Harms, Theodor - Das dritte Buch Mose - Das 5. Capitel.
Wenn aber eine Seele sündigen würde, daß er einen Fluch höret, und er des Zeuge ist, oder gesehen hat, oder erfahren hat, und nicht angesaget: der ist einer Missethat schuldig. Oder wenn eine Seele etwas unreines anrühret, es sei ein Aas eines unreinen Thiers, oder Viehes, oder Gewürms, und wüßte es nicht: der ist unrein, und hat sich verschuldet. Oder wenn er einen unreinen Menschen anrühret, in was für Unreinigkeit der Mensch unrein werden kann, und wüßte es nicht, und wird es inne: der hat sich verschuldet. Oder wenn eine Seele schwöret, daß ihm aus dem Munde entfähret, Schaden oder Gutes zu thun (wie denn einem Menschen ein Schwur entfahren mag, ehe er es bedacht), und wird es inne: der hat sich an der einem verschuldet. Wenn es nun geschiehet, daß er sich an der eines verschuldet, und bekennet, daß er daran gesündiget hat: So soll er für Schuld dieser seiner Sünde, die er gethan hat, dem HErrn bringen von der Herde eine Schaf- oder Ziegenmutter zum Sündopfer; so soll ihm der Priester seine Sünde versöhnen. Vermag er aber nicht ein Schaf, so bringe er dem HErrn für seine Schuld, die er gethan hat, zwo Turteltauben, oder zwo junge Tauben; die erste zum Sündopfer, die andere zum Brandopfer; und bringe sie dem Priester. Der soll die erste zum Sündopfer machen, und ihr den Kopf abkneipen hinter dem Genicke, und nicht abbrechen; und sprenge mit dem Blut des Sündopfers an die Seite des Altars, und lasse das übrige Blut ausbluten, an des Altars Boden. Das ist das Sündopfer. Die andere aber soll er zum Brandopfer machen, nach seinem Recht. Und soll also der Priester ihm seine Sünde versöhnen, die er gethan hat; so wird es ihm vergeben. Vermag er aber nicht zwo Turteltauben, oder zwo junge Tauben: so bringe er für seine Sünde sein Opfer einen zehnten Theil Ephi Semmelmehl zum Sündopfer. Er soll aber kein Oel darauf legen, noch Weihrauch darauf thun; denn es ist ein Sündopfer. Und soll es zum Priester bringen. Der Priester aber soll eine Hand voll nehmen zum Gedächtniß, und anzünden auf dem Altar zum Feuer dem HErrn. Das ist ein Sündopfer. Und der Priester soll also seine Sünde, die er gethan hat, ihm versöhnen, so wirds ihm vergeben. Und soll des Priesters sein; wie ein Speisopfer. Und der HErr redete mit Mose und sprach: Wenn sich eine Seele vergreifet, daß sie es versiehet, und sich versündiget an dem, das dem HErrn geweihet ist, soll sie ihr Schuldopfer dem HErrn bringen, einen Widder ohne Wandel von der Herde, der zween Seckel Silbers werth sei, nach dem Seckel des Heiligthums, zum Schuldopfer. Dazu was er gesündiget hat an dem Geweiheten, soll er wiedergeben, und das fünfte Theil darüber geben, und soll es dem Priester geben; der soll ihn versöhnen mit dem Widder des Schuldopfers, so wird es ihm vergeben.
Wenn eine Seele sündiget, und thut wider irgend ein Gebot des HErrn, das sie nicht thun sollte, und hat es nicht gewußt: die hat sich verschuldet, und ist einer Missethat schuldig. Und soll bringen einen Widder von der Herde ohne Wandel, der eines Schuldopfers werth ist, zu dem Priester; der soll ihm seine Unwissenheit versöhnen, die er gethan hat, und wußte es nicht; so wird es ihm vergeben. Das ist das Schuldopfer, das er dem HErrn verfallen ist. Und der HErr redete mit Mose und sprach: Wenn eine Seele sündigen würde, und sich an dem HErrn vergreifen, daß er seinem Nebenmenschen verleugnet, was er ihm befohlen hat, oder das ihm zu treuer Hand gethan ist, oder das er mit Gewalt genommen, oder mit Unrecht zu sich gebracht, oder, das verloren ist, gefunden hat, und leugnet solches mit einem falschen Eide; wie es der eines ist, darinnen ein Mensch wider seinen Nächsten Sünde thut; wenn es nun geschiehet, daß er also sündiget und sich verschuldet: so soll er wiedergeben, was er mit Gewalt genommen, oder mit Unrecht zu sich gebracht, oder was ihm befohlen ist, oder was er gefunden hat, oder worüber er den falschen Eid gethan hat, das soll er alles ganz wiedergeben, dazu das fünfte Theil darüber geben dem, deß es gewesen ist, des Tages, wenn er sein Schuldopfer gibt. Aber für seine Schuld soll er dem HErrn zu dem Priester einen Widder von der Herde ohne Wandel bringen, der eines Schuldopfers werth ist. So soll ihn der Priester versöhnen vor dem HErrn; so wird ihm vergeben alles, was er gethan hat, daran er sich verschuldet hat. In diesem Capitel wird vom Sündopfer gehandelt, Vers 1-13, und vom Schuldopfer Vers 14 bis zum 7. Verse des 6. Capitels. Die Sündopfer mußten gebracht werden für einzelne bestimmte Sünden, die den Menschen zum Bewußtsein gekommen waren; die Schuldopfer für Sünden gegen das Heilige und für Veruntreuungen. Diese einzelnen Sünden durften aber keine vorsätzliche, muthwillige und wissentliche sein, denn für die konnte überall keine Versöhnung geleistet werden. Die einzelnen Sünden nun, für welche die Sündopfer in unserm heutigen Texte erfordert werden, sind folgende: Wenn nach Vers 1 Jemand einen Fluch hörte, d. h. die Beschwörung des Richters an die Zeugen, das auszusagen, was man wisse, und nicht sagte, was man wußte, ohne die Absicht zu haben, es zu verschweigen; oder wenn Jemand Vers 2-3 etwas Unreines berührte, ohne es zu wissen; oder wenn Jemandem nach Vers 4 unbedachter Weise ein Schwur entfuhr, dann sollte er ein Sündopfer und ein Brandopfer bringen. Das Sündopfer aber sollte ohne Oel und Weihrauch gebracht werden, eben weil es ein Sündopfer war. Das Oel ist das Sinnbild des heiligen Geistes, wie der Weihrauch das Sinnbild des Gebets, und es sollte dadurch bedeutet werden, daß, so lange eine bestimmte Sünde zwischen Gott und dem Menschen läge, der Mensch weder im Geiste sein noch im Geiste beten könne, und daß Beides erst dann möglich sei, wenn durch das dargebrachte Sündopfer das Hinderniß beseitigt und Gott versöhnt sei. Um nun auch dem Aermsten solche Wohlthat zu Theil werden zu lassen, durfte sogar ein wenig Semmelmehl zum Sündopfer genommen werden. Nach dem Sündopfer mußte dann das Brandopfer dargebracht werden, zum Zeugniß, daß der Sünder nun wieder des HErrn Eigenthum sei. Von besonderer Wichtigkeit beim Sündopfer ist das Bekenntniß des Sünders, das jedesmal über seine besondere Vergehung abgelegt werden mußte, so daß also zur völligen Wiederherstellung des richtigen Verhältnisses zwischen Gott und dem Sünder nicht die Sühnung durch das Opfer allein ausreichte, aber auch nicht das bloße Bekenntniß, sondern beides erforderlich war, Bekenntniß und Versöhnung.
Diejenigen Sünden, für welche die Schuldopfer gebracht werden mußten, waren Frevel, d. h. Vergehungen gegen das Heilige, mochte es nun sein an dem das dem HErrn geweiht war, Vers 15, oder an dem Hab und Gut des Nächsten, welches wir auch als heilig anzusehen haben, Vers 17, und folgende, wo es heißt: Wenn eine Seele sündigt und thut wider irgend ein Gebot des HErrn u. s. w. Dies ist nicht so zu verstehen, als ob eine jede Uebertretung irgend eines Gebotes ein Schuldopfer erfordere, sondern die Uebertretung eines Gebotes Gottes, durch welches das Heilige geschützt wird, wie aus dem Folgenden hervorgeht, also Veruntreuungen, behalten was man gefunden, auch dann, wenn man einen falschen Eid dazu gethan hat. Es versteht sich von selbst, daß da hier nur von solchen Sünden die Rede ist, von denen der Mensch kein rechtes Bewußtsein gehabt hat, daß auch der falsche Eid unbewußter Weise gethan ist, denn für vorsätzliche und muthwillige Sünden konnte kein Opfer gebracht werden. Wie bei dem Sündopfer Versöhnung und Bekenntniß zusammen gehörte, so beim Schuldopfer Versöhnung und Wiedererstattung, denn es sollte der Opfernde vollständig wiedererstatten, was er genommen und den fünften Theil darüber geben, also gleichsam Capital und Zinsen; dann erst sollte der Sünder mit Gott wieder auf's Reine kommen. Wir sehen hieraus, wie ernst und genau wir es mit unsern Sünden nehmen sollen. Eine jede Sünde, die uns der heilige Geist in die Erinnerung bringt, sollen wir in herzlicher Demuth und Bußfertigkeit Gott dem HErrn bekennen und uns nicht damit beruhigen, daß unsere Versöhnung in dem Sündopfer Christi beschafft sei; und so lange wir unsere Sünde vor Gott nicht bekennen, kann sie uns nicht vergeben werden; denn wir müssen unsere Sünden dem Herrn bringen, wenn er sie uns weg nehmen soll, da Er sie mit Gewalt uns nicht nehmen kann, weil sie Ihm nicht gehören. Bringen wir sie aber dem HErrn im Bekenntniß dar, so wird sie uns vergeben um der Versöhnung willen, die in Christo Jesu geschehen ist. Ebenso dürfen wir uns nicht dabei beruhigen, daß Christus für uns als Schuldopfer gestorben ist, wenn wir bei Veruntreuungen nicht wiedererstatten, so viel an uns ist, was wir ungerechter Weise uns angeeignet hatten. So wenig das Herz zur Ruhe kommt ohne das aufrichtige Bekenntniß der Sünden, so wenig kommt es zur Ruhe ohne Wiedererstattung des Entwendeten. So nur wird das richtige Verhältniß zwischen Gott und dem Sünder in Christo wieder hergestellt; ja selbst dann, wenn wir zweifelhaft sein mögen, und ungewiß, ob wir das Heilige angetastet, sollen wir wiedererstatten, was wir entwendet zu haben ungewiß sind. Dann können wir uns unserer Versöhnung in Christo recht getrösten und die Seele ist zufrieden in Gott. Amen.