Calvin, Jean - An Viret in Lausanne(91).

Nr. 91 (C. R. – 417)

Calvin, Jean - An Viret in Lausanne(91).

Beim Wiederausbruch der Abendmahlsstreitigkeiten nahm der Berner Rat eine zwinglisch lautende Formel an, die Kuntz dem Rate zulieb seiner eigenen lutherischen Auffassung des Abendmahls zuwider ausgearbeitet hatte. Auf dem 27. August waren die Dekane der Pfarrklassen des ganzen Berner Gebiets beider Sprachen nach Bern geladen, um diese dogmatische Entscheidung des Rates entgegenzunehmen. Dekan der Lausanner Klasse war Pfr. Francois Martoret von Vevey.

Vom Abendmahlsstreit.

Hätte ich doch schon deinen Brief, der jedenfalls unterwegs ist. Denn wenn ich auch darin keine frohe Botschaft erwarte, so wäre doch das schon angenehm, etwas Sicheres von der Lage der Berner Kirche zu wissen. Nun muss ich davon als von etwas mir Unbekanntem schreiben und kann mich doch nicht enthalten zu schreiben. Ich höre, dass die Dekane aller Klassen nach Bern berufen seien, um anzuhören, was der Rat über das Abendmahl beschlossen habe. Ich kann dazu nichts sagen, als was du bei dir schon genug und übergenug überlegt hast. Doch lässt mich die Wichtigkeit der Sache nicht ruhig schweigen. Du siehst, zwei Dinge sind dabei in Betracht zu ziehen: erstens der Stand der Frage selbst und zweitens die Art, wie sie behandelt werden soll, die zum Teil von der Beschaffenheit der Frage abhängt. Ich brauche dich nicht zu mahnen, die Abendmahlsfrage selbst mit Euerm Dekan sorgfältig zu besprechen. Ich möchte nur, du bemühtest dich, das bei ihm zu erreichen, dass er, wo er davon redet, es ohne Zögern bezeugt, dass im Abendmahl nicht nur sinnbildlich dargestellt ist, welche Gemeinschaft wir mit Christo haben, sondern dass die Gemeinschaft tatsächlich in Erscheinung tritt; auch dass uns der Herr nicht nur Worte, sondern Wirklichkeit darbietet, und dass die Tatsache den Worten entspricht; dass es weiter keine eingebildete Gemeinschaft sei, sondern eine, durch die wir tatsächlich zu einem Leib und einem Wesen mit unserm Haupte zusammenwachsen. Dabei soll er aber freimütig alles Widersinnige ausschließen, ausnehmen und sich davor hüten. Nur in dem notwendigen Hauptpunkt soll er nichts abschwächen. Denn man darf auch nicht mit zweideutigen, dunklen Worten verschleiern, was die größte Klarheit und Durchsichtigkeit verlangt. In der zweiten Frage – der Art, wie die Sache behandelt wird – muss er erwägen, welches Beispiel die Brüder gäben, wenn sie den Rat als dogmatische Autorität anerkennen, sodass man, was er auch immer beschlossen hat, gleich annehmen und für ein Orakel halten müsste. Welch wichtiger, ungeheurer Präzedenzfall wäre das für die Zukunft! Sicher, wenn wir uns ein solches Joch auflegen lassen, begehen wir durch unser Schweigen Verrat an unserm heiligen Amt, und können solche Untreue weder vor Gott noch vor den Menschen verantworten. Aber es ist durchaus nicht nötig, dass man sich auf diese Streitfrage überhaupt einlässt, da die Brüder diese Klippe mit einer bescheidenen, höflichen Antwort umsegeln können, wenn sie sagen, die Sache sei zu wichtig, als dass sie etwas annehmen könnten ohne Beratung mit ihren Kollegen. Sie werden ja schöne passende Ausreden haben, die dem Rate genügen müssen. Auch das wird man nicht übergehen dürfen, dass sie sich da ernstlich ins Zeug legen, wo sie das Rechte erkennen, damit sie nicht in der Absicht, neutral zu bleiben, die Verteidigung der Wahrheit unterlassen. Ich meine natürlich nicht, sie sollen Partei ergreifen für irgendein Unrecht, oder wenn beide Parteien fehlen, sich hineinziehen lassen durch Mitmachen auf einer Seite. Nur so viel will ich, dass sie offen und ehrlich der rechten, gesunden Anschauung folgen. Setze Eurem Dekan auch auseinander, was du von den [führenden] Personen hältst und wo du an ihnen zu tadeln hast, damit er weiß, wem er etwas glauben und anvertrauen darf. Doch ich bin töricht, dich so ängstlich zu instruieren, als ob es nicht genug wäre, mit einem Wort die Richtung anzugeben. So will ich schließen. - -

Lebwohl, bester, allerliebster Bruder. Der Herr Jesus leite Dich stets mit seinem Geist und stärke dich immer mehr. Grüße mir alle Brüder, deine Frau und deine Tante.

Genf, 23. Aug. 1542.
Dein
Johannes Calvin.

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