Harms, Theodor - Des Christen Himmelsreise - Fünf Predigten gehalten in den Betstunden vor Pfingsten - IV. Von des Christen Wegzehrung auf seiner Himmelsreise.

Harms, Theodor - Des Christen Himmelsreise - Fünf Predigten gehalten in den Betstunden vor Pfingsten - IV. Von des Christen Wegzehrung auf seiner Himmelsreise.

Die Gnade unsers HErrn und HEilandes JEsu Christi, die Liebe GOttes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit uns Allen. Amen.

Lasst uns beten: Barmherziger, gnädiger HErr und HEiland JEsu Christe, wir danken Dir, dass wir auf's Neue haben erscheinen können vor Deinem Angesicht, um Dein teures Wort zu hören und Deine Gnadennähe zu erfahren. So tue nun Deinen Mund auf, uns zu lehren, und tue Deine Hand auf, uns zu segnen. Lass aber auch aus Deinem Herzen Ströme der Gnade herabfließen in unser Herz. Tue unsere Ohren auf, dass wir hören, was Du uns sagst; tue unsere Hände auf, dass wir nehmen, was Du uns gibst; tue unsere Herzen auf, dass wir bewahren, was Du in Deinem heiligen Wort hineinlegst. So bereite Du uns nun durch Deinen heiligen Geist auch heute Abend zu einer recht gesegneten Feier des heiligen Pfingstfestes; bereite uns zu einem heiligen Leben und zu einem seligen Sterben. Zeige uns mit jedem Schritt, den wir weiter tun auf unserer Himmelsreise, die goldenen Pforten Deines himmlischen Jerusalems immer klarer und gib uns in unser Herz ein immer sehnlicheres Verlangen nach dem Himmel. Gib uns den rechten demütigen, aufrichtigen Sinn, dass unsere Herzen immer mehr abgezogen werden von Allem, was irdisch ist, zu Dir hinauf, also dass, wenn wir auch mit unseren Füßen hier noch pilgern, wir doch unser Herz voranschicken zu Dir in den Himmel; und wenn unser Stündlein kommt, dann hole uns selbst unserem Herzen nach in Dein himmlisches Jerusalem. Nun, lieber HErr JEsu Christ, so bezeuge auch heute Abend Deine Gnade an uns armen Sündern, um Deines teuren Namens willen. Amen.

Vernehmt das Wort unseres GOttes, wie es geschrieben steht im 1. Buch der Könige im 19. Kapitel, vom 1. bis zum 8. Vers:
Und Ahab sagte Isebel an Alles, was Elia getan hatte, und wie er hätte alle Propheten Baals mit dem Schwert erwürgt. Da sandte Isebel einen Boten zu Elia und ließ ihm sagen: Die Götter tun mir dies und das, wo ich nicht morgen um diese Zeit deiner Seele tue, wie dieser Seelen einer. Da er das sah, machte er sich auf und ging, wo er hin wollte, und kam gen Beer-Seba in Juda und ließ seinen Knaben daselbst. Er aber ging hin in die Wüste eine Tagereise und kam hinein und setzte sich unter eine Wacholder and bat, dass seine Seele stürbe, und sprach: Es ist genug, so nimm nun, HErr, meine Seele, ich bin nicht besser, denn meine Väter. Und legte sich und schlief unter der Wacholder. Und siehe, der Engel rührte ihn und sprach zu ihm: Stehe auf und iss! Und er sah sich um und siehe, zu seinen Häupten lag ein geröstet Brot und eine Kanne mit Wasser. Und da er gegessen und getrunken hatte, legte er sich wieder schlafen. Und der Engel des Herrn kam zum andern mal wieder, und rührte ihn und sprach: Stehe auf und iss, denn du hast einen großen Weg vor dir. Und er stand auf und aß und trank und ging durch Kraft derselben Speise vierzig Tage und vierzig Nächte bis an den Berg Gottes Horeb.

Der Prophet Elia, dieser Glaubensheld, der Wiederhersteller des Gesetzes in Israel, hatte in seinen schweren Kämpfen mit dem Götzendienst, namentlich mit dem Baals- und Astharothdienst, unter den Baalspriestern aufgeräumt, also dass er sie geschlachtet hatte am Bach bei Karmel. Dadurch hatte er aber Isebels Grimm erregt. Als Ahab seinem Weibe Isebel Alles ansagte, was Elia getan, da schickte Isebel einen Diener zu Elia und ließ ihm sagen: „Die Götter tun mir dies und das, wo ich nicht morgen um diese Zeit deiner Seele tue, wie dieser Seelen einer“ (V. 2). Mit einem Schwur ließ sie ihm also eröffnen, dass er sterben würde. War das der Isebel Vorsatz, dass sie ihn wollte töten lassen? Ganz gewiss. Aber war es auch ihr Vorsatz, dass er schon am folgenden Tag sterben solle? Ganz gewiss nicht; denn alsdann hätte sie ganz töricht gehandelt, wenn sie ihm das angesagt hätte. Sie wollte vielmehr den Elia in Schrecken setzen, dass er wenigstens außer Landes gehen solle. Und diese Absicht hat sie auch erreicht.

Elia wurde sehr erschreckt. Obgleich er in seiner Kirchen-Reformation bei dem herrlichen Sieg über die Baalspfaffen GOttes Gnade so deutlich verspürt hatte, wurde er doch schwach im Glauben und ging mit seinem Knaben gen Beer-Seba, dem äußersten Grenzort des Landes. Dort ließ er seinen Knaben und ging allein eine Tagereise in die Wüste. Hier legte er sich nun unter eine Wacholder und sagte: „Es ist genug; so nimm nun, HErr, meine Seele; ich bin nicht besser, denn meine Väter.“

Wie merkwürdig ist doch das! Der sich vor dem Tod durch Isebels Hand fürchtete, begehrt hier den Tod. Wir können ja nicht leugnen, dass Elia, der so viel getan hatte im Reiche GOttes, hier glaubensschwach wurde und den HErrn bat, Er möchte ihn aus dem Kampfesleben zu sich nehmen in die ewige Ruhe. Das sehnliche Verlangen, abzuscheiden und bei dem HErrn zu sein, war ja Recht, aber der Grund dieses Verlangens war nicht Recht; denn es war Kampfesmüdigkeit und Verzagtheit der Seele. - Das, meine Lieben, ist eine große Stärkung für unsere Seelen, dass wir sehen, auch ein solcher Glaubensheld, wie Elia Einer war, ist schwach geworden im Glauben. Wenn uns daher in unserem Pilgerlauf etwas Ähnliches passieren will, wollen wir uns mit dem Elia trösten. Der liebe HErr sieht ja die Schwachheit der Seinen in Gnaden an, und wenn sie sich Ihm zur Verfügung stellen, will Er mit Seiner Kraft doppelt mächtig sein in ihrer Schwachheit. Das ist uns ein großer Trost auf unserer beschwerlichen Himmelsreise, dass auch die größten Glaubenshelden bisweilen geistlich ohnmächtig sind. Wenn es uns nun ähnlich geht, dann soll uns diese Geschichte aus dem Leben des Elia ein großer Trost sein. Wir sollen ja nicht meinen, dass uns der HErr verstoßen habe; wir wollen uns vielmehr an Den halten, der dann gerade am allerstärksten sein will in unserer Schwachheit.

Das sollte Elia auch erfahren. Müde und matt von der Reise schläft er ein, bittet aber zuvor den lieben GOtt, Er möchte ihn zu sich nehmen. Allein der liebe GOtt erhört Seinen Knecht nicht; er soll ja noch länger kämpfen, bis er später in den Himmel geholt wird mit solcher Auszeichnung, wie nur ein Mann vor ihm und nur Einer nach ihm, nämlich Enoch vor ihm und der HErr Christus nach ihm. - Als er nun im besten Schlaf war, da tritt ein Engel zu ihm heran, rührt ihn an und spricht zu ihm: „Stehe auf und iss!“ Da wacht der Prophet auf und sieht zu seinen Häupten ein geröstetes Brot und eine Kanne Wasser, und nachdem er gegessen und getrunken, legt er sich wieder schlafen. Bald darauf weckt der Engel des HErrn den Elia zum zweiten Mal und sagt zu ihm: „Stehe auf und iss, denn du hast einen großen Weg vor dir.“ Elia folgt dem Befehl, erquickt sich an Speise und Trank, und macht sich alsbald auf und geht in einer Tour vierzig Tage und vierzig Nächte bis an den Berg GOttes Horeb.

In Kraft dieser Himmelsspeise konnte der Prophet den sauren Weg vollenden. Vierzig Tage hat er gefastet. Vierzig Tage hat auch Moses gefastet auf Sinai. Vierzig Tage hat auch der HErr Christus gefastet in der Wüste. Und wie wunderbar ist es! Diese Drei, die vierzig Tage gefastet haben, kommen auf dem Berge der Verklärung wieder zusammen und reden da von dem Ausgang, den der Sohn GOttes nehmen sollte.

Nun, meine lieben, diese Himmelsspeise, in Kraft deren Elia vierzig Tage und vierzig Nächte wandeln konnte, ist ein sehr wichtiges Vorbild von der Zehrung, die wir auf unserer Himmelsreise empfangen.

Elia musste zweimal essen und trinken. Warum? Seht, er sollte sich so recht satt essen und trinken, damit er seine saure Reise vollenden könnte. Das ist für Christen eine sehr wichtige Regel, dass sie sich ja recht satt essen und trinken an der Himmelsspeise und an dem Himmelstrank, damit beides auch vorhalte das ganze Leben lang. Was ist denn nun des Christen Zehrung? Keine irdische. Ein Christ ist ja ein Himmelsbürger, er stammt nicht von dieser Welt, er stammt von oben. Sein Vater ist der HErr Christus, und seine Mutter ist das Jerusalem, das droben ist. Darum ist der Christ kein Erdenkind, sondern ein Himmelskind, wiewohl er auf Erden wandelt. Erdenkinder bedürfen der irdischen Speise, des Brotes und des Wassers, wie Elia hier. Himmelskinder aber bedürfen der himmlischen Speise und können nicht genährt werden durch Brot, Fleisch und Wurst. Wenn wir nun die himmlische Speise nicht hätten als Zehrung auf der Himmelsreise, so müssten wir verschmachten und würden nie das Ziel erreichen, den Himmel. Irdischer Speise bedarf der inwendige Mensch nicht; die nützt ihm Nichts. Er bedarf aber auch nicht der geistigen Speise, deren die Seele bedarf, um zu wachsen und zuzunehmen. Geistige Speise ist all das menschliche Wissen, Kunst und Wissenschaft. Die meisten Menschen meinen, wenn sie darin so recht klug würden, so würden sie auch für den Himmel gebildet. Aber diese geistige Speise kann der inwendige Mensch, der Christ als das Himmelskind nicht zu sich nehmen zu seinem Heil. Er muss vielmehr geistliche Speise haben, die nicht ein Engel bringt, sondern der heilige Geist, der auch Selbst die Kraft dieser geistlichen Speise ist. von wollen wir nun heute handeln:

Von des Christen Zehrung auf seiner Himmelsreise.

  1. GOttes Wort und
  2. Des HErrn Leib und Blut.

1.

Das Erste ist also GOttes Wort. Das haben wir nun in der heiligen Schrift, in diesem Buch aller Bücher, diesem geistlichen Schatzhaus, in welches der HErr die ganze Kraft Seines Heils, das Er uns erworben, hineingelegt hat, und worin Er wirkt und zu den Seinen kommt. Es ist ja die heilige Schrift nicht bloß ein Buch, aus dem wir nur lernen sollen. Das ist sie freilich auch, und Alles, was in der heiligen Schrift steht, ist die höchste Wissenschaft. Aber wenn wir nicht mehr davon hätten, als diese höchste Wissenschaft, dann hätten wir noch lange nicht genug, um in den Himmel zu kommen. -

Die heilige Schrift ist auch GOttes Schatzhaus, in welches der HErr Christus hineingelegt hat Alles, was Er uns erworben hat durch Seinen tuenden und leidenden Gehorsam, Seine Lebenskraft, Friede und Freude im heiligen Geist, die Kräfte der zukünftigen Welt, sowie auch alle die Tugenden, die aus dem Glauben kommen. - Wenn wir nun die heilige Schrift im Glauben lesen, so lernen wir nicht nur, sondern werden auch reich in Gott.

Die heilige Schrift ist aber nicht nur GOttes Schatzhaus, sondern auch Gottes Brothaus, wo der inwendige Mensch sich seine Speise holt zur Stärkung für die Himmelsreise, damit er da alle Gefahren und Kämpfe bestehen könne und unter den größten Beschwerden doch frisch bleibe. - Darum kann aber auch ein wahrer Christ nicht anders, er muss GOttes Wort nicht nur lesen, sondern er muss GOttes Wort auch nehmen und essen, wie Elia die Engelspeise genossen hat.

Wie nötig das ist, können wir im gewöhnlichen Leben sehen. Seht, meine Lieben, wenn wir arbeiten mit Aufbieten aller unserer Kräfte (und das soll ja ein Christ, welchen Beruf er auch haben mag), so können wir ohne reichliche Nahrung die Arbeit nicht zwingen. Wir müssen ja Alle, wenn wir zur Arbeit Kraft haben wollen, wenigstens dreimal täglich reichlich gesunde Nahrung zu und nehmen; sonst geht's nicht. Nun ist aber die schwerste Leibesarbeit gar nicht zu vergleichen mit der Arbeit, die ein Christ auf seinem Himmelsweg hat. Die ist so schwer und sauer, dass wir GOttes Wort reichlich zu uns nehmen müssen; sonst können wir die Arbeit nicht ausrichten, werden vielmehr matt, siechen hin und sterben schließlich. Wenn nun unser Körper täglich - ich will einmal sagen - drei Mahlzeiten zu sich nimmt, um frisch und stark zu bleiben, so ist es auch ganz in der Ordnung, dass der inwendige Mensch täglich gleichfalls drei Mahlzeiten aus GOttes Wort zu sich nimmt, um frisch und stark zu bleiben und die sauren Kämpfe dieses Lebens zu bestehen. Da ist es nun unsere Aufgabe, fleißig in GOttes Wort zu lesen, aber nicht etwa nur flüchtig hineinzusehen und hier und da einen Vers zu lesen, sondern reichlich, damit wir, wie Elia, unsere schwere Reise vollenden können. Wie wichtig ist es darum, dass in einem jeden Christenhaus die Hausandachten regelmäßig gehalten werden Morgens und Abends! Da darf Nichts fehlen, sie müssen gehalten werden mit Gesang, Gebet und GOttes Wort. Die ganze Hausgenossenschaft muss daran Teil nehmen, denn was ist die wohl anders, als die Reisegesellschaft auf dem Himmelsweg. Darum muss es sich jeder Christ zur Regel machen, täglich GOttes Wort zu lesen in aller Treue, damit er dadurch gestärkt werde an dem inwendigen Menschen. So viel Zeit haben wir auch. Macht nicht Jeder Mittag? Da schlafen doch die Meisten, die saure Arbeit haben. Das mögen sie auch gerne tun; aber sollte wohl nicht Jeder noch so viel Zeit übrig haben, auch des Mittags ein Kapitel aus der Bibel zu lesen? Ganz gewiss. Seht, meine Lieben, diese Treue im Bibellesen ist durchaus notwendig, wenn wir das Ziel der Himmelsreise erreichen wollen. Aber wir müssen GOttes Wort nicht nur lesen, sondern es auch bewegen in unserem Herzen, wie Maria es bewegte in einem feinen, guten Herzen. Wir müssen das teure GOtteswort so recht in Saft und Blut verwandeln, wir müssen diese Himmelsspeise so recht zu unserem Eigentum machen. Dazu hilft auch das Gebet und das fleißige Reden über GOttes Wort. Wenn wir bei einander sind, was können wir Besseres tun, als über GOttes Wort zusammen reden? Dadurch wird es ja unser Eigentum und in Saft und Blut verwandelt. Je mehr wir nun GOttes Wort in der rechten Weise betrachten, desto süßer wird es uns, und desto stärker werden wir nach dem inwendigen Menschen. - Betrachten wir aber GOttes Wort, so kommen wir im Christentum zurück, und der inwendige Mensch stirbt.

Lasst euch einmal, meine Lieben, erzählen von unseren Brüdern, die den letzten Krieg mitgemacht haben, wie sie so selten eine Predigt haben hören können, und wie sie darum aus dem schweren Krieg wieder zurückgekommen sind - halb verhungert an dem inwendigen Menschen.

Es kann ja auch nicht anders sein. Dass so wenig frisches, lebendiges Christentum unter den Christen ist, das kommt daher, weil die Meisten so untreu sind im Gebrauch des göttlichen Wortes. Sie nehmen die Himmelskost nicht täglich und reichlich zu sich. Wie wollen wir dem Satan anders entgegenkommen, als mit GOttes Wort? Da streckt uns ja im Worte GOttes der Herr Christus Seine Hand entgegen, und gegen die wagt der Satan nicht anzugehen. Tritt man ihm entgegen mit Menschenwort, so lacht er. Nur vor GOttes Wort hat er Respekt. Bist du nun nicht in GOttes Wort bewandert, so kannst du dem Satan nicht recht antworten; du wirst müde, wie Elia, also dass du dir auch den Tod wünschst. Wie willst du dich da auffrischen und aufrichten?

Sowie du GOttes Wort gebrauchst und es recht bewegst in deinem Herzen, so bekommst du neue Kraft, also dass du weiter pilgern kannst, bis du endlich das Ziel erreichst.

So, meine Lieben, ist GOttes Wort unsere Stärkung in Schwachheit, unser Labsal in Ermattung, unser Trost in Trübsal. Es ist aber auch das Schwert des Geistes, und darum können wir mit dem Wort GOttes in unseren schweren Kämpfen gewinnen und den Sieg behalten. Da ist es aber nicht genug, dass wir das Wort GOttes in der Tasche haben, wie ein Neues Testament, sondern wir müssen es im Kopf haben, vor Allem aber im Herzen; und dazu ist viel Übung nötig, viel lesen und Lernen. Das rum müssen wir von Kindes Beinen an in GOttes Wort fleißig lesen. Wenn uns nun der liebe HErr ein recht langes Leben beschieden hat, und wir haben fleißig, wo wir nur konnten, GOttes Wort gehört und gelernt, und wir werden dann gefragt: Wie viel weißt du nun von GOttes Wort? Wie tief bist du eingedrungen in die Bergwerksgründe der göttlichen Wahrheit? - so werden wir antworten müssen: Unser Wissen ist Stückwerk, und unsere Erkenntnis ist Stückwerk.

Weil nun aber das Wort GOttes eine so gewaltige Macht ist gegen den Teufel, darum ist er auch dem Wort GOttes so gram; und wo er irgend Jemanden abbringen kann von GOttes Wort, da tut er's; ebenso gern hält er auch ab vom Gang zur Kirche. Wird GOttes Wort gepredigt, so ruft der HErr mit dem Glockenschlag zusammen. Das hört nun der Teufel auch, und da lügt er dem Einen vor: Das Wetter ist zu schlecht, du könntest dich leicht erkälten; dem Anderen macht er vor: Du bist ja krank, - gehst du zur Kirche, so wird deine Krankheit schlimmer; und dem Dritten sagt er: Du hast ja so viel Arbeit, wie willst du denn fertig werden? Bei sehr Vielen gelingt es ihm, sie vom GOttes-Haus und so auch von GOttes Wort abzuhalten; - und sie leiden dabei großen Schaden an dem inwendigen Menschen.

Darum, meine Lieben, lasst uns ja GOttes Wort hören, wo wir nur können, - es sei denn, dass der HErr es uns wehre; und im Lesen des Wortes GOttes wollen wir auch recht treu sein. Es wird schon eine Zeit kommen, wo wir GOttes Wort nicht hören können, und dann müssen wir es sehr bedauern, wenn wir nicht treu gewesen sind im Hören des Wortes GOttes. Wie oft hört man doch auf den Krankenbetten die Klage: Hätte ich doch GOttes Wort in gesunden Tagen fleißig gehört! Nun kann ich's nicht mehr hören. - Oft kann man aber auch die Worte hören: Wie freue ich mich doch, dass mich der liebe GOtt in gesunden Tagen Sein Wort so reichlich hat hören lassen! Nun sehe ich erst recht ein, was für einen Segen ich davon habe.

2.

Das Andere, meine Lieben, bei der Wegzehrung auf der Himmelsreise ist Christi Leib und Blut, das hochwürdige Sakrament des Altars, über welches wir heute den wunderschönen Gesang gesungen haben: „HErr JEsu Christe, Du getreuer Hirte.“ Ich wüsste nicht, meine Lieben, wo wir als Christen bleiben sollten, wenn wir das heilige Abendmahl nicht hätten. Was sollte wohl dann aus uns werden? - Es können Zeiten vorkommen, in welchen das Wort GOttes nicht haftet in unserem Herzen, also dass en uns nicht stark macht in unserer Schwachheit und nicht herausreißt aus unserer Not. Da hat uns nun der liebe HErr eine stärkere Speise gegeben, als GOttes Wort, den Leib und das Blut unsers HErrn JEsu Christi. Es ist eine stärkere Speise, denn die Unmündigen, die sich noch nicht prüfen können, sollen noch nicht davon essen, weil es ihnen zum Schaden sein würde. Der HErr JEsus erzieht den inwendigen Menschen, und da gibt Er ihm die Nahrung nach den verschiedenen Altersstufen. Wollte man z. B. einem Kind statt der Milch Fleisch zu essen geben, so würde das Fleisch, das doch eine so kräftige Nahrung ist, dem Kind leicht den Tod bringen können. Ebenso würden die Unmündigen, wenn sie das heilige Abendmahl empfingen, den Tod davon nehmen. Wollten wir aber den Erwachsenen die starke Speise des Leibes und Blutes unsers HErrn JEsu Christi nehmen, so täten wir ihnen dadurch den größten Schaden. Da könnte der inwendige Mensch nicht stark genug bleiben. Darum bedarf ein erwachsener Christ durchaus der Zehrung des heiligen Abendmahle. Wer es aber nicht zu sich nimmt, verdorrt an dem inwendigen Menschen. Da kann derselbe unmöglich gesund bleiben.

Weil aber das heilige Abendmahl eine so starke Speise ist, würde es auch gar nicht wohlgetan, sondern vielmehr durchaus schädlich sein für den inwendigen Menschen, wenn wir's in demselben Maß genießen wollten, wie das Wort Gottes. Wir gehen alljährlich verschiedene Male zum heiligen Abendmahl; das ist durchaus notwendig, wenn wir das Ziel unserer Himmelsreise erreichen wollen. Unser lieber Herr und HEiland macht uns - namentlich was die Zeit anbelangt - den Genuss des heiligen Abendmahls durchaus nicht zum Gesetz. Das würde mit dem heiligen Abendmahl, das ja lauter Evangelium ist, im grellsten Widerspruch stehen. Ein lauterer Christ aber kann des häufigen Abendmahlgenusses durchaus nicht entbehren, namentlich wenn er viel zu kämpfen hat. Dem ist es nicht genug, das heilige Abendmahl jährlich zwei- oder dreimal zu empfangen; ich meine, ein rechtschaffener, wahrer Christ müsste wenigstens alle zwei Monate einmal zum heiligen Abendmahl gehen, sonst könnte er's nicht aushalten.

Wir werden ja im heiligen Abendmahl erfüllt mit Himmelskräften. Da gibt uns der HErr Christus Seinen heiligen Leib und Sein heiliges Blut, wie Er beides am Stamm des heiligen Kreuzes hingegeben hat zu unserer Erlösung, und wie Er's nun verklärt an Sich trägt. Er gibt uns Beides mit und unter Brot und Wein. Weil aber Sein Leib der verklärte Leib und Sein Blut das verklärte Blut ist, kann Er's nicht stückweise geben, sondern Er muss es uns ganz geben; und wie Sein Leib von Seiner Person nicht zu trennen ist, also wird uns der HErr Christus Selbst mitgeteilt; Er Selbst speist uns. Darum sagt Er auch von Sich: „Ich bin das Brot des Lebens.“

Ja, meine Lieben, ist es nicht ein anbetungswürdiges Wunder, dass wir im heiligen Abendmahl mit dem HErrn Christus in die innigste Verbindung treten, also dass uns keine Kreatur von Ihm scheiden kann, ja, dass Selbst der HErr Christus, der Sich durch Sein Wort gebunden hat, dies Gemeinschaftsband nicht lösen kann, wenn wir nicht von Ihm abfallen?

Wenn Sich nun der HErr Christus so eng mit den Seinen verbindet, so können wir ja unmöglich das Ziel unserer Pilgerreise verfehlen, wir müssen vielmehr in Kraft dieser Doppelspeise die saure Himmelsreise vollenden.

Darum liegt es auch ganz in der Natur der Sache: Wenn's bei einem wahren Christen zum Sterben kommt, so kann er nicht anders, - er muss sich noch einmal stärken durch den Genuss des heiligen Abendmahls zu seiner letzten Reise. - Freilich, wenn die rechte Vorbereitung nicht möglich ist, dann sollte er doch ja nicht das heilige Abendmahl begehren; denn es könnte ihm, was ihm sonst den größten Segen bringt, alsdann das Gericht bringen.

Wie viel kommt doch an auf die rechte Vorbereitung! Und was gehört dazu? Buße und Glaube. Die wahre Herzensbuße darf nicht fehlen, denn wir müssen uns los machen von der Welt, vom Teufel und von der Sünde; der wahre Glaube ist aber auch durchaus notwendig, denn wir müssen uns dem HErrn Christus ganz und gar hingeben. Bist du so recht hilfsbedürftig, dass dich deine Sünden wie Mühlsteine drücken und dein Herz ganz und gar erbebt vor dem HErrn Christus, also dass du, statt zu Ihm zu kommen, von Ihm weglaufen und der Stimme des Teufels Gehör geben möchtest, du seiest zu schlecht zum heiligen Abendmahl, siehe, gerade dann bist du würdig und wohlgeschickt. Hast du aber nicht die rechte Bereitschaft und nicht das rechte Verlangen nach dem heiligen Abendmahl, dann bleibe ja weg, denn der unwürdige Genuss des heiligen Abendmahls bringt dir keinen Segen, sondern Fluch. Ja, es ist so: Wer nicht recht bereitet ist zum hochwürdigen Sakrament des heiligen Abendmahls, dem muss Christi Leib und Blut zum Gericht dienen, und so isst und trinkt er sich den Tod an dem, was ihm das Leben bringen sollte.

Seht, meine Lieben, das ist die Zehrung, die ein Christ auf dem Himmelsweg zu sich nehmen soll; und wenn ihr diese recht treulich gebraucht im einfältigen, kindlichen Glauben, dann ist es so gewiss, als Gott im Himmel ist, ihr werdet das Ziel eurer Himmelsreise erreichen und dermaleinst eingehen in die ewige Ruhe. - Da sehen wir nun, wie treu der HErr Christus die Seinen versorgt, dass sie auf der Himmelsreise nur ja nicht müde und matt und nicht zu Schanden werden sollen. Er Selbst begleitet uns und gibt uns die Zehrung; und weil wir das wissen, sollen wir getrost und fröhlich weiter pilgern. Wenn wir GOttes Wort und Sakramente treulich gebrauchen, dann ist uns nicht bange; denn der HErr trägt uns nach Seiner Güte und Barmherzigkeit weiter, bis wir endlich das Ziel unserer Himmelsreise erreichen und nach Hause kommen. Amen.

Wir danken Dir, liebster HErr JEsu Christ, für Dein heiliges teures Wort, das Du uns gegeben hast, um uns zu zeigen, was für einen Schatz wir haben in Deinem Wort und Sakrament. Ach, HErr, wir danken Dir für solche unaussprechliche Güte und Barmherzigkeit. Gib, dass wir Beides - Wort und Sakrament - mit großem Ernst und mit rechter Treue gebrauchen. Lass uns Dir aber auch recht dankbar sein und lass uns erkennen, wie viel wir Dir schuldig sind dafür, dass wir solche Wegzehrung haben auf unserer Pilgerreise zum Himmel. So wollest Du nun allezeit bei uns bleiben und uns auf unserer sauren Himmelsreise laben, so oft wir nur der Labung begehren. Ja, erquicke Du uns mit Deiner Himmelskost; und wenn's zum Sterben kommt, dann wollest Du uns in ganz besonderem Maße erquicken, laben und stärken, dass wir nur selig werden.

Wir bitten Dich auch für morgen um Deinen Segen; wir bitten Dich auch um ein warmes, schönes Wetter; lass nicht zu viel Wind wehen, damit wir auf dem Kirchhof unter den Gräbern Dein heiliges Wort hören und zu Herzen nehmen können. - Gib uns Allen auch ein recht gesegnetes Pfingstfest, um Deines teuren Namens willen. Amen.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/h/harms_theodor/harms_theodor_-_des_christen_himmelsreise_-_4.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain