Harms, Claus - Das Vater Unser in 11 Predigten - Die zehnte Predigt.

Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

Gesang 101. Weicht, ihr Berge! fallt, ihr Hügel!

Welcher Bund? Ihr hört es gern, Brüder nach unserem Glauben, und unsrer heutigen Andacht Genossen, ihr hört es gerne, dass ich die Frag' erheb' und gebe Antwort auf sie. Die Antwort liegt gar nah, wir brauchen nur einen Gesangvers zu wiederholen, den zweiten. Erbauen wir uns denn noch einmal an ihm:

„Gnade hat er mir versprochen,
Dieses ist sein Bund mit mir;
Dieser Bund wird nie gebrochen,
Seine Treue bürgt dafür.
Erd' und Himmel mag vergehen,
Was er zusagt, muss geschehen.“ 1)

Wollen wir auch das Wort „mag“ - Erd' und Himmel mag vergehen - aus seiner Unbestimmtheit herausziehen. Es soll nicht heißen: Wenn es geschieht, falls es geschieht, so gescheh' es, damit würde in seinem Bunde nichts verändert werden. Nicht also, sondern es ist das Wort „mag“ zu nehmen: Sie werden vergehen, das bleiet nicht aus, aber wieviel auch mit dieser Vergängnis vergeht, mit diesem Sturze zugleich stürzt, mit den weichenden Bergen, mit den fallenden Hügeln, mit den einstürzenden Felsen zugleich, seine Vatertreue wanket nicht, oder wie es in einem anderen Gesange heißt, in 621: „Alles Ding währt seine Zeit, Gottes Lieb' in Ewigkeit.“ Ist's nicht, als wenn des Vaterunsers Schluss hier von selbst kommt und will an solches Wort angeschlossen werden? Er werd' es, denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit - nach der lateinischen Sprache, die hier so ausholenden Klanges ist, in saecula saeculorum. Amen.

Und dieser Schluss des teuren Gebetes, wisst ihr, soll heute unsere Predigt sein. Ihr seid es, merke ich, noch nicht müde, Vaterunser-Predigten zu hören. Nun, ich bins auch nicht müde sie zu halten, so wenig, dass wenn Gott will, noch eine folgen soll auf die heutige; gleichwie eine vorauf ging in Betreff des Vaterunsers, ebenso möge auch eine nachfolgen in Betreff desselben. Ihr werdet auch gewiss noch diese Probe eurer Aufmerksamkeit wohl bestehen; selbst gedient sein wird eurer Aufmerksamkeit, wenn wir unter anderen alsdann darüber sprechen, wiefern es verstattet sei, mit den Worten des Vaterunsers zugleich um andere Dinge zu bitten, die auf dem Herzen und Gewissen liegen, ebenso, da bei allen kirchlichen Handlungen ja das Vaterunser gesprochen wird, wie diese Handlungen dem Worte unsers Gebets näher gebracht werden und nicht außer Verbindung bleiben, indem nicht der denkende Geist allein sondern das andächtige Herz ebenfalls Zusammenhang liebt und Einklang. Zu seiner Zeit also davon. Heute sei'n es die Schlussworte des Vaterunsers. Einige erinnern wohl, was ich von ihnen sagte in der Einleitungs- oder Vorbereitungs-Predigt, dass es mit diesen Worten nicht ganz seine Richtigkeit hätte, ob sie von Christo gegeben seien oder nicht. Heute, und noch im Vorwege dies, wie verhält sich die Sache? Die protestantische Kirche geht mit offener Tür um, hat vor ihren Mitgliedern kein Geheimnis. Wie sich beim Evangelisten Lukas, Kap. 11, diese Worte nicht finden, so auch in den reinsten ältesten Abschriften des Evangelisten Matthäus nicht, so haben sie auch die älteren Kirchenlehrer nicht, von denen das Vaterunser erklärt worden ist. Diese Nachricht wird uns von gelehrten und gläubigen Schriftforschern aus alter und neuer Zeit gegeben. Neben ihnen stehen allerdings andere achtbare Männer, welche die Echtheit, die Herkunft von Christo zu verteidigen suchen und namentlich hinweisen auf geschätzte Abschriften und Übersetzungen aus recht sehr alter Zeit, darin dieser Schluss des Vaterunsers doch vorkomme. Wie sind wir nun aber daran? Wenn überhaupt es jemandes Vermögen und Sache ist, das Richtige rein auszumitteln und es zweifelfrei vorzustellen, so haben wir doch unsres Amtes und Orts diese Obliegenheit nicht, finden auch eben keine Notwendigkeit, dies in unbestreitbarer Ausgemachtheit setzen zu müssen, sprechen vielmehr gerne mit einem gelehrten und christgläubigen Mann unsrer Zeit: Wären die letzten Worte denn auch vom Munde Christi nicht, so sind sie aus seinem Leben doch, und hätten die Apostel oder die Kirche nach ihnen dies Lob hinzugesetzt, so wäre es doch mit demselbigen Geiste getan, welcher Gottes Namen, Reich und Willen verherrlicht. Ohne uns als Nachhelfer, Nachbesserer des Meisters aufwerfen zu wollen, wir Schüler, was ungebührlich wäre, glauben wir doch alle die Gebühr nicht zu verletzen und die Ziemlichkeit nicht, wenn wir dies noch sagen dazu: Im betenden Herzen liegt ein solcher Schluss, und mit seinen Worten hat der Herr unsere Worte, diese Worte frei gemacht und sie hervorgerufen, er selber, und hat sie erhalten bei ihrer Heiligkeit und Erbaulichkeit, die davon ausgegangen ist, seit so vielen Jahrhunderten, gleich dem Anfang und den sieben Bitten des Gebets, wie wir es zur Stelle beten wollen ganz und durch Andacht uns näher bereiten auf eine fromme Betrachtung.

Vaterunser.

Nach mehrmalen befolgter Weise, dass wir in der Predigt den einzelnen Satz an seine Stelle bringen, da vornehmlich er hingehört und tut seinen Dienst da, so gescheh' auch heute mit den Schlussworten, die wir denn nehmen

1) als zu Gott gesprochen und als ihm vorgehaltenen Grund, dass er unsere Bitte erhöre;
2) als zu uns gesprochen, als uns vorgehaltenen Grund, dass wir mit Zuversicht beten;
3) als gesprochen, wohin es geht, ohne besonderen Grund, aus Lust und Wohlgefallen am Lobe Gottes.

I.

Wir wollen unsere Red' in Allem tragen lassen von den fünf Worten, die der Schluss enthält: Reich, Kraft, Herrlichkeit, Ewigkeit, Amen. In dem ersten Teil unsrer Rede denn die Schlussworte nehmend als zu Gott gesprochen und als ihm vorgehaltenen Grund, dass er unser Gebet erhöre, da sagen wir zuerst:

Denn dein ist das Reich. Es ist wahr, mit solcher Äußerung wird Gott nahe getreten, ein Bedenklicher möchte meinen, zu nah'. Ein Siehe da! ist es, wenn wir sagen, denn dein ist das Reich, und mit dem Wörtlein denn setzen wir den Fuß gleichsam auf eine Stufe des Throns, darauf er sitzt, ihn erinnernd an seine Sache, die es ist, und nicht unsere allein, wie er auch möge dasjenige, was wir bitten, betrachten als woran ihm liegt, liegen müsse gleichfalls, es betrifft, es gilt sein Reich. Wie würd' es in der Welt zugehen, die doch ja seine Schöpfung ist, und auf dem Gnadengebiet zugehen, das seine Stiftung auf der Erde ist, wenn er den sich gegebenen Vaternamen nicht selber auf den Menschenlippen bewahrte? wenn er nichts dazu täte, dass sein Reich sich mehrte? wenn er es geschehen ließe, dass sein Wille nicht geschähe? Und so weiter nach allen sieben Bitten, wie würd' es werden, wenn er nicht darein sähe, griffe? Kein Jahr würde vergehen, so kehrte sich alles Untere nach oben, das Leblose erhöbe sich wider das Lebendige, das Unvernünftige brächte die vernünftige Menschheit in seine Gewalt zum Verschlingen, die Bösen machten die Guten zu ihren Sklaven, Recht und Gerechtigkeit würden auf Erden wie weggewischt sein und Gott nicht mehr Gott sein, es würde gar kein Gott sein. Darum rufen wir ihn an, rufen ihn auf. Wir sind nicht David, der spricht mehrmals vor Gott: Mache dich auf, Ps. 82, Gott, mache dich auf und richte das Land; denn du bist Erbherr über alle Heiden. Hier auch das kühne Wort: „denn.“ Denn wir sind unsrer Sache so gewiss, als jener Beter es war, dass wir dürfen so sprechen, jeder Vaterunser-Beter darf so sprechen. In welcher Sache er spricht, das sagt ihm ja das Vaterunser als ein nicht von ihm erdachtes und gemachtes sondern als ein von Gott selbst durch seinen Sohn ihm gebrachtes Gebet. Der es spricht, tut's in Gehorsam, tritt mit demselben, so oft er's über seine Lippen kommen lässt, auf das Gebiet Gottes, in das Reich Gottes, tritt unter Untertanspflicht und befolgt gegebene Vorschriften, darum darf er auch Grund vorhalten, weswegen die befohlene Bitte auf Erhörung zu rechnen hätte, sagend vor Gott: Denn dein ist das Reich und die Kraft. Wir nehmen das Schlusswort als zu Gott gesprochen und als ihm vorgehaltenen Erhörungsgrund. Gott ist kein König, wie es die auf Erden sind, manchmal ein großes Reich und kleine Macht habende, deren einer einmal gesagt hat zu einer flehenden Frau, sie: Hilf mir, mein Herr König! er: Hilft dir der Herr nicht, woher soll ich dir helfen? von der Tenne oder von der Kelter? 2 Kön. 6. Damit sprach er seine Unkraft und die Kraft Gottes aus. Ob sie eine Stelle habe in der Welt und anzuwenden auf der Erde, die Kraft Gottes? I wohl, denn obgleich ursprünglich alle Kraft von ihm, so wird doch manche verliehene Kraft wider ihn gebraucht, hemmend, hindernd, mindernd, was nach Gottes Willen geschehen sollte, und störend, was Gott aufgebaut. Wir brauchen nicht aus der Stadt zu gehen, nicht aus der Tür, um das zu sehen. Soll dem denn nicht Wandel geschafft werden? dem Unwesen, das freilich von selbst austobt und sich in selbstgegrabene Gräber begräbt, das aber mitnimmt, mitzieht, was eines längeren Bestandes wert ist und manchmal eine Zierde in der Welt heißet mit Wahrheit, des' Leuchten im Lichte Gottes ist? Darum halten wir Gott sein Wort vor und erinnern ihn, dass er seine Kraft möge lassen ausgehen von seinem Stuhl, die er hat, brechend allen bösen Rat, und was wider ihn sich erhoben hat, das in den Staub legend, und lasse sich Herrschaft wie Herrlichkeit nicht nehmen.

Und die Herrlichkeit, die auch kaum anders wird erkannt werden, als wenn sie in Machttaten uns vor Augen tritt. Ja, Teure, der Glaube genügt nicht, das Überzeugtsein befriedigt nicht. Moses kannte Gott wohl, doch sprach er: Lass mich deine Herrlichkeit sehen. In der Weise, wie er sie zu sehen bekam, 2 Mos. 33 am Ende zu lesen, begehren wir's nicht, möchten's auch ohne besondere Gnade dabei nicht ertragen, aber in Werken der Gotteshand und im Austun unsrer Augen für seine Hand in solchen Werken, dass wir sehen, hierin wird sie erkannt, und wie die Augen erleuchtet werden, geht der Mund im Ruhme Gottes auf, bereitet der Herr sich bei seinen Geschöpfen ein Lob. Sprüchw. 16: Er hat Alles erschaffen um seinetwillen. Nun denn! sprechen wir vor Gott, halten ihm vor, was er habe zu tun nach uns gegebener Verheißung und auf sich genommener Verpflichtung, und unterwinden uns zu brauchen das „denn“: Denn dein ist die Herrlichkeit. Willst du an uns auch deine Herrlichkeit haben, dann lasse sie uns sehen vor uns, tue dann wie du es hast wollen von uns gebeten haben. Mit seinen Augen sieht jedes Menschengeschlecht und will nicht von den Blättern mit früheren Taten beschrieben allein lesen. Zwar ist dessen kein Geringes noch Weniges, was uns aufbewahrt worden ist durch Schrift. Diese hier, kein dünn Buch, ist eine heilige Schrift auch wegen der darin glaubhaft verzeichneten Gottestaten, für Israel die Menge. Und was noch stärker als der brennende Busch und die Blitze auf Sinai samt der vorausziehenden Feuersäule leuchtet, - in des beginnenden neuen Bundes Zeit die Erscheinung des Sohnes Gottes als Mensch auf der Erde, da der als Hohepriester in die heilige Hütte trat und pflegte der wahrhaftigen Güter, Hebr. 8, zu welchem allen das frühere als Schatten nur steht und schwaches Abbild, das haben wir freilich. Allein, wie alle Entfernung das Große klein macht und gleichwie der Väter Erzählungen die Kinder leicht Märlein dünken, so bleibts nötig für und für, dass Gott tue, was er getan, und trete nicht zurück. Soll sein Reich und seine Kraft und seine Herrlichkeit fortbestehen auf der Erde, so muss er sich als Jehovah weisen: Ich bin, der ich sein werde, und seine Herrlichkeit jedem neuen Geschlecht immer von Neuem unter die Augen stellen. Das ist unser Vorhalten an ihn, wann wir den Schluss des Vaterunsers beten und sprechen: in Ewigkeit. Gott, du bist kein gewesener Gott, bist noch, was je und wirst es ewig sein; darum so wollest du das Vergangene und Gegenwärtige, das du neu hinzu tust, tragen in die werdenden Zeiten hin, unbezeugt dich in keinem Menschenalter lassen. Der du, und von allen Wesen alleine, das große Gefäß Ewigkeit hast, fülle das immerdar und erfüll' auch dies kleine Gefäß unsrer Bitte, das an jenem großen wie am Eimer der Tropfen hängt. Was du auf unsere Lippen gelegt, das gehe von deinem Thron zum Zeichen, dass du darauf sitzt. Amen.

Amen das letzte Wort. Ist's unser? ist's Gottes? Es ist ja Gottes, von ihm wird gesprochen: Es ist so, ja, geschehen soll so. Da sprechen wir denn und zu Gott, und halten sein eigenes Wort ihm vor als Grund, warum er tun müsse, wie gebetet ist, und könne uns solche Bitte nicht versagen. Der den Spott sich verbeten hat, dass sich keiner solle irren, Gal. 6, als dürfe er Gott spotten, o derselbige spottet nimmermehr unser, heißt uns nicht bitten, was er zu gewähren doch nicht denkt. Freilich, schreiten wir aus dem Vaterunser, schreiten wir über dasselbe hinaus, um etwas anderes betend, um mehr betend, dann können wir auf das Amen uns nicht als auf getane Zusage berufen, nein, aber der Beter dieses Gebets, bis dahin gesenkten Haupts, hebet in diesem Wort sein Haupt auf und blicket Gott ins Angesicht und spricht: Es ist ja deine Ehre, himmlischer Vater, und dein zu lösendes Wort; getan, wie befohlen, darf nicht ungeschehen bleiben, was verheißen ist, von mir ab, auf dich gelegt ist hiermit die Sache.

II.

Ich weiß wohl, meine Lieben, weiß wohl, dass wir alle sehr wenig gewohnt sind in der Sache Gottes, für die Sache zu beten, obgleich eben am Vaterunser sich unser Selbst brechen sollte, wie es insonderheit uns in der Predigt über die erste Bitte gewiesen worden. Wie Matth. 6 von den Almosen gesagt wird: Habt Acht auf sie! so sollten wir auch auf unsere Gebete Acht haben und nicht immer in eigener Angelegenheit vor Gott treten. Viel Herablassung Gottes, dass er uns in diesem Gebete vier Plätze gelassen hat, Einen mehr, als er selbst genommen. Nun es ist seine Verherrlichung auch wiederum, wenn er unserem Begehren auf unsere Bitten väterlich abhilft. Wir gehen zu dem zweiten Teil der heutigen Predigt. Den Schluss des Vaterunsers nehmen wir als gesprochen zu uns, als uns vorgehaltenen Grund, dass wir sollen mit Zuversicht bitten, nach dem Katechismus: mit aller Zuversicht, wie die lieben Kinder ihren lieben Vater bitten. Da ist der Grund unser Kindsein und sein Vatersein, hier, im Vaterunser - Schluss, sollen wir uns fünf andere Gründe vorhalten, mit dem Wörtlein „denn“ werden sie als Gründe unsrer Zuversicht beleuchtet; es ist ein heller Strahl, der auf sie fällt.

Denn dein ist das Reich. Tretet, ihr bedenklichen Beter, her mit eurer Bedenklichkeit; ob's auch unter dem Himmel zugehe nach Gottes Willen, ob Gott auch seine Herrschaft aufgegeben habe und lasse die Dinge gehen, wie sie wollen, oder wie sie von Menschen gelenkt werden, dass sie so sollen. Dieserhalb wollt ihr nicht gern ein Vergebliches tun, euch täuschend, eure Seelen aufhaltend mit leeren Hoffnungen. Ein Bedenken, das keinem zu verdenken wäre, der bloß die Weltanschauung hätte, aber unaufgegangene Augen hätte für das verborgene Gotteswalten in der Welt. Wonach sieht es denn in der Welt aus? was wirst du in dem vor dir aufgestellten Panorama gewahr? Nein, wir können uns, wollen uns auf Erscheinungen, Erfahrungen nicht einlassen, die den Betmund viel öfter schließen als auftun. Da ist schon vor Alters gesagt: Es gibt Gerechte, denen geht es, als hätten sie die Werke der Gottlosen, und es gibt Gottlose, denen geht es, als wenn sie die Werke der Gerechten hätten, und abermals: Es ist umsonst, dass man Gott dient. Das letztere Wort bei dem letzten Propheten, das erstere im Prediger Salomon. Wir lassen uns auf gemachte Erfahrungen nicht ein, sonst könnten wir wohl mit hundert vom Gegenteil über zehn, mit tausend vom Gegenteil über hundert kommen, wie es doch nicht umsonst sei, dass man Gott dient, und nicht vergeblich sei, dass man betet. Was haben wir denn außer gemachten Erfahrungen? Glauben haben wir, meine Lieben, Glauben, den Glauben des dritten Hauptstücks im Katechismus. Das zweite Hauptstück führt die Überschrift: Vom christlichen Glauben, und das dritte könnte sie ebenfalls haben. Was ist mehr eine Glaubenssache als das Beten? und der Artikel, es ist ein Gott, wäre eine für sich nichts sagende Partikel, wenn hier nicht stände im Vaterunser: Denn dein ist das Reich. Was heißt das? Er ist dabei, darin, darüber, und was immer auch geschieht, wider ihn kann ein noch so großes und im Streiten wider ihn noch so geübtes Heer nichts ausrichten. Diesen Glauben sollen wir uns vorhalten als den Grund, weshalb wir mit Zuversicht beten, der Erhörung gewärtig. Sprechen wir denn das Vaterunser von seinem Anfang, da schon liegt, wie gesagt, ein Erhörungsgrund; sprechen wir eine Bitte nach der anderen, fünf, sechs, sieben Bitten, Betender, du willst so viel, möchtest die Welt umwandeln mit deinem Gebet und sie umgewandelt sehen so, dass alle Armen ihr Brot hätten und alle Sünden vergeben würden und keiner in Versuchung käme und jeder erlöst würde von dem Übel, es ist doch so viel, was du bittest? Antworte mir und dir: Ich weiß, wen ich bitte, und sage: Sein ist das Reich und die Kraft. Leeres Wort wäre das, wenn er auf unser Gebet nicht vorschreiben könnte, und eine unwürdige Vorstellung von Gott wäre es, wenn er sich mit der Welt und der Ordnung in ihr sich sollte die Hände gebunden haben, sich selbst den Jammer bewirkt haben um seinen seligen Thron, dass er den täglich um seinen Thron sich lagernden Bitten nicht abhelfen könnte. Gott oder Götze wäre in diesem Fall einerlei, denn dass Gott hört, der Götze freilich nicht hört, was ist mir damit gedient, dass er hört, wenn er nicht erhört, zum Erhören die Kraft nicht hat! Aber er hat sie, sein ist die Kraft, spricht mein Glaube, der nicht Maß hält, sondern nimmt alles mit, was irgend von anderen Kräften vorhanden ist im Himmel und auf Erden und unter der Erden, alle diese Kräfte auch sind seine, stehen ihm zu Gebot, müssen dienstbar werden, sobald er winkt, und zur Stelle tun, was er befiehlt. Der Odem seines Mundes ist es, der ausbläst und anbläst. Das bekennet von ihm mein Mund und spricht durch solch' Glaubensbekenntnis das Gebet tiefer in die Seel' hinein, da es bleibt, obwohl gen Himmel gestiegen, und harrt mit Zuversicht stille froh der Gewährung. Danach mein Gebet in andrer Gestalt nämlich als Dank hervorbricht und verherrlicht die Gotteskraft. Hört ihr dies, Glaubensschwache!

Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit. Alle Kraft verglichen mit seiner ist Ohnmacht, alle Herrlichkeit verglichen mit seiner ist Eitelkeit und Elend. Daher ist nur sie zu preisen. Die Rede kehrt sich an euch, die ihr mit eurer Bedenklichkeit und mit eurem schwachen Glauben als in einer finsteren Kammer sitzt, finstere Gemüter. Die Sommermorgensonne ist gleich schön, wenn wir Städter sie auch selten ansehen, und wie ihr Licht so ihre Wärme spendet sie auch ungelobt. So geht auch die Herrlichkeit Gottes einher auf Erden. Was hat die Kraft neben sich? Weisheit und Güte; eine Dreieinigkeit auch, verbunden mit einander die Herrlichkeit, mit Strahlen und Farben, die des Gläubigen Augen entzücken und er erträgt sie manchmal kaum. Nun, alsdann hält Gott, wie über Mosen einst, seine Hand über uns. Ich spreche: Des Gläubigen Augen, und will das denen gesagt haben, die ungläubiges Herzens und finstern Gemüts auch zu sehen begehren. Ihr werdet nichts sehen. Aber ihr könnt dann auch nicht beten, kein Vaterunser, denn dasselbe ist mit allen sieben Bitten auf Glauben gestellt an Gottes Reich, Kraft und Herrlichkeit. Wes' Seel' aber von dieser Herrlichkeit nur einen Strahl auffängt, woher er denn kommt, vielleicht aus diesem meinem Wort, derselbe weiß, was er für einen Gott hat und dass er einen hat, zu welchem er naht mit Zuversicht, heiter, hell im Gemüt, und kommt so heute, morgen, alle Tage.

Denn, was Gott ist, das ist er ewig. Menschen trifft man verändert nach Jahren, nach Tagen, nach Stunden manchmal, weshalb der sie zu bitten hat, wohl nach einer guten Stunde bei ihnen fragt. Beter, du darfst zu Gott in jeder Stunde kommen, und wie du gestern ihn gefunden hast, so ist er heute, so wird er morgen sein. Sollt's ja nicht, dann wird an dir es liegen, dass du nicht derselbige bist. Tröstlich ist uns, das zu wissen. Wie er Abraham sich gewiesen als Schild und Lohn, Mosen als Beistand und Durchhelfer, der betenden Hanna als gütigen Gewährer, David als Retter in so vielen Nöten, Hiskia als Arzt, Daniel als Beschützer vor den Löwen, ich greife nur Exempel auf in späterer Zeit: Der den Apostel Petrum aus dem Gefängnis gehen ließ und Paulum auf der See rettete, - Weg' hat er allenthalben, an Mitteln fehlt's ihm nie, - denselbigen Gott haben wir noch und sein Walten währet in Ewigkeit. In Ewigkeit, Betende von aller Gestalt, sagen wir uns das, halten wir uns das vor als guten Grund unsrer Zuversicht daran, habend welchen wir das Amen ergreifen als einen Grund auch.

Amen. Das letzte Wort und ein wundersam Wort. Nach allem Wortverstande ist es Gottes, doch ist es unser geworden durch Gabe Gottes. Wie wenn es die Namensschrift Gottes wäre auf einem weißen Blatt, darüber wir schreiben dürften, was wir wollten, indem er ja wüsste von uns, wir würden nichts schreiben, nichts bitten hier, als was er uns zu geben das Wohlgefallen hätte. Was ist das Amen doch eigentlich anders als ein Abtreten seiner Hoheit und Gottheit an uns Menschenkinder! Heißet ja Christus auch Amen. Betender, hast du das Amen bekommen? Was soll ich sagen, woran du erkennen kannst, dass du es wirklich hast? Es beugt deine Knie, es hebt deine Hände, es macht deine Augen hell und in deinem Herzen liegt's wie eine unaussprechliche Freude. Hast du so ein Amen? kannst du dies Amen mit dem Vaterunser in dich hineinsprechen, siehe, dann geschieht nach allen vier Bitten dir, dann ist dein Bitten nach den ersten drei nicht vergeblich, und schließen musst du, weil für ein ferneres Wort noch dein Mund keinen Laut hat, die Seele redet von dem an, wenn sie ja redet, was unaussprechlich ist, und es darum in sich beschließt.

III.

Wäre, wie ich gepredigt habe soweit über des Vaterunsers Schluss, in Angemessenheit zu demselben gepredigt, - unangemessen mein' ich nicht, - so müsste hier auch der Predigt Ende sein. Aber ich kann nicht wohl so enden, habt ihr mich auch ja ein drittes ankündigen hören. Der Schluss des Vaterunsers wird genommen als gesprochen wo immer auch hin, ohn' allen besonderen Grund, aus Lust und Wohlgefallen am Lobe Gottes lediglich. Da hat nun jede Seel' ihre eigne Weise, jeder Mund seine eigne Rede; als meiner Red' und Weise wollt dies hören:

Was stell' ich höher von diesen beiden? Ist der Gedanke mehr als das Wort? oder geht das Wort über den Gedanken? Du hast sowohl dieses wie jenen geschaffen, so will ich dich mit beiden anbeten, o Gott.

Da du wohnst, kann ich nicht hin, aber deine Leutseligkeit ist es, dass du zu mir kommst.

Herr, mein Gott, bringest du Leerheit oder Erfüllung? Siehe, mir ist nicht anders, als wenn Alles gewichen wäre vor deinem Nahen, dass ich selber auch nicht mehr bei mir bin.

Alles treibst du vor dir weg, bis auf den Staub in den Winkeln meiner Seele; Sorgen, Sünden, die sind weit entflohen.

Eines bleibt, diese betende Seele, und daran allein erkenne ich, dass ich noch ich bin, mein aber nicht mehr bin in dieser deiner Gegenwart.

Ich habe gewonnen und habe nicht verloren. O Gott, wie freu' ich mich, dass ich nicht mein bin, sondern dass ich dein bin.

Du hast den Fremdling in die Heimat gebracht; ich war ausgetreten, du hast mich in dein Reich wieder aufgenommen. Sie hielten mich wohl fest, denen ich mich hingegeben, dir untreu, und ich selbst wollte nicht von ihnen lassen. Dein Winken sah' ich nicht, dein Rufen hört' ich nicht, für dein Reden hatte ich kein aufgehendes Herz.

O mein Gott, wenn ich jener Zeit gedenke, so erscheint es als ein Wunder vor meinen Augen, dass ich nicht verloren gegangen bin.

Der Sturm bricht den Eichbaum und die Sonne schmelzt das Eis, so machte die Esse das Eisen weich, aber ein Menschenherz kann lange Gott widerstehen.

Bis du nicht wolltest, o Gott unerforschlich in deinen Wegen, länger auf meine Zukehr warten, da deine Barmherzigkeit dich hinriss mich zu retten, und ich war gerettet. Denn dein ist die Kraft.

O du Gott von großer Kraft, der du getan hast an Tausenden was an mir und hast dich vor deinen Feinden herrlich gemacht an deinen Freunden.

Ihr Tausende kommt zu Hauf und erhebt mit mir den Herrn unsrer Hilfe. Lasst mich nicht allein!

Wann wird die Zeit kommen, da du zu deinen Freunden Alle wandelst und ist gar kein Widerwärtiger mehr vorhanden? da die verklagten Brüder angenommen sind und der Verkläger verworfen ist?

Wir haben ein Wort gehört von einem Nun: Nun ist das Heil und die Kraft und das Reich unseres Gottes und die Macht seines Christus geworden, und dass ein Wehe der Weg dahin sei.

Zwar bist du auch in deinem Zorn herrlich, doch hast du uns gewöhnt, dass wir dich herrlich heißen in deiner Liebes- und Gnadenkraft.

Zeig' Allen in dieser deiner Herrlichkeit dich.

Wir aber, die in ihr dich schon gesehen, wollen dich loben, wie lange wir sind.

Ihr Seelen in uns, freuet euch, dass ihr nicht lange, sondern dass ihr ewig leben sollt.

Geschaffen zum ewigen Leben, erlöst zum ewigen Leben, geheiligt zum ewigen Leben.

Lobt Gott in Ewigkeit.

Jesus Christus, unser Heiland, sprach: Es ist vollbracht; uns ist zu sprechen gegeben: Amen.

Wir loben das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit Gottes, unsers Vaters, der im Himmel ist, mit unserem Amen, mit Amen an Amen nach Amen auf Amen, in Ewigkeit Amen.

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