Harms, Theodor - Das dritte Buch Mose - Das 9. Capitel.

Harms, Theodor - Das dritte Buch Mose - Das 9. Capitel.

Am achten Tage rief Mose Aaron und seine Söhne, und die Aeltesten in Israel, und sprach zu Aaron: Nimm zu dir ein junges Kalb zum Sündopfer, und einen Widder zum Brandopfer, beide ohne Wandel, und bringe sie vor den HErrn. Und rede mit den Kindern Israel, und sprich: Nehmet einen Ziegenbock zum Sündopfer; und ein Kalb, und ein Schaf, beide eines Jahres alt, und ohne Wandel, zum Brandopfer; und einen Ochsen und einen Widder zum Dankopfer, daß wir vor dem HErrn opfern; und ein Speisopfer mit Oel gemenget. Denn heute wird euch der HErr erscheinen. Und sie nahmen, was Mose geboten hatte, vor der Thür der Hütte des Stifts; und trat herzu die ganze Gemeinde, und stand vor dem HErrn. Da sprach Mose: Das ist es, das der HErr geboten hat, daß ihr thun sollt; so wird euch des HErrn Herrlichkeit erscheinen. Und Mose sprach zu Aaron: Tritt zum Altar, und mache dein Sündopfer, und dein Brandopfer, und versöhne dich und das Volk; darnach mache des Volks Opfer, und versöhne sie auch, wie der HErr geboten hat. Und Aaron trat zum Altar, und schlachtete das Kalb zu seinem Sündopfer. Und seine Söhne brachten das Blut zu ihm; und er tunkte mit seinem Finger in das Blut, und that es auf die Hörner des Altars, und goß das Blut an des Altars Boden. Aber das Fett und die Nieren, und das Netz von der Leber am Sündopfer zündete er an auf dem Altar, wie der HErr Mose geboten hatte. Und das Fleisch und das Fell verbrannte er mit Feuer, außer dem Lager. Darnach schlachtete er das Brandopfer; und Aarons Söhne brachten das Blut zu ihm, und er sprengete es auf den Altar umher. Und sie brachten das Brandopfer zu zerstücket, und den Kopf, und er zündete es an auf dem Altar. Und er wusch das Eingeweide und die Schenkel; und zündete es an, oben auf dem Brandopfer, auf dem Altar. Darnach brachte er herzu des Volks Opfer; und nahm den Bock, das Sündopfer des Volks, und schlachtete ihn, und machte ein Sündopfer daraus, wie das vorige. Und brachte das Brandopfer herzu, und that ihm sein Recht. Und brachte herzu das Speisopfer, und nahm seine Hand voll, und zündete es an auf dem Altar; außer des Morgens Brandopfer. Darnach schlachtete er den Ochsen und Widder zum Dankopfer des Volks; und seine Söhne brachten ihm das Blut, das sprengete er auf den Altar umher. Aber das Fett vom Ochsen und vom Widder, den Schwanz und das Fett am Eingeweide, und die Nieren, und das Netz über der Leber, alles solches Fett legten sie auf die Brust; und er zündete das Fett an auf dem Altar. Aber die Brust und die rechte Schulter webete Aaron zur Webe vor dem HErrn, wie der HErr Mose geboten hatte. Und Aaron hub Seine Hand auf zum Volk, und segnete sie; und stieg herab, da er das Sündopfer, Brandopfer, und Dankopfer gemacht hatte. Und Mose und Aaron gingen in die Hütte des Stifts; und da sie wieder heraus gingen, segneten sie das Volk. Da erschien die Herrlichkeit des HErrn allem Volk. Denn das Feuer kam aus von dem HErr, und verzehrete auf dein Altar das Brandopfer, und das Fett. Da das alles Volk sahe, frohlockten sie, und fielen auf ihr Antlitz.

Die früheren Capitel sind alle eine Vorbereitung zu dem heutigen gewesen; sie haben uns erzählt von der Stiftshütte, den Geräthen, der Priesterkleidung, den Opfern, der Priesterweihung, von den sieben Tagen, da die Priester in stiller Sammlung sich in die Hütte zurückziehen sollten, und das heutige Capitel beschreibt uns den achten Tag, da das erste Opfer gehalten werden sollte von Aaron und seinen Söhnen. - Wir erstaunen, wie genau und wie in's Einzelne diese Vorbereitungen zu dem ersten Opfer uns geschildert sind und erkennen darin die große Wichtigkeit und Bedeutung des israelitischen Opferwesens. Nicht nur enthalten die Propheten die Weissagung auf Christus, wir sehen im Moses das Evangelium in Bildern. Die ganze Geschichte der Menschheit von Adam an gehet hin auf die Versöhnung durch Christum, und alle Geschichte nachher weist auf dies Opfer zurück.

Da nun dies erste Opfer gehalten werden sollte, können wir uns denken, in welcher erwartungsvollen Spannung das Volk ihm entgegen sah, und wie ernst Aaron und seine Söhne sich während der sieben Tage (Cap. 8,35) dazu bereitet hatten. Nun führte Moses sie aus der Hütte hervor, und da opferten sie zuerst für sich, weil auch sie als sündige Menschen erst versöhnt werden mußten, und dann opferten sie für das Volk. Für beide, Priester und Volk, wurde ein vollständiges Opfer gebracht, bestehend aus Sünd-, Brand-, Dank- und Speisopfer. - Wir haben dies erstens zunächst auf den HErrn Christus anzuwenden; zweitens dann auf uns selbst. -

1.

Die durch die Sünde aufgehobene Lebensgemeinschaft zwischen Gott und den Menschen konnte nur wieder hergestellt werden durch das Opfer als Vorbild auf Christus; der hat das ein für allemal vollgültige Opfer gebracht und ist zugleich der opfernde Priester. Was hat Alles gethan werden müssen während der wunderbaren Führung des Volkes Israel, um es fähig zu machen, seinen Erlöser zu empfangen; wie hat des HErrn Liebe es immer wieder zurück geleitet, wenn es sich verirrt hatte; wie werden die Weissagungen immer genauer, wie hat der Messias 33 Jahre vorbereitend leben und lehren müssen, bis zu der richtigen Stunde, Alles vorbereitet in der Fülle der Zeiten. Der HErr erschien als beides, Opfer sowohl wie Priester. Durch die ganze vorbereitende Führung erscheint so klar Gottes Weisheit, Allmacht und Gnade. Der HErr Christus, dies vollgültige Opfer, hat bis auf die Sünde gegen den heiligen Geist, alle unsere Sünden auf sich genommen; es ist nicht eine unversöhnt geblieben: als Sündopfer versöhnte Er unsere wirklichen einzelnen Sünden, als Brandopfer unser ganzes sündliches Verderben. Als Dank- oder Vollendungsopfer brachte er sich dem HErrn dar, um sich uns im heiligen Abendmahle wieder zurück zu geben zum Genuß der wiederhergestellten Lebensgemeinschaft. Das Speisopfer ist kein blutiges Opfer, gehört also nicht zu den Sühnopfern, aber es war mit Oel gemenget, als mit dem heiligen Geiste gesalbet. - Siehe, das ist das Lamm, das der Welt Sünden trägt. Wenn wir es anschauen mit einigermaßen ungetrübtem Blick, dann sehen wir (ein köstlicher Trost) unsere eigenen Sünden alle einzeln an Ihm. Nicht allein aber das; der HErr Christus ist auch der Priester. Als Aaron die Opfer zurecht gelegt und das Volk gesegnet hatte, da ging er (V. 22-23) mit Mose in die Hütte des Stifte. - Wenn das Volk sich dem HErrn als Eigenthum darbrachte, dann gab sich der HErr durch den Segen dem Volke als eine neue Kraft wieder zurück. Was haben Mose und Aaron in der Stiftshütte gemacht? Da sind sie ohne Zweifel in die innigste Gemeinschaft mit dem HErrn getreten, von Ihm mit dem heiligen Geiste gesalbt. Als sie heraus traten und wieder das Volk segneten, (denn im Segen bringt der Priester als Mittler die Gaben von Gott zurück, die er im Opfer zu Ihm hinauf gebracht hatte), da ward dem Volk die Herrlichkeit des HErrn offenbar; es fiel mit Frohlocken nieder (V. 24), als es sah, wie das göttliche Feuer das Opfer verzehrte und verklärte. -

Wenden wir dies auf den HErrn Christus an. Er ist es, der über uns Seine Segenshände ausbreitet. In Seiner Fürbitte bei Seinem Vater kommen Ströme des Segens beständig herab auf die, welche Sein Eigenthum geworden sind. So lange wir im Glauben stehen, so lange stehen wir unter dem Segen, d. h. unter der Fürbitte des HErrn. Darum bleibt das Leben ein Segensleben, trotz des Teufels und unserer eigenen Anschuldigungen. - Der HErr Christus ist auch eingegangen in's Allerheiligste, in die Hütte, nicht von Menschen gemacht, und ist nun nichts mehr zwischen uns und dem HErrn; Er ist eingetreten, um menschlich zu reden, in die innigste Lebens- und Liebesgemeinschaft mit Seinem himmlischen Vater. Als der dritte Tag kam, da ist es auch in der Auferstehung erfüllt, daß das Feuer, d. h. der heilige Geist, vom Himmel kam und das Opfer verzehrte und verklärte. Durch die Auferstehung hat Gott erklärt, daß er das durch und durch Ihm wohlgefällige Opfer als ein ein für alle Mal gültiges angenommen hat. Darum geht auch des rechten Christen einziges Verlangen dahin, sich ganz und gar in dies Opfer zu versenken. -

2.

Alles dies haben wir nun auch auf uns anzuwenden. Da wir durch den HErrn Christus offenen Zugang haben zu Gott, so sind wir durch den Glauben Seine Priester. Im 8. Capitel haben wir gesehen, wie ein Priester beschaffen sein muß. In dem heutigen erkennen wir, was wir als Priester zu thun haben. Da haben wir zuerst täglich unser Sünd-, Brand-, Dank- und Speisopfer zu bringen, unsere einzelnen Sünden, unser sündliches Herz und die tägliche Selbstopferung. Aber nicht allein das; auch im täglichen Speisopfer gehört Alles was wir besitzen, unser ganzes Vermögen dem HErrn und den bedürftigen Brüdern. Wir haben davon für uns nur so wenig zu behalten, als zu unserm Unterhalt nöthig ist; aber wir sind immer geneigt, was dem HErrn gehört, Ihm zu entwenden und es dem Teufel zu geben. So sind wir denn durch Christus Eins mit Gott. Hier ist noch Eines zu bemerken. Als das Opfer vollzogen ward, da stand (V. 5) das Volk vor Gott. Als der HErr gekreuziget ward, da stand das Volk auch und schaute zu, aber gestanden hat auch der Teufel und sich gefreut, gestanden haben die Engel und getrauert. Dies ist noch nach einer andern Seite hin wichtig. Wenn wir Gottes Wort hören, oder wenn wir beten, so müssen wir in tiefster Beugung vor des HErrn heiliger Majestät entweder stehen oder knieen. Das Sitzen ist ein Mangel der schuldigen Ehrerbietung.

Aaron segnete das Volk. Auch wir als Priester haben das Recht und die Macht, Andere zu segnen. Wenn ein rechtschaffener Christ einen Segen ausspricht, so hat der eine Wirkung auf denjenigen, der ihn empfängt; wenn ein Pastor kraft seines Amtes die Gemeinde segnet, so legt er in Wirklichkeit Gottes Heilsgaben auf sie; wenn ein Christ der Mission einen Groschen gibt im Gebet und Glauben, so hat er damit mit wirksamer Kraft die Heidenwelt gesegnet und Gottes Heilsgaben auf sie gelegt. Die, welche in dem Segensstrom stehen, der von dem HErrn Christus ausgeht, die vermitteln durch ihre Fürbitten diesen Segen nach rechts und links und leiten ihn durch das Gebet in tausend Strömen nach allen Seiten ab. Wenn wir das alles sehen könnten, wie würden wir staunen. -

Moses und Aaron gingen in die Stiftshütte. So auch wir, wenn wir uns in der rechten Weihe erhalten und frisch und neu gestärkt werden wollen. Wir können es gar nicht entbehren, uns oft in unser Kämmerlein zurückzuziehen und die Riegel des Gebets vorzuschieben, daß die Welt nicht hinein kann, in dies Wunderplätzchen, das überall ist, da, wo wir mit dem HErrn allein sind. Je fleißiger wir das aufsuchen, je geweihter wird unser Thun sein. - Wenn wir nun alles, was wir beginnen, mit Gebet salben, so immer vor dem HErrn stehen, dann kommt auch für uns das heilige Feuer vom Himmel und weiht all unser Thun durch den heiligen Geist. Es ist eine schwere Sünde, die der HErr heimsucht, fremdes Feuer auf den Altar zu bringen; es ist verflucht, ohne Werth und Wirksamkeit. Es sind Teufelspriester, die mit ihrem Eigenen in menschlicher Weise vor den HErrn treten; Ihm ist nur wohlgefällig, was von Ihm kommt, was im heiligen Feuer sich verzehret. Darum muß jedes Christen Herz, Wort, Sinn und Thun geheiligt ihm vom HErrn zurückgegeben sein, wenn es wirken soll; sonst schadet es nur. Vor dem HErrn gilt nur, was aus dem Glauben kommt. In Ihm werden Empfindungen, Gedanken, Worte verklärt, getragen durch den heiligen Geist.

(V. 24.) Da das alles Volk sahe, frohlockten sie und fielen auf ihr Antlitz. Das Niederfallen auf die Kniee ist nicht nur ein Zeichen der Buße. Man kann es gar nicht lassen bei großer Freude und Dankbarkeit. Die Freude kriegt uns unter. Nun, sei es die Buße oder die Freude, die uns auf die Kniee treibt; jedenfalls ist unser bester Platz im Staub. Amen.

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