Huhn, August Ferdinand - Predigten über die heiligen zehn Gebote nach Luthers kleinem Katechismus - Predigt über das sechste Gebot.
Heiliger Gott! wo soll ich hingehen vor Deinem Geiste und wo soll ich hinfliehen vor Deinem Angesichte? Wir können uns vor Dir nicht verbergen. Ach! und doch wollen wir nicht kommen vor Deinem Angesichte; denn Du bist heilig, Du bist rein, unser Herz aber ist voll arger Gedanken. O schaffe Du, Gott, in mir ein reines Herz und gib mir einen neuen, gewissen Geist! Verwirf mich nicht vor Deinem Angesichte und nimm Deinen Heiligen Geist nicht von mir. Denn ich will die Übertreter Deine Wege lehren, dass sich die Gottlosen zu Dir bekehren. Ja, Herr Jesu! bekehre Du uns, dann sind wir bekehrt; reinige Du uns, dann sind wir reinen Herzens und können Gott schauen. Du teures Lamm Gottes, lass Dein für uns vergossenes Blut auch in dieser Stunde an unseren Herzen nicht vergebens sein! Decke uns auf durch Deinen Heiligen Geist die Unreinigkeit unseres Sinnes und Wandels, und dann wasche uns mit Deinem Versöhnungsblute und gib uns Lust und Kraft und Mut, zu hassen die Werke des Fleisches, und Dir zu leben in Unschuld und Gerechtigkeit unser Leben lang. Herr, erhöre diese Bitte und wende Dein gnadenreiches Angesicht zu uns armen Sündern! Segne uns dieses Stündlein! Amen.
Wir kommen heute, meine Freunde, in unseren Katechismus-Betrachtungen zum sechsten Gebote. Hört es:
2 Mos. 20, 14.
Du sollst nicht ehebrechen.
Luthers Erklärung:
Wir sollen Gott fürchten und lieben, dass wir keusch und züchtig leben in Worten und Werken, und ein jeglicher soll sein Gemahl lieben und ehren.
Lasst uns nun, unter Gottes Beistande, mit einander erwägen:
I. was das sechste Gebot bedeute und wem es gelte;
II. wie man sich dagegen versündige; und
III. wie wir aus diesen Versündigungen heraus zur Reinigkeit des Herzens und Wandels kommen können.
I.
Die Ehe, meine Freunde, von welcher das sechste Gebot redet, die Ehe ist das heiligste und wichtigste Verhältnis, das es unter Menschen auf Erden gibt. Sie ist von Gott selbst gestiftet. Gottes Verheißung, Gottes Wohlgefallen, Gottes Segen ruht darauf. Sie ist eine göttliche Ordnung. Das ganze Heil der Menschheit hängt daran. Die Ehe ist so heilig, dass Gott der Herr selbst in diesem Verhältnisse und Bunde zu den Menschenkindern stehen will, wie wir das im ganzen Alten Testamente lesen. Kein Verhältnis auf Erden wird auch im Neuen Testamente dessen gewürdigt, wessen die Ehe wert gehalten wird. Der Ehebund zwischen Mann und Weib wird nämlich dem Bunde zwischen Christo und der Gemeine gleichgestellt, da der Apostel ermahnt (Ephes. 5, 23-26.): Der Mann ist des Weibes Haupt, gleichwie auch Christus das Haupt ist der Gemeinde, und Er ist seines Leibes Heiland. Wie nun die Gemeine ist Christo untertan, also auch die Weiber ihren Männern in allen Dingen. Ihr Männer liebt Eure Weiber, gleichwie Christus auch geliebt hat die Gemeinde und hat sich selbst für sie gegeben, auf dass er sie heiligte.
Daraus meine Freunde, können wir wohl die Heiligkeit und Unverletzlichkeit des sechsten Gebotes abnehmen; daran können wir merken und fühlen, warum es heißt: du sollst nicht ehebrechen. Wer die Ehe bricht, der zerstört das heiligste und wichtigste Verhältnis auf Erden, der zerreißt die heiligsten, von Gott selbst geknüpften Bande, der beflecket und schändet das Reinste, Zarteste und Teuerste, das es unter den Menschen gibt, er greift frevelnd und empörerisch in Gottes Recht und Ordnung ein und macht aus Heil Verderben, aus Glück Unglück, aus Segen Fluch. Tut das aber der allein, der im engsten Sinne des Wortes die eigene, oder eine andere Ehe bricht? Und ist das sechste Gebot nur zu denen gesprochen, die in dem Verhältnisse der Ehe stehen, zu den Verehelichten? Nein, meine Freunde, es umfasst nach der Auslegung des göttlichen Wortes und unseres Katechismus-Vaters, Luther, mehr, als dies. Es ist zu allen Menschenkindern ohne Ausnahme geredet. Denn als Gott der Herr den Menschen schuf, da schuf Er sie, ein Männlein und ein Fräulein; Er selbst, der Heilige, zog die heilige Schranke zwischen den Geschlechtern. Diese Schranke und Trennung zwischen den Geschlechtern ist Gottes Einrichtung, und darum ist sie ebenso heilig und unverletzlich, als die Vereinigung zwischen Mann und Weib in dem Ehebund. Wer diese von Gott gesetzte Schranke (gegen Gottes Ordnung, die Er im Ehebund vorgeschrieben hat) durchbricht, wer sich in Gedanken, Worten oder Werken an dem anderen Geschlechte vergeht, der frevelt gegen das sechste Gebot, der ist ein Ehebrecher. Und in diesem Sinne spricht der heilige Gott auch zu allen ledigen Männern und Frauen, zu allen Jünglingen und Jungfrauen: du sollst nicht ehebrechen. Ja, es gilt dies Gebot auch unseren Kindern, denn Er, der Heilige selbst, pflanzte das Gefühl der Schamhaftigkeit und Keuschheit gegen den eigenen Leib in des Menschen Brust. Jede Verletzung dieses Gefühls, sei es in Gedanken und Worten, in Mienen und Gebärden, in Kleidung und Betragen, ist Verletzung des sechsten Gebotes, ist Ehebruch im Sinne des Wortes Gottes. Und wenn wir endlich noch das bedenken, was ich gleich zu Anfange unserer Betrachtung sagte, dass Gott der Herr selbst zu den Menschenkindern in eben dem nahen, innigen und heiligen Verhältnisse stehen will, wie Mann und Weib im Ehebunde; wenn wir bedenken, dass wir durch die Taufe und durch unser eigenes Bekenntnis unserem Herrn Jesu Christo zu derselben Liebe und Treue angetraut sind, wie das Weib dem Manne, ja zu einer noch weit größeren Liebe und Treue, zu einer Liebe und Treue, die über Tod und Grab hinaus in alle Ewigkeit fortgehen und bestehen soll; wenn wir das recht bedenken: nun, dann werden wir es auch verstehen, warum die Heilige Schrift jeden Abfall von dem Einen, wahren Gott, jedes Anbeten anderer Götter, jedes Halten mit Welt und Sünde, jedes Jagen nach Augenlust, Fleischesluft und Hoffart dieses Lebens, warum sie die Untreue gegen Christum und seine Verleugnung einen Ehebruch, ein Buhlen, eine Hurerei nennt, und ein solches, vom wahren Gott abtrünniges Geschlecht mit dem Namen eines ehebrecherischen Geschlechtes bezeichnet.
Und es ist wichtig, meine Freunde, dass wir dies verstehen; denn in nichts anderem haben wir den Grund des eigentlichen Ehebruchs und aller der Sünden, die das sechste Gebot verbietet, zu suchen, als eben in dem ersten Ehebruche, in dem Abfalle von Gott, in dem treulosen Verlassen seiner Gemeinschaft. Wo der Eine, wahre, lebendige Gott nicht gefürchtet und geliebt wird, wo Gottlosigkeit wohnt, da wohnen auch alle jene Gräuel, gegen die das sechste Gebot eifert. Seht auf das Geschlecht vor der Sündflut, seht auf Sodom und Gomorrha, seht auf den Götzendienst der Heiden, ja selbst auf einen David in jenem Augenblicke, da er sich innerlich von seinem Herrn und Gott losgesagt. Welche Schandtaten kommen uns da zu Gesichte! Lest einmal das erste Kapitel des Briefes Pauli an die Römer, und Ihr werdet inne werden, wohin es mit dem Menschen kommen, wie tief er sinken kann, wenn er einmal erst den Einen, wahren Gott verlassen. Und so ist es bis auf den heutigen Tag überall, wo man es, statt mit dem heiligen Gott, mit der Welt und ihren Götzen hält.
II.
Doch, wie versündigt man sich heutiges Tages noch gegen das sechste Gebot? Das lasst uns nun im zweiten Teile unserer Betrachtung zu erkennen suchen. Wäre in dem sechsten Gebote nur der tatsächliche Ehebruch und die grobe Unzucht und Unreinigkeit gemeint und träten die Sünden gegen das sechste Gebot uns jedes Mal in ihrer waren, hässlichen Gestalt, in ihrem gräulichen Wesen und in ihren furchtbaren Folgen vor die Augen, dann bedürfte es dieses Punktes in der Predigt nicht, dann hätte es weniger Gefahr. Denn davor würde man sich schon aus einem gewissen Gefühle des Anstandes, aus Furcht vor üblem Rufe oder vor den traurigen Folgen hüten; wiewohl eine Keuschheit und Züchtigkeit, aus solchen Gründen hergenommen, vor Gott nichts mehr und nichts besser ist, als das Gegenteil davon. Aber es treten der Ehebruch und die Sünde gegen das sechste Gebot nicht gerade so schandbar und nicht gerade in ihrer eigentlichen, gräulichen Gestalt auf. Sie nehmen oft ein ganz anständiges und feines Gewand an. Sie haben oft ein so empfindsames Ohr; sie können es nicht ertragen, wenn das Wort Gottes die Sünde beim rechten Namen nennt. Lauter Feinheit und Zartheit im Ausdruck, inwendig aber voller Moder und Graus, voll Gräuel. Ja, geschminkt und geputzt, wohlanständig und weltgefällig schreitet die Sünde und die böse Lust einher und ist eben darum umso gefährlicher. Ich bitte Euch, bedenkt doch einmal genauer, was an jenem Sinne ist, der für die Kunst und für alles Schöne so begeistert sich stellt, der von Musik und schönen Bildern, von geistreichen Büchern und Gedichten, vom Schauspiele und Tanze nicht genug sprechen, der das Alles statt des lebendigen Gottes anbeten kann. Ach oft, gar oft ist ein solches sich Begeistert stellen nur der Deckmantel für die gemeinste Augenluft und Fleischeslust. Nicht das wahrhaft Schöne ist es, was solche Gemüter einnimmt, sondern nur das, was in jenen Dingen ihre unreine Luft befriedigt. Nur zu leicht stimmt man in ein solches Begeistert sein von der Kunst und von allem Schönen mit ein. Ja, man nimmt gar keinen Anstand, auch die jungen Seelen, die eigenen Kinder, dies und jenes sehen, hören und lesen zu lassen, ohne auch einmal daran zu denken, was sie für Eindrücke davon in ihren. Herzen bekommen werden. O wenn doch manche Mutter daran dächte, in welches Schauspiel sie ihre Tochter hat gehen lassen oder gar mitbegleitet; wenn doch mancher Vater sich erinnerte, welche Bücher er seinem Sohne hat lesen lassen, oder wie oft er sich wenigstens nicht darum bekümmerte! Freilich man weiß sich zu entschuldigen; es geschah um der Musik und um dieses und jenes willen, heißt es. Liebloses Elternherz! Daran denkest Du, wie Du die Deinigen mit den Eitelkeiten der Welt bekannt machen, wie Du ihre Kunstfertigkeiten ausbilden und mit ihnen vor der Welt glänzen, wie Du ihnen einen Sinnenkitzel verschaffen kannst; aber wie ihre Seelen verunreiniget, vergiftet und gemordet werden, das rührt Dich nicht! Und geschieht dies nicht so oft, so oft bei dem, was man in der Welt erlaubte und unschuldige Lebensgenüsse nennt? Man freut sich z. B., wenn die eigenen Kinder schon so früh als möglich in der Gesellschaft aufzutreten verstehen; man gibt sich alle Mühe, ihnen die Gelegenheit zu verschaffen, wo sie Lebensart und die Sitten der Welt lernen können; man hat ein Wohlgefallen daran, wenn sie mit Leichtigkeit und Gewandtheit sich im Umgange mit dem anderen Geschlechte benehmen können; man ist entzückt, wenn sie durch Witz und lose Rede, und was dergleichen mehr, Beifall einernten. Aber was sich dabei in die jungen Seelen einschleichet, die unreinen Neigungen und Begierden, die Eitelkeit und Gefallsucht, die leichtfertigen, schamlosen Gedanken, die sündlichen Bilder der Augenlust und Fleischeslust, und wohl gar statt der heiligen Scheu die freche Verachtung des anderen Geschlechtes, die vor der Welt und in der Gesellschaft, gleichen oder höheren Standes, den Deckmantel der Höflichkeit annimmt, unbeachtet aber und gegen Niedere in zügellose Frechheit ausbricht, das zu sehen, darauf zu merken, darüber besorgt zu sein, da hat man keine Augen, da hat man kein Herz! Wie gern schmeichelt man sich da mit dem Gedanken: die Seelen sind ja noch so rein, man kann ihnen das Alles ja schon gönnen, dem Reinen ist Alles rein. Das ist wohl wahr: dem Reinen ist alles rein. Aber seid Ihr denn rein? Oder müssen Eure Kinder durchaus rein sein, weil sie gerade Eure Kinder sind? O traurige Selbsttäuschung, welche der furchtbaren Wahrheit vergessen kann, dass aus dem Herzen alle die argen Gedanken kommen, und dass des Menschen Dichten und Trachten böse ist von Jugend auf. O Seelen mordende Zärtlichkeit, welche in dem Wahne, das Ihrige sei rein, selbst die Hand dazu bietet, die unreinen Lüste und Begierden des Herzens zu nähren. O Herz zerreißende Sicherheit, welche, statt über das Verderben der eigenen und Anderer Seele zu wachen und sie vor der Versuchung auszuhüten, sorglos schläft und von Unschuld und Reinheit träumt. So ist es aber mit dem heuchlerischen Weltsinne! Werden ihm die strengen Anforderungen des göttlichen Gesetzes gepredigt, da heißt es, wir sind keine Engel! da ist lauter Schwachheit und Gebrechlichkeit. Hält man ihm wiederum seine Schwachheit vor, warnt man ihn vor Versuchungen, sagt man ihm, er soll die Gelegenheit fliehen: dann heißt es, dem Reinen ist Alles rein! - dann sind die Leute lauter Tugendhelden, lauter Engel. Das ist die Art des ehebrecherischen Geschlechtes.
Glaubt nicht, meine Freunde, dass solch ernster und warnender Zuruf aus einer verdüsterten Lebensansicht komme, welche den jungen Seelen keine Freude und Fröhlichkeit gönnte, was man leider aus Sündenlust und Sündenliebe dem Evangelio noch heute vorwirft. Ach, gebe Gott, es kehrte die rechte Fröhlichkeit und Munterkeit in die Herzen unserer Jugend ein; gebe Gott, sie fänden ein Gefallen an den kindlichen Freuden ihres Alters. Das würde auch uns froh machen! Aber eben dies, dass ein großer Teil der jungen Seelen daran keinen Gefallen findet, dass überall ein Hinausstreben aus ihrem Kreise sichtbar wird, dass sie nach den Eitelkeiten der großen Welt gaffen und jagen, dass Kopf und Herz von allem Möglichen voll ist, nur nicht von dem, was für ihr Alter und für ihren Lebenskreis gehört (hört nur auf ihre Gespräche und Unterhaltungen in müßigen Stunden), und dass dabei der Sinn für alles Ernste, für alles wahrhaft Gute und Höhere doch stumpf und tot, matt und träge ist, das, das ist es, warum es des ernsten und warnenden Zurufes an Alle bedarf, denen der Herr Seelen anvertraut hat; das ist es, warum wir täglich zu wachen und aufzumerken haben, was es mit den Sünden gegen das sechste Gebot auch schon bei unserer Jugend auf sich habe. Denn gerade diese Sünden sind es, die den allergrässlichsten Einfluss auf die jungen Seelen üben; sie sind es, die wie eine Pest die frischen Kräfte des Leibes und der Seele hinraffen und Mark und Bein verzehren. Dann geschieht es, dass der Leib für alle Krankheiten empfänglich wird; dann geschieht es, dass die wahre jugendliche Heiterkeit schwindet und statt dessen Schläfrigkeit und dumpfes, grillenhaftes Hinbrüten sich des ganzen Wesens bemeistert. Und was soll ich noch mehr von dem Fluche und von der Strafe sagen, womit jene Sünden den Übertreter lohnen? Schrecklich genug predigt dies die tägliche Erfahrung.
Aber, Christen, hüten wir uns, dass bei dem Besorgtsein für die unserigen und für andere Seelen uns nicht das Wort des Herrn treffe: Was siehst du den Splitter in deines Bruders Auge und wirst nicht gewahr des Balkens in deinem Auge? Die Hand aufs Herz: von wem hat es denn die Jugend, an wem sieht und lernt sie es? Wie steht es mit uns selbst in diesen Sachen? Wer ein Weib ansieht, spricht der Herr, ihrer zu begehren, der hat schon mit ihr die Ehe gebrochen in seinem Herzen. Und wir sollen keusch und züchtig leben in Worten und Werken, ein jeglicher soll sein Gemahl lieben und ehren. Haben wir dieses Wort alle Tage vor Augen gehabt? Ist jedes unserer Worte und Gebärden keusch und züchtig gewesen? Hat ein jeglicher sein Gemahl nicht allein geliebt, sondern auch geehrt, geehrt mit heiliger Scheu und Achtung, und nicht verletzt und beleidigt? Haben die Unsrigen an unserem ganzen Wesen nur Keuschheit und Züchtigkeit sehen und lernen können? Und weiter: haben wir uns rein gehalten von jeglichem unlauteren Gedanken? Oder haben wir nicht mit Lust nachgehangen den sündlichen Bildern einer befleckten Phantasie und uns Stunden lang vielleicht in Träumereien von Augenlust und Fleischeslust und allerhand eitlen Dingen gehen lassen? Haben wir nicht ein Gefallen gehabt an Worten und Werken, welche jene Lust reizten? Es klagen so viele Seelen, dass sie von unreinen und sündlichen Gedanken nicht loskommen können; es seufzen so Manche unter der Hitze der Anfechtung, die sie von dem Heiligsten abziehet, die ihr Gebet stört, die mit bösen Gedanken und Lüsten sie immerfort heimsucht. Habt Ihr es auch bedacht, wovon solche Anfechtung die Frucht ist? Habt Ihr auch jemals von Herzen bereuet die Sünden Eurer Jugend und alle die Eitelkeiten und sündlichen Dinge, denen Ihr nachher so willig Eure Herzen geöffnet? Oder geht nicht am Ende noch gar manche Seele leichtfertig darüber weg und denkt: es hat ja mit den Gedanken nichts auf sich, es sieht und kennt sie ja niemand, es ist genug, wenn man nur von außen ehrbar und züchtig erscheint. irret Euch nicht, die Ihr vielleicht heute noch so denkt. Irrt Euch nicht, denn es gibt Einen, dessen Augen wie Feuerflammen sehen. Es gibt Einen, der auf jeden Gedanken und auf jede Lust in unserem Herzen merkt. Und es kommt ein Tag, wo Er auch den verborgensten Rat der Herzen offenbaren wird. Da werden sie abgerissen werden jene Larven und Masken, mit denen die Welt ihre Augenlust und Fleischeslust zu bedecken sucht; da wird sie abfallen die Hülle der bloß äußerlichen Anständigkeit und Sittsamkeit; da werden sie herausgerissen werden aus ihren Schlupfwinkeln die ehebrecherischen Gedanken, die, im Geheimen genährt, nicht wagten an das Licht zu kommen; ja, da wirst du nackt und bloß dastehen, o Seele, vor den Augen des Herrn und vor aller Welt; da wird es offenbar werden, was du heute und gestern, was du des Morgens und Abends, was du auf den Gassen und auf deiner Kammer gedacht und in deinem Herzen bewegt und genährt hast!!
O, meine Lieben, wollen wir uns selber richten, auf dass wir einst nicht gerichtet werden! Heute, heute noch lasst uns mit David Buße tun, und vor dem Herrn enthüllen unser innerstes Herz, und nichts zurückbehalten, nichts verhehlen und verbergen. Heute noch lasst uns bekennen unsere Sünden in Gedanken, Worten und Werken, und suchen und fragen: wer erlöst uns von dem Fluche, der jeden Übertreter des sechsten Gebotes trifft? Wer hilft uns heraus aus den ehebrecherischen Gedanken? Wer schafft in uns ein reines Herz und gibt uns einen neuen, gewissen Geist, auf dass wir nicht verworfen werden von Gottes Angesicht, sondern ihn schauen mögen? Denn selig sind nur die, die reines Herzens sind, sie werden Gott schauen.
III.
Nun, wohin sollen unsere Augen sehen, zu wem anders sollten wir gehen, als zu Ihm, der zu der Ehebrecherin sprach: hat dich niemand verdammet, nun so verdamme ich dich auch nicht! Haben wir nicht schon die Übertretungen der fünf anderen Gebote Ihm geklagt? Haben wir nicht schon unser anderes Sünden-Elend Ihm gebracht und zu seinen Füßen gelegt? Hat Er nicht schon alle anderen Schulden von uns genommen und auf seine Schulter geladen? Ja, wahrhaftig, Er ist das Lamm Gottes, welches der Welt Sünden trägt! Auch diese Sünden und Gräuel, die uns das sechste Gebot vor die Seele führt, auch sie hat Jesus, der wahrhaftige Gott und das ewige Leben, tragen müssen. Ach, schrecklich ist es, zu sagen! Er, der von keiner Sünde wusste; Er, in dessen reine, heilige Seele kein unreiner Gedanke gekommen, dessen Mund nie ein ungöttliches Wort gesprochen, dessen Auge nie einen unlauteren Blick getan; Er, dessen ganzes Wesen voll Gottes Heiligkeit, voll Gnade und Wahrheit war, Er hat die Schandtaten der bis zum Tiere des Feldes gesunkenen Menschen auf sich nehmen, Er hat meine und deine und unser Aller böse Lüste und Begierden tragen müssen. Er ist voll Schmerzen und Krankheit gewesen um unserer ehebrecherischen Gedanken willen. - Siehe Ihn an, den Mann der Schmerzen, an eine Säule gebunden und seinen heiligen Rücken zerfleischet von Geißelhieben! Deine Augenlust und Fleischeslust, Deine ehebrecherischen Gedanken, die geißeln Ihn, die schlagen Ihm Wunden. Dein ungöttliches Wesen und Deine weltlichen Lüste, die straft der heilige und gerechte Gott an dem Leibe seines eingebornen Sohnes. Willst Du nun glauben an den Zorn des gerechten Gottes über alles ungerechte Wesen? Christen, werden wir es nun verstehen, dass es auch mit dem unreinen Gedanken des Herzens nichts Geringes auf sich habe? Wenn das am grünen Holze geschieht, was wird es am dürren werden?! Ach, hätte der heilige und gerechte Gott, was seine Menschenkinder gegen Ihn gesündigt und gefrevelt, an ihnen strafen wollen, wie sich's gebührt, hätte Er an uns heimgesucht unsere Sünden und Missetaten, wo wären wir geblieben? Er hat Geduld gehabt bis auf jenen Tag der Offenbarung seines gerechten Zornes; er hat Erbarmen, unaussprechliches Erbarmen gehabt. Denn was der Sünder in Ewigkeit nicht hätte tragen können, dass hat Er seinem Sohne zu tragen gegeben, den ganzen Zorn, den ganzen Fluch, die ganze Strafe. Er hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, auf dass wir in Ihm würden die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt. Deine Sünden und Übertretungen, Deine bösen Lüfte und Begierden, Jesus, der Herr der Herrlichkeit, Dein Gott und Schöpfer, hat sie getragen. Er hat sich nicht geschämt, in Dein sündliches Fleisch zu kommen, Er hat sich nicht geweigert, unsere Sünden und Gräuel an sich strafen zu lassen. Nun, o Seele, gehe in dich; aber nun fasse auch Mut! Was auch bisher in dir gewesen, wie tief du gefallen, wie umstricket du auch von Satans Banden gewesen, wie schwach und ohnmächtig du auch noch jetzt in den Banden der Augenlust und Fleischeslust seufzt, wie gräulich du dir auch selbst vorkommst, du kannst, du darfst, du sollst, wie du bist, mit deinem ganzen Elende zu Jesu kommen; du kannst Ihm sagen deine Not; du darfst Ihm bekennen alle Deine Sünden. Er schämt sich deiner nicht; Er verdammet dich nicht; Er ist gekommen, zu suchen, was verloren ist, Er ist gekommen Sünder selig zu machen; Er nimmt dich an; Er reiniget dich mit seinem Blute; Er vergibt dir alle deine Sünden; Er heilt alle deine Gebrechen; er gibt dir ein reines Herz und einen neuen, gewissen Geist. Komm nur! Und bist du gekommen und bist du gereinigt, dann vergiss, o vergiss nicht um deiner Seligkeit willen den Mann der Schmerzen. Präge dir das Bild deines blutig gegeißelten Heilandes tief in die Seele! Trage es mit dir, wo du gehst und stehst. Und ficht dich dann ein ehebrecherischer Gedanke an, will die unreine Lust und Begierde sich wieder in deiner Seele erheben, auf Ihn, den Schmerzensmann, auf seine Wunden und Striemen richte das Auge. Wie sollte ich ein solch großes Übel tun und meinen Heiland von Neuem geißeln! Ach, jeder unreine Gedanke, dem ich mich mit Lust hingebe, ist ein Geißelhieb auf seinen heiligen Leib! so sprich, so bete, so flehe um Kraft in der Anfechtung und Versuchung, und der Versucher muss weichen. Du gehst mit Joseph als Sieger aus der Versuchung hervor; du kannst, ja, wahrhaftig! du kannst in Christi Kraft das Sünden-Auge ausreißen und die Sünden-Hand abhauen.
Mit diesem und mit nichts anderem lasst uns denn auch, meine Lieben, unsere Kinder und die jungen Seelen waffnen gegen die Versündigungen am sechsten Gebote und gegen die listigen Anläufe des Teufels. Christum, den Schmerzensmann, den müssen sie in ihren Herzen haben, sonst ist alles Warnen und Ermahnen vergeblich. Haben sie Christum nicht, so haben sie den Versucher überall, wo sie gehen und stehen. Haben sie aber Christum, so können wir getrost sein. Verstehen sie erst das von Herzen zu beten: lass mir nie kommen aus dem Sinne, wie viel es Dich gekostet, dass ich erlöst bin! dann werden sie wachen, dann werden sie im Schweiße des Angesichtes die fleischlichen Gedanken und Begierden kreuzigen, dann werden sie in der Stunde der Versuchung mit Joseph sprechen, wie könnt' ich ein solch' groß Übel tun und wider den Herrn meinen Gott fündigen! und werden die Frucht und den Lohn eines reinen Herzens davon tragen, der Seelen Seligkeit im Anschauen Gottes. Nun, das gebe der Herr aus seiner Gnade und Barmherzigkeit uns und unseren Kindern! Amen.