Harms, Theodor - Das dritte Buch Mose - Das 16. Capitel.

Harms, Theodor - Das dritte Buch Mose - Das 16. Capitel.

Und der HErr redete mit Mose, (nachdem die zween Söhne Aarons gestorben waren, da sie vor dem HErrn opferten) und sprach: Sage deinem Bruder Aaron, daß er nicht allerlei Zeit in das inwendige Heiligthum gehe hinter den Vorhang vor dem Gnadenstuhle, der auf der Lade ist, daß er nicht sterbe; denn Ich will in einer Wolke erscheinen auf dem Gnadenstuhl. Sondern damit soll er hinein geben, mit einem jungen Farren zum Sündopfer, und mit einem Widder zum Brandopfer. Und soll den heiligen seidenen Rock anlegen, und leinen Niederwand an seinem Fleisch haben, und sich mit einem leinenen Gürtel gürten, und den leinenen Hut aufhaben, denn das sind die heiligen Kleider; und soll sein Fleisch mit Wasser baden, und sie anlegen und soll von der Gemeinde der Kinder Israel zwei Ziegenböcke nehmen zum Sündopfer, und einen Widder zum Brandopfer. Und Aaron soll den Farren, sein Sündopfer, herzu bringen, und sich und sein Haus versöhnen; und darnach die zween Böcke nehmen, und vor den Herrn stellen, vor der Thür der Hütte des Stifts. Und soll das Los werfen über die zween Böcke; ein Los dem HErrn, und das andere dem ledigen Bock. Und soll den Bock, auf welchen des HErrn Los fällt, opfern zum Sündopfer. Aber den Bock, auf welchen das Los des ledigen fällt, soll er lebendig vor den HErrn stellen, daß er ihn versöhne, und lasse den ledigen Bock in die Wüste. Und also soll er denn den Farren seines Sündopfers herzu bringen, und sich und sein Haus versöhnen, und soll ihn schlachten. Und soll einen Napf voll Glut vom Altar nehmen, der vor dem HErrn stehet, und die Hand voll zerstoßenes Räuchwerks, und hinein hinter den Vorhang bringen, und das Räuchwerk aufs Feuer thun vor dem HErrn, daß der Nebel vom Räuchwerk den Gnadenstuhl bedecke, der auf dem Zeugniß ist, daß er nicht sterbe. Und soll des Bluts vom Farren nehmen, und mit seinem Finger gegen den Gnadenstuhl sprengen vorne an; siebenmal soll er also vor dem Gnadenstuhl mit seinem Finger vom Blut sprengen. Darnach soll er den Bock, des Volks Sündopfer, schlachten, und seines Bluts hinein bringen hinter den Vorhang und soll mit seinem Blut thun, wie er mit des Farren Blut getban hat, und damit auch sprengen vorne gegen den Gnadenstuhl; und soll also versöhnen das Heiligthum von der Unreinigkeit der Kinder Israel, und von ihrer Uebertretung, in allen ihren Sünden. Also soll er thun der Hütte des Stifts; denn sie sind unrein, die umher liegen. Kein Mensch soll in der Hütte des Stifts sein, wenn er hineingebet zu versöhnen im Heiligthum, bis er herausgebe; und soll also versöhnen sich und sein Haus und die ganze Gemeinde Israel. Und wenn er heraus gehet zum Altar, der vor dem HErrn stehet, soll er ihn versöhnen, und soll des Bluts vom Farren und des Bluts vom Bock nehmen, und auf des Altars Hörner umher thun. Und soll mit seinem Finger vom Blut darauf sprengen siebenmal, und ihn reinigen und heiligen von der Unreinigkeit der Kinder Israel. Und wenn er vollbracht hat das Versöhnen des Heiligthums, und der Hütte des Stifts, und des Altars, so soll er den lebendigen Bock herzu bringen. Da soll denn Aaron seine beide Hände auf sein Haupt legen, und bekennen auf ihn alle Missethat der Kinder Israel, und alle ihre Uebertretung in allen ihren Sünden; und soll sie dem Bock auf das Haupt legen, und ihn durch einen Mann, der vorhanden ist, in die Wüste laufen lassen, daß also der Bock alle ihre Missethat auf ihm in eine Wildniß trage; und lasse ihn in die Wüste. Und Aaron soll in die Hütte des Stifts gehen, und ausziehen die leinenen Kleider, die er anzog, da er in das Heiligthum ging; und soll sie daselbst lassen. Und soll sein Fleisch im Wasser baden an heiliger Stätte, und seine eigenen Kleider anthun, und herausgehen, und sein Brandopfer, und des Volks Brandopfer machen, und beides sich und das Volk versöhnen, und das Fett vom Sündopfer auf dem Altar anzünden. Der aber den ledigen Bock hat ausgeführet, soll seine Kleider waschen, und sein Fleisch mit Wasser baden, und darnach ins Lager kommen. Den Farren des Sündopfers, und den Bock des Sündopfers, welcher Blut in das Heiligthum zu versöhnen gebracht wird, soll man hinaus führen vor das Lager, und mit Feuer verbrennen, beides ihre Haut, Fleisch und Mist. Und der sie verbrennet, soll seine Kleider waschen, und sein Fleisch mit Wasser baden, und darnach ins Lager kommen. Auch soll euch das ein ewiges Recht sein: Am zehnten Tage des siebenten Monats sollt ihr euren Leib casteien, und kein Werk thun, er sei einheimisch oder fremde unter euch. Denn an diesem Tage geschiehet eure Versöhnung, daß ihr gereiniget werdet; von allen euren Sünden werdet ihr gereiniget vor dem HErrn. Darum soll es euch der größte Sabbath sein, und ihr sollt euren Leib demüthigen. Ein ewiges Recht sei das. Es soll aber solche Versöhnung thun ein Priester, den man geweihet, und deß Hand man gefüllet hat zum Priester an seines Vaters Statt; und soll die leinenen Kleider anthun, nämlich die heiligen Kleider. Und soll also versöhnen das heilige Heiligthum, und die Hütte des Stifts, und den Altar, und die Priester, und alles Volk der Gemeinde. Das soll euch ein ewiges Recht sein, daß ihr die Kinder Israel versöhnet von allen ihren Sünden, im Jahr einmal. Und Mose that, wie ihm der HErr geboten hatte.

Unser heutiges Capitel spricht von dem großen Versöhnungstag Israels; es war ihm ungefähr, was für uns der Charfreitag ist. An diesem Tage ward das Volk mehr als je hingewiesen auf das Lamm, das der Welt Sünde trägt. Er ward gefeiert am zehnten Tage des siebenten Monats (V. 29), und diese Zahlen sind bedeutungsvoll. Die Zahl 7 in der Vereinigung der Menschenzahl 4 und der Gotteszahl 3 bedeutet den Bund, den Gott mit den Menschen schloß: Die Gemeinschaft des Glaubens und der Gnade. Die Zahl 10 bedeutet die Mannigfaltigkeit in der Einheit, und will sagen, daß die Versöhnung eine vollständige, abgeschlossene ist, aber ihre Anwendung auf die Menschen in der mannigfaltigsten Weise geschieht. In Vers 1 setzt der HErr die große Versöhnung ein, nachdem Aaron's Söhne von Ihm getödtet sind, weil sie fremdes Feuer auf Seinen Altar gebracht haben, und will damit sagen, daß er nur ein solches Opfer annimmt, was er selbst gestiftet, und daß das Gnadenwerk ausschließlich Sein eigen Wert sei. -

Unser heutiges Capitel ist ein so sehr reiches, daß wir nur die Hauptpunkte daraus hervorheben können. Zunächst heben wir hervor, daß der große Versöhnungstag nur einmal (V. 34) im Jahre gefeiert ward. Ein Jahr ist ein in sich abgeschlossenes Ganze, und ein Tag darin wiederholt sich nicht. So kann sich auch die einmal geschehene Erlösung nicht wiederholen, weil sie vollgültig ist. Darum ist auch die Erlösung der Verdammten aus der Hölle unmöglich. Alles liegt fertig da für uns. Wir brauchen nur zu nehmen, um verlegt zu werden in die Liebes- und Lebensgemeinschaft mit Gott. -

Ein andrer Punkt ist, daß der Hohepriester volle vierundzwanzig Stunden im Heiligthum bleiben mußte; er hatte mit dem Opfer und dessen Vorbereitungen so viel zu thun, daß er an keinen Schlaf und kein Essen denken konnte. So hat der HErr Christus, da er Sich als Opferlamm schlachten ließ, Nacht und Tag in der sauersten Liebesarbeit ruh- und rastlos hingebracht. Darin kann sich ein begnadigter Sünder nur mit der tiefsten Bewegung versenken; wen die Tiefe solcher Liebe nicht bewegt, der ist nichts anderes werth, alle verworfen zu werden. Uns geht es aber wie Israel: Den meisten von dem Volke war der große Versöhnungstag unverstanden, eindruckslos. Der Hohepriester mußte allein (V. 17) den Dienst des Tages verrichten; Keiner durfte helfen; er mußte Seine ganze Kraft, alle seine Sinne daran setzen. Als Christus Seinen Gang antrat zu dem großen Versöhnungsopfer, da wurde Er von Allen verlassen, von Seinen Jüngern, Seiner Mutter, von den Engeln, ja von Seinem Vater; Er mußte die Kelter allein treten. Darum sind wir auch auf den HErrn Jesus allein angewiesen; Er allein hat uns versöhnen können; nicht Gott, nicht der heilige Geist, nicht die Engel. - (V. 12-13.) Der Hohepriester mußte den Tag beginnen mit einer feierlichen Räucherung, dem Sinnbild des Gebetes. So hat der HErr, Hebr. 5,9. Sich Selbst geopfert, und noch immer wirken Seine Fürbitten als Fortsetzung der Gebete an jenem großen Schlachttage. Ohne diese Fürbitten Jesu bei Seinem Vater könnten wir nicht gerettet werden, könnte Keiner zu Ihm kommen und bei Ihm bleiben. -

Ferner mußte der Hohepriester das vollständige Opferwerk bringen, (3.5-6), Brand-, Sünd- und Schuldopfer, und dessen Blut ins Allerheiligste tragen, worin er sonst nie kommen durfte. Die siebenmalige Sprengung (V. 14) bedeutet, daß der Herr es als ein vollständiges Opfer in Gnaden annehmen wolle. So ist Christus, als das vollgültige Brand-, Sünd- und Schuldopfer eingegangen in das Allerheiligste, hat Sein Blut hinaufgetragen in den Himmel, und das schreit nun fortwährend für uns: Barmherzigkeit, Barmherzigkeit. Nicht in seinen Prachtkleidern (V. 4), nicht angethan mit dem Licht und Recht, nicht mit seiner Krone durfte der Hohepriester ins Heiligthum gehen, sondern im weißen leinenen Rock (V. 23). Wenn er heraus kam aus dem Heiligthum, dann sollte er seinen vollen hohepriesterlichen Schmuck wieder anlegen. So ist der HErr Christus geschlachtet in Niedrigkeit, aber als Er auffuhr und Sich dem HErrn Seinem Gott darstellte, da erschien Er in Seiner ganzen Herrlichkeit.

Etwas ganz Besonderes sind die zwei Ziegenböcke, über welche das Los (V. 8) geworfen werden sollte, welcher Gott gehörte und welcher dem Teufel. Ganz eigenthümlich feierlich sollte der Hohepriester seine eigne und des Volkes Sünde auf des Teufels Bock legen und ihn in die Wüste jagen. Den Namen Asasel hat Luther mit „lediger Bock“ übersetzt; er bedeutet aber „der Fernstehende,“ d. i. der Teufel, welcher fern steht von der Gemeinschaft des Volkes Gottes. Die Sünde, vom Volke weggenommen, war gelegt auf den, dem sie gehört, dem Teufel, und der sie zu tragen hat in unaufhörlicher Qual. Weil des Volkes Sünde dem Teufel eine so unerhörte Last ist, versucht er es fortwährend, sie dem Einzelnen wieder zu bringen in hohnlachenden Anfechtungen, aber in solchen Zeiten wollen wir bedenken, daß nicht wir als erlöste Kinder Gottes, sondern der Teufel unsere Sünde zu büßen habe. Wenn die Versöhnung des Volkes Israel geschehen war, dann trat der Hohepriester aus dem Allerheiligsten heraus, besprengte den Altar mit dem Opferblut (V. 19), um das Heiligthum zu versöhnen und den Altar zu reinigen und zu heiligen von der Unreinigkeit der Kinder Israel. Die Geräthe des Heiligthums waren ja an sich rein, aber wurden unrein durch die Sünde des Volkes. So ist auch in der Kirche Alles rein, aber durch unsere Berührung wird Alles darin unrein, selbst die heiligen Sacramente, weil sie durch eine menschliche Hand vermittelt werden müssen. (V. 32.) Eine solche Versöhnung soll beschafft werden von einem Priester an seines Vaters Statt. Daraus sehen wir, daß das Priesteramt in ununterbrochener Folge vom Vater auf den Sohn übergehn soll. Da der Vater aber todt ist, und also nicht opfern kann, so hätten diese Worte keinen Sinn, wenn sie nicht auf Christus hinwiesen, der uns versöhnt hat an Seines Vaters Statt. Wenn man dies Capitel Zug für Zug durchgeht, so findet man überall Christus darin, der die Versöhnung wirkt zugleich als Hoherpriester und Opfer. Dies Capitel war ein rechtes Evangelium für Israel. (V. 29-31.) Wie sollte nun Israel diesen größten Sabbath feiern? Es sollte seinen Leib kasteien und sich jedes Werkes enthalten. So soll unser ganzes Leben Ein Sabbath sein, da wir unser Fleisch demüthigen, heilig wandeln in Worten und Werken und einfach einhergehn in der Zier der Buße. Dem Volke Israel war als Sabbathsfeier das Ruhen geboten, d. h. die Enthaltung aller Arbeit, aber ihm war nicht gesagt, wie es den Sabbath anwenden sollte. Das Vorbild ist erfüllt in der christlichen Kirche, deren Sonntagsfeier wieder ein Vorbild des ewigen Sabbaths ist. Wir sollen an diesem Tage ruhen in Gott, der Welt abgestorben, ablassen von allem Eignen, alle Gedanken und Empfindungen auf den HErrn gerichtet. Jeder Tag sollte aber ein solcher Sabbath sein. So sollen wir uns dankbar beweisen, und feiern das große Versöhnungswerk. Nur so können wir gerecht und selig werden. Nur so können wir immer mehr die Kraft von Christi Versöhnung an uns erfahren. Laßt uns das bewegen in unserm Herzen. Amen.

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