Hus, Jan - Letzter Brief des Jan Hus aus Konstanz an seine Freunde in Böhmen
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Gott sei mit euch! … Ich schreibe euch, liebe und treue Freunde im Herrn, um euch, so lange ich noch vermag, meine Dankbarkeit zu beweisen, und weil es mir stets zum Troste dient, mit euch durch Briefe zu reden. Ich sage euch, der Herr weiß wohl, warum er meinen Tod so lange hinausschiebt, wie auch den Tod meines geliebten Bruders, des Meisters Hieronymus1), von dem ich hoffe, daß er schuldlos und heilig sterben und im Leiden sich standhafter erweisen werde als ich unglücklicher Sünder. Gott gab uns eine lange Frist, damit wir besser unserer Sünden gedenken und sie ernstlicher bereuen … er gab uns Frist, damit wir an unsern König, den Herrn Jesus Christus, diesen gnädigen Gott, denken und im Gedenken aus seinen schimpflichen und qualvollen Tod um so freudiger leiden; auch damit wir uns erinnern, daß diese Welt nicht zur Freude da sei. Wir sollen es bedenken, wie die Heiligen durch viele Martern ins Himmelreich eingegangen sind … Wer kann die Martern alle schildern, die die Heiligen im Alten und Neuen Bunde für die Wahrheit Gottes erlitten haben, besonders solche Heilige, die sich in ihren Predigten gegen die Bosheit der Priester gewandt hatten. … Das aber erfüllt mich mit Freude, daß sie meine Bücher doch haben lesen müssen, worin ihre Bosheit geoffenbart wird. Ich weiß auch, daß sie meine Schriften fleißiger gelesen haben als die Heilige Schrift, weil sie in ihnen Irrlehren zu finden wünschten.
Gegeben am Donnerstag vor der Vigilie St. Petri2) abends, im Kerker und in Ketten, in der Erwartung des Todes.