Huhn, August Ferdinand - Predigten über die Heiligen Zehn Gebote - Predigt über das siebte Gebot.
Herr Gott, Deine Gnade und Treue nur macht uns gerecht und selig. Wir haben nichts, was wir Dir bringen können. Alles, was wir vor Deinem heiligen Angesichte an uns sehen, ist nur Sünde und Übertretung und Untreue. Untreue Knechte und ungerechte Haushalter Deiner Gaben sind wir. Ach lass uns das auch heute recht gründlich erkennen, lass uns das von Herzen bereuen. Dazu verhelfe uns, Herr, die Predigt Deiner Rechte und Gebote. Aber es richte die Predigt von Deiner Gnade und Treue uns arme Sünder auch wieder auf. Herr Jesu! lass uns in Deinem Blute und in Deiner Gerechtigkeit Trost und Frieden, Kraft und Leben finden. Du treues Gotteslamm, mache Du aus uns untreuen Sündern ein heiliges Volk, das vor Dir wandele in rechtschaffener Gerechtigkeit und Heiligkeit. Ach hilf uns, Herr aus der Unredlichkeit unseres Sinnes und Wandels, hilf uns aus unseren Sünden, und mache, dass Treue und Redlichkeit in uns und unter uns wohnen mögen. Tue das, Jesu, aus Gnaden und segne durch Dein Wort dieses Stündlein an unseren Seelen! Amen.
Wir kommen beute in unseren Katechismus - Betrachtungen zum siebten Gebote. Hört es:
2 Mos. 20, 15.
Du sollst nicht stehlen.
Luthers Erklärung:
Wir sollen Gott fürchten und lieben, dass wir unseres Nächsten Geld oder Gut nicht nehmen, noch mit falscher Ware oder Handel an uns bringen, sondern ihm sein Gut und Nahrung helfen bessern und behüten.
Das Stehlen, sagt Luther in seinem großen Katechismus, das Stehlen ist das gewöhnlichste Handwerk und die größte Zunft auf Erden; und wenn man die Welt jetzt durch alle Stände ansieht, so ist sie nichts anderes, denn ein großer, weiter Stall voll großer Diebe.
Ob unser Katechismus-Vater Recht hat, das wollen wir heute sehen.
Lasst uns daher erwägen:
I. was für Versündigungen das siebte Gebot umfasse;
II. wie der natürliche Mensch in seinem ganzen Sinnen und Trachten ein Übertreter des siebten Gebotes sei; und
III. wie wir aus den Übertretungen dieses Gebotes heraus zu der Gerechtigkeit kommen können, die vor Gott gilt.
I.
Wir sollen unserem Nächsten sein Geld oder Gut nicht nehmen, so heißt es vom siebten Gebote in unserem Katechismus zuerst. Denken wir hier, meine Freunde, nicht bloß an den groben und offenbaren Raub und Diebstahl, welcher vom Staate als Verbrechen angesehen und als solches gestraft wird. Wir wissen, dass menschliche Gesetze nur richten können, was vor Augen ist, der Herr aber sieht in das Verborgene und sein Gesetz richtet die Gedanken und das Sinnen des Herzens. Und nach diesem seinem Gesetze und vor seinem Angesichte lasst uns fragen: haben wir unserem Nächsten nie sein Geld oder Gut genommen? Dir war vielleicht etwas anvertraut, Du solltest es verwalten, man traute Dir so viel Redlichkeit zu, dass Du es zum Nutzen des Anderen, zum Wohle des Ganzen verwalten würdest. Ehrtest Du dieses Vertrauen? Oder griffst Du nicht eigenmächtig das Fremde an? Du dachtest: ich bin in Not, ich kann es ja wieder erstatten, es ist ja eine Kleinigkeit, ich muss ja doch auch etwas für meine Mühe haben. Sage, wer gab Dir ein Recht, solches zu tun, das Recht, zu nehmen, was nicht Dein ist?
Wir tadeln an den Kindern, wenn sie eigenmächtig nach diesem und jenem greifen, wenn sie ohne Erlaubnis nehmen, was da liegt, und wenn sie heimlich von diesem und jenem naschen und entwenden. Es ist uns gehässig, wenn wir so oft an Dienstboten sehen, wie sie zwar Geld und Wertsachen von der Herrschaft nicht nehmen, wie sie sich aber kein Gewissen daraus machen, von dem, was zur täglichen Nahrung gehört, zu entwenden und davon aus dem Hause zu tragen und an Andere zu geben. Christen, ehe wir darüber rechten und strafen, lasst uns doch zuerst fragen: machen wir selbst es besser? Wir leiden keine Hausdiebe, wir halten solche für die gefährlichsten. Aber ist denn das Beispiel, das wir den Unsrigen geben, in allen Stücken ein Beispiel der Gewissenhaftigkeit und Treue? Man verlangt von Anderen, das sie einem nichts nehmen. Verlanget man das aber auch zuerst und zwar am strengsten von sich selbst? Hält jeder von uns zur Zeit genaue Rechnung über das, was er hat, wie jener Zachäus im Evangelio, und fragt sich wie und woher habe ich es, und darf ich es auch haben? Sollte ich nicht hier und da zurückgeben? Und ehe man die Hand auftut, um den Armen zu geben, um wohltätig zu sein, geht man da auch in sich, sagt man sich da auch ganz offen: was tuest du, du bist ja ein Heuchler, du willst wohltätig sein, und hast noch nicht einmal angefangen, gerecht zu sein; du willst die Lasten Anderen erleichtern, und denkst nicht daran, dass du es Anderen schwer machst, indem du ihnen nicht wieder gibst, was du ihnen schuldig bist. Oder, meine Freunde, heißt das nicht auch gegen das erste Stück des siebten Gebotes sich versündigen wenn man, ohne nach Gottes Willen zu fragen, Ausgaben macht, welche die Kräfte übersteigen, welche unnütz sind, bloß, weil einem nach diesem und jenem gelüstet, weil man doch auch haben will, was die Welt hat. Und wie leicht bereit ist man zu solchen Ausgaben, zu einem solchen Schuldenmachen, wenn man dadurch dem eigenen Gelüste nur frönen kann, indes man an das Notwendige sich täglich mahnen lässt. Für Gegenstände der Augenlust und Fleischeslust gibt man, ohne zu fragen, hin und klagt nicht darüber; aber das Schulgeld für die Kinder zu zahlen, das fällt einem jedes Mal schwer; die notwendigsten Abgaben dem Staate zu entrichten, darüber klagt und murrt und seufzt man, und will sich nicht darein fügen. Da schämt man sich nicht, allerhand Ausflüchte zu suchen, da schämt man `sich nicht, Anderen und dem Ganzen zur Last zu fallen, ja da sucht man vielleicht gar auf betrügerische Weise, auf verbotenem Wege dem Gesetze zu entgehen.
Doch auch auf der anderen Seite ist das Kargen und Geizen in dem Notwendigsten, das Scharren und Sammeln, der Mammonsdienst, er ist nichts besser, als das Nehmen des Geldes und Gutes Anderer; denn Gott der Herr hat Keinem zum Geizen und Kargen und Scharren ein Recht gegeben. Was Du auf diese Weise Dein nennst, das hast Du einem anderen entzogen, das hast Du ihm genommen. Ungleich hat der Herr die irdischen Güter verteilt, das ist wahr und das ist gut; denn auch das dient als Erziehungs- und Bildungsmittel in seiner Hand. Aber dass du darauf hin Dein Geld und Gut mit Geizen und Scharren, mit unbarmherzigem Wuchern und Verzinsen mehren sollst, wo steht das geschrieben! Dass ein Anderer ein Bettler werden soll, damit Du ein Reicher sein könnest, wo ist das der Wille Gottes? Wahrlich! meine Freunde, gäbe es keine Geizigen, so gäbe es keine Bettler. Was ist also der Geiz besser, als dem Nächsten sein Geld und Gut nehmen?
Doch zum siebten Gebote gehört noch, dass wir des Nächsten Geld oder Gut nicht mit falscher Ware oder Handel an uns bringen sollen. Auch das ist ein Gegenstand, welcher der allgewissenhaftesten Prüfung wert ist. Ihr, die Ihr Euch von Eurer Hände Arbeit nährt, bedenkt Ihr es auch jedes Mal, ob Eure Arbeit des Lohnes wert ist, den Ihr fordert? Könnt Ihr jedes Stück auf Treue und Glauben in die Hände des Bestellers liefern? Habt Ihr nichts Schlechteres und Leichteres verarbeitet, als Euch bezahlt wird? Habt Ihr alle Mühe, alle Eure Geschicklichkeit darauf verwandt? Habt Ihr bei der Arbeit mehr auf Euren Vorteil, oder mehr auf das Zufriedenstellen des Anderen gedacht? Mit Einem Worte: arbeitet Ihr jede Arbeit was es auch sei, groß oder klein, geachtet oder gering, arbeitet Ihr vor Gottes Angesichte als solche, die nicht bloß dem Menschen, sondern dem Herrn, dem gerechten Richter, Rechenschaft zu geben haben? Und Ihr, die Ihr arbeiten lasst, lasst Ihr der Arbeit auch jedes Mal Gerechtigkeit widerfahren? Gebt Ihr das, was sie wert ist, gern? Oder seht Ihr nur auf Euren Vorteil, und schämt Ihr Euch nicht, das Geringste zu bieten, wenn Ihr es nur billig haben könnt? Geht Euch dabei nicht die Armut, die Mühe und der saure Schweiß des Anderen zu Herzen? Ach, meine Lieben, wie es uns oft bei der Arbeit im Weinberge des Herrn geht, dass wir Alles, was wir getan, hinwerfen, dass wir nur weinen möchten, da wir als träge, faule Knechte, als Mietlinge uns anklagen müssen: so, so müsste es jedem von Euch ja wohl auch oft bei seiner Hände Arbeit, bei seinem Kaufen und Verkaufen ergangen sein, wenn Gottes Gesetz, wenn des Herrn Wille in uns lebendig wäre! Aber wo herrscht dies Gesetz, wo lebt des Herrn Wille in den Herzen?! Ein Beispiel möge uns Antwort auf diese Fragen geben, ein Beispiel aus dem allergewöhnlichsten täglichen Tun und Treiben. Es ist etwas ganz Gewöhnliches, dass der Verkäufer vorschlägt und dass der Käufer abdinget; es fällt solches nicht einmal mehr auf. Ist das gut? Was setzt es voraus? Doch gewiss nichts anderes, als dass stillschweigend der Käufer den Verkäufer und dieser den Anderen für einen Betrüger hält, für einen solchen, dem man mit der Wahrheit nicht kommen, dem man nichts Redliches zutrauen kann. O! eine traurige Verständigung, die wir so stillschweigend unter uns getroffen! Wir geben damit nichts anderes zu erkennen, als das wir die Übertreter des siebten Gebotes sind.
Und könnt Ihr etwas Anderes sagen, wenn Ihr das dritte Stück des Gebotes bei Euch bedenkt, wo es heißt: wir sollen dem Nächsten sein Gut und Nahrung helfen bessern und behüten? Gibt es ja doch niemand, welcher dieser Pflicht entbunden wäre; kann und soll doch jeder auf seiner Stelle dieselbe üben. Aber wie pflegt es gewöhnlich zu geschehen? Das eigene Gut, wie weiß man das zu mehren, zu behüten; die eigene Nahrung, wie weiß man die zu bessern; aber das zu suchen, was des Andern ist, da helfen, bessern und behüten, wo man selbst nur die Mühe, aber keinen Geldgewinn hat, wer denkt daran? Ach, Christen, wie viele Talente, Fähigkeiten und Gaben, die der Schöpfer gegeben und mit denen man Anderen so vielfach helfen und nützen könnte, liegen vergraben, unbenutzt, unangewendet! Sehe sich da doch ein Jeder selbst an, frage sich doch ein Jeder: wie viel Stunden habe ich meinem bloßen Vergnügen hingegeben; wie oft habe ich alle meine Kräfte und Gaben zu nichts gebraucht; wie viel Zeit habe ich in Trägheit und Faulheit verbracht und keinen Schritt für das geistige Wohl meines Nächsten getan und keine Hand für sein leibliches Wohl gerührt? Wahrlich die Vernachlässigung unserer Anlagen und Kräfte, das Liegenlassen unserer Gaben, das Zusehen und Zugeben des Unrechtes, wo man Recht schaffen kann, die Faulheit und Trägheit, das stete für sich arbeiten lassen, die Fleischesruhe und Bequemlichkeit, das Alles ist auch Übertretung des siebten Gebotes, das ist stehlen in Gottes Augen.
Sehe nun ein Jeder zu, wie sein Sinn und Wandel zum siebten Gebote steht, und ärgere sich doch Niemand, wenn das Wort Gottes ihn als einen Dieb anredet und behandelt. Sind wir vor dem göttlichen Gesetze besser, als jener ungerechte Haushalter, der seines Herrn Güter umgebracht; sind wir besser, als jener Gehasi, den die Uneigennützigkeit seines Herrn ärgerte, oder als jener Knecht, der sein Pfund vergrub, oder als ein Judas, der um Geld seinen Herrn verriet? Gnade, nur Gnade ist es, wenn es vielleicht nicht zu solchem Diebstahle kam, welches die Welt Verbrechen nennt; und wie Mancher hätte es verübt, wenn es vor der Welt nicht gerade als Verbrechen gälte. In seinem Herzen, in seiner Denkungsart, in seinem ganzen Sinnen und Trachten ist jeder Mensch, wie er aus sich selbst ist, vor Gottes Augen ein Übertreter des siebten Gebotes, ein Dieb. Denn aus dem Herzen kommen die argen Gedanken, und zu denen gehört bekanntlich auch die Dieberei. Lasst uns diese traurige Wahrheit im zweiten Punkte unserer Betrachtung näher kennen lernen.
II.
Darum nur diese eine Frage: wie sieht der natürliche Mensch überhaupt alles Gut und Geld, alle äußeren Sachen und Besitztümer, sie seien klein oder groß, sie gehören ihm oder einem anderen, wie sieht er sie an, wie steht es in seinem innersten Herzen dazu? Denkt er nicht von dem Besitztum des Anderen, das möchte ich haben, wünscht er es sich nicht wenigstens? Und von dem Seinen: das gehört mir, das ist mein, darüber kann ich schalten und walten, wie ich will, davon brauche ich Niemanden Rechenschaft abzulegen. Nicht wahr, meine Freunde, so ist es? Man will es nicht wahr haben, dass nichts von Allem, was man um sich und an sich hat, unserer Willkür, unserem Gelüste, unserem Gutdünken unterworfen sei; man will es nicht wahr haben, das nichts von allen Dingen in der Welt einem eigentlich gehöre. Und doch ist es so. Nichts in der ganzen Welt, von dem Größten bis zum Kleinsten, ist eigentlich unser, nichts in unserer bloßen Willkür und Lust, nichts unserem bloßen Gutdünken übergeben, sondern Alles, was da ist in der Welt, vom Größten bis zum Kleinsten, gehört Einem nur, dem Schöpfer aller Dinge, dem lebendigen Gott. Und Alles, was wir um und an uns haben, Gottes Güter, Gottes Gaben sind es, uns nur von Ihm verliehen, uns nur anvertraut von Ihm. Nichts als ein Haushalter der mancherlei Gaben Gottes, das soll der Mensch nach Gottes Willen sein. So will der Herr, dass wir uns selbst und unsere Sachen ansehen sollen. Tun wir das nun, meine Freunde? Denken wir, wenn wir das Geld und Gut unseres Nächsten ansehen, wenn uns eine Lust und ein Begehren danach ankommt: es ist ja Gottes Gabe, was mein Nächster besitzt, Gott hat es ihm verliehen, darum kann und darf ich nicht danach begehren, ich würde ja sonst gegen Gottes Recht und Ordnung freveln? Ist uns das Eigentum des Nächsten als Gottes Gabe heilig, so dass wir es um Gottes Willen gern bessern und behüten? Und wenn uns etwas anvertraut ist, wenn wir etwas verwalten sollen, sehen wir es als etwas von Gott selbst uns Anvertrautes, als göttliches Gut und Pfand an, was wir nicht nach unserem Gutdünken, sondern nach seinen heiligen Willen zu verwalten und wovon wir Ihm, dem Herrn, Rechenschaft abzulegen haben? Wir bekennen in unserem Glaubensbekenntnisse nicht allein, dass uns Gott erschaffen hat samt allen Kreaturen, und uns Leib und Seele, Augen, Ohren und alle Glieder, Vernunft und alle Sinne gegeben hat und noch erhält; sondern wir bekennen es, dass auch Kleider und Schuhe, Essen und Trinken, Haus und Hof, Weib und Kind, Acker, Vieh und alle Güter, dass das Seine Gaben sind, uns verliehen aus lauter väterlicher göttlicher Güte und Barmherzigkeit, ohn' all' unser Verdienst und Würdigkeit. Gehen wir nun mit unseren Kleidern und Schuhen, und was sonst zum Leiblichen gehört, als mit Gottes Gaben um? Sehen wir sie so an? Schonen wir sie darum? Halten wir sie darum ordentlich? Sind wir darum sparsam? Haltet diese Fragen nicht für kleinlich. Es heißt im Evangelium: als einmal Not da war, als das Volk nicht zu essen hatte, da fragten die Jünger, woher nehmen wir Brot in der Wüste? Sie hatten vergessen, dass das Brot von Gott kommt, dass es seine Gabe ist, und dass Er es schaffen und geben könne, wie, wo und wann Er wolle. Der Herr gab Brot gegen alle ihre Vernunft, und zwar mehr, als sie es nur denken konnten. Da nun, als die Menge gegessen hatte und satt war, da sahen die Jünger wohl, dass das Brot Gottes Gabe gewesen; aber die übrig gebliebenen Brocken auch als Gottes Gabe zu betrachten, sie aufzuheben und zu sammeln, daran dachte Keiner, das fiel Keinem ein. Der Heiland selbst musste es befehlen. Merkt Ihr nun, was es auch mit den kleinsten leiblichen Gaben und Gütern für eine Bewandtnis hat und wie wir zu ihnen stehen sollen? Wer von uns kann sagen: so stehe ich zu meinen und meines Nächsten Hab' und Gut, ich habe es immer nur als Gottes Gabe angesehen, bin stets mit dem Meinen zufrieden gewesen? Wer von uns kann sagen: ich habe alle die irdischen Güter und Gaben, die mir verliehen, stets nach Gottes Willen und zu Gottes Ehre verwaltet? Seht, so lange das Niemand sagen kann, so lange jeder bekennen muss, dass er täglich dagegen gefehlt, täglich nach etwas verlangt und gegriffen, als ob es nicht Gottes Gabe gewesen; so lange Jeder gestehen muss, dass er täglich mehr oder weniger veruntreuet, bei seinem Wirtschaften und Ausgaben und Einnahmen oft und vielleicht gar nicht nach Gottes Wort und Gottes Willen gefragt; so lange Jeder zugeben muss, dass er der ungerechte Haushalter ist, der seines Herrn Güter umgebracht: so lange ist es wahr, unwiderleglich wahr, was unser Katechismus-Vater, Luther, sagt, wahr, dass wir Alle uns gegen das siebte Gebot versündigt, und zwar mehr und ärger versündigt, als wir es nur denken können. Ich bitte Euch also, meine Lieben, sucht Eure Tugend und Gerechtigkeit doch ja nicht darin, dass Ihr besser seid, als dieser oder jener offenbare Dieb und Betrüger. In den Augen der Welt mögt Ihr es wohl sein, aber nicht in Gottes Augen; denn Gott sieht das Herz an, und vor Ihm gilt kein Ansehen der Person. Die weltliche Obrigkeit kann nur richten. und strafen, was als offenbares Verbrechen da liegt; aber vor Gott dem Herrn ist jenes ganze Sinnen und Denken des natürlichen Menschen verdammt, vor Ihm kann kein Haushalter bestehen, der nicht in allen Stücken, der nicht auch im Kleinsten treu gewesen. Er, der heilige und gerechte Richter, setzt Jeden ab von seinem Amte, der irgendeins von seinen Gütern und Gaben umgebracht. Aus Seinem Gerichte kommt keiner heraus, bis er auch den letzten Heller bezahlet. Das könnt Ihr in seinem ganzen Worte lesen. Sein Wort aber ist wahrhaftig, und was er droht oder verheißt, das hält Er gewiss.
III.
Wie traurig steht es also um die, welche auf ihre vermeintliche Redlichkeit und Gerechtigkeit sich steifen, welche da sagen: ich habe noch nie gestohlen, ich habe noch Keinen betrogen, ich bin rein und brauche mich vor dem Gerichte Gottes nicht zu fürchten! und welche nun mit dieser ihrer sogenannten Tugend glauben, vor Gott nicht allein bestehen, sondern noch Wunder was für Lohn und Vergeltung davon tragen zu können. Wie traurig steht es um die, welche den alten befleckten, und zerrissenen Rock ihrer Rechtschaffenheit immer noch mit diesem und jenem Flicken ausbessern, welche das früher Versehene aus eigener Vernunft und Kraft gut machen wollen, welche durch Sparen und Geizen auf eigene Hand, oder durch Gaben und Wohltun auf eigene Hand, oder durch sonst etwas auf eigene Hand die alten Schulden bezahlen wollen, die sie dem ewigen Schuldherrn gemacht. Die Heuchler! Mit glänzenden Lappen wollen sie sich umhüllen, aber das Herz, das Herz ist dasselbe untreue und diebische geblieben. Gute Werke wollen sie tun, aber in ihrem Herzen gelüstet es sie nach Argem. Arges denken und sinnen sie. Wie überraschend, wie furchtbar, wie niederdonnernd wird sie daher einst am Tage des Gerichtes das Wort treffen: Ich habe Euch noch nie erkannt, weicht von mir, ihr Übeltäter! Ja, da wird Manchem, der sich hier auf seine Rechtlichkeit etwas zu Gute tat, es sonnenklar gezeigt werden: du warst ein Betrüger. Und Manchen, der den Schein des Ehrlichen hatte, wird es von allen Seiten verklagen: du hast gestohlen. Und Manchem, der damit prahlte, ich bin Keinem etwas schuldig, wird das Urteil gesprochen werden: deiner Schulden sind mehr, als des Sandes am Meere, deine Seele ist auf ewig dem Gerichte und der Strafe verfallen. Wer Ohren hat zu hören, der höre! Wir, meine Freunde, wenn anders wir aus der Wahrheit sind, wir können nur mit jenem untreuen Knechte uns niederwerfen vor dem Herrn und zu Ihm flehen: habe Geduld, habe Barmherzigkeit mit uns, vergib uns unsere Schulden! Ja, wir können nur mit jenem ungerechten Haushalter die kurze Frist, die der Herr ihn noch in seinem Amte ließ, das heißt, die kurze Lebenszeit, die uns noch übrig ist, benutzen, um Gnade zu suchen, Gnade für alle die Sünden und Schulden, die uns auch das siebte Gebot mahnend vorhält. Worin aber finden wir diese errettende und helfende Gnade? Wahrhaftig, wieder nur bei dem, der unter die Übeltäter gerechnet ward um unsertwillen; bei Ihm, der um unserer Sünden und Schulden willen geplagt und gemartert ward. Ja, Jesus Christus allein ist uns von Gott gemacht zur Gerechtigkeit. Er ist treu gewesen bis ans Ende. Er hat nicht gehabt, wo er sein Haupt hinlegen konnte, aber er hat nach der ganzen Welt und ihrer Herrlichkeit nicht die Hand ausgestreckt, wiewohl sie Ihm geboten wurde. Er hat nichts begehrt, denn allein dies; zu tun den Willen seines Vaters im Himmel. Er hat nichts veruntreut, nichts verloren von Allem, was ihm der Vater gegeben hat. Er hat die Brocken auch als Gottes Gabe geehrt. Er ist treu gewesen im Größten und im Kleinsten. Siehe, o Mensch, diese Treue und Gerechtigkeit Jesu, die Du nicht hast, die Du aber nötig hast, um vor Gott zu bestehen, diese will Gott Dir schenken, mit diesem hochzeitlichen Kleide will Er alle Deine Sünden und Schulden, Deine Veruntreuungen und Diebereien zudecken; für alles das, was Du bis auf diesen Tag gesündigt und übertreten, soll Jesu heiliges und gerechtes Leben dastehen und als Bürge für Dich eintreten; für alle Deine Schulden soll Jesu Blut und Tod das vollgültige Lösegeld sein; Du sollst nichts bezahlen, Du sollst freigesprochen, Du sollst selig werden. O, Christen, lasst uns diese gute und frohe Botschaft nicht ausschlagen! Wir können vom Fluche und von der Strafe des siebten Gebotes loskommen. Wir können heute noch vor Gott gerecht und einst als treue Haushalter erfunden und in Ewigkeit über Vieles gesetzt werden. Nur bekennen sollen wir unsere Sünde, nur los sein wollen, sollen wir unsere Untreue, nur hassen unser ungerechtes, unreines Wesen, nur wegwerfen sollen wir mit jenem Zöllner alle unsere vermeintliche Treue und Redlichkeit und Gerechtigkeit, die ja doch vor Gott nur ein Gräuel ist. Nur durch Christi Gerechtigkeit, und durch nichts anderes, sollen wir vor Gott bestehen und selig werden wollen. Nur sein Lösegeld sollen wir alle Tage vor Gott bringen wollen und nichts anderes, und Gott will uns ansehen und lieben und segnen, wie seinen eingeborenen Sohn. O, meine Lieben, was stehen wir noch an, Jesum zu suchen, Jesum zu bitten, uns Jesu zu übergeben. Ohne mich, sagt Er ja selbst, könnt ihr nichts tun. Ja, ohne Jesum gibt es keine Redlichkeit und Treue, die vor Gott gilt, denn Gott sieht das Herz an. Und Jesus nur kann in uns schaffen ein neues und reines Herz. Ohne Jesum gibt es keine Gesetzes-Erfüllung. Sein müssen wir erst sein, sein begnadigtes, erkauftes, erlöstes Volk; aus Ihm müssen wir täglich nehmen, von Ihm täglich lernen; dann, dann erst kann Treue und Redlichkeit in uns und unter uns wohnen; dann erst wird das Stehlen aufhören; dann erst wird jedes unter uns an seiner Stelle ein treuer Haushalter sein der mancherlei Gaben Gottes. so lasst uns denn in dieser Stunde noch als arme Sünder zu Jesu gehen und Ihm bekennen unsere Untreue und Schulden, und ihn bitten um Gnade und Erbarmen! Amen.