Harms, Theodor - Des Christen Himmelsreise - Fünf Predigten gehalten in den Betstunden vor Pfingsten - V. Von dem Ende der Himmelsreise.

Harms, Theodor - Des Christen Himmelsreise - Fünf Predigten gehalten in den Betstunden vor Pfingsten - V. Von dem Ende der Himmelsreise.

Die Gnade unsers HErrn und HEilandes JEsu Christi, die Liebe GOttes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen.

Lasst uns beten: Liebster HErr und HEiland JEsu Christ, wir danken Dir, dass Du uns diesen schönen heiligen Abend beschert hast mit seinem schönen kostbaren Wetter und mit seinem tausendmal schöneren kostbaren Wort, damit Du unsere Seelen erquicken willst. Wir danken Dir, dass wir lebendige hier zwischen den Toten vor Dir anbeten können. Da bitten wir Dich nun, lass uns Dein teures Wort zu Herzen nehmen, damit wir die schwere Kunst lernen, selig zu sterben. Rühre unsere Herzen an mit Deinem Gottesfinger und schreibe Dein teures Wort in unsere Herzen hinein, wie Du auf Sinai Dein Gesetz in die steinernen Tafeln geschrieben hast. Sei Du unter uns und erfülle unsere Herzen mit der rechten Glaubenskraft, Dir zu dienen bis zum seligen Ende. So bereite Du uns nun, lieber HErr, zu einem recht seligen Pfingstfest, damit wir voll Geistes werden und Deinen Namen verklären unter Christen, Heiden und Juden, wie Du Dich uns verklärt hast. Lass uns auch bedenken, was für einen unaussprechlich großen Segen wir haben an unserer lieben Kirche, die ja am ersten Pfingstfest gestiftet ist. Lass uns festhalten an den Gnadenmitteln unserer Kirche, die Du uns vertraut hast, am reinen Wort und Sakrament. Hilf Du uns, dass wir uns lieben als recht treue Christen im Dulden und Leiden, im Kämpfen und Bekennen, im Leben und Sterben. So bereite uns auch zu einer seligen Himmelfahrt. Erhöre uns in Gnaden und bekenne Dich zu uns um Deines teuren Namens willen. Amen.

Vernehmt das Wort unsers GOttes, wie es geschrieben steht im Evangelium St. Lukas im 16. Kapitel, im 22. Vers:
Es begab sich aber, dass der Arme starb, and ward getragen von den Engeln in Abrahams Schoß.

Wir haben, meine Lieben, in dieser heiligen Zeit zwischen Himmelfahrt und Pfingsten in unseren Abendbetstunden betrachtet des Christen Himmelsreise und haben da zuerst gehandelt von dem Antritt der Himmelsreise, sodann von den Beschwerden der Reise, zum Dritten von den Reisebegleitern, zum Vierten von der Zehrung auf der Reise und kommen nun heute zu dem Ende der Himmelsreise; und da hat uns der liebe GOtt diesen schönen kurzen Text geschenkt, der uns in vollständigster Weise das Ende der Himmelsreise beschreibt. - Wir haben in dieser Vorbereitungszeit vor Pfingsten uns nicht deshalb zu Abendbetstunden miteinander versammelt, damit der heilige Geist in wunderbarer Weise ausgegossen würde, wie am ersten Pfingstfest. Das hoffen die Schwarmgeister; - wir aber nicht, denn da wir das teure Wort GOttes haben, durch welches der heilige Geist in die Herzen der Menschen kommt, so bedarf es einer besonderen Ausgießung des heiligen Geistes gar nicht, und es ist Torheit und Schwärmerei, so Etwas erwarten zu wollen. Wir haben uns vielmehr deshalb miteinander versammelt, damit der heilige Geist Sich in reichem Maß gerade so wie an jedem Sonntag und Festtag in unsere Herzen ausgieße. - Das haben wir besonders nötig in dieser betrübten Zeit, wo der Satan Sturm läuft gegen die Mauern Zions, damit wir fest bleiben in dem Bekenntnis unserer lieben lutherischen Kirche und uns durch Nichts davon abtreiben lassen. Da wolle Sich denn nun der liebe HEiland, der Sich bisher in den Betstunden zu uns bekannt hat, auch heute Abend in Gnaden zu uns bekennen.

Wir sind nun beute Abend versammelt unter dem blauen Himmel, den GOtt über uns gewölbt hat, und der HErr hat unsere Gebete in Gnaden erhört. Wir haben Ihn gebeten um warmes, schönes Wetter und um nicht zu viel Wind, und beides hat der HErr in Gnaden gegeben.

Diese Seine Liebe und Treue muss uns tief beschämen, aber auch ermuntern, immer wieder aufs Neue mit unseren Bitten zu Ihm zu kommen in recht einfältigem kindlichen Glauben. Wir dürfen Ihn um Alles bitten, es sei, was es sei; und der liebe HErr hat Nichte lieber, als wenn wir recht oft zu Ihm kommen, und Er will uns immer erhören.

Wir stehen zwischen den Gräbern unserer Lieben, und ich stehe am Grab meines seligen Bruders, unsers unvergesslichen geistlichen Vaters. Darum möge sein Gedächtnis und das Gedächtnis unserer Lieben, die hier schlafen, uns ermuntern, danach zu trachten, dass wir alle unsere Himmelsreise selig vollenden. So wollen wir denn nun handeln

Von dem Ende der Himmelsreise

und zwar

  1. Von dem Ausgang aus dem Leben und
  2. Von dem Eingang in den Himmel.

Also

1. Von dem Ausgang aus dem Leben.

In unserem heutigen Text wird uns beschrieben das Ende des frommen Lazarus, das Ende eines höchst mühseligen, trübsalsvollen Lebens, da er vor der Tür des reichen Mannes lag in Hunger und Kummer, voller Schwären, da er sich zu sättigen begehrte von den Brosamen, die von des Reichen Tisch fielen. Die Menschen hatten kein Mitleid mit ihm, wohl aber die Hunde; die kamen und leckten ihm seine Schwären. Vor seinen Augen lebte der reiche Mann alle Tage herrlich und in Freuden, nicht in Lumpen gekleidet, sondern in Purpur und köstliche Leinwand.

Nun kam's zum Sterben. Der reiche Mann ward begraben ohne Zweifel mit großer Pracht und Herrlichkeit, wie reiche Weltkinder es lieben. Wir wollen aber heute nicht davon handeln, was für ein Ende der reiche Mann genommen hat, sondern wir haben es ja nur zu tun mit dem Ende der Kinder GOttes, und darum wollen wir uns halten an das Ende des armen Lazarus; denn wie es mit seinem Ende war, so geht es mit dem Ende aller wahren Christen, wenn sie ihre Pilgerreise vollendet haben.

Wenn wir, meine Lieben, mit einem Sprung, ohne den Tod zu sehen, in den Himmel kommen könnten, wie gern möchten wir das! Unserem trotzigen und verzagten Herzen ist es so bange vor dem Tode; denn ein jeder Mensch, er mag sein, wer er wolle, hat Angst vor dem Tod. Wir müssen, ehe wir in den Himmel eingehen können, durch das Todestal hindurch. Es wird keinem beschieden sein, was dem Enoch und Elia beschieden war, die da ohne zu sterben vom HErrn in den Himmel genommen wurden. Dass es aber bei Eliä Himmelfahrt nicht so ganz glatt und sanft hergegangen sein mag, lässt sich daraus schließen, dass er in einem Wetter gen Himmel fuhr. Darum wollen wir auch ein solches Verlangen, ohne zu sterben im Himmel aufgenommen zu werden, ganz bei Seite schieben. Wir wissen ja, dass wir Alle sterben müssen; darum wollen wir aber auch unser ganzes Leben dazu anwenden, - die Kunst, selig zu sterben, zu erlernen; denn das ist die höchste Kunst, welcher auch die Gebetskunst dienstbar sein muss.

Wenn wir als Christen unser Auge und Herz emporheben zu der Himmelsstadt, wohin uns der HErr Christus vorangegangen ist, um uns die Tür aufzuschließen, wenn wir das kostbare Trostwort unsers HErrn JEsu Christi im Herzen betrachten: „In Meines Vaters Haus sind viele Wohnungen; wenn es nicht so wäre, so wollte ich zu euch sagen: Ich gehe hin, euch die Stätte zu bereiten;“ wenn wir bedenken, was die heilige Schrift über die Seligkeit und Herrlichkeit der vollendeten Gerechten im Himmel sagt, dann muss unser Herz in Sprüngen gehen über solche wunderliebliche Aussicht. Aber jetzt sehen wir zum Himmel auf wie durch ein sich auftürmendes, furchtbares Gewitter; denn vor dem Himmel liegt der Tod.

Es sagen wohl Manche: „Ich fürchte mich nicht vor dem Tod,“ - aber wer dass sagt, der lügt; denn es gibt keinen Menschen, der sich nicht fürchtet vor dem Tod. Jeder Wurm krümmt sich vor dem Tod, und das natürliche Menschenherz krümmt sich auch vor und unter dem Tod. Wir tragen ja Alle Fleisch und Blut an uns und sind von Natur der alte Mensch, und der muss sterben. Er geht nicht in den Himmel ein, sondern wird in's Grab gelegt, um da zu verderben. Der Tod ist der Sünden Sold, und darum ist er für den alten Adam etwas Furchtbares. Wer sich nicht von Herzen zu Christo bekehrt hat, Ihm nicht im lebendigen Glauben treu bleibt und dient, der mag alle möglichen Mittel suchen, sich den Tod leicht zu machen, er wird sie nicht finden; denn solche Mittel sind auf Erden nicht zu finden. Der Herr JEsus Christus aber hat diese Mittel, ganz unfehlbare Mittel, und die sind nur bei Ihm zu haben.

Wie machen es nun die Weltkinder? Die schlagen sich, so lange es angeht, den Gedanken an den Tod aus dem Sinn, um in ihrem Taumelleben nur ja nicht gestört zu werden. Sie lügen sich vor: Mit dem Tod ist's aus; sie reden sich ein, sie würden in Nichts aufgelöst. Dadurch wollen sie sich den Gedanken an den Tod aus dem Sinn schlagen, und so lügen sie sich vor, sie hätten keine Strafe für ihre Sünden zu erwarten. - Aber solche Täuschungen halten nicht Stich. Wie viele kommen sogar so weit, dass sie sich, wenn's zum Sterben kommt, besaufen. Da suchen sie Trost bei der Branntwein-Flasche und fahren betaumelt zur Hölle. Viele machen's noch anders. Wie viele Menschen gibt es doch, die legen Hand an sich selbst, um ihr armes Leben abzukürzen! Aber wenn sich auch die Menschen auf alle mögliche Weise den Gedanken an den Tod aus dem Sinn schlagen wollen, - es ist unmöglich. Auch der allerbesoffenste Mensch wird im Tod nüchtern, und wie entsetzlich ist dann das Aufwachen unter dem Hohngelächter der Teufel!

Lüge du dir immerhin vor, es gebe nach dem Tod kein Gericht, mit dem Tode sei Alles aus, es sind doch nur Lügen und Täuschungen. So gewiss, wie du jetzt lebst, so gewiss wirst du vor GOttes Richterstuhl gestellt, und das Urteil lautet: Entweder in den Himmel oder in die Hölle! Eins nur ist möglich.

Es ist also, meine Lieben, Nichts gewisser, als dass wir sterben und vom HErrn Christo gerichtet werden.

Was hat denn nun ein Christ als Himmelspilger getan? Er hat den Gedanken an den Tod keinen Augenblick aus dem Herzen fahren gelassen und sich bemüht, sich mit dem Gedanken an den Tod recht vertraut zu machen. Er hat sich die Schrecken des Todes so recht vorgestellt, um zu erkennen, was der Tod sei, und wie schwer der Tod sei. Aber er hat's nicht getan, um sich selbst mit Grauen zu erfüllen, sondern um die Mittel aufzusuchen, selig zu sterben. Er hat an seinen HEiland geglaubt, hat Ihn geliebt und ist Ihm treu geblieben bis zum Ende der Pilgerreise. Darum kann ihn auch der HErr Christus im Tod nicht verlassen; Er muss ihn durch das Todestal hindurch geleiten zum ewigen Leben. - Ein Christ sucht, so lange er lebt, alle die Stellen auf, die vom Tod handeln, wie es im Tod ist, wie er mit Ehren durch den Tod kommen und selig sterben kann, und was nach dem Tod aus dem Menschen wird. Wie nun die heilige Schrift das Wesen des Todes so klar und ernst schildert, dass wir erkennen, was der Tod ist mit seinen Schrecken, ebenso klar spricht sich die heilige Schrift aus über die Hoffnungen eines Christen. Seht, Gottes Wort sagt, dass der, welcher an den HErrn Christus glaubt, den Tod nicht schmecken und nicht sehen soll ewiglich. Also das wissen wir und glauben es fest, dass ein Christ gar nicht sterben kann. Der alte Mensch muss ja freilich sterben; ein Christ aber ist nicht der alte, sondern der neue Mensch, der in der heiligen Taufe geboren, durch GOttes Wort genährt und so stark geworden und groß gezogen ist für den Himmel. Wenn's nun bei den Christen zum Sterben kommt, dann trifft der Tod nur den alten, nicht aber den neuen Menschen. Der neue Mensch sieht und schmeckt den Tod nicht; und wenn sich der alte Mensch krümmt unter den Schmerzen des Todes, jubelt der neue Mensch; er geht ja aus den Schmerzen und dem Jammer hinüber in die Seligkeit und Herrlichkeit. Darum muss aber auch der inwendige Mensch immer kräftiger werden, damit er den Kampf zwischen Fleisch und Geist, zwischen dem alten und dem neuen Menschen auch bestehe. Die Ungläubigen, die Unbelehrten, die Christo nicht angehören, haben solchen Kampf nicht; denn sie sind nur der alte Mensch. Die vollendeten Gerechten wissen auch nichts von diesem Kampf, denn sie sind nur der neue Mensch. Die wahren Christen aber, die Zionspilger müssen täglich kämpfen, denn sie haben Geist und Fleisch, und beide sind wider einander. Je kräftiger nun der inwendige Mensch wird, desto schwächer wird der alte Mensch; je kräftiger aber der alte Mensch wird, desto schwächer wird der neue Mensch; und je stärker der inwendige Mensch bei einem Christen ist, desto leichter wird ihm das Sterben.

In der Todesstunde sieht der HErr Seine Kinder in Gnaden an. Manche müssen gar schwer und sauer hindurch. Dazu gehörte auch der liebe geistliche Vater, der hier schläft. Manche schlafen ein wie ein Kind in den Armen der Mutter. Das teilt der HErr einem Jeden zu nach Seinem Wohlgefallen. Das steht uns nicht zu, den HErrn um das Ende eines Kindes zu bitten; wohl aber sollen wir Ihn bitten um ein seliges Ende, dass Er mächtig sein wolle in unserer Schwachheit. Es kann, meine Lieben, einem Christen bei dem Gedanken an den Tod angst und bange werden, wenn er sich sagen muss, dass des Christen Kraft nie schwächer ist, als gerade in der Todesstunde. Da verschwindet die Besinnung, dass man nicht einmal mehr beten kann; das Herz fängt an zu brechen, so dass man kaum noch seufzen kann; das Ohr hört nicht mehr, also dass man die Trostworte der Umstehenden nicht mehr vernimmt. Der Satan gibt sich alle Mühe, durch seine Anfechtungen den Sterbenden zu seinem Eigentum zu machen. Da soll wohl ein Christ bei dem Gedanken an den Tod seufzen: Wie komme ich wohl durch? Dabei soll er sich halten an das teuer werte Wort, das der HErr Christus dem Apostel Paulus gesagt hat, als derselbe ihn bat, dass des Satans Engel, der ihn mit Fäusten schlug, möchte von ihm weichen: „Lass dir an Meiner Gnade genügen, denn Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig!“ - Sind wir nun nach der Vernunft im Tod schwächer, als im Leben, so sind wir nach dem Wort der Schrift im Tode stärker, als je zuvor. Da muss ein Christ mit Paulus sagen: „Wenn ich schwach bin, so bin ich stark.“ Im Tod ist also der Christ durch den HErrn Christus am stärksten. Da hilft der HErr den Seinen durch den Tod hindurch und bringt sie zur Ruhe in Seinen Himmel.

Sollen wir uns da noch ängstigen vor dem Tod? Nein, meine Lieben; wenn wir den HErrn fürchten, haben wir vor dem Tod keine Angst. Nur die Weltkinder, die da prahlen, sie fürchteten sich nicht vor dem Tode, haben Angst in der Todesnot; denn sie haben keinen HEiland.

Ein Christ muss die Todesstunde allezeit mit größtem Ernst ansehen und sich in guten und in bösen Tagen auf diese eine Stunde schicken, die der liebe HEiland mit gutem Bedacht uns verborgen hat; denn Er will, dass wir sie stets erwarten.

Was sollen wir nun tun, wenn wir merken, dass das Ende unseres Lebens und damit auch das Ende unserer Pilgerreise herannaht? Wenn wir, meine Lieben, den HErrn JEsum Christum kennen und von Herzen an Ihn glauben, so werden wir gar nichts Besonderes tun; denn im Tod kann uns nur des HErrn Gnade aufrecht erhalten, und die wird und dargereicht in GOttes Wort und Sakrament. Wenn's zum Sterben kommt, denke du mit heiligem Ernst an deine Taufe, dadurch du ein Kind GOttes geworden bist. Siehe, da hat dir der liebe Vater im Himmel gelobt, Er wolle den Bund halten, wenn du denselben auch noch so oft brichst. Bitte Ihn, dass er dich ansehen wolle als Sein Kind, wenn auch als ein verirrtes. Du hast das volle Recht, jederzeit zu deinem GOtt wieder zurückzukehren. So wird dich die Taufgnade auch in den Tod hinein begleiten, und du kannst den HErrn fest fassen; denn du weißt ja, dass du durch deine Taufe nicht nur ein Kind GOttes, sondern auch ein Erbe des Himmels geworden bist. So nimm denn deine Zuflucht zu dieser festen Burg. Dahinein kann der Satan dir nicht folgen. So ist denn die heilige Taufe die größte Gnade, nicht nur, wenn wir unseren Pilgerlauf anfangen, sondern auch, wenn wir ihn vollenden. Wir haben GOttes Wort, die Quelle alles Trostes und aller Stärke, dadurch der inwendige Mensch gekräftigt wird; und wer ein wahrer Christ ist, der kann es nicht unterlassen, sich aus GOttes Wort einen Schatz zu sammeln, recht viele Bibelsprüche auswendig zu lernen und im Herzen zu bewahren, damit man GOttes Wort im Herzen habe, wenn man nicht mehr lesen und hören kann. Das teure GOtteswort gibt uns Kraft, dass wir nicht verloren gehen.

Der HErr hat uns die größte Stärkung für unser Herz im heiligen Abendmahl geschenkt; und wenn ein Christ merkt, dass sein Ende kommt, kann er's nicht unterlassen, sich noch einmal dadurch zu erquicken; denn wer mit dieser Wegzehrung recht ausgerüstet ist, muss selig werden.

Wie schrecklich aber ist's, wenn sich einer in den Tod hineinwagt ohne Christus, ohne GOttes Wort, ohne Taufe, ohne Abendmahl! Heutzutage aber, wo die Christenheit massenweise abfällt vom HErrn Christus, wo so viele Eltern es nicht mehr für nötig halten, ihre Kinder taufen zu lassen, - wie schrecklich ist's bei solchen, wenn's zum Sterben kommt! Wer will sie erretten aus Todesnöten? -So viele Christen wollen von GOttes Wort und Sakrament Nichts wissen, ja sie rühmen sich wohl gar, seit der Konfirmation nicht zum heiligen Abendmahl gegangen zu sein. Nun kommt's zum Sterben. Wer will ihnen da durch den Tod hindurchhelfen, da sie Christi Gnadenhand von sich gestoßen haben? Sie nehmen ein Ende mit Schrecken.

Da gibt es auch viele Christen, die haben sich äußerlich zur Kirche gehalten, auch wohl ab und an zum Abendmahl, haben sich vor groben Sünden gehütet oder auch nicht, haben sich aber um Gottes Wort nicht bekümmert sind nicht als rechtschaffene GOtteskinder auf Erden gelebt. Nun kommt's bei ihnen zum Sterben. Da sagen sie wohl zu den Umstehenden: „Betet für mich, dass ich selig sterben kann.“ Aber diese Bitte presst ihnen nicht die Sündennot aus, sondern die Angst vor dem Tod und vor der Höllenstrafe. Da geben sie's auch wohl zu, wenn die Angehörigen sagen: „Wir wollen zum Pastor schicken, dass er dir das heilige Abendmahl noch einmal gebe.“ Es geschieht, und nun meint ein Solcher in seiner Torheit, geborgen zu sein. Ach, meine Lieben, die Fürbitten tragen keinen Menschen in den Himmel, das Abendmahl auch nicht. Wenn der Mensch das heilige Abendmahl ohne Buße und ohne Glauben empfängt, muss ihn das, was ihm sonst die größte Herzensstärkung sein könnte, in die Verdammnis hinabstürzen. Wahre Christen aber können nicht anders, sie müssen sich durch das heilige Abendmahl zum Tod rüsten.

Aber kann man denn in der Todesstunde seiner Seelen Seligkeit gewiss sein? Ja, meine Lieben, wenn man diese Gewissheit nicht hätte, dann wäre man in einer ganz verzweifelten Lage. Stehst du im lebendigen Glauben an den HErrn Christus, und erkennst du dich als blutarmen Sünder, der nur aus Gnaden selig werden will, und bist du durch die Absolution und das heilige Abendmahl der Vergebung deiner Sünden gewiss, so hast du auch die Gewissheit, dass du selig sterben kannst und musst. Ohne diese Gewissheit wäre das Sterben die größte Qual. - Frage sich doch ja ein Jeder, der hier steht, ob er auch seiner Seligkeit ganz gewiss ist.

Da sind aber erst noch verschiedene Fragen zu erledigen. Vor Allem die: Bist du, wenn du das Ende deiner Pilgerreise erreicht hast, dessen ganz gewiss, dass du keinen Groll im Herzen hast gegen irgend einen Menschen, und bist du mit Jedermann versöhnt? Hast du noch Groll im Herzen, und es kommt zum Sterben, - selig sterben kannst du nicht. Nur in einem versöhnten Herzen kann Christus wohnen, nur einem solchen Herzen kann Er verhelfen zu einem seligen Ende.

Zum Anderen: Prüfe dich, ob du irgend einem Menschen noch Etwas schuldig bist, - ob du auch vollständig Ersatz geleistet hast für das, was du einem Menschen genommen hast. Freilich muss ja der HErr JEsus Christus durch Sein Blut und Verdienst Alles wieder gut machen; aber du musst auch Ersatz leisten, - ohne den kommst du nicht weg. Du musst deinem Nebenmenschen bei Heller und Pfennig Alles ersetzen, was du ihm etwa veruntreut oder entwendet hast. Darum prüfe dich: Hast du deinen Nächsten betrogen oder bestohlen, viel oder wenig sein; das musst du bezahlen. Glaube nur ja nicht, dass es dein Heiland bezahlen wolle, wenn du es nicht bezahlen willst.

Etwas Anderes ist's, wenn du es nicht bezahlen kannst. Da wende dich nur getrost an den großen Zahlmeister, den HErrn Christus, und bitte Ihn, Er möge aushelfen. Tust du das nicht, selig sterben kannst du nicht. - Seht, meine Lieben, das drückt so Viele, die nicht selig sterben können. Sie haben's auf Erden versäumt, wieder gut zu machen, was sie gestohlen hatten. Da musst du nun dein ganzes Leben ansehen. Der Kindersinn ist so leichtfertig. So viele Kinder haben Stachelbeeren oder Äpfel und Birnen gestohlen, - so Viele, die das Vieh hüten sollten, haben dem Nächsten wissentlich zum Schaden gehütet, oder haben Holz gestohlen aus des Nächsten Busch; und im späteren Leben, - wie viel Untreue lassen sich da die Menschen zu Schulden kommen! Wie Viele sind untreu im Amt und verursachen dem Nächsten viel Schaden! Wie viele haben ein eigenes Geschäft und machen da Schulden, ohne sie zu bezahlen! Bedenke: Bei Heller und Pfennig musst du Alles ersetzen, was du dem Nächsten auf irgend eine Weise entwandt hast. Siehe an das Exempel des Zachäus. Er sagte zum HErrn: „Siehe, HErr, die Hälfte meiner Güter gebe ich den Armen, und so ich jemand betrogen habe, das gebe ich vierfältig wieder.“ Da sagt der HErr JEsus Christus mit Freuden: „Heute ist diesem Hause Heil widerfahren, sintemal er auch Abrahams Sohn ist.“

Darum, meine Lieben, ich bitte und ermahne euch als euer Bruder und Mitknecht, was ich kann: Prüft euch ja, und wenn ihr Etwas noch nicht wieder gut gemacht habt, tut es ohne Verzug, und solltet ihr auch gleich darüber arme Leute werden. Besser ehrlich und arm, alle reich und ein Spitzbube.

Aber nun leben vielleicht die Leute oder deren Erben nicht mehr, wie sollen wir's dann machen? Dann wende dich an den HErrn Christus und gib den Armen, was du den Menschen entwendet hast. Bitte Ihn, Er möchte es an den rechten Mann bringen. Im Grunde gehört ja Alles, was man stiehlt, dem HErrn Christus.

Soll uns das Sterben leicht werden, dann müssen wir aber auch bei Zeiten anfangen, uns loszumachen von der Kreatur. Hängt dein Herz noch an Menschen, an Bruder und Schwester, an Weib und Kind, dann wird dir das Sterben gar schwer. Du musst dich von Allem los machen, dass du sagen kannst: Mich hält Nichts mehr.

Dann wird dir's gehen, wie dem armen Lazarus; die heiligen Engel werden kommen und deine Seele hinauftragen in's Paradies.

Das, meine Lieben, ist der Ausgang aus dem Leben, das Ende der Pilgerreise. Aber wenn es damit geschehen wäre, dann wäre es schlimm, ein Christ zu sein; denn: „Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christum, so sind wir die Elendesten unter allen Menschen.“ - Wir haben etwas Anderes zu erwarten. Davon wollen wir nun noch handeln.

2. Von dem Eingang in den Himmel.

Unser Text erzählt uns da vom armen Lazarus: „Und ward getragen von den Engeln in Abrahams Schoß.“ Wird das wohl auch bei uns so sein? Ja freilich. Es wird uns nicht erzählt als ein besonderer Dienst, den die Engel dem Lazarus erwiesen haben. Nein, den Dienst haben die Engel jedem Christen zu erweisen. An dem Sterbelager jedes gläubigen Christen stehen die heiligen Engel, um die Seele zu tragen in das himmlische Paradies. Dass wir das wissen, ist ein großer Trost für uns.

Wenn wir fragen: Wo ist denn der Himmel? so gibt die Schrift die kurze, unbestimmte Antwort: „Oben.“ Oben ist aber groß. Fragen wir nun: Wo denn oben? so bekommen wir darauf keine Antwort. Da uns die heiligen Engel hinaufbegleiten sollen in den Himmel, können wir getrost und zufrieden sein. Nun brauchen wir doch nicht allein zu reisen. Mag auch der Satan in der Todesstunde es versuchen, die Seelen der gläubigen Christen in seine Gewalt zu bekommen, die heiligen Engel weisen seine Angriffe ab. So wenig wie es ihm gelungen ist, den Leichnam Mose in seine Gewalt zu bekommen, als er mit dem Erzengel Michael zankte, - ebenso wenig wird er die Seelen der Gerechten an sich reißen können. Da streitet der HErr mit Seinen heiligen Engeln wider den Teufel für die Seelen, die Ihm gehören.

Die heiligen Engel tragen diese Seelen in den Himmel. Das ist so gewiss, wie der HErr Christus Selbst im Himmel ist, und wie GOttes Wort nicht lügen kann.

Aber hat denn schon Jemand die heiligen Engel an dem Sterbelager der Gerechten gesehen? Ja, meine Lieben, das ist nicht selten vorgekommen, dass den Sterbenden durch Gottes Gnade die Augen geöffnet sind. Da haben sie denn mit Entzücken die heiligen Engel gesehen und sind mit Freuden aus der Welt geschieden.

Nun sehen wir die heiligen Engel nicht eher bis in der Todesstunde. Dann werden wir sie aber gewisslich sehen.

Ob wohl die Himmelsreise lange dauert? Nein, meine Lieben, nicht einmal so lang, wie der Weg von Hermannsburg nach dem Kirchhof. Mit einer Geschwindigkeit, wogegen jede andere Geschwindigkeit verschwindet, werden wir von den heiligen Engeln in's Himmelreich getragen. Fragt ihr: Woher weißt du das? - ich will's euch sagen: Aus der Geschichte vom bußfertigen Schächer. Als er zu seinem HEiland sagte: „HErr, gedenke an mich, wenn Du in Dein Reich kommst,“ da sagte der HErr zu ihm: „Wahrlich, wahrlich Ich sage dir, heute noch wirst du mit Mir im Paradies sein.“ Nun neigte sich der Tag zu Ende. Die Kriegsknechte kamen, um dem Schächer das Garaus zu machen, weil nach dem jüdischen Gesetz noch vor Sonnenuntergang der Leichnam abgenommen werden musste; und ehe die Sonne ihre letzten Strahlen auf die Kreuzesstätte warf, waren dem Schächer schon die Beine zerschlagen, und in demselben Augenblick folgte seine Seele dem lieben HEiland nach in's Paradies. Seht, die Himmelswagen fahren schneller, als Eisenbahnen, ja sogar schneller, als die Telegraphendrähte den Funken befördern.

Und wie schön ist's im Himmel! Das ist nicht zu beschreiben; ja, die Seligkeit und Herrlichkeit, da droben spottet aller Beschreibung. Da ist die Himmelspforte immer offen; da thront GOtt der HErr, und um Seinen Thron stehen die heiligen Engel und die vollendeten Gerechten, die Krone des Lebens auf dem Haupt, den Königsmantel der Herrlichkeit um die Schultern, die Harfen GOttes in den Händen. So loben und preisen sie den HErrn, schauen Ihn von Angesicht zu Angesicht und warten in seliger Ruhe des jüngsten Tages, wo der HErr die neue Erde schaffen wird, dass sie da mit Ihm einziehen im seligen Chor und bei Ihm leben unter dem neuen Himmel in alle Ewigkeit. Wir können ja gar nicht anders, als mit Entzückung die zwei letzten Kapitel in der Offenbarung St. Johannis lesen, wo uns beschrieben wird das neue Jerusalem und die Freude des ewigen Lebens. Denkt euch, meine Lieben, die Seligkeit und Herrlichkeit im Himmel noch so groß, es wird doch nicht zu vergleichen sein mit der Wirklichkeit,

Seht, meine Lieben, das ist das Ende der Himmelsreise - der Ausgang aus diesem Leben und der Eingang in's ewige Leben. Dahin sollen uns unsere Werke nachfolgen, wie die Schrift sagt: „Selig sind die Toten, die in dem HErrn sterben, von nun an. Ja, der Geist spricht, dass sie ruhen von ihrer Arbeit; denn ihre Werke folgen ihnen nach.“ Die Werke schließen aber nicht den Himmel auf; das hat der HErr Christus getan.

Wie sind wir Christen doch so vornehme Leute! Die Königskinder nennt man Prinzen und Prinzessinnen; wir, die wir Christo treu bleiben, sind Prinzen und Prinzessinnen nicht nur von königlichem, sondern von göttlichem Geblüt. Wenn auf Erden Prinzen und Prinzessinnen kommen, so haben sie ein glänzendes Gefolge. Unter den Vielen, die man sieht, ragen aber die Prinzen und Prinzessinnen hervor als die Größten und Schönsten. Solch ein Gefolge sollen wir auch haben. Je mehr gute Werke du getan hast, desto größer wird einst deine Herrlichkeit sein. Die Seligkeit ist ja das höchste Glück, das man sich denken kann, - die müssen alle Christen haben; die Herrlichkeit ist aber verschieden je nach den Werken des Glaubens.

Seht, meine Lieben, das wird das Ende sein. Was folgt für uns daraus? Dass wir auf Erden Alles aufbieten, was nur möglich ist, dass wir auf der Himmelsreise treu ausharren bis zum Tod. Ja, des Apostels Wort: „Schafft, dass ihr selig werdet mit Furcht und Zittern“ muss uns durch Mark und Bein dringen. Das ist unsere Lebensaufgabe, selig zu werden. Aber wie schwer ist diese Aufgabe! - So wolle denn, meine Lieben, der treue HErr das die Frucht auch dieses Abends sein lassen, dass wir nur danach trachten, das Ende der Himmelsreise zu erreichen - der Seelen Seligkeit. Ja, unser ganzes Leben lang soll das unsere Losung sein: Nur treu und selig! Amen.

Lasst uns beten: Lieber, HErr und HEiland JEsu Christe! Wir danken Dir für Dein heiliges teuer wertes Wort, das Du uns gesagt hast, und bitten Dich: Wenn's mit uns zum Sterben kommt, dann wolltest Du uns dasselbe erleben lassen, was der arme Lazarus am Ende seines Lebens erlebt hat; dann lass Deine heiligen Engel unsere Seelen zu Dir hinauftragen in den Himmel. Wir bitten Dich, lieber HErr JEsu, bekehre uns durch Deinen heiligen Geist. Lass uns den schmalen Himmelsweg gehen und bewahre uns vor jeglichem Abfall. Wir sind so blind, - erleuchte Du uns; wir sind so schwach, gib Du uns Kraft; wir sind so verzagt, gib Du uns Mut. Bleibe bei uns, lieber HErr JEsu, im Leben und im Sterben; mach uns nur selig! Amen.

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