Christian I., Kurfürst von Sachsen - Eine Vorbetrachtung, wenn man das heilige Vater Unser beten will.

Christian I., Kurfürst von Sachsen - Eine Vorbetrachtung, wenn man das heilige Vater Unser beten will.

O ewiger Gott, ich weiß und bekenne, daß ich ein armer, großer Sünder bin. Ich fühle in mir nichts als Begierde, Lust und Liebe zu zeitlichem Gut, Ehre und Wollust dieser Welt, Neigung zur Bosheit und zu allem Argen, dagegen keine Lust, Begierde oder Liebe zur Tugend und Gerechtigkeit. So ist mein Herz wild, und meine ganze Natur durch die erste Sünde in meiner Mutter Leibe vergiftet und von meinen Eltern auf mich vererbet, daß ich von mir selber keinen guten Gedanken fassen, viel weniger vollbringen, noch ein gutes Werk thun kann.

So krank, so dürftig, so elend, so verwundet bin ich, ja halb todt. Auch das gute Werk, das ich thue, ist mir nicht gut, sondern schädlich und verdammlich, du wollest es denn aus deiner milden Barmherzigkeit umsonst, ohne mein Verdienst, zu Gnaden annehmen, denn es ist kein Werk gut, das du nicht gut machest. Es ist kein Mensch weder fromm noch gerecht, als der, welchen du fromm und gerecht machest. Du bist allein fromm, gerecht und heilig, ohne alle Sünde, voll Gnaden und in aller Tugend empfangen und geboren; wir aber sind aller Sünde und Bosheit voll. Auch hat Niemand Tugend und Gerechtigkeit, als der, welchem du deine Gerechtigkeit und Heiligkeit mittheilest. Darum komme ich zu dir, mein Erlöser, und falle nieder auf meine Kniee, rufe und bitte demüthiglich um deine göttliche Gnade, Hilfe und Beistand, denn ich weiß wohl, daß du darum als Mensch in die Welt geboren bist, daß ich aus Gott wiedergeboren und ein Kind Gottes würde; darum mußt du meine Sünde mir nehmen und deine Gerechtigkeit mir geben. Du bist darum krank und schwach, und wie ein Schächer und Sünder geworden, damit ich gesund, heilig und gerecht würde, und bist für mich gestorben, auf daß ich ewig lebe. Deß tröste ich mich, darauf verlasse ich mich, darein setze ich all meine Hoffnung und mein höchstes Vertrauen, denn deine Gerechtigkeit ist mein, deine Tugend ist mein, deine Heiligkeit ist mein, deine Stärke und Gewalt ist mein, und alle meine Sünden sind dein; in dieser Hoffnung, in diesem Trost und Vertrauen trete ich zu dir; darin will ich leben, darin sterben, es gehe mir, wie es wolle. Darum bitte ich dich, mein edler Gott, gieb mir deine Gnade, daß ich dich auch lieb gewinne und nichts als dich, deine Tugend und Gerechtigkeit begehre, und ein herzlich Verlangen danach habe. Alsdann würde ich nach Art und Natur der Liebe meinem alten Leben und der Sünde feind und gehässig werden, Reue und Leid darüber empfinden und mich fortan vor allen Sünden hüten. Gieb mir auch die Gnade, daß ich dein heiliges Leiden und deinen bittern Tod also bedenke, daß ich beides in mir empfinde und fühle, daß ich alle böse Lüste und Begierden überwinde und ihnen also widerstehe, daß sie mich nicht gefangen nehmen, noch über mich herrschen. Hilf mir, ewiger Gott, daß ich alle Widerwärtigkeit, Pein und Schmerzen, Armuth und Krankheit, Schande und Unehre, ja den Tod willig und geduldig um deinetwillen leiden möge, und nicht allein geduldig, sondern mit Freuden, und Alles, was mir widerfährt, fröhlich annehmen möge, auf daß ich mit Wahrheit sprechen könne: Herr, ich will gern und mit Freuden sterben, wann und wie du es willst, und ich will den Tod, er sei, so schnell, so böse und gefährlich als er wolle, nicht fliehen, nicht fürchten, und kein Grauen, noch Erschrecken davor haben. Dein göttlicher Wille und Alles, was zu deiner Ehre und Herrlichkeit gereicht, geschehe um Christi Jesu, deines lieben Sohnes, unsers Herrn willen. Amen!

Quelle: Irmischer, Konrad - Betbuch Christian des Ersten

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