischen dem seligen Volke Christi und der argen, unseligen Welt!

Aber laßt uns nun auch sehen, welch ein anderes Leben der Apostel diesem selbstsüchtigen Treiben der Welt, das den Namen eines Lebens nicht verdient, gegenüber stellt. Seine Losung spricht weiter: Leben wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn!

Das ist ein großes und tiefes Wort, und es mag viel dazu gehören, bis jemand dies Bekenntniß in Wahrheit als das seinige aussprechen darf, aber sein Sinn und Inhalt ist leicht zu verstehen. Alles beruht darauf, daß während die Welt sich dem Dienste der Lüste, des Stolzes und des Geizes in schnöder Knechtschaft unterworfen hat, unter den Genossen dieses Bekenntnisses Christus als der Herr erkannt wird. Nicht als Herr und Herrscher aller Creaturen überhaupt, nicht als Herr und Haupt aller Gläubigen insgemein, sondern als Herr und Meister unsers Herzens insonderheit, der die Stelle in unsrer Seele einnimmt, wo sonst die Welt und das eitle Ich regierte, dem das Herz zum fröhlichen Dienste willig unterworfen ist, unsers Lebens und unsers Strebens, unsers ganzen Wesens Herr!

Geliebte, wenn das Herz erst seinen rechten Herrn gefunden hat, das bringt ein neues von ihm ausgehendes Leben hervor. Mit dem irren Suchen in der Menge seiner eigenen Wegen ists dann aus und mit dem unseligen Schwanken zwischen Gott und der Welt. Es ist entschieden, daß wir hinfort nicht mehr uns selbst leben, sondern dem, der für uns gestorben und auferstanden ist. Sein ist unseres Lebens Zeit, sein unseres Geistes Kraft und unsre Glieder und Sinne, jeder Athemzug und jeder Blutstropfen ist sein, und es ist beides, unsre Pflicht und unsre Seligkeit, Ihn zu preisen an unserm Leibe und in unserm Geiste, welche Gottes sind. Ihn zu bekennen vor den Menschen, damit er uns einst wieder bekenne vor seinem himmlischen Vater, in seinen Fußstapfen zu wandeln, und gleich wie er war, also auch zu sein in dieser Welt, das ist das Ziel, nachdem wir unablässig ringen. Mit seinem heiligen Willen im Bunde streiten wir getrost und siegreich gegen unsern eigenen Willen und geben den alten Menschen sammt seinen Lüsten und Begierden täglich in den Tod dahin. Lieber sterben, als Sünde thun, lieber alles verlieren als Jesum betrüben, das ist unser Wahlspruch. Müssen wir auch das Kreuz ihm nachtragen, durch dunkle Wege gehen, Verläugnung üben und Thränensaaten säen, durch seine Gnade bleiben wir getrost. Die Sache ist sein, und der Segen ist unser, darum schauen unsere Augen nur auf ihn! Das und noch viel mehr umfaßt der Apostel in dem Bekenntniß: Leben wir, so leben wir dem Herrn! Sterben wir, so sterben wir dem Herrn! Ein Knecht steht und fällt seinem Herrn, so auch wir. Ueber unser Sterben ist Christus der Herr, wie er es über unser Leben war. Wenn wir aus diesem Leben scheiden, so zahlen wir nicht eine unvermeidliche Schuld der Natur, so fallen wir nicht einer Strafe für unsre Sünden anheim, wir folgen dem Rufe unsers großen und getreuen Herrn, der uns durch den Tod ins ewige Leben führt. Für ihn zu sterben, das könnte er von uns fordern als ein geringes Opfer der dankbaren Gegenliebe, Er der uns ja lehrte, das Leben für die Brüder lassen, und er könnte uns mächtig machen, es zu vermögen. Aber wenn er das nicht von uns begehrt, so macht er uns willig und bereit, täglich mit ihm zu sterben, durch seine Gnade den Tod zu überwinden und einst mit unserm Tode Gott zu, preisen. Sterben wir, so sterben wir ihm, im Glauben an ihn, in der Gemeinschaft mit ihm, in der Hoffnung auf ihn. Wir fleißigen uns, wir sind da? heim oder wir wallen, daß wir ihm Wohlgefallen!

Legen wir aber etwa mehr in dies Losungswort hinein, als der Apostel damit aussprechen wollte, oder war es vielleicht nur eine einzelne Stunde der Begeisterung, in der das Bekenntniß über seine Lippen floß? Weder jenes noch dieses; das Leben des Apostels giebt dafür Zeugniß. Der Mann, der seinen' Brüdern solch' eine Losung vorhält, hat durch sein Vorbild noch klarer als durch sein Wort gepredigt, was es heiße, dem Herrn leben und sterben; er durfte sich an seine Brüder wenden und sie auffordern: „Seid meine Nachfolger, gleichwie ich Christi!“ Sehet nur, wie ist gleich der Anfang seines Christenlaufes so ernstlich und so treu. Mit welcher Entschiedenheit kehrt er der Welt den Rücken, sobald der Herr ihn ruft, einer Welt, deren Stolz und Freude er war, die ihn mit Lob und Ehre überhäufte. Ja, was noch weit mehr ist, als dies alles, er läßt sich selbst dahinten, er gibt den Ruhm eines äußerlich unbefleckten Wandels, er gibt den bisherigen Trost seines Herzens, seine Gerechtigkeit aus dem Gesetz, sein eignes Leben dahin, um als ein Sünder durch Christi Gnade selig zu werden. Was ihm Gewinn war, das achtete er für Schaden, auf daß er Christum gewinne und in ihm erfunden werden Der Fortgang seines Lebens war solch eines Anfangs würdig. Die Welt blieb ihm gekreuzigt und er der Welt. Der Inbegriff seines ganzen Lebens war: „Ich lebe, doch nun nicht ich, Christus lebet in mir; denn was ich jetzt lebe im Fleisch, das lebe ich im Glauben des Sohnes Gottes, der mich geliebt hat und sich selbst für mich dargegeben!“ In diesem Glauben und in dieser Liebe des Sohnes Gottes, worin er lebte, konnte er sein großes Apostelamt mit unverletzter Treue vollbringen unter unsäglicher Arbeit, unter Schmach und Verläugnung, unter Verfolgung und täglicher Todesgefahr, konnte im Gefängniß wie unter Mörderhänden, in körperlicher Schwachheit und unter hohen geistlichen Anfechtungen den Herrn preisen, und vermochte alles durch den, der ihn mächtig machte, Christus! Ihm war Sterben Gewinn, und weil er längst sich selbst abgestorben war, konnte er dem letzten Lebensende seinen Siegsgesang entgegen singen: „Ich weiß, an wen ich glaube, und bin gewiß, daß mir meine Beilage bewahrt bleibt, bis zu jenem Tage!“

Freilich, es gehören nicht weniger denn zwei Wunder Gottes dazu, bis ein Mensch dem Herrn so leben und ihm sterben kann. Das Eine, das einst auf Golgatha für uns vollbracht ward in der Fülle der Zeit, und das andere, das Gottes Geist im Innern unsrer Seele vollbringt, die Erlösung und die Wiedergeburt. Aus sich selbst herauszutreten, die Selbstsucht und den Eigenwillen aufzugeben, die so innig mit unserm Geistesleben verwachsen sind, das vermag der Mensch so wenig aus sich selbst, als ein Mohr seine Haut wandeln kann und ein Pardel seine Flecken. Natur und Zeit thun's auch nicht; um und an dem Menschen können sie vieles ändern, aber das Innerste seines Wesens lassen sie unverwandelt. Von den Ketten des Verderbens, womit das eigne Leben den Menschen umstrickt, kann er nur losgebunden werden durch eine göttliche Erlösung, und soll er sich Christo zu eigen übergeben, so muß er zuvor von Christo überwunden sein. Darum ist die göttliche Liebe, die einst den Sohn zum Opfer und Lösegeld für die Sünder gab, unablässig geschäftig, den irrenden Schaafen den Weg des Lebens anzupreisen, daß sie sich bekehren zu dem Hirten und Bischof ihrer Seele! Wenn nun, vom Geiste Gottes überredet, ein Mensch es glaubt und erfährt, daß er sich selbst ins Unglück bringe und sein Heil allein stehe bei dem lebendigen Gott, den wird beides, seine Roth und Gottes Liebe dringen, daß er weinend seinem Herrn zu Füßen falle, seine Schuld bekenne und Barmherzigkeit begehre. Und hat die freundliche Sünderliebe des Herrn sein Herz getröstet, und ist die Last der Sünde von seiner Seele abgewälzt, so ist mit dieser Vergebungsgnade zugleich ein neues Leben in ihm gewirkt, das in dankbarer Gegenliebe seinem Herrn zu dienen begehrt. So ist Christus beides, der Ursprung und das Ziel des neuen Lebens. Leben wir, so leben wir dem Herrn, durch ihn und für ihn. Wir sind sein Werk, geschaffen in Christo Jesu zu guten Werken, zu welchen Gott uns zuvor bereitet hat, daß wir darin wandeln sollen. Und in Christo allein liegt auch die Kraft, in der dies neue Leben fortbesteht. Es ist seine täglich neue Gnade, es ist der beständige Lebenszufluß aus ihm, die immer erneuerte Mittheilung von Geisteskraft und Glaubensstärkung, durch die es allein seinen Erlöseten möglich ist, wider Fleisch und Welt und Sünde und Teufel zu bestehen, immer völliger, freudiger und kräftiger zu werden, bis der letzte Feind zu unsern Füßen liegt und das Kleinod unsers Berufs in unsern Händen ist.

Doch ich weiß wohl, geliebte Brüder, welch' ein schmerzlich Gefühl manche von Euch bei der Betrachtung des neuen Lebens in Christo durchdringt. Ihr kennet aus seliger Erfahrung den Grund und die Kraft dieses Lebens, seine Herrlichkeit stehet als ein heiliges Ziel vor Eurer Seele. Ihr möchtet gerne, nachdem Gott so viel an Euch gewandt hat, auch viel Früchte des neuen Lebens bringen in Gehorsam, Demuth und Liebe. Aber Ihr greift in Euer Herz, Ihr untersuchet Euer Verhältnis) zu dem Herrn, Ihr blicket in Euer tägliches Leben, und siehe, überall ist nur ein armes, zerrissenes Stückwerk! Ihr höret das apostolische Wort: „Ist Jemand in Christo, so ist er eine neue Creatur, das Alte ist vergangen, siehe, es ist Alles neu geworden!“ ach, und bei Euch findet Ihr es anders. Neben und unter dem neuen Wesen, das Gottes Geist in Euch gepflanzt hat, findet Ihr das Alte noch überall; so viel Züge des eignen, ungöttlichen Lebens, so viel Weltliebe, so viel Trägheit, so viel untreues, getheiltes, unbeständiges Wesen! Brüder, ich kenne diesen Schmerz und diese Klage, wie Ihr, und fühle es täglich, welch' eine Macht des alten Lebens sich zwischen uns und unsern Herrn hineindrängen will. Was sollen wir sagen zu dieser traurigen Erfahrung? - Sollen wir einander damit trösten, daß solche Schwachheit und Gebrechlichkeit nun einmal uns anklebe, und daß wir darüber uns nicht viel Kummer machen dürften, weil sich ja Aehnliches bei den meisten Christen finde? Nein, dann erkennten wir ja die, Liebe des Sohnes Gottes nicht, der sich ganz für uns dahingab, und nur ein ganzes, ungetheiltes Herz zum Dankopfer annimmt. Der Herr kennet die Seinen, es trete ab von der Ungerechtigkeit, wer den Namen Christi nennt! Eine größere Ungerechtigkeit aber kann es nicht geben, als dem Herrn die Seele zu entziehen, die er erlöset hat, und seinen Feinden noch Raum in dem Herzen zu gönnen, das ihm allein gehört. Oder sollen wir unsern Christenlauf mit dieser Klage endigen, und verzagt und erschrocken unsre Christenlosung aufgeben, weil das Ziel uns zu weit und zu hoch ist? Nein, Geliebte, das dürfen wir nicht. Der uns berufen hat, der ist getreu, und neben der Hoffnung des Berufs reicht er in seinen Verheißungen uns auch die himmlischen Kräfte dar, durch die wir sie erringen können. Nicht an seiner Kraft und Treue lag es, daß uns so oft das Ziel verrückt ward, und wir im Kampfe zwischen Fleisch und Geist so oft unterlagen oder nur kümmerlich uns erhielten, und nicht fortgehen konnten von Kraft zu Kraft. Daran lag es, daß wir nicht lauter und einfältig genug vergaßen, was dahinten ist, um uns zu strecken nach dem, was da vorne ist, daran, daß unsre Hände nicht unablässig zum Gebete erhoben waren, und unsre Augen nicht wachten mit allem Fleiß. Wären wir kindlich allezeit an der Hand des Herrn geblieben, hatten wir heldenmüthig unsre Hoffnung ganz auf die Gnade gesetzt, die uns dargeboten ward, wir wären nicht müde und matt geworden und standen fröhlich in seiner Kraft. Doch, Gottlob, daß uns die Gnade noch hält und trägt, und daß wir's wissen: der in uns angefangen hat das gute Werk, der will es auch vollführen bis auf den Tag Jesu Christi. So lasset uns denn unser Vertrauen nicht wegwerfen, welches eine große Belohnung hat. Lasset uns, je mehr wir unsrer Schwachheit inne werden, uns desto treulicher halten an unserm Haupte und Lebensfürsten. Laßt uns alle Kraft und allen Fleiß daran setzen und durch Geduld laufen in dem Kampf, der uns verordnet ist. Bei unsrer Losung soll's dennoch bleiben. Ob auch noch Sünde in uns ist, wir halten uns dennoch dafür, daß wir der Sünde gestorben sind und leben Gott in Christo. Ob auch die Welt noch ein Recht haben will an unser Herz, wir halten ihr und allen Feinden als einen Schild des Glaubens das Bekenntniß entgegen: „Leben 'wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn!“ Mit diesem Wort im Herzen wird uns der Sieg nicht fehlen!

Doch freilich, wenn wir nur auf unsern Vorsatz blicken dürften in diesem Kampfe des eignen und des neuen Lebens, so müßten wir bald verzagen. Wir haben aber einen starken und vollkommnen Trost, der uns nicht verzagen läßt. Er ist der, den uns das dritte Losungswort entgegen bringt: „Wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn!“

Nur beschämt und mit gebeugtem Herzen konnten wir das zweite Losungswort dem Apostel und der ersten Christenschaar nachsprechen. Denn obwohl auch wir keinen andern Weg kennen und kein andres Ziel vor Augen haben wollen, als dem Herrn zu leben und zu sterben, stehen wir doch, was die Vollbringung betrifft, neben jenen, wie Kinder neben Helden, und wie Anfänger neben Vollkommnen, Desto freudiger aber stimmen wir mit der ganzen Gemeinde Christi ein in das Bekenntniß unseres Trostes, den wir sammt jenen überkommen haben: Wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn!

Wir sind des Herrn! Theures Wort, während wir durch Gnadenkräfte und Treue im Glauben erst allmählig etwas werden können zum Lobe seiner herrlichen Gnade, sind wir doch auch schon etwas in ihm, wir sind sein Eigenthum. Nicht weil wir Ihn gesucht, gefunden und geliebt haben, sondern weil Er uns geliebt und gewaschen bat von den Sünden mit seinem Blute, darum sind wir sein. Um diesen theuern Preis sind wir von Welt und Sünde und von dem traurigen Dienste der Ungerechtigkeit erlöst und ihm, unserm Retter und Heilande, zum Eigenthum erkauft. Und auch der Geringste unter den Gläubigen darf mit Paulo sprechen: „Der Sohn Gottes hat mich geliebt und sich für mich dargegeben!“ Die ganze Erlösung mit allen ihren seligen Folgen ist für ihn da, als sollte sie ihm alleine gelten. Er siehet das Opfer seiner Missethaten am Kreuz auf Golgatha, und tauschet seine Sünde um die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, und erlanget den Frieden mit Gott und das ewige Leben. Und weil ihm das der Herr gegeben, darum ist er sein eigen. Des Herrn Eigenthum sein, das heißt nichts anders, als erlöset, gerecht und selig sein in dem Herrn. Es ist das Bekenntniß, das Er unsre Seele erquickt und gebunden hat an sein sanftes Joch!

Wir sind des Herrn! O kenneten sie ihn doch alle, wie er ist; es müßte bald die kleine Heerde zu unabsehbaren Schaaren werden und die ganze Welt diesem Herrn zu Füßen fallen. Wollen wir von seiner Größe reden, so ist er der König aller Könige und der Herr aller Herren, und sein ist alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Was ist zu fürchten, wenn die Allmacht für uns ist. Wollen wir seiner Gerechtigkeit und Heiligkeit gedenken, im Reiche dieses Königes hat man das Recht lieb und das Scepter seines Reichs ist ein grades Scepter. Wollen wir auf seine wunderbare Weisheit blicken, sein Rath besteht, seine Wege sind Licht und höher, denn der Himmel ist, und denen, die ihn lieben, müssen alle Dinge zum Besten dienen. Aber wollten wir von seiner Gnade und Liebe reden, wo sollten wir beginnen und wo aufhören. Er ist der gute Hirte, der sein Leben läßt für seine Schaafe, und der in sanftem Erbarmen sie leitet auf grünen Auen und zum frischen Wasser. Er ist der barmherzige Hohepriester, der mit unsrer Schwachheit Mitleid hat, und der heute noch unsre Sache im Himmel führt, wie einst durch sein Blut am Kreuz. Er ist der treue Zeuge, der jedes seiner Worte an den Seinigen reichlich erfüllt. Er ist, so preist ihn die Schrift und die Erfahrung der Seinen, er ist das Licht und das Leben, der Arzt und der Bischof unsrer Seele, unsre Gerechtigkeit und unser Vorbild, unser Heil und unser ewiger Trost. Wir sind sein, und bei ihm kann uns nichts fehlen, nichts schaden, nichts anfeinden, wenn wir nur bleiben an ihm. Er ist ein Herr, wie ihn unser Herz bedarf, um vollkommen selig zu sein. Wohl uns des guten Herren!

So stimmen wir denn fröhlich ein in das apostolische Bekenntniß: Wir leben oder wir sterben, so sind wir des Herrn! Dieser Trost füllet das ganze Leben und reichet bis über das irdische Leben hinaus; und wir arme Menschen sind ja stets von so vieler Gefahr und Roth umringt, daß ein Trost, der für Alles gilt, eine theure, unentbehrliche Mitgabe ist. Du darfst nur, lieber Bruder in Christo, diesen Trost recht fassen, und du wirst dich dessen selig bewußt werden, daß du in dem Herrn Gerechtigkeit und Stärke hast; du darfst nur, wenn irgend ein Leid dich drückt, dich recht im Glauben als ein Eigenthum des Herrn ansehen, und der Kummer muß weichen und dein Herz wird wieder Trostes die Fülle haben. Ist's leibliche Noth, die dich beugt, Armuth, Sorge, häuslicher Druck, - du bist ein Eigenthum des Herrn, der ernst arm ward um deinetwillen, und der die Peinigen, die in seine Hand gezeichnet sind, nicht verlassen noch versäumen wird; was hat's weiter für Roth! Ist's ein geheimer Kummer, der desto schwerer auf deiner Seele lastet, weil du ihn allein trägst, und ihn Keinem klagen darfst, - du bist des Herrn; was du vor keinem Menschen aussprechen kannst, das liest er in deinem Herzen, und was dich drückt und bekümmert, das hat seine Weisheit und Liebe schon alles wohl versehen, und wird dir aus der Thränensaat zur rechten Zeit eine Freudenärndte bereiten. Ist dein Glaube schwach, sind der innern und äußern Feinde viel, die dir nach der Seele stehen, mußt du ringen und fürchtest zu sinken, o blicke, wie Petrus auf dem Meere, nur unverwandt auf den, der dich zu sich kommen hieß, und du kannst auf brausenden Wogen und über schaurigen Abgründen gewisse und fröhliche Tritte thun. Liegst du darnieder von innerer Anfechtung bedrängt und fühlst dich verlassen und ohne Trost und Leben, du bist dennoch des Herrn, ob du's auch nicht empfindest, und deine Sache ist seine Sache, laß dir an seiner Gnade genügen; sei stille dem Herrn und hoffe auf ihn, bis sich die schwarzen Wolken theilen, und die Sonne wieder fröhlich hervorbricht. Der Name des Herrn ist ein festes Schloß, der Gerechte läuft dahin und wird beschirmet.

Wir sind des Herrn! Mit solchem .Troste im Herzen will's dann nicht viel bedeuten, wenn auch das Sterbestündlein schlägt. Auch wenn wir sterben, so sind wir des Herrn! Er ist der Erste und der Letzte und der Lebendige, der über dem Staube steht und den Seinen vom Tode aushelfen kann. Er hat die Schlüssel der Hölle und des Grabes, und ist darum gestorben und auferstanden und wieder lebendig geworden, daß er über Todte und Lebendige Herr sei! Diesseits und jenseits des Grabes hält uns dieselbe Hand, trägt uns dieselbe Gnade, dort gilt wie hier das Lösegeld von Golgatha und die ewige Gerechtigkeit des Sohnes Gottes. Was kann der Tod uns schaden, wenn wir des Herrn sind. Wenn unsre Freunde weinend stehen, und wir die Todesstraße gehen, so tritt er dann herfür, und wenn am allerbängsten, uns wird ums Herze sein, reißt er uns aus den Aengsten, kraft seiner Angst und Pein! Wir bleiben sein, auch wenn wir sterben! Das Haupt zieht seine Glieder zu sich, der Herr der Aerndte sammlet seine Saat in seine Scheune, dort werden wir bei dem Herrn sein allezeit! Wer will uns dann scheiden von der Liebe Gottes? Ich bin gewiß, daß weder Tod noch Leben, weder Engel, noch Fürstenthum, noch Gewalt, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes mag uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christo Jesu ist, unserm Herrn.

Das ist, Geliebte, die Losung und das Bekenntniß, mit dem das Volk des Herrn getrost und fröhlich durch die Wüste dieser Welt seinem himmlischen Vaterlande zuzieht. Das ist der Grund, auf den wir uns gründen, das Ziel, nach dem wir uns strecken, die Kraft, in der, wir stehen. Bleiben wir dem getreu, so sind wir wohl bewahrt. So helfe uns denn der Herr, daß wir davon nicht wanken und weichen, und schreibe uns in Herz und Sinn den Wahlspruch mit unauslöschlicher Schrift: Leben wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn! Wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn! Amen.

Quelle: http://glaubensstimme.de/doku.php?id=verzeichnisse:quellen:rheinische_missionsgesellschaft_ezadw

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