Beecher, Henry Ward - Die Inspiration der Schrift.

Beecher, Henry Ward - Die Inspiration der Schrift.

Text: 2. Tim. 3,14-17.
Du aber bleibe in dem was Du gelernt hast, und Dir vertraut ist, sintemal Du weißt, von wem Du gelernt hast. Und weil Du von Kind auf die Heilige Schrift weißt, kann Dich dieselbe unterweisen zur Seligkeit, durch den Glauben an Jesu Christo. Denn alle Schrift von Gott eingegeben, ist nütze zur Lehre, zur Strafe, zur Besserung, zur Züchtigung in der Gerechtigkeit, dass ein Mensch Gottes sei vollkommen, zu allem guten Werk geschickt.

Der Zweck ist allezeit wichtiger als die Mittel. Die Ernte ist von größerem Wert als die Gerätschaften, durch welche die Ernte eingebracht ist. Das Haus ist von größerem Wert als die Balken, aus denen es gebaut ist. Die Familie, für welche das Haus gebaut ist, hat größeren Wert als das Haus selbst.

Der Wert der Bibel besteht in dem, was die Bibel wirkt. An und für sich ist sie nur ein Buch; aber wenn in ihr die Kräfte liegen, Menschen hervor zu bringen, die „zu allem guten Werk geschickt“ sind, dann ist sie von überschwänglichem Wert. Sie hat diesen Wert in jedem Zeitalter im Verhältnis zu ihren praktischen Resultaten. Wirkt sie nichts, so ist auch ihr Wert Nichts in demselben Sinn Nichts, wie das Gold nichts wert ist, welches im Schacht ungekannt und ungebraucht verborgen liegt. Ein Heilmittel, welches noch nicht entdeckt ist, bringt keinen Nutzen, ebenso kann das Wort Gottes ein vollkommen nutzloses Wort sein, während es doch die Fähigkeit in sich trägt, überschwänglich wertvoll zu werden.

Der Text, den ich heut gelesen habe, lässt eine zweifache Übersetzung zu. Die kirchlich eingeführte Übersetzung lautet: Alle Schrift ist von Gott eingegeben; nach einer andern, zu welcher die Ausleger sich mehr als zu jener neigen, würde es heißen: Alle Schrift, von Gott eingegeben, ist nütze zur Lehre, zur Strafe rc. Nach der ersteren wird die Behauptung aufgestellt, dass alle Schrift, d. h. alle die Bücher, aus denen die Heilige Schrift besteht, durch Inspiration gegeben sind. Die andere Übersetzung, welche wahrscheinlich die richtigere ist, sagt, dass alle die Schriften, die von Gott eingegeben sind, zu dem und dem Zweck nützlich sind. Der Text wird dann mehr eine Art von Zeugnis für die Inspiration, als eine Behauptung derselben.

Ich denke heut einige einfache, praktische Bemerkungen über die Bibel vorzutragen, die unter den gegenwärtigen Zeitverhältnissen und bei dem Interesse, welches Tausende in der Gemeinde für diesen Gegenstand haben, erforderlich scheinen; insbesondere will ich mich dabei an die jungen Männer wenden, die sich auf das von mir bekleidete Amt vorbereiten. Ich will dabei nicht auf alles eingehen, was über den Ursprung, die Echtheit, die Autorität, den inneren Bau, den Geist und den Gebrauch der Bücher, welche die Heilige Schrift ausmachen, zu sagen wäre. Es könnte dies nur in einer ganzen Reihe von Predigten erledigt werden. Ich will heute mehr eine Art von Einleitung geben, indem ich hoffe, dann und wann diesen Gegenstand wieder aufzunehmen, ohne mich dabei an bestimmte Zeiten zu binden, und ich hoffe, denselben dann weiter zu verfolgen, um das Wort Gottes in das rechte Licht zu stellen.

Unter allen Christen, soweit sie nicht in einem hierarchischen Kirchenorganismus eingeschlossen sind, wird die Bibel für die vollkommen ausreichende Autorität für Glauben und Wandel gehalten. Damit ist nicht gemeint, dass sie alle Wahrheiten enthält, oder dass darin alle Anwendungen der Wahrheit ausgeführt sind; noch weniger haben wir die Bibel für ein vollständiges System der Wahrheit in dem Sinn anzusehen, dass dadurch die Vorstellung von einem fortdauernden Wachsen der Wahrheit in der Welt ausgeschlossen würde, welches vermittels der Erfahrungen heiliger, von Gott gelehrter und geleiteter Menschen in allen nachfolgenden Zeitaltern stattfindet. Die Bibel enthält die Keime aller sittlichen Wahrheiten, aber das Menschenleben muss diese Keime wecken und diese Wahrheiten zu einer Gestalt und zu einem Verständnis bringen, welches die Schrift selbst nicht ausgesprochen hat.

Diese allmähliche Entwicklung der Wahrheit im menschlichen Leben, die von den Reformatoren vielleicht nicht deutlich genug erkannt worden ist, ist durch die hierarchischen Kirchen zum Dogma gemacht. Sie nehmen für die organisierte Kirche eine lebendige göttliche Inspiration in Anspruch, vermöge deren die Entscheidungen der Kirche unfehlbar wahr sind, aus demselben Grund, aus welchem die Protestanten die Bibel für unfehlbar halten. Während wir leugnen, dass irgend eine Partikularkirche Gottes Mund ist, so erkennen wir mit jenem Satz die Tatsache an, dass Gott durch die Erfahrungen guter Menschen in jeder Kirche und in langen Zeitläufen Wahrheiten zu voller Entwicklung bringt, die in der Bibel nur als Keim oder Samen enthalten sind. Wir dürfen die Bibel nicht zu einem toten Buch machen, und sie nicht scheiden von jenem großen Medium ihrer Auslegung, dem lebendigen Gewissen heiliger Menschen in der Aufeinanderfolge der Zeiten. Ein Buch voll aufgespeicherter Wahrheiten, welche von dem gesamten sittlichen Bewusstsein der Vergangenheit gesammelt sind, und welche unter göttlicher Eingebung zur leitenden Autorität für unser ganzes Verhalten geordnet sind, muss in jedem Zeitalter von einer Atmosphäre lebendigen christlichen Bewusstseins umgeben sein. Wenn die Bibel ein Buch voll Samenkörner ist, so ist die lebendige Kirche, zu der alle Guten aus jeglicher Partikularkirche gehören, der Boden, in den der Same fallen muss, um Frucht zu bringen. Wir dürfen die Kirche nicht zum Abgott, noch die Bibel zum Fetisch machen, Gott allein ist Licht und Wahrheit. Beide, die Kirche und die Bibel sind nur Media, durch welche er hindurch leuchtet, und beide, wenn sie weise gebraucht werden, haben gemeinsam die Fähigkeit, zu einer stets fortschreitenden Entwicklung der Wahrheit zu führen.

Was die Angriffe auf die Bibel anbelangt, so wurden diese früher von Zweifelsüchtigen gemacht, welche ohne Sinn für sittliche Wahrheiten waren. Die Übel, die in den organisierten Kirchen herrschten, ihre Verbindung mit dem Staat, und die großen Anstalten, welche unter demselben heranwuchsen, und welche viele von den bürgerlichen Rechten für sich in Anspruch nahmen, und mit ihren eigenen Rechten auf mannigfache Weise vermischten, wurden dem Einfluss der Bibel zugeschrieben. So entwickelte sich ein Widerspruch gegen die Bibel sowohl wie gegen die Kirche. Man verurteilte beide Quellen der Lehre zugleich. Aber der Skeptizismus, welcher damals entstand, hatte nur lokalen und beschränkten Einfluss, auch entsprang er aus inneren Gründen. Er ging nicht so tief, wie er es seitdem gelernt hat, und es erforderte verhältnismäßig nur wenig, um ihn zurückzuweisen. Gar manche religiöse Erweckung ist in Gottes Hand das Mittel geworden, um diese Art Unglaube wie Spreu zu zerstreuen. Die lebendigen Erfahrungen in den Menschenherzen haben die Wirkung gehabt, die Beweisgründe des Skeptizismus zu überwinden, und an ihre Stelle andere Beweise zu stellen, welche für die Wahrheit des göttlichen Wortes und der Kirche, als der Zeugin dieses Wortes, sprachen.

Aber in unsern Tagen ist eine viel ernstere Gefahr für die Bibel vorhanden als zu irgend einer früheren Zeit. Der Kampf geht heut zu Tage mehr auf Tod und Leben als je zuvor. Die Angriffe sind stärker, die Schläge werden besser gezielt. Sie stehen mehr in Übereinstimmung mit der allgemeinen Richtung der menschlichen Gedanken, sie verbinden sich mit den Forschungen der Wissenschaft. Es gilt deshalb heut zu Tage mehr als je, sich um die Zukunft, welche die Wahrheiten der Bibel haben, zu bekümmern.

Aus historischen und kritischen Gründen werden Angriffe auf die Bibel mit einem Scharfsinn und einer Gelehrsamkeit gemacht, wie sie meines Erachtens kaum je gegen irgend ein Buch stattgefunden haben. Ich glaube nicht, dass die historischen Beweise für die Bibel, wie sie früher üblich waren, im Ganzen und Großen heute noch Stich halten wenn ich dies behauptete, dann würde ich nicht aufrichtig sein; aber ich bin der Überzeugung, dass der historische Hintergrund, auf welchem das Buch in seinen verschiedenen Teilen ruht, nachgewiesen werden kann, und dass den Gründen, oder kritischen Angriffen begegnet werden kann durch bedeutende kritische Gelehrsamkeit auf der andern Seite. Nichts desto weniger ist der Kampf ein gewaltiger, ein zweites Waterloo bereitet sich auf diesem Gebiet vor, und wenn die Heere, die für die Freiheit kämpfen, auch den endlichen Sieg behalten werden, so wird dies doch nur nach hartem Streit möglich sein. Die wissenschaftlichen Gesichtspunkte erweitern und vertiefen sich in unsern Tagen und nehmen viele neue Tatsachen und Theorien auf, welche man früher bei Seite gelassen hat. Man pflegt zu sagen, dass das Wort Gottes sich selbst darauf beschränkt, Religion zu lehren, dass es nicht Wissenschaft lehren will, und dass es deshalb, ohne in wissenschaftlicher Beziehung maßgebend zu sein, seine Autorität auf dem Gebiete des sittlichen Bewusstseins behalte. Aber die Wissenschaft hat sich gesteigert, und umfasst mit ihren Armen eben gerade auch dieses Gebiet der sittlichen Wahrheiten, so dass das Wort Gottes auch von denen angegriffen wird, welche die Grundelemente, auf denen es ruht, zum Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchung machen. Und eben dies ist der viel gefährlichere Angriffspunkt. Ich fürchte in dieser Beziehung Nichts - nicht das Geringste, aber ich verstehe die Gefahr und fühle ihr Gewicht.

Diese Atmosphäre von Zweifel wirkt auf die verschiedenste Weise. Derjenige weiß wenig Bescheid mit dem, was im Leben vorgeht, und ist unbekannt mit den Gesprächen und der Lektüre und den Gedanken von vielen tüchtigen und tatkräftigen Menschen, der nicht weiß, dass über den religiösen Angelegenheiten, insbesondere über den Dogmen des Christentums. für viele eine Wolke von Zweifel und Ungewissheit schwebt, die sich in manchen Gemütern zu positivem Unglauben verdichtet, und bei manchen wiederum zu einem urteilslosen Kindheitsglauben umschlägt. Beides, jene unglückliche Ungewissheit und diese Abirrung des Glaubenslebens ziehen unsere Aufmerksamkeit auf sich.

Es gibt ferner Viele, welche sich in einem schwankenden Zustande befinden. Sie sagen: Wir sind keineswegs gewillt, das Buch unserer Väter aufzugeben; aber wir haben dies und das darüber und dawider gelesen und wissen nicht, was wir darauf antworten sollen. Dann wird wieder andererseits dies und das gesagt. Von Manchem, was man als Wahrheit gelesen und ausgegeben hat, wissen wir, dass es nicht wahr ist, warum kann es nicht ebenso mit allen anderen Wahrheiten sein? Die vorzüglichsten, edelsten Männer haben das Buch aufgegeben und sagen uns, dass sie es aus den zwingendsten Gründen sorgfältigster Forschung taten. Was sollen wir tun? Wir sind unfähig zu einer selbstständigen Beurteilung dieser Dinge, wir müssen uns nach Anderen richten. Dies aber bringt uns ins Schwanken, wir wissen nicht, was wir glauben sollen.

Es kommen hierbei ferner die Spaltungen unter denen, die an der Religion festhalten, in Betracht. Viele, welche außerhalb der Kirche stehen, sagen, dass die Bibel als Offenbarung oder als eine von Gott eingegebene Schrift keinen Glauben verdient. Diese Behauptung stützt sich auf die Tatsache, dass uns in der Kirche selbst tausend Streitfragen begegnen fast über alle Punkte, die in dem Wort Gottes von Anfang bis zu Ende vorkommen.

Mich betrübt in den Spaltungen und Kämpfen in der Kirche am meisten dies, dass in dem Augenblick, wo der große Streit über die Frage tobt, ob es überhaupt einen Gott gibt, und ob eine Offenbarung möglich ist, und ob die geschichtliche Offenbarung etwas mehr ist als Spinnweben der Einbildung, dass in einer Zeit, wo der Sturm des Kampfes mächtig durch den ganzen Himmel braust, Leute, die an die Bibel glauben, unter einander streiten, ich will nicht sagen über Lehrpunkte (darin liegt noch ein gewisser Adel), sondern über die armseligsten und geringfügigsten Dinge, die lediglich zu den Äußerlichkeiten des Gottesdienstes und Rituals gehören statt dass sie sich unter einander stärken sollten gegen den gemeinsamen Feind. Über jene Äußerlichkeiten wird heiß gestritten, man stößt aus oder nimmt in die Gemeinschaft auf um des Buchstaben willen, und das Pharisäertum der Schriftgelehrten wütet im Tempel, während sich in Jerusalem eine Wolke zusammenzieht, welche Stadt und Tempel zu vernichten droht.

Die Streitigkeiten im Innern der Kirche, die sich auf Formen und Zeremonien und Methoden und Liturgien beziehen, wie nicht minder die Lehrstreitigkeiten müssen uns in einer Zeit wie die gegenwärtige mit Verwunderung erfüllen. Es ist, als ob ein Schiff von Piraten umringt und in Gefahr wäre, genommen oder in Grund gebohrt zu werden, und die Mannschaften desselben, statt sich zu verteidigen, stritten unter einander über die Knöpfe an ihren Jacken oder über den Stoff und den Schnitt ihrer Röcke, oder über die beste Art, wie man das Pulver zu verfertigen habe.

Was nun jenen Zustand der Ungewissheit in Bezug auf das Wort Gottes anbelangt, so ist derselbe in seinen praktischen Konsequenzen ebenso verderblich als der Unglaube selbst.

Wenn jemand in den Hafen von New-York einlaufen will, so ist es, um sein Vorhaben zu vereiteln, nicht nötig, dass der Eingang durch Eis verschlossen ist, oder dass eine Kette durch den Kanal gezogen ist, oder dass die Forts das Geschütz spielen lassen und ihn in Grund bohren es ist nur nötig, dass ein weißer Nebel vom kühlen Himmel sich herabsenke und von Ufer zu Ufer sich ausstrecke, und er wird sicherlich nicht hineinkommen.

Es braucht noch nicht eine Überzeugung gegen die Wahrheiten des göttlichen Wortes, es braucht nur eine Ungewissheit über dieselbe in das Herz gekommen sein, und der Glaube ist gelähmt für alle seine Zwecke und Aufgaben. Und ohne Glauben gibt es keine Religion.

Wir wollen annehmen, ein Mann richtet sein Steuerruder nach seinem Kompass; aber der Gedanke geht ihm durch den Kopf, der Kompass kann nicht in Ordnung sein wer weiß? In dem Augenblick, wo dieser Gedanke in ihm aufsteigt, ist seine Sicherheit dahin. Er richtet das Steuer nach dieser zitternden Nadel - aber diese zitternde Nadel kann ihn täuschen. Hat er nur diesen einen Kompass, dann ist er in der größten Verwirrung, und wenn er zwei hat, so ist er noch übler daran, denn er weiß nicht, welchen von Beiden er folgen soll. Ich glaube an meine Uhr. Ich habe sie geprüft und erprobt gefunden. Zwei Jahre lang hat sie mich nie im Stich gelassen. Ich weiß, sie geht richtig. Was mir auch die Eisenbahnbeamten oder andere Leute sagen mögen, ich nehme diese kleine Uhr zu meinem Führer, und habe volles Vertrauen zu ihr. Aber wenn ich morgen finden sollte, dass sie eine Stunde nachgeht, dann würde dies meinen Glauben umstoßen, den sie mir durch ihren zweijährigen Dienst eingeflößt. Ich würde sagen: Zwei Jahre lang ist sie richtig gegangen, aber auf einmal ist sie eine Stunde zurück geblieben - woher will ich wissen, ob das nicht noch einmal vorkommt? Die Ungewissheit würde ihr buchstäblich allen Wert nehmen.

Nun, wenn das Wort Gottes für Euch oder für mich selbst Wert haben soll, so müssen wir vollkommen gewiss an dasselbe glauben können, so gewiss, als an unsere eigene Existenz. Wenn von irgend einem Winkel solch eine Verwirrung in unsern Glauben an dasselbe kommt, dass wir über die wesentlichen Bestandteile seiner Wahrheit ungewiss werden, dann ist es mit seiner Macht für uns aus. Es kann dann und wann eine Empfindung in uns wecken; es kann dann und wann eine tröstliche Erinnerung in uns aufrufen; es kann dann und wann wie ein schönes Gedicht uns Melodien singen, und die alte, süße Ideenverbindungen in unser Herz zurückrufen - aber als eine Kraft Gottes und als Weisheit Gottes zu unserer Erlösung hat es seine Wirksamkeit eingebüßt.

Es gibt Tausende von Menschen (und es fehlt an ihnen auch in dieser Gemeinde nicht), welche niemals sagen würden, sie sind ungläubig in Bezug auf die Bibel, die aber auch nicht sagen können, dass sie gläubig an dieselbe sind. Sie befinden sich in einem Zustand der Ungewissheit, in welchem die sittliche Kraft des Buches für sie gebrochen ist.

Diese Unruhe wächst und entwickelt sich nach sehr verschiedenen Richtungen, in verschiedenen Stimmungen, unter verschiedenen Umständen. Manche sagen: „Welchen Nutzen kann ein Buch haben, über welches die Gelehrten in Ungewissheit sind? Wie kann ein Buch uns leiten, wenn kaum zwei unter denen, die es als Führer anerkennen, sich seiner Führung wirklich anvertrauen? Welchen Nutzen hat ein Lotsenboot, welches die Hälfte von denen, die es brauchen, in die Irre führt? Und wenn das Wort Gottes ein Licht ist, scheinend in der Finsternis, eine Leuchte für unsere Füße, ein Führer auf unseren Wegen, und unser Ratgeber, muss es nicht so zuverlässig sein, dass alle Rechtschaffene es schließlich vollkommen anerkennen müssen?“ Auf diese letzte Frage antworte ich mit Entschiedenheit: Ja! Und zwar sollte es nicht bloß so sein, sondern es ist so, in dem einen wesentlichen Punkt, für den es bestimmt ist. Der Teil der Schrift, über welchen Gewissheit besteht, ist derjenige, der in unserm Text ausgesprochen ist:

„Alle Schrift von Gott eingegeben, ist nütze zur Lehre, zur Strafe, zur Besserung, zur Züchtigung in der Gerechtigkeit, dass ein Mensch Gottes sei vollkommen, zu allem guten Werk geschickt.“

Ich bin der Überzeugung, dass das Wort Gottes als Führer in der Regelung unseres Wandels und Charakters, in der Begründung von Hoffnung für dieses und das zukünftige Leben, in der Umbildung unserer Empfindungen und Neigungen vollkommen zuverlässig ist, dass es ein völlig ausreichender Lehrer ist, über welchen alle rechtschaffene Menschen einverstanden sind. Aber wenn Sie eine Kosmogonie aufstellen wollen, und behaupten, dass die Bibel ein vollkommenes System, einen vollständigen Grundriss der Philosophie enthält; wenn Sie weiter gehen, und behaupten, dass sie einen definitiven Plan für die Gestaltung der Kirche, eine Kirchenordnung und eine Kirchenverwaltung vorschreibt, wenn Sie in ihr eine theologische Moralphilosophie suchen, dann sage ich, das Wort Gottes ist für diese Dinge nicht ausreichend, und die Menschen gehen in Bezug auf die Bibel in ihren Meinungen auseinander, weil sie von ihr etwas fordern, was sie niemals hat leisten wollen.

Ein jegliches nach seiner Art und zu seinem Zweck. Eine Lanzette ist für die Ader und nicht zum Graben bestimmt; ein Teleskop ist für das Auge und nicht für das Ohr; eine Mütze soll dem Kopf, nicht den Händen oder Füßen dienen. Eine Logarithmentafel würde auf dem Gebiet der Sittenlehre ein schlechter Ersatz für die zehn Gebote sein, aber kein schlechterer als die zehn Gebote für jene auf dem Gebiet der Navigationskunde. Ist ein Anker nicht gut, weil er nicht wie ein Wagen arbeitet? Ist eine medizinische Abhandlung von keinem Nutzen, weil sie uns keine Belehrung über Geographie oder Geschichte bietet?

Gottes Wort zeigt uns, was gut und böse ist, was Tugend und Laster, Sünde und Heiligkeit, Gottseligkeit und Gottlosigkeit ist; es gibt die Charaktereigenschaften an, die zur höchsten Entwicklung des menschlichen Wesens erforderlich sind. Es lehrt uns die göttliche Natur kennen, soweit als Menschen sie durch menschliche Erfahrung verstehen können. Es lehrt uns die Bewegründe zum rechtschaffenen Leben, wie sie aus zwei Welten entspringen. Es enthält die Mittel zur Heilung bei sittlicher Verwirrung. Es tut uns die Beziehungen kund, welche zwischen der menschlichen Seele und dem göttlichen Geist bestehen. Es lässt uns die Heiligkeit Gottes erkennen, welche der Maßstab ist für die Beurteilung jedes menschlichen Charakters und jedes menschlichen Gemeinwesens. Kurz, die Bibel ist ein Lehrbuch in Bezug auf das Leben und die Bestimmung des Menschen. Es beschränkt sich selbst auf Gesinnung und Wandel. Niemand wird irren, der die Bibel ehrlich anwendet um sein inneres Leben nach ihr zu richten und einen Führer für seinen Wandel an ihr zu haben. Wünscht jemand die edelsten Eigenschaften der Seele kennen zu lernen, so lese er die Seligpreisungen. Will er das erhabenste Ideal für das tägliche Leben vor Augen haben, so nehme er die Bergpredigt zur Hand. Will er das Herz Gottes kennen lernen, so schaue er Jesum Christum an. Will er die Todesfurcht überwinden, so höre er den Apostel, wie er am Rand des Grabes einen erhabenen Siegespsalm anstimmt, den er aus seinem Herzen und aus dem Herzen aller derer, welche das königliche Gebot der Liebe gelernt haben, erschallen lässt. Wenn in der Bibel kein anderes Wort stände als dieses: „Die Liebe ist des Gesetzes Erfüllung,“ so verdiente sie schon aus diesem Grund über alle andere Bücher gestellt zu werden, weil sie der Welt die zentralste und großartigste Wahrheit über das menschliche Leben enthüllt hat. Die Hoheit der Liebe, sowohl der göttlichen als der menschlichen, als höchster Philosophie des Universums jetzt und in Ewigkeit, ist eine Entdeckung auf dem Gebiet des sittlichen Daseins, welche die Entdeckung Newtons an Bedeutung um eben so viel überragt, als die lebendige Seele an Bedeutung dem unorganischen Stoff des Erdballes überlegen ist.

Die Bibel ist uns überkommen nicht wie eine Abhandlung, welche von einem einzigen Menschen ohne Unterbrechung niedergeschrieben ist, noch wie ein zusammenhängendes System der Philosophie, welches nach den Forderungen des modernen Denkens ausgearbeitet ist. Sie ist ein Wald, der im Verlauf von Jahrhunderten in den verschiedensten Schlägen emporgewachsen ist, und in welchem doch, wie bei manchen alten Eichen oder Zedern des Libanon, alle Nachschüsse bis zu dem letzten und feinsten Schössling rings um den einen Stamm zusammenhängen, und auf einer Wurzel stehen, und an der besonderen Natur des gemeinsamen Ursprungs Teil haben. Ihre frühesten Szenen sind die einfachsten Geschichten aus dem Hirtenleben; ihre letzten die Träger einer wiedergeborenen Weltkultur. Aber ob sie in der Bildersprache der alten Hebräer redet, oder in der Sprache Platos, ihr Zeugnis von dem was Wahrheit, Tugend, Güte, Göttlichkeit ist, ist in großartiger Weise ein und dasselbe. Wenn das Buch selbst keine symmetrische Anlage hat im literarischen Sinn, so bringt es dafür den sittlichen Geist der Jahrhunderte in Harmonie, gibt den noch so fern auseinander liegenden Geschichtsperioden einen Geist, ein Herz, und ist eine einheitliche Auslegung des gesamten sittlichen Strebens der Menschheit.

Als Lehrbuch der Politik gebraucht, wird es viel Weisheit lehren, obgleich es kein Lehrbuch der Politik sein will ausgenommen in Bezug auf die sittlichen Elemente der Politik. Als Lehrbuch der Naturwissenschaft gebraucht, bietet es bedeutsame geschichtliche Beiträge - wenn gleich es kein wissenschaftliches Handbuch ist. Es ist hie und da reich an geschichtlichen, poetischen, juristischen Stoffen, an Winken der Lebensklugheit in Handel und Wandel. Aber ihr wahrer Wert tritt erst dann zu Tage, wenn sie lehrt: „wie ein Mensch Gottes sei vollkommen, zu allem guten Werk geschickt!“

Eine andere Klasse von Leuten, die gegen Zweifel und Unglauben kämpfen, verfallen darauf, die „Beweise für die Bibel“ zu studieren. Manche Menschen scheinen zu glauben, dass das Studium dieser Beweise für die Bibel eine sehr einfache Sache ist. Aber wenn man in Erwägung zieht, dass die Bibel eine große und mannigfach zusammengesetzte Reihe von Büchern ist, die in den verschiedensten Zeitaltern und Nationen und Sprachen geschrieben sind, und einen Zeitraum von mehreren tausend Jahren umfassen; dass diese Bücher die Summe der Einsichten gewisser Nationen in sich schließen, dass in der Bibel z. B. Bücher sind, die Alles enthalten, was die Juden von Politik, Poesie und Religion wussten, dann begreift man, dass das Gebiet, welches die Bibel umfasst, zu weitläufig ist, als dass ein Einzelner es durchforschen könnte. Wer diese Bücher in Bezug auf ihre Antiquitäten, auf die Sitten und Gebräuche der Völker, auf die sie sich beziehen, auf die Sprachen, in denen sie geschrieben sind, studieren will, der unternimmt ein Werk, welches nur für Leute von gelehrter Bildung ist. Man kann nur lächeln, wenn man sieht, wie ein einfacher Mann die „Beweise für die Bibel“ studieren will mit einem griechischen Neuen Testament in der Hand, und sich abmüht den Sinn des Originals zu ermitteln, ohne etwas mehr von der Sprache desselben zu verstehen, als was er aus der Interlinearübersetzung entnehmen kann. Die Erforschung der Konstruktion der Bibel und der Dinge, die sich auf ihre Entstehung, auf ihre Entwicklung und ihr Leben beziehen, ist die Arbeit eines Gelehrten. Sie ist so weitläufig und erfordert so genaue und mannigfaltige Studien, dass in ein und demselben Zeitalter selbst Gelehrte den Gegenstand nicht erschöpfen können. Es gehört eine ganze Reihe von Gelehrten dazu, die auf einander folgen von Geschlecht zu Geschlecht, um zuletzt die Fragen spruchreif zu machen, und Entscheidungen herbeizuführen. Wenn ein einfacher ungelehrter Mann die „Beweise für die Bibel“ studieren will - d. h. alle Fragen, die sich auf die Genesis beziehen, alle Fragen, die die Schöpfungsgeschichte betreffen, alle Fragen über das Dasein Gottes, alle Fragen, die sich in Bezug auf die Wunder des Alten Testaments erheben, alle Fragen, die auf Salomo und David und auf ihre Zeitgeschichte Bezug haben, die sich beziehen auf den Tempel, alle die, welche in Betracht kommen in Bezug auf die Geburt und das Leben des Heilandes, und auf das Leben der Apostel wenn einer das versucht, ohne Gelehrter von Profession zu sein, und in solchen Dingen Übung zu haben, so ist das so viel, als ob jemand, der da hört, was ein alter Seemann von seinen Reisen um die Welt erzählt, sagen wollte: „nun gut, ich will in den Ozean springen und die ganze Welt durchschwimmen, und mir diese Dinge auch ansehen.“ Er würde den Ozean hundert Mal leichter durchschwimmen, und hundert Mal leichter zu allen Meerbusen und Inseln und Flüssen und Bächen kommen, als ein einfacher ungelehrter Mann alle die Fragen durchforschen kann, die zu dieser wunderbaren Enzyklopädie, dem Buch Gottes, und zu seiner inneren Geschichte und allen den Dingen gehören, welche da in Betracht kommen. Solch eine Forschung fordert sehr viel Gelehrsamkeit, wenn man es dabei zu einiger Gewissheit bringen will.

Nun ich glaube, dass die gelehrten Forschungen mehr und mehr zu Ergebnissen gekommen sind, welche in Übereinstimmung sind mit der Wahrheit, mit der Autorität der Schrift, mit der wahren geistlichen Bedeutung des Wortes Gottes; aber ich weiß, dass ich die Bibel nicht auf eigene Hand, de novo, erforschen könnte, wenn ich auch mein ganzes Leben diesem Werk widmen wollte. Ich fühle mich zu Nichts so unzureichend, als zur Aburteilung über diese äußeren Fragen. Und ich glaube nicht, dass ein einziger junger Mann unter tausend fähig ist, diese Forschungen für seine Person durchzuführen und sie zur Entscheidung zu bringen.

Aber wohl bin ich im Stande zu wissen, ob Wahrheit besser als Lüge ist, - und das ist jeder. Ich kann beurteilen, was zu echter Sittlichkeit gehört - und das kann jeder. Ich kann beurteilen, ob es besser ist, die Hoffnung auf ein ewiges Leben zu haben, oder zu sterben wie das Vieh - und das kann jeder. Ich kann beurteilen, dass Liebe besser als Hass ist - und das kann jeder. Es kann mir und jedem Menschen die zum Verständnis der Schrift nötige Erleuchtung und Eingebung von oben zu Teil werden, wie sie den Männern, welche die Schrift geschrieben haben, auf ursprüngliche Weise zu Teil wurde. Reinheit des Herzens und heilige Liebe sind die Elemente, welche dazu gehören, die große Lehre von Gott festzuhalten, gleichviel ob dieselbe zu einer Theorie ausgebildet wird oder nicht. Von gewissen großen Wahrheiten haben wir eine Kenntnis, die über allem „Vielleicht“ erhaben ist. Wir Alle haben einen moralischen Instinkt, der nicht verleugnet werden kann, oder der doch, wenn man ihn verleugnet, wieder zurückkommt, wie die Taube zum Taubenschlag. Es ist in jedem Menschen ein moralisches Bewusstsein, welches uns über die Verbindung mit Gott und Menschen aufklärt, an welchem sich das Licht der Zukunft entzündet und welches uns für die Zukunft Hoffnung einflößt. Wir haben daran einen unfehlbaren Führer, einen völlig unfehlbaren, wenn wir nur ehrlich sind gegen uns selbst, der uns in Bezug auf die Lebensfragen der Schrift nicht im Stich lässt. Die äußere Geschichte der Bibel geht über unseren Horizont, ausgenommen insofern wir sie als gelehrige Schüler auf das Zeugnis anderer hin annehmen; aber den inneren Gehalt derselben können wir erkennen und beurteilen, und es ist unser eigener Fehler, wenn wir es nicht tun.

In direktem Gegensatz zu denen, welche zweifeln und zu denen, welche nach Beweisen forschen, finden wir eine Klasse von Personen, vorzügliche Menschen von denen man annimmt, dass sie ihrer Sache sicher sind, und bei denen dies auch wirklich für ihre eigene Person und für solche, welche ihnen ähnlich sind, der Fall ist, die aber für andere sehr unsichere Führer sind. Ich meine die, welche man „die Frommen“ nennt. Sie sehen die Verirrungen, in die der Zweifel die Leute geraten lässt, und sie wollen sie davon heilen, indem sie überhaupt jede Art von Zweifel abweisen. Sie glauben ohne alle Kritik; sie verleugnen das Denken für ihre eigene Person und bei andern; sie sagen, wenn man damit anfange, so finde man kein Ende. Sie sagen: „Fangt Ihr einmal an, auf die Schrift wissenschaftliches Denken anzuwenden, dann werdet Ihr nie wissen, wohin Ihr kommt. Man muss Gottes Wort genauso nehmen, wie es lautet.“ Wie es lautet? Im griechischen Grundtext? Aber Ihr versteht ja nicht Griechisch. Oder wie es in der Übersetzung lautet? Dann nehmt Ihr es also nicht so, wie es im Grundtext lautet, sondern wie es übersetzt ist. Aber hat nicht schon bei der Übersetzung das wissenschaftliche Denken mitgewirkt?

Manche sagen: „Man muss die Bibel genauso nehmen, wie sie lautet, man muss sie wörtlich verstehen.“ Das ist absurd. Christus sagt: „Wer an mich glaubt, von dessen Leib werden Ströme des lebendigen Wassers fließen.“ - Soll ich das wörtlich nehmen? „Nein, es ist ein Bild.“ Sehr wohl, aber wie soll ich bestimmen, was ein Bild ist und was nicht? Wir müssen über die Bibel nachdenken, es geht nicht anders. Sie ist so voll von Poesie und habe ich ein Recht, die poetischen Ausdrücke aufzufassen wie wissenschaftliche Definitionen? Ich verfälsche die biblische Urkunde, wenn ich es tue. Es gibt kein Buch, welches so viel Nachdenken erfordert und welches das Nachdenken so sehr rechtfertigt, wie die Bibel.

Aber, sagen Andere, alles was die Bibel angeht, ist ungewiss. O nein, es gibt genug Punkte, die völlig sicher sind, - wenngleich es nicht weise ist, moderne Wissenschaften daher entnehmen und diese oder jene Kosmogonie daraus begründen zu wollen. Manche Leute treiben in ihren Glauben alles Mögliche hinein, wie in die Arche Noah alle Tiere getrieben wurden. Ihre Arche ist groß, und das Meer, auf dem sie schwimmen, weit aber sie haben kein Steuer und keinen Ararat, auf dem sie landen. Dieser Standpunkt mag ein sehr sicherer sein - aber er ist sicher nur für solche Leute, welche nicht in Gefahr sind, weder in Gefahr in Unglauben zu geraten, noch in Gefahr, auf übertrieben viele oder wenige Gedanken zu verfallen, oder gar auf falsche Gedanken zu kommen.

Es gibt aber ferner Leute, welche ihren Stolz in das Wissen setzen, und sich weder von Priestern noch von Regierungen „an der Nase herumführen lassen wollen.“ Sie sind dahin gekommen, dass sie die Verantwortlichkeit für ihre eigene Einsicht und Bildung fühlen, und wollen sich nicht hin und her treiben lassen wie ein toter Körper, der auf dem Wasser schwimmt. Die Bibel ist für sie ein verschlossenes Buch.

Für diese sei es gesagt, dass wenn irgendetwas wahr ist, so ist es dies, dass die Bibel niemals mit der Natur in Widerspruch sein kann. Wenn Gott die Bibel gemacht hat, so hat er sie sicherlich so gemacht, dass ihr Kern mit den Wahrheiten der Schöpfung übereinstimmt. Wenn die Schrift von Gott ist, so ist die äußere Welt auch von der Hand Gottes. Und Gott lügt nicht. Er widerspricht in der einen von seinen Offenbarungen nicht dem, was in der andern geschrieben steht. Wenn das Wort Gottes so aufgefasst wird, dass es im Widerspruch steht mit den Wahrheiten, die außerhalb der Bibel zu Tage liegen, dann muss eines weichen: entweder die menschliche Auslegung, oder die göttlichen Tatsachen aber die Tatsachen weichen nicht.

Die Ausleger haben einst ihre Autorität an der Sonne versucht. Die Sonne sollte sich nach der herkömmlichen Meinung bewegen, und die Erde sollte stillstehen. Man legte den Buchstaben der Schrift dahin aus, dass die Sonne stillstand. Die Erde, so nahm man an, war auf unbeweglichem Fundament gegründet. Man nahm den Erklärungen der Schrift zufolge an, dass die Sonne emporstieg, und dass sie einst, als sie sich zum Untergang neigte, in ihrem Lauf durch Josua aufgehalten wurde. Das astronomische System stand demzufolge nach der Bibel fest. Als dann schließlich ein Mann auftrat, welcher auch die andere Offenbarung Gottes, das Buch der Natur, gelesen und gefunden hatte, dass, wenn die Sonne sich wirklich bewegte, diese Bewegung doch nicht in der Art stattfinde, wie man allgemein glaubte, und als dieser Mann das offen aussprach, da erhob sich die ganze Kirche gegen ihn, zog ihn zur Verantwortung, verdammte ihn, und zwang ihn vor den Altar zu treten und feierlich zu widerrufen. Aber sobald die Leute den Rücken drehten, sagte er: „Sie bewegt sich dennoch!“ Höchstens ein oder zwei Astronomen teilten seine Überzeugung; nichts hatten sie für sich als - eine Tatsache. Aber was für eine Tatsache! Die Sonne bewegte sich allerdings in der fernen Himmelssphäre, an welche sie Gott gesetzt, auf unmerkliche Weise, aber die Erde und alle Planeten schwangen sich um sie herum. Das war die nachweisbare Tatsache, gegen dieselbe stand wie es schien der Buchstabe der Schrift, ererbte Vorstellungen, und die Autorität der kirchlichen Schriftauslegung. Die ganze Kirche erhob sich zu einer Zeit, wo sie die Welt beherrschte mit dem Buchstaben der Schrift, der auf ihrer Seite war, gegen diese einfache astronomische Tatsache. Aber die Tatsache schlug die Theologen aus dem Feld - bis die Welt rief: Nun, die Bibel will nicht astronomische Lehren geben, wir müssen den Buchstaben der Schrift in Übereinstimmung mit den Tatsachen auffassen, welche außerhalb der Schrift zu Tage liegen. Später traten, nicht vor sehr langer Zeit, - ich kann mich dessen selbst noch erinnern - die geologischen Forschungen auf. Man sagte: „Gott hat auf die Oberfläche der Erde eine Handschrift niedergelegt, die wir lesen und verstehen können. Man liest sie an den Felsen; er hat seine Daten an dieselben geschrieben; diese Welt ist älter als sechs tausend Jahre. Die Schöpfung dieser Welt hat nicht in so kurzer Zeit stattfinden können, wie man bisher geglaubt.“ Wer das gegen fragt: „Wie kann man etwas über die Zeit der Bildung dieses Erdballs wissen? Wie kann die Geologie uns darüber belehren wollen?“ - dem ist zu erwidern: Durch den deutlichen Beweis von Ursache und Wirkung. Den Beweis, der von Ursache und Wirkung hergenommen ist, auf dem Gebiet der Geologie leugnen, heißt den Grund zerstören, von welchem aus man einzig und allein Gottes Dasein beweisen kann.

Wenn jemand eine Uhr findet, so ist er vollständig gewiss, dass diese Uhr sich nicht selbst hat machen können. Er weiß, sie muss einen Verfertiger haben. Ebenso sagen wir, wenn wir gewisse Wirkungen in der Welt sehen: „Diese Wirkungen müssen eine Ursache haben. Ein Teil dieser Wirkungen sind Wesen mit Bewusstsein, sie haben sich nicht selbst machen können.“ Jeder erkennt die Tatsache an, dass - wo eine Wirkung ist, auch eine Ursache sein muss, und dass die Ursache der Wirkung entsprechen muss. Von diesen Voraussetzungen aus schließen die Menschen auf das Dasein eines allmächtigen Gottes: nicht weil sie die Schöpfung der Welt mitangesehen haben, sondern vermöge des Schlusses von der Wirkung auf die Ursache. Genau aus demselben Grund hat man den Schluss auf das Alter der Welt gemacht. Wenn aber der Beweis von der Wirkung auf die Ursache gültig ist in Bezug auf das Dasein Gottes, so muss es auch gelten in Bezug auf die Schöpfung der Welt. Dagegen wird geschrien: „Das erste Buch Moses sagt, dass Gott sechs Tage gearbeitet und am siebenten geruht hat und die ganze Kirche hat auf den Unglauben der Geologen gedonnert und die als Ungläubige verdammt, welche das Zeugnis der Geologie annahmen.“ Dennoch blieb die Felsenurkunde ruhig an ihrem Platz, und die Menschen kamen und lasen sie und was ist das Ergebnis gewesen? Die Felsen wurden nicht anders und ihr Zeugnis änderte sich nicht aber die Auffassung der Schöpfungsgeschichte änderte sich. Heut zu Tage sagt fast jeder Ausleger der Bibel: „Ein Tag ist eine unermesslich lange Epoche.“ Und die Erzählung der Genesis wird nunmehr als eines der merkwürdigsten Zeugnisse angesehen, weil sie die Aufeinanderfolge der Schöpfungsperioden ebenso dartut, wie die Wissenschaft selbst. Wenn sie von der Zeit spricht, welche auf die Schöpfung der Welt verwandt worden ist, so meint sie, nach der gegenwärtig fast allgemeinen Annahme, nicht beschränkte Zeiträume, sondern gigantische Perioden. Auf diese Weise ist die Naturwissenschaft und insbesondere die Geologie mit den Erklärungen der Genesis in voller Harmonie.

Man sagt jungen Leuten wohl: „Lest nicht wissenschaftliche Sachen; es ist das etwas sehr gefährliches.“ Ich kenne Nichts, was nicht gefährlich wäre. Nur von einem Ding weiß ich, das ungefährlich ist - das ist der Tod. Geboren werden ist gefährlich. Leben ist gefährlich. Es ist umso gefährlicher, je mehr der Mensch heranwächst und sich entwickelt. Bücher lesen ist gefährlich - und keine Bücher lesen ist auch gefährlich. Es ist gefährlich seine Augen zu brauchen, und ebenso gefährlich, seine Augen nicht zu brauchen. Es ist gefährlich, nicht genug zu glauben, und es ist gefährlich, zu viel zu glauben. Es geht nicht Alles glatt ab. Die Welt tappt und tastet umher in den Dingen, welche die tiefsten Grundlagen des wahren Glückes betreffen. In allen den Geheimnissen, die uns umgeben, steht die Tatsache fest, dass die Menschen der ganzen Verantwortlichkeit und all den Gefahren der Forschung, allen ihren Missgriffen und dem Zuviel und Zuwenig von Tätigkeit auf diesem Gebiet überlassen sind.

Ich sage nicht zu jungen Leuten: „Beschäftigt Euch nicht mit der Naturwissenschaft,“ aber ich sage zu ihnen: „Übereilt Euch nicht.“ Ich sage nicht: „Lasst die Bücher liegen“, aber ich sage: „Studiert gründlich.“ Ich sage nicht: „Enthaltet Euch des Urteils,“ - aber ich sage: „Urteilt nicht zu schnell. Seid geduldig. Wartet!“ Ich sage nicht: „Scheut Euch davor, das Licht der Wissenschaft in das Wort Gottes hineinleuchten zu lassen“ aber ich sage: „Hört nicht auf, dies Buch als die Leuchte für Eure Füße zu brauchen in den wesentlichen Dingen, die es lehrt, gebt den Kern desselben nicht auf um wissenschaftlicher Deduktionen willen!“

Will jemand Weizen haben, so muss er sich auch Stroh und Spreu gefallen lassen. Wir können in dieser Welt nicht eine Wahrheit zur Reife kommen lassen, ohne eine menschliche und vergängliche Hülle, durch die sie sich entwickelt. Jede Schrift, in welcher eine Wahrheit ans Licht gestellt wird, enthält in ihrer äußeren Form, in dem Mechanismus ihrer Darstellungsweise, in ihren geschichtlichen Elementen immer Vielerlei, was dem Zweifel oder der Einschränkung, oder der Änderung unterliegen mag; aber es fragt sich, ob nicht ihr eigentlicher Inhalt von unendlich viel höherer Bedeutung ist, als diese äußerlichen Punkte. Es fragt sich, ob dieser Inhalt nicht bleibt, wenn das andere untergeht. So ist es wirklich. Die geistige Macht der Bibel wächst von Geschlecht zu Geschlecht. Ihr eigentlicher Inhalt ist unüberwindlich. Nicht alles, was über denselben gesagt ist, nicht alle Lehren, die aus ihr deduziert sind, werden Stand halten, aber ich bin aufs tiefste überzeugt, wenn die Wissenschaft alles abgetan hat, was sich von den Theorien, die aus der Schrift entwickelt worden sind, trennen lässt, und wenn die Welt durch bessere Erkenntnis zu vollerem sittlichen Bewusstsein gekommen sein wird, dann wird es sich finden, dass das Wort Gottes höher und auch sicherer und unangefochtener dasteht, als je zuvor.

Es war niemals weise, wie mir scheint, wenn Menschen sich weigerten, ihr Auge für die Wahrheit zu öffnen, oder zu hören, was sich in Bezug auf das Wort Gottes sagen lässt. Es ist aber gerade in unserer Zeit, eine ganz besonders verhängnisvolle Torheit, wenn man den Menschen das Denken verbieten oder abraten will, weil sich außerhalb der Bibel ein unendliches Feld für die Forschung eröffnet hat, die sich auf den Ursprung des Menschen, auf sein physisches Leben, auf die bürgerlichen Regierungsformen, auf die Freiheit der Völker und dergleichen bezieht. Die Fragen nach Recht und Unrecht; die Fragen nach moralischer Verantwortlichkeit; die Fragen, die sich auf Charakterbildung, auf sittliches Bewusstsein und sittliche Anschauungen beziehen; die Fragen, welche Bezug haben auf den alles erleuchtenden Geist und die Gegenwart und Macht der Gottheit - das sind Fragen, welche lange auf Licht und Klarheit gewartet haben. Wenn sie durch geduldiges Forschen gelöst sein werden, dann wird jede einzelne zurückkehren, wie Singvögel, die unter den Zweigen dieses Lebensbaumes nisten. Und um uns wird es dann um so besser stehen.

Ich glaube nicht, dass irgendetwas den Einfluss der Bibel auf Liebe und Glauben der Menschheit auf die Dauer vernichten kann. Es kann freilich geschehen, dass manches was nicht bewiesen werden kann, fallen muss - aber so ist es mit allem weltlichen Wissen.

Wenn wir zu dem andern Leben aufsteigen werden, dann werden wir finden, dass diese Welt in ihrer Gesamtheit nur ein Interpunktionszeichen ist in dem großen Gang, den Gott uns führen will, und dass die Wahrheiten, die wir hier im Glauben erworben haben, nur Bruchstücke sind. Sagt doch jener so energisch gläubige und energisch skeptische Mann: „Jetzt erkenne ich es stückweise. Jetzt sehen wir durch einen dunklen Spiegel.“ Er, der so ehrgeizig war; er, der auf der Höhe des Wissens stand - er machte nicht den Anspruch, Alles zu wissen. Obgleich er bis in den siebenten Himmel erhoben worden war, und Unaussprechliches gesehen hatte, wollte er doch nicht Anspruch machen, Alles zu wissen. Aber er wusste genug, um Christus zu lieben, und zu glauben, dass Christus ihm unsterbliches Leben geben wolle, und um nimmer in seiner Treue und Liebe zu ihm abzulassen. Er sagt dem Sinn nach: Alles, was ich hienieden weiß, ist im Vergleich mit dem, was ich wissen werde, wenn ich Gott sehen werde, nur so viel wie ich als Kind wusste, im Vergleich zu dem, was ich jetzt weiß.

„Da ich ein Kind war, da redete ich wie ein Kind und war klug wie ein Kind und hatte kindische Anschläge; da ich aber ein Mann ward, tat ich ab, was kindisch war. Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunklen Wort, dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich es stückweise, dann aber werde ich es erkennen, gleichwie ich erkannt bin.“

Er wusste, dass in dem Fortschritt der Erkenntnis eine Wandlung stattfinden würde; er wusste, dass mancherlei sonst sich ändern würde, - aber drei Dinge, wusste er, würden bleiben. Welche waren es? Lehren der Wissenschaft? Politische Prinzipien? Intellektuelle Überzeugungen? Er sagt:

„Nun aber bleibt Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei!“

Diese Dinge waren für ihn Realitäten; diese Dinge waren von absoluter Bedeutung, sie waren für alle Zeit bestimmt, ewig. Auch sie freilich waren in seinen Augen nicht gleich. Eine von ihnen übertrifft die andere. „Aber die Liebe ist die größte unter ihnen.“ Glaube und Hoffnung sollen Bundesgenossen und Mithelfer für die Liebe sein. Das wusste er.

Ich protestiere also gegen einen solchen Gebrauch des göttlichen Wortes, wie ihn manche zu machen sich fortwährend versucht fühlen, indem sie mit demselben wissenschaftlichen Untersuchungen in den Weg treten. Sie nennen Bibel, was ihre Auslegung der Bibel ist, und wollen menschlicher Forschung in den Weg treten, indem sie behaupten: die Bibel sagt so und so. Sie verschreien die als Ungläubige, welche ihre Untersuchungen über die gewohnten Schranken hinaus ausdehnen und gewisse verborgene Geheimnisse des Lebens zu enträtseln versuchen. Heut zu Tage forscht die Wissenschaft nach allen Richtungen; aber überall finden sich auch Leute, die mit ihrer Bibel in der Hand der Wissenschaft sagen wollen: „So weit darfst Du nicht gehen! Du vernichtest sonst dies Buch!“ Hätte ich zu diesem Buch nicht mehr Glauben als sie, dann würde ich überhaupt nicht mehr daran glauben. Glaubt Ihr, dass Menschen dieses Buch vernichten werden? Ist es das, wofür wir es bisher gehalten haben, nämlich Gottes Wahrheit, dann muss es bleiben und wird es bleiben - ist es aber nicht die absolute Wahrheit Gottes, dann gebt mir diese Wahrheit. Der Wert der Schrift besteht für mich darin, dass sie Gottes Zeugnis von Dingen ist, deren Kenntnis für mich von unaussprechlichem Wert ist. Ist's nicht so, dann liegt mir mehr daran, dass es widerlegt werde, als an irgendetwas Anderem. Und ich rufe die Wissenschaft, die Poesie und Philosophie auf, und sage zu ihnen: Mein Glaube an die Schrift ist gegründet auf tatsächliche Erfahrung. Ich habe die Frucht gekostet, die auf diesem Baum wächst, ich habe mich davon genährt, ich kenne sie. Ich weiß, was Leidenschaften sind. Ich habe sie erfahren. Ich weiß, was es heißt, auf die eine Art zu leben, und auf die andere Art. Ich kenne das Geistesstreben, welches auf dieser Seite zu finden ist, ich kenne den dürftigen Gewinn, den die andere Seite bietet. Ich weiß, was Glaube und Hoffnung ist, ich weiß, was Unglaube ist. Ich weiß, was Güte ist, und was Selbstsucht und Geiz ist. Ich weiß, was es heißt, fleischlich gesinnt sein und was geistlich. Ich kenne die Art, wie der fleischlich und wie der geistlich Gesinnte sich verhält - und ich finde, dass diese verschiedenen Wege genau mit diesem Leitfaden übereinstimmen. Was für sittliche Fragen auch auftauchen mögen, ich gebe dieses Buch als meinen sittlichen Führer nicht auf, bis Ihr mir einen klareren und besseren Führer in meine Hände gebt.

Das ist mein Glaube an die Bibel, und ich sage zu jedem jungen Mann: Wenn Du die Bibel aus bloßer Neugier liest, oder um ein System zu konstruieren, dann weißt Du nichts von ihr. Niemand weiß etwas von ihr, bis sie ihm das ist, was die Landkarte für einen Reisenden, oder eine Arznei für den, der wirklich krank ist.

Wenn ein Arzt an das Bett seines eigenen kranken Kindes gerufen wird, dann sieht er in das betreffende medizinische Buch auf eine sehr viel andere Art hinein, als da er auf der Universität war, und Vorlesungen hörte über die Beziehungen gewisser Teile des menschlichen Körpers unter einander und die Wirkungen dieser und jener medizinischen Agentien. Es waren das alles damals abstrakte Gegenstände; aber jetzt, wo die Krankheit in sein eigenes Haus eingetreten, wird die Frage für ihn praktisch - er fragt sich: Wie soll ich diesem Fieberbrand bei meinem Kind begegnen, was soll ich tun? Er ist in Not und hat keinen andern Ratgeber noch Freund in der Nähe, als jenes Buch. Wie anders geht er jetzt an dasselbe heran als damals, wo er einfach Medizin studierte! Es ist ja sein Kind, und wenn irgend ein Rat oder Hilfe in dem Buch enthalten ist, so muss er ihn ausfindig machen. Jetzt liest er zu einem bestimmten Zweck und wie scharf sieht er nun zu, um keinen Fehlgriff zu tun! Und wenn es bei seinem Kind gelungen ist - mit welcher Zuversicht wird er die Kinder der Nachbarn besuchen, wenn sie an derselben Krankheit darnieder liegen! Hat er diese aber auch nach derselben Anleitung geheilt dann wird er sagen: Dieses Buch sollte nichts taugen? Ich sage Euch, es hat mir durch manche Schwierigkeit hindurch geholfen!

Die Heilkraft der Bibel ist es, die ihr ihren Wert gibt. Ich übersehe ihren herrlichen historischen Inhalt durchaus nicht, sie ist in dieser Beziehung bewundernswürdig, aber ihr Wert besteht in der Weisheit und Kraft Gottes zur Erlösung und zum Heil des inwendigen Menschen. Sie übt eine verborgene Kraft aus auf das menschliche Gewissen, auf Glauben und Hoffen des Menschen. Es gibt Menschen, die diese Kraft kennen; sie haben sie erfahren. Dies ist eine Tatsache und diese Tatsache ist unerschütterlich.

Was für Schicksale hat dies alte Buch gehabt! Es ist durch so manchen Schmelzofen, durch so manche Walkmühle gegangen, es hat auf so manchem Schlachtfeld dienen müssen. Es ist als Geschütz wider die Feinde, und als Schutzwehr wider die Angriffe der Feinde gebraucht worden. Konzilien haben sich um des Buches willen gespalten. Es ist geplündert und durchwühlt worden. Und dennoch hat es seinen Platz behauptet und ist ein Segen für die ganze Welt geblieben. Es ist das Buch des armen Mannes, des Sklaven, der trauernden Witwe. Für jeden, der in Trübsal ist, findet sich in dem Buch das, was er mehr als alles in der Welt braucht. Weil die Bibel alle fundamentalen Erfahrungen des Menschen berührt, und durch alle konventionellen Gedanken und Empfindungen durchdringt, und in innerster Seele den Menschen segnet, deshalb findet sie überall einen Wiederhall im Inneren, und so lange es Menschen geben wird, die in Angst sind, und die Bibel sie tröstet, wie kein Mensch trösten kann; so lange als die weinende Menschheit Teilnahme und Erquickung verlangt, und sie aus dieser Quelle gewinnt, so lange, sage man was man wolle, wird die Bibel ihren Platz behaupten. Aber sie wird ihren Platz nicht um des Buchstabens oder um der Wunder willen behaupten, die in ihr erzählt werden, sondern wegen des Lebens, dessen Träger sie ist. Ich will nicht die äußeren Bestandteile der Bibel unterschätzen - ich werde über dieselben bei einer späteren Gelegenheit weiter reden - aber die Autorität und die Inspiration des Buches beruht darauf, dass es dazu bestimmt ist, auf Herz und Gewissen zu wirken, und den Menschen zu einer höheren Entwicklung seiner Natur anzuleiten, und aus diesem Leben in eine selige Ewigkeit zu führen. Deshalb sage ich, dies Buch ist unüberwindlich.

Ich bin Personen begegnet, welche nicht glauben wollten, dass das Evangelium Johannes von Johannes sei. Nun, was schadet das? In England gibt es einen Wald, den Wilhelm der Eroberer gepflanzt hat, - aber was liegt daran, ob das richtig ist oder nicht? Wenn ich durch diesen Wald reite, was kommt darauf an? Die Bäume und ihr Schatten sind da, und wenn ich mich nur der Wohltaten von Beiden erfreuen kann, so ist's genug für mich.

Manche Leute sagen, dass die Psalmen Davids nicht inspiriert sind. Ich will darüber augenblicklich nicht streiten, ob sie inspiriert sind oder nicht, aber ich weiß, es hat sonst nirgends solche Hymnen gegeben, die so wie Davids Psalmen durch drei Jahrtausende der Weltgeschichte getönt, und so viel Macht und Süßigkeit entwickelt haben. Sie wurden gesungen, und die Welt lernte an ihnen den Gesang. Wenn sie nicht durch Inspiration entstanden sind, so hat es damals einen bewundernswürdig guten Ersatz für Inspiration gegeben.

Dieser und jener teilt mir mit, dass er von Christus nichts anderes glauben könne, als dass es ein Mensch wie wir sei, nur höher organisiert und innerlich besonders angeregt. Wie dem auch sei, vor seiner Erscheinung und seit derselben hat es keinen gegeben gleich Ihm, der uns sagte, dass er der Bruder der Menschen und Gottes Sohn sei. Er erklärte, dass er in die Welt gekommen sei, um uns kund zu tun, dass der Reinste und Beste der sei, welcher das stärkste Mitgefühl für die Unreinen und Bösen habe; er lehrte die Menschen, dass Gott auf seinem Throne nicht wie Thor sitze, der mit gigantischem Hammer die Dinge auf dem Amboss schmiede, sondern dass das Herz Gottes die Heilung der Welt wolle, und dass Gottes große Liebe, mit welcher er die Welt liebt, in der Fülle der Zeiten die Menschheit habe erlösen wollen, und dass ein neuer Himmel und eine neue Erde werden solle, auf welcher Gerechtigkeit wohnen werde.

Warum sollte man wünschen, dass ein Buch bei Seite gelegt, oder in seiner Wertschätzung herabgesetzt werden möchte, in welchem wie in einem Bergesschacht Goldadern und Edelsteine verborgen sind, und auf welchem alle Bäume in immer frischer Schönheit wachsen und Früchte bringen, und an dessen Abhängen die freien Winde Heil und Freude auf ihren Fittigen herzutragen?

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