Harms, Theodor - Das dritte Buch Mose - Das 4. Capitel - 22-35.

Harms, Theodor - Das dritte Buch Mose - Das 4. Capitel - 22-35.

Vers 22-35.
Wenn aber ein Fürst sündiget, und irgend wider des HErrn, seines Gottes, Gebot thut, das er nicht thun sollte, und versiehet es, daß er sich verschuldet; oder wird seiner Sünde inne, die er gethan hat: der soll zum Opfer bringen einen Ziegenbock ohne Wandel; und seine Hand auf des Bocks Haupt legen, und ihn schlachten an der Stätte, da man die Brandopfer schlachtet vor dem HErrn. Das sei ein Sündopfer. Da soll dann der Priester des Bluts von dem Sündopfer nehmen mit seinem Finger, und auf die Hörner des Brandopfer-Altars thun, und das andere Blut an den Boden des Brandopfer-Altars gießen. Aber all sein Fett soll er auf dem Altar anzünden, gleichwie das Fett des Dankopfers. Und soll also der Priester seine Sünde versöhnen, so wird es ihm vergeben. Wenn es aber eine Seele vom gemeinen Volk versiehet, und sündiget, daß sie irgend wider der Gebote des HErrn eins thut, das sie nicht thun sollte, und sich also verschuldet; oder ihrer Sünde inne wird, die sie gethan hat: die soll zum Opfer eine Ziege bringen ohne Wandel, für die Sünde, die sie gethan hat; und soll ihre Hand auf des Sündopfers Haupt legen, und schlachten an der Stätte des Brandopfers. Und der Priester soll des Bluts mit seinem Finger nehmen, und auf die Hörner des Altars des Brandopfers thun, und alles Blut an des Altars Boden gießen. Alle sein Fett aber soll er abreißen, wie er das Fett des Dankopfers abgerissen hat, und soll es anzünden auf dem Altar zum süßen Geruch dem HErrn. Und soll also der Priester sie versöhnen, so wird es ihr vergeben. Wird er aber ein Schaf zum Sündopfer bringen, so bringe er, das eine Sie ist, ohne Wandel, und lege seine Hand auf des Sündopfers Haupt, und schlachte es zum Sündopfer, an der Stätte, da man die Brandopfer schlachtet. Und der Priester soll das Blut mit seinem Finger nehmen, und auf die Hörner des Brandopfer-Altars thun, und alles Blut an den Boden des Altars gießen. Aber alle sein Fett soll er abreißen, wie er das Fett vom Schaf des Dankopfers abgerissen hat, und soll es auf dem Altar anzünden, zum Feuer dem HErrn. Und soll also der Priester versöhnen seine Sünde, die er gethan bat, so wird es ihm vergeben.

Heute haben wir zu betrachten, wie ein Fürst und das gemeine Volt sich versündigt, und wie sie dafür das Sündopfer zu bringen haben. Unter den Fürsten werden die Großen des Volkes verstanden, und ihr Sündopfer soll eben so gebracht werden, wie das der Priester, nur das mit dem Blut ihres Opfers nicht die Hörner des Räuchaltars, sondern des Brandopferaltars bestrichen werden sollten. Die Bedeutung dieses Unterschiedes liegt darin, daß der Priester als schon versöhnt auf dem Gebetsaltar opfern konnte, aber der Laie von Neuem am Brandopferaltar sich heiligen mußte, denn ein Gebet aus unversöhnter Seele ist kein annehmbares Räuchwerk vor dem HErrn. - Das Sündopfer eines Fürsten unterschied sich von dem des gemeinen Volkes dadurch, daß ersteres einen Ziegenbock erforderte, das zweite eine Ziege. Männlich sollte das Thier sein, welches ein Fürst brachte, weil er das Volk zu regieren habe, als Führer ihm voran zu gehen. Das Opferthier des Volkes sollte weiblich sein, als Sinnbild des Unterthans, der gehorchen und folgen soll. - Sehen wir uns nun die Sünde des Fürsten an, welche eines besonderen Sündopfers bedarf. Unter den Großen und Niedrigen des Volkes findet man die Meinung ausgeprägt, daß den Fürsten die Sünden mehr zu Gute zu halten sind, als den übrigen Menschen. Im Gegentheil: Ihnen wird ihre Sünde weit höher angerechnet, weil sie ihre hohe Stellung mißbrauchen, und sich nicht nur gegen sich selbst, sondern auch gegen ihr Amt versündigen. Je höher sie gestellt sind, je tiefer fallen sie, weil ihre Verantwortlichkeit so viel größer ist, und sie werden statt Volksregierer, Volksverführer. Ein Fürst soll ein Führer des Volkes sein und ihm als Beispiel mit seinem Wandel vorleuchten. Thut er es nicht, so ist es nicht unsere Sache, ihn zu lästern oder zu richten; aber vor seinem himmlischen Richter hat er eine schwere Rechenschaft zu bestehen, viel schwerer, als der unter ihm Stehende.

So geht es stufenweise hinunter bis zum Ortsvorsteher. Wenn der sündigt, so ist es viel schlimmer, als wenn der Ortsuntergebene sündigt. - Wie ist es nun mit der Versündigung des gemeinen Volkes? Kommen in dem Sündengewimmel unter dem Gewimmel der vielen Millionen Menschen die einzelnen Sünden den einzelnen Menschen so in Betracht, daß für jede einzelne ein besonderes Sündopfer dargebracht werden müßte? Wir sehen daraus den heiligen Ernst des HErrn, und wie genau und streng Er es mit unseren Sünden nimmt. Der heilige Gott schreibt sie alle einzeln in dem Buche Seines Gedächtnisses an, und vergißt keine, wenn sie nicht ausgelöscht ist in dem Blute des Lammes. Das sollen wir klar wissen wegen unserer Leichtfertigkeit, die es so leicht und so gern vergißt, daß unser Gott heilig und allgegenwärtig ist und uns nach Seiner Gerechtigkeit schwer strafen muß, wenn wir unsere Sünde dem HErrn Christo nicht zu Füßen legen und durch Sein Blut wieder mit Gott versöhnt werden. Unser Schuldregister ist viel größer, als wir denken; denn die Berge unserer unerkannten Sünden sind ganz ungeheuer. Unsere Aufgabe ist es, damit aufzuräumen, und sobald uns der heilige Geist eine Sünde klar macht, müssen wir sehr eilig sein, sie zu durchstreichen mit Christi Blut. Eine Sünde inne zu werden, ist nur möglich durch den heiligen Geist, und wir müssen ja täglich bitten um die rechte Klarheit und um offene Augen; denn sich selbst zu kennen, ist sehr schwer; an Andern sieht man die Fehler so leicht, aber über uns selbst sind uns die Augen geblendet. Es gibt unter den Christen scharfe und stumpfe Gewissen, und wenn wir nicht anhalten im Wachen und im Gebet, stumpft unser Gewissen allmählig immer mehr ab. Es ist durchaus nothwendig, daß es immer neu geschliffen werde durch den heiligen Geist an Gottes Wort; denn so lange wir unsere Sünden nicht wissen, so lange können wir keinen Ernst mit ihnen machen und sie nicht tilgen in dem Einen vollgültigen Sündopfer. Wir sehen ja Gottes furchtbaren Ernst wider die Sünde, wie er sie heimsucht bis in's vierte Glied. Das sollte sie uns billig bitter machen und uns mit Angst und Zittern zu dem Gebet treiben: HErr, laß es mich erkennen, wie befleckt ich bin, wie auch nichts Gutes an mir ist. Aber sehen wir die Lauheit, die Vergeßlichkeit, den Leichtsinn in der Christenheit, so erklärt es sich, daß es so wenig wahre Christen gibt. - Wenn Gottes Gnade uns die Augen öffnet darüber, wie wir wirklich sind, dann müßte uns Verzweiflung ergreifen, daß die Lebensgemeinschaft zwischen Gott und uns aufgehoben sei. Aber Gottlob, ein ewiges Sündopfer ist für uns dargebracht, das die Scheidewand wegreißt. Wie dankbar müssen wir doch unserm lieben HErrn sein für solches Erbarmen! Es gibt im neuen Testament aber auch kein anderes Mittel, von unserer Sünde frei zu werden, als Christi Blut. Die Weltkinder freilich meinen das nicht. Die stellen sich Gott so überaus milde vor, daß er vorlieb nimmt mit unsern guten Vorsätzen. Aber Er ist ein verzehrend Feuer gegen Alles, was Sünde heißt. Wenn Gott es so bequem mit uns haben könnte, uns, so wie wir sind, in Seinen Himmel zu nehmen, dann weiß ich nicht, warum er Sich und Seinem Sohne so viele Schmerzen gemacht hat, um uns mit Sich zu versöhnen. Dann wäre Er ja ein dummer Gott, der Sich Mühe und Arbeit macht, wo er es viel leichter hätte haben können. Es ging nicht anders: erfüllt mußte werden, was im alten Testament versinnbildlicht war. Christus mußte das Sündopfer werden, denn Niemand anders konnte die unermeßliche Sündenlast der ganzen Welt tragen, als der wahre Gott, der sich zum Mittler, zum Sünderheiland dargegeben hat. Sind wir nicht selige Leute? Amen.

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