Schlatter, Adolf - Der Hebräerbrief - Kap. 3, 1-6 - Jesus und Mose.

Schlatter, Adolf - Der Hebräerbrief - Kap. 3, 1-6 - Jesus und Mose.

Von der Himmelshöhe, wo Jesus über allen Engeln steht, hat der Brief unsern Blick zu dem hinabgeleitet, der in Fleisch und Blut, in Versuchung und Sterblichkeit unter uns wandelte. Von hier aus schaut er nun auf die menschlichen Träger und Mittler des göttlichen Worts und Werks im alten Bund. Da kommt für den Israeliten zuvörderst Mose in Betracht. In Moses Lehre und Gebot, unter Moses Zucht und Hut wuchs er auf. Nun aber ist er zu Jesus gebracht und Jesus ihm an die Stelle Moses getreten. Ist dieser Tausch Gewinn oder Verlust?

Zuvörderst soll jedoch das Vorangehende für uns fruchtbar werden. Fasset Jesus ins Auge, ruft uns der Brief zu, V. 1. Nachdem er uns Jesu Herrlichkeit geschildert hatte, sagte er: achtet auf sein Wort! Nachdem er seine Erniedrigung zu uns herab besprochen hat, fährt er fort: seht ihn an. Das ist der unschätzbare Gewinn, den uns seine irdische Erscheinung gebracht hat, dass wir uns ein Bild von ihm machen können.

Und aus der Freundlichkeit und Segensfülle desselben soll sich dies für uns ergeben, dass sich unser Blick auf ihn allein gerichtet hält, und nicht nebenaus nach andern Führern und Meistern schaut. Ob wir auf uns sehen oder auf ihn, hier und dort finden wir den Antrieb, der unser Auge nicht von ihm abkommen lässt. Wir sind heilige Brüder; warum? weil er uns geheiligt und untereinander verbunden hat. Wir sind himmlischer Berufung teilhaft; woher kam uns der Ruf von oben nach oben? Er hat ihn uns gebracht. Wollen wir dem Ruf Gottes Folge leisten, so können wir nicht anderswohin sehen als auf ihn. Er stehet als der Apostel und Hohepriester vor uns. Damit sind die beiden Gaben Jesu nebeneinander gestellt, auf die wir bisher hingewiesen worden sind. Jesus hat uns das Wort Gottes gebracht als Gottes Bote an uns, und er bringt uns als der rechte Priester Gottes Gnade und die Hinzuleitung zu ihm. Beides lässt unsern Blick nicht abirren von ihm. Nur an ihm orientieren wir uns; an ihm gewinnen wir die Leitung und Weisung, den Trost und die Zuversicht. Zugleich wird er uns deshalb in dieser doppelten Eigenschaft vorgehalten, weil der Brief ihn mit den beiden Bundesmittlern vergleichen will, welche am Sinai in Gottes Auftrag vor Israel stunden. Dort stehen nebeneinander Mose und Aaron, Mose, der Bote Gottes, der dem Volk die Rede Gottes überbringt, Aaron, der Priester. Was dort getrennt in zwei Männern erscheint, trägt Jesus vereinigt in seiner Person.

Aber auch in unserm eignen Leben findet sich ein Band, das uns an ihn gebunden hält: wir haben uns zu ihm bekannt und ihm unser Jawort gegeben. Das ist eine bindende Macht. Wir dürfen nicht mehr zurück, dürfen unser Wort nicht brechen, unsere Zusage nicht widerrufen. Abfall von ihm wäre schlimmer, als wenn wir ihn gar nicht erkannt hätten. Haben wir uns ihm unterstellt als dem Boten Gottes an uns, und uns ihm ergeben als dem Priester, der uns verordnet ist, nun, so bleibe es dabei! Und ist denn dies, dass wir nur auf ihn blicken und nicht mehr auf Mose, ein Verlust für uns und nicht vielmehr der allerhöchste Gewinn?

Wenn wir an die Unterweisung des Apostel Paulus denken, so könnten wir erwarten, dass wir nun auf die Not hingewiesen würden, in welche das Gesetz den Menschen bringt. Unser Brief geht nicht diesen Gang. Jene Not unter dem Gesetz empfindet man nur, wenn man ihm mit ganzer Seele und Aufrichtigkeit dient. Zumeist stellte es sich dem Juden in ganz andrem Lichte dar. Mose erschien ihm als der heilsame, sichere Führer zu Gott, unter dessen Leitung er es gut gehabt habe. Wer unter Mose stand, der brauchte nicht zu fragen: was sollen wir tun? Durch Mose wusste er: das ist Gottes Wille; so diene ich ihm und wandle auf seinem Weg, und jeder Zweifel und alle Ungewissheit waren abgetan. Darum konnte denen, die zu Christo hinzugetreten waren, allerdings der versuchliche Gedanke kommen: ihr Leben sei dadurch schwerer geworden, dass es nun Nachfolge Jesu sein sollte, und ihr Weg mühsamer, seit sie sich nicht mehr an der Frage zurecht finden konnten: was hat Mose gesagt? und sich nicht mehr darauf verlassen konnten: wir halten Moses Gebot.

Mose, antwortet unser Brief, ist in der Tat ein zuverlässiger Führer, der uns Gottes Gebot und Wille rechtschaffen vorlegt. Er hat das Zeugnis Gottes, dass er in seinem ganzen Hause treu sei, V. 2. Wir sollen Mose allen seinen Ruhm lassen und ihn auf seiner höchsten Höhe betrachten, wie ihm das Zeugnis Gottes zur Seite steht, das ihn vor allen auszeichnet, auch vor Aaron und Mirjam und den Propheten allzumal, und die Gemeinde an ihn weist, dass sie ihn höre und ihm gehorche, weil er sie sicher leitet, vgl. 4 Mos. 12, 7. Die Stelle hebt damit den Punkt heraus, der für die gesetzliche Frömmigkeit die größte Bedeutung hat. Man musste bei derselben nur darüber sicher sein: ist die Autorität, der ich mich unterwerfe, zuverlässig, und das Gesetz, dem ich folge, wirklich Gottes Gesetz? War diese Frage beantwortet, so war der Weg gewiesen, hernach galt es einfach, zu tun, was das Gesetz sagt. Aber diese Frage war ja bei Mose so leicht und ohne Schwierigkeit. Über ihm stand Gottes Zeugnis in heller Deutlichkeit. Wie kann man an dem zweifeln, den Gott selbst treu nennt? Ihm folgen wir in voller Ruh und Sicherheit und sind gewiss, dass wir damit auf Gottes Wegen gehen.

Ja, sagt der Brief, Mose ist treu und zuverlässig; aber Jesus ist es auch. Auch er hat das Zeugnis Gottes.

Es steht nicht so, dass über Mose Gottes Beglaubigung stünde und neben Jesus nicht, dass dort Gewissheit und Sicherheit wäre und hier Zweifel und Unsicherheit. Jesus ist euch ebenso sicher und zuverlässig ein Führer und Leiter als Mose, und ihr seid ebenso gewiss, dass ihr Gottes Willen tut und Gott dienet und auf Gottes Wegen wandelt, wenn ihr Jesu folgt, als wenn ihr Mose gehorcht.

Der innere Grund der Sicherheit, die wir im Blick auf Jesus haben, liegt darin, dass er dem treu war, der ihn gemacht hat. Christus ist ein Werk Gottes und kommt nicht in eigner Wahl und Macht. Und von dem Gott, der ihn gemacht hat, wich er nicht, und entzog ihm seinen Dienst und Willen nicht. Ihm blieb er untergeben, ihm gehorsam, und erfüllte jeglichen Dienst und jegliches Werk, zu dem des Vaters Weisung ihn berief. Diese Treue Jesu gegen Gott, deren Siegel und Vollendung das Kreuz ist, macht ihn für uns zur sichern Autorität.

Also haben wir zwei zuverlässige Führer und Mose und Jesus stehen beide als die treuen Boten Gottes vor uns. Und doch können wir sie nicht in gleicher Weise ehren, denn sie haben auch nicht dieselbe Ehre vor Gott. Jesus gehört die größere Ehre, denn Mose gehört selbst zum Haus als dessen Glied, während Jesus das Haus Gottes bereitet hat, V. 3.

Sprach ein Israelit von seinem Hause, so dachte er nicht nur an die vier Wände seiner Wohnung, sondern vielmehr an seine Kinder und Enkel, an sein Geschlecht. So ist auch das Haus Gottes seine Gemeinde, sein Volk, die ihm verbundene Schar derer, die er zu seinem Eigentum berufen hat. In deren Mitte steht Mose als einer von ihnen und gehört wie die andern mit zu Gottes Haus. Jesus aber steht über demselben; denn dieses lebendige Gotteshaus ist sein eignes Werk. Mose ist wie wir der von oben empfangende, Jesus der gebende, der, aus dessen Fülle auch Mose nahm. Wir wissen schon aus dem Eingang des Briefs, dass der Sohn der Glanz der Herrlichkeit Gottes ist. Mose sah aber etwas von dieser Herrlichkeit. Warum? Weil sie im Sohne ihm entgegenleuchtete, weil ihm Christus in seiner ewigen Gestalt die Schätze Gottes öffnete. Und wenn Mose hineinsah in Gottes Wesen und Willen, wie kam ihm das? Weil ihm das lebendige Bild Gottes, Christus, entgegenkam, und ihn etwas schauen ließ von Gottes Rat und Wort. So ist Christus der Gründer und Gestalter des ganzen göttlichen Hauses auch in seiner alttestamentlichen Gestalt.

Wie im Weltganzen, vgl. 1,2, so enthüllt auch in der Geschichte Israels das Ziel den Anfang. Die reife Frucht der alttestamentlichen Geschichte bildet Christus und sein Reich. Er ist jedoch der letzte, weil er der erste ist, und von Anfang an den Mittler zwischen Gott und den Vätern bildete, durch den ihnen Gottes Offenbarung und Gabe zuteil geworden ist. Ist das erkannt, dann haben wir nicht mehr zwei Führer vor uns, zwischen denen wir wählen. könnten, so dass wir sagen dürften: wir folgen wohl Mose, aber nicht Jesu. Nun steht nur noch der eine vor uns, dessen Werk auch Mose ist, und unser Blick haftet an ihm allein.

Jedes Haus wird von jemand bereitet, V. 4. Das ist scheinbar ein alltäglicher Gedanke, aber gerade seine einleuchtende Selbstverständlichkeit gibt ihm seine durchschlagende Kraft. Er gilt auch von dem Hause Gottes, wie es zu Moses Zeit bereitet ward. Auch dieses Haus entstand nicht von selbst, so wenig als irgendein anderes Haus. Die Leser müssen sich doch fragen: woher hat Mose sein Wort und Gesetz, seine Erkenntnis Gottes und seinen Umgang mit ihm? Hat er es aus sich selbst? Nimmermehr, so wenig ein Haus von selber aus dem Boden wächst. Woher stammt denn Israels Besitz? Wo findet sich die Wurzel, aus der es erwuchs, und die Quelle der Gaben, die es besitzt? Woher kommt ihm das alles? Doch wahrlich nicht von ungefähr, noch weniger durch ihr eignes Werk und Verdienst, auch nicht durch Moses Kunst und Kraft. Wenn sie nach dem Grunde Israels fragen, nach dem, der dieses Haus bereitet hat, da finden sie nicht Mose, wohl aber den, dessen Thron ewig ist, den, der als der Sohn an der ganzen Gottesfülle Anteil hat.

Der aber, der alles bereitet hat, ist Gott, V. 4. Von ihm geht jeder Beruf zum Bau und Dienst an seinem Hause aus, jede Begabung, die zum Werk an denselben tauglich macht. Der, welcher ein Haus Gottes bereiten soll, muss offenen Zugang haben zu Gott, muss aus ihm schöpfen können, ihn sehen und kennen, ihn hören, aus ihm und für ihn leben, in Gemeinschaft stehen mit ihm. Ist Mose der, welcher in Gottes Gemeinschaft steht oder Jesus? Je näher bei Gott, desto größer ist die Autorität, desto sicherer die Leitung, desto zuverlässiger die Führung. Aber nicht Mose, sondern nur Jesus steht ohne Schranke und Scheidung in Gottes Licht.

Allerdings ist Mose nicht nur ein Glied des Hauses, wie alle andern, sondern er hat seinen besonderen Beruf und seine eigne Begabung, die ihn vor allen andern auszeichnet. Aber auch wenn wir Moses besondere Gabe fassen, die ihn von uns unterscheidet und mit Jesus vergleichbar macht, weshalb auch ihn das göttliche Zeugnis treu in Gottes ganzem Hause nennt, dennoch bleibt der Unterschied zwischen beiden überaus groß und deutlich: Mose war treu als Diener, Jesus als Sohn, V. 5.

Mose war Diener und sein Dienst bestand darin, ein Zeugnis aufzustellen für das, was hernach geredet werden sollte, V. 5. Er hatte uns noch nicht das letzte, höchste Wort Gottes zu bringen, sondern sein Wort war von Anfang darnach bemessen und gestaltet, dass noch eine spätere Rede Gottes an uns ergehen sollte, das nämlich, was uns Jesus als Gottes Bote sagt. Und Moses Beruf ist der, dem Worte Christi als Zeuge zu dienen. Wir dürfen hierbei nicht nur an die verheißenden Worte des Gesetzes denken, sondern haben seinen ganzen Inhalt, auch seine Gebote und gottesdienstlichen Einrichtungen ins Auge zu fassen. Es liegt in diesem Worte ein lehrreicher Wink, wie unser Brief das Alte Testament las und betrachtete. Sein Zweck besteht ihm darin, uns zu befähigen, Jesu Wort nach seinem Ursprung aus Gott zu erkennen und zu verstehen. Darum geht Jesu schon eine Rede Gottes voran, die wir mit seinem Wort zusammenhalten und vergleichen können, an der wir uns dasselbe zu bewähren vermögen. Wäre uns Gott noch völlig unbekannt und sein Wille uns noch gänzlich verborgen, wenn Jesu Wort zu uns gelangt, so wäre uns kein Verständnis Christi möglich, sondern nur eine blinde Unterwerfung unter ihn, nicht aber eine innerliche Aneignung seines Worts in eigener Prüfung und Erprobung desselben. Nun ist aber Jesus nicht Gottes einziger Bote, sondern er hat einen Zeugen neben sich, der dem, was Jesus sagt, zustimmt und es bekräftigt. Und damit ist uns Verständnis Christi und Erkenntnis Gottes in ihm möglich gemacht.

So waren diese jüdischen Männer zum Glauben an Jesus gekommen. Sie waren zuerst Mose von Herzen untertan gewesen und hatten sich von Mose sagen lassen, was Gott ist und will. Dann kam Jesu Wort zu ihnen und nun sahen sie: es ist der eine und derselbe Gott hier und dort, ein und derselbe Gotteswille, eine und dieselbe Gerechtigkeit, eine und dieselbe Gnade; Mose ist Zeuge für das, was Jesus sagt. Und mit dieser Einsicht war ihr Glaube an Jesus da; damit traten sie in seine Jüngerschaft.

Daher ist auch die wunderbare Verbindung von Einheit und Verschiedenheit, welche die Schrift aufweist, unserm Brief kein Anstoß und keine Schwierigkeit; im Gegenteil, sie ist der Bibel notwendig eigen und macht ihre Kraft und Größe aus. Sie hülfe uns nicht zur Erkenntnis, wenn nicht verschiedene Stimmen in ihr redeten, freilich ebenso wenig, wenn diese Stimmen in Zank und Widerspruch sich gegeneinander kehrten. Die Rede des Zeugen ist nicht einerlei mit dem Worte dessen, dem er mit seinem Zeugnis dient, sonst wäre er nicht Zeuge, und sie ist doch nicht in Zank und Streit gegen ihn gerichtet, sonst wäre er wiederum nicht Zenge. Er ist es dann, wenn er mit seinem eigenen Munde redet nach dem, was er für seine Person gesehen hat, aber aus der einträchtigen Wahrheit und von derselben Tat, von welcher der spricht, dessen Wort er bekräftigt. So redet Mose nicht Jesu Wort und Jesus nicht Moses Wort, sondern jeder hat seine eigene Rede, aber sie reden vom selben Gott, vom selben Reich Gottes, vom selben Herrn und König in diesem Reich, vom Werk derselben göttlichen Gnade und Gerechtigkeit. Und aus dieser Mannigfaltigkeit, welche die Einheit bewahrt, wächst uns Erkenntnis und Gewissheit zu.

Damit ist Mose ein bleibendes Amt und Werk auch in der neutestamentlichen Gemeinde zugesagt. Wir verlieren ihn und seinen Dienst nicht, wenn wir auf Jesus blicken. Es bleibt dabei, dass er im ganzen Haus Gottes treu ist und mit seinem Dienst alle Glieder desselben um fasst. Aber er erscheint nimmermehr neben Christus, so dass wir um Moses willen Jesus versäumen könnten, sondern er ist mit seinem Wort Jesu untergeordnet und in seinen Dienst gestellt. Wie er mit dem ganzen übrigen Haus Gottes durch Christus bereitet und begabt ist, so ist er auch für Christum gesandt, dass er ihm diene, sein Wort erkennbar und gewiss mache und zu ihm hin leite. Denn nicht Jesus bezeugt Moses Wort, sondern Mose bezeugt Jesu Wort.

Wie sollten sich die Leser vom Sohne zum Diener wenden? Sohnestreue ist mehr als Knechtestreue, sowohl nach oben hin, weil nur der Sohn den Vater wahrhaft kennt, als nach unten hin gegen sein Haus. Nur vom Sohne gilt, dass es „sein“ Haus ist. Er sorgt für dasselbe als sein Eigentum; denn es ist des Vaters Eigentum.

Wir kommen also, wenn wir Jesus neben Mose stellen, zum selben Schluss und Ergebnis, wie wenn wir ihn neben die Engel halten. Wie der Brief dort sagte: sie sind Diener, er der König und Herr, und wenn ihr diesen findet, so verliert ihr den Dienst der Engel nicht, vielmehr werden sie zu euerm Dienste ausgesandt, weil ihr die Seligkeit ererben sollt, so sagt er hier: Mose ist Diener, Christo gehört das Haus als dem Sohn, und ihr weicht damit, dass ihr auf Christum sehet, nicht von Mose und seinem Worte ab; vielmehr fasst ihr gerade so, was euch sein Zeugnis sagen will. Lasset ihr dagegen Christum fahren, dann verliert ihr alles, wie der Engel Hilfe, so auch Moses Dienst.

Wir sind sein Haus! V. 6. Mit festem Griff zogen die apostolischen Männer alles an sich, was Israel gegeben war. Wir sind das wahre Israel, der Same Abrahams, das heilige Volk, Gottes Erbe, Gottes Haus. Warum? Weil wir Christi Werk sind, das, was er bereitet hat.

Hier gilt es nun freilich, eine Bedingung zu erfüllen. Sind wir sein Haus, so ist das nicht unser Werk. Das Haus bereitet sich nicht selbst. Wir sind es durch ihn, durch seine Gabe, darum weil er uns die Hand reichte und die himmlische Berufung an uns richtete. Aber seine Gabe fasst nun unsern Willen und legt auf ihn das Gebot, dass wir bei Jesu Gabe bleiben, und bewahren, was er uns erworben hat. Anders können wir seine Gabe nicht behalten noch empfangen als dadurch, dass unser Verlangen und Begehren in die Bahn eingeht, die sein Werk uns aufgeschlossen hat. Wir hören auf, sein Haus zu sein, und fallen aus seiner Gemeinschaft und Gemeinde hinaus, wenn wir die Freudigkeit und den Ruhm der Hoffnung nicht bis ans Ende festhalten, V. 6.

Hierin also besteht Christi Gebot: halte die freudige Zuversicht fest! wirf den Ruhm der Hoffnung nicht weg! lass dir seine Gabe teuer sein, so dass sie dich freut und das Herz dir weit macht und den Mund dir öffnet zu dankbarem Ruhm und Preis, wie ihn eine lebendige Hoffnung gibt.

Wir könnten die Freudigkeit und Hoffnung nicht festhalten, wenn sie uns nicht gegeben wären. Sie sind uns aber dadurch gegeben, dass wir sein Haus sind. Die Glieder seines Hauses dürfen ohne Scheu mit ihm reden, dürfen ihn in allen Anliegen anrufen, dürfen seinen Namen brauchen, dürfen auf ihn greifen als auf ihr Gut und Leben. Sie sind zum Hoffen erweckt und entzündet, da sein Haus nicht wiederum zusammenfällt, sondern vom Ewigen für die Ewigkeit bereitet ist. Die Müden und Ermatteten haben aber zu beachten: es gilt, das festzuhalten. Und das geschieht nicht ohne Anstrengung und Anspannung. Schwer und lastend sammeln sich die trüben, dunkeln Empfindungen im Herzen und wogen gegen unsere Freudigkeit und Hoffnung heran und wollen unsern Mut begraben und unsere Freude ersticken. Wir müssen sie mit festem Griff innerlich hochhalten, sollen sie nicht in diesem finstern Abgrund unserer Seele untergehen. Der Brief ruft uns zu: es handelt sich um euer höchstes Gut, um euer Kindesrecht in Gottes Haus. Unmutige murrende Glieder hat Jesus nicht in seinem Haus. Können wir kein Herz zu ihm fassen, wollen wir nicht frei und fröhlich mit ihm reden, so stehen wir draußen. Wollen wir nicht hoffen, scheint uns sein Bau nicht Obdach und Heimat für die Ewigkeit und ein unvergängliches Gut, so gehören wir nicht dazu. Und zwar wird bedeutsam gesagt: den Ruhm der Hoffnung haltet fest. Es gibt auch ein Hoffen, das zwar die künftigen Güter nicht verleugnet, aber sich ihrer nicht mehr rühmt, weil sie uns nicht mehr locken und ziehen, sondern uns kalt lassen, als wären sie wertlos und nichtig. Bei solcher Hoffnung sind zwar unsere Gedanken vom himmlischen Ziele noch nicht losgekommen, aber unser Begehren und Trachten ist abgeschweift und nicht mehr nach vorn gewandt. Solches Hoffen wird zuschanden. Die Hoffnung muss einen Ruhm in sich haben, weil sie Herz und Begier umschlossen hält und den Wert ihrer Güter steht und schmeckt, und darum das Haupt hochhält in Kraft dessen, was uns verheißen ist.

Wenn ihr dies festhaltet dieses „wenn“ deutet auf einen Kampf, auf jene dunkeln Strömungen im Herzen, die dasselbe vom verheißenen Ziele abkehren und darum niedergerungen werden müssen. Aber dieser Kampf währt nicht ewig, sondern kommt zu seinem Schluss und Sieg. Er findet ein Ende, bei dem die Hoffnung bewahrt ist und in den Empfang der gehofften Gabe übergeht. Vorerst aber behält jenes „wenn“ noch seine warnende Kraft, und der Brief fürchtet sich nicht, dieselbe für uns recht eindringlich zu machen. Darum unterbricht er die Vergleichung Jesu mit den alttestamentlichen Boten Gottes und richtet unsern Blick auf das Geschick des Volks, das zuerst Moses Dienst empfangen hat.

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