Zeller, Johannes - Die Auferweckung des Lazarus

Text: Joh. XI,1-7.
Es lag aber einer krank, mit Namen Lazarus, von Bethania, in dem Flecken der Maria und ihrer Schwester Martha. (Maria aber war, die den Herrn gesalbt hatte mit Salben und seine Füße getrocknet mit ihrem Haar, derselben Bruder Lazarus lag krank.) Da sandten seine Schwestern zu ihm und ließen ihm sagen: Herr, siehe, den du lieb hast, der liegt krank. Da Jesus das hörte, sprach er: Die Krankheit ist nicht zum Tode, sondern zur Ehre Gottes, dass der Sohn Gottes dadurch geehrt werde. Jesus aber hatte Martham lieb und ihre Schwester und Lazarum. Als er nun hörte, dass er krank war, blieb er zwei Tage an dem Ort, da er war. Danach spricht er zu seinen Jüngern: Lasst uns wieder in Judäa ziehen.

Diese ersten Verse des herrlichen 11. Kap. im Ev. Joh. werden von mir der heutigen Betrachtung zu Grunde gelegt, da diese der Vorgänger und Anbahner einer Reihenfolge mehrerer Predigten, die sich an eben dieses Kapitel der heiligen Schrift anknüpfen werden, sein soll. Wie die Geschichte Jesu überhaupt, so stellt uns in besonderem Grade diese Erzählung von der Auferweckung des Lazarus die Menschheit in allem ihrem Glücke und Unglück dar, in ihren Lasten und Bekümmernissen, ihren Schwächen und Irrtümern, wie auch in ihrer erhabenen Bestimmung. Von dem, was unter den Menschen - von im äußern und innern Leben am gewöhnlichsten - ist, Elend, von Hilflosigkeit, von Zagen, wie auch von Unglauben und Hass gegen das Göttliche redet uns dieses Kapitel, aber ebenso auch von dem Seltenern: von Liebe zu Jesu, von Glauben auch in der Anfechtung, von Menschenliebe und herzlicher Teilnahme. - Das alles muss uns, seien wir heute nun fröhlich oder traurig, glücklich oder unglücklich, ermuntern oder warnen, vor Allem aber, sofern wir mit Ernst und Aufmerksamkeit zuhören, kräftig trösten und im Guten stärken. Ja Trost und Hilfe, Belehrung und Kraft ist hier uns dargeboten, denn nicht nur von Menschen und dem, was sie mit uns gemeinsam haben, ist hier die Rede, sondern auch von Dem, der mehr als Mensch und doch unser Bruder ist, der alle Dunkelheiten dieses Lebens in Licht verwandelt, alle Lasten, die sonst erdrücken würden, mittragen hilft und sogar zu Segen und Fries den umschaffen kann, von Dem, der alle, alle die verschiedenen Menschen mit all ihren Bedürfnissen um sich sammelt, sie lenkt, sie befriedigt - es ist Christus, unser Heiland und Herr! Er tritt ja in der ganzen Gruppe, die uns Johannes vor Augen stellt, als die lieblichste und erhabenste Gestalt vor Augen, die unsere Blicke sogleich an sich fesselt. Hier erscheint Er als der Freund, der oft unerforschlich in seinem Tun und Lassen, aber doch immer treu und liebend ist, als der Meister, der die sich Ihm Anvertrauenden sicher führt und stärkt, als der Erzieher der Menschenseelen, der nie von Herzen betrübt, oft aber züchtigt, um desto herrlicher erquicken und desto sicherer zum Ziele führen zu können. Hier erscheint er als der Auferwecker der Toten, als der Schöpfer des neuen, ewigen Lebens in dem Menschenherzen. Und nun muss uns doch der Gedanke, dieses Bewusstsein über Alles tröstlich und erquickend sein, dass Jesus noch lebt, noch liebt, noch allmächtig, nahe ist und Trost und Leben gibt; er ist noch Erlöser, heute und gestern und in alle Ewigkeit derselbe. An dieser Geschichte von der Auferweckung des Lazarus durch Jesum haben sich in den Jahrhunderten, da sie von Mund zu Mund getragen wird, viele Tausende zum ewigen Heil ihrer Seele erbaut, und auch wir wollen es nun mit Gottes Segen zu tun suchen. Die Betrachtung soll sich immer an den Gang der Erzählung anknüpfen. Die heute zum Grunde gelegten Textesworte führen uns in die Familie 1) zu Bethanien ein, erzählen uns 2) deren Botschaft an Jesum, 3) die Antwort, 4) die Liebe und 5) das Zögern desselben.

Dass unser Vertrauen zu unserem Erlöser gestärkt werde, der ebenso trösten und helfen kann, wie damals, dem noch immer kein Leiden, selbst der Tod in Leib und Seele nicht, zu groß ist, dass er sie nicht tragen helfen und aufheben kann und will das ist meine Bitte zu Gott und mein herzlichster Wunsch. Er erhöre mich und segne uns. Amen.

1.)

Zu Bethanien, eine kleine Stunde von Jerusalem, wohnte die ehrwürdige Familie, in deren Mitte wir versetzt werden. Jesus war schon früher einst unter ihrer Hütte Dach eingezogen, und da machte sich Martha viel zu schaffen, um ihm zu dienen; Maria aber erkannte damals schon das Eine, was Not war, und hörte still gesammelt dem Herrn zu. Jetzt vernehmen wir noch das Dasein des dritten Gliedes dieses lieblichen Kreises frommer Menschen, es ist Lazarus. Nach allem, was wir von diesen Geschwistern aus der heiligen Schrift erkennen können, sind sie auch in zeitlichen Gütern reichlich gesegnet gewesen, so dass alle ängstliche Sorge um das tägliche Brot, all' der Kummer und Druck der Armut von ihnen ferne war: aber gab das ihnen zur Üppigkeit und Sinnenlust Veranlassung? machte es sie ihres Gottes vergessen? streute etwa die Begierde, zu besitzen und immer mehr zu erwerben, den Samen des Neides und darum des Streites und Haders unter sie? Nein, von dem allem, was so häufig damals schon und noch heute unter uns ist, sehen wir nichts, sondern siehe, wie fein und lieblich ist es, dass Brüder einträchtig bei einander wohnen! Denn daselbst verheißt der Herr Segen und Leben immer und ewiglich. Ja, nicht Satans Frucht, nicht Neid, Hass, Verschlossenheit, Streit, Lieblosigkeit, sondern Gottes Segen, Friede, Eintracht, Liebe war unter diesen Geschwistern. O, wollt ihr, geliebte Zuhörer, diesen Segen auch in eure Wohnungen, in eure Umgebung, in den Kreis derer, die mit euch leben, mit euch leiden, krank sind und des Alters Schwäche tragen, verpflanzen oder, wenn er da ist, für immer festhalten und den bösen Geist des Unfriedens, der Lieblosigkeit vernichten, dann lernt wie jene Geschwister, miteinander harren auf den Trost Israels, auf das Kommen des Erlösers; vereinigt euch, wie jene, darin, dass ihr Jesum liebt und Ihm euer Herz schenkt. Das einigte jene Herzen, das, und das allein vereinigt auch jetzt noch die Menschenherzen, die sonst so eigenwillig und bei aller Liebe selbstsüchtig sind. In dem Maße, als ihr Gott liebt und Ihn in Jesu sucht, in dem Maße seid ihr vereint und habt, genießt den köstlichen Frieden: o dann ist gut wohnen in eurer Mitte, wie bei jenen Geschwistern; dann geht das Herz dem, der euch naht, auf, und auch wenn ihr leidet, ruft der, welcher euch kennt, doch: hier ist gut wohnen, hier möchte ich meine Hütte bauen. Herr, schenke dies jedem von uns in fein Haus, in seine Wohnung: Du Friedefürst allein wirkst Eintracht und Liebe unter uns.

2.)

Jene Geschwister nun waren glücklich, in hohem Maße, sie waren wohlhabend, hatten sich lieb und suchten und kannten ihren Gott und Erlöser mit ganzem Herzen: aber dieses ungestörte Glück war nicht der volle ihnen zugedachte Segen, er sollte noch reicher, überschwänglicher werden, doch durch Dunkelheit, Trübsal, Weinen, Angst, Not hindurch. Merkt auf, ihr Leidenden und Fröhlichen, es ist uns zur Ermahnung und Stärkung geschehen und geschrieben! Lazarus, der innig geliebte Bruder, ward krank, die stille Ruhe ihres Glücks war schmerzlich zerstört. Der einzige Bruder, die künftige Stütze der verwaisten Schwestern, die innige Freude ihres Herzens Lazarus welkt hin; sie sorgen für ihn, aber ihre Pflege schenkt ihm die Gesundheit nicht; sie weinen um ihn, aber das betrübt den liebenden Bruder noch mehr, als seine Schmerzen ihm wehe tun; sie beten, er mit ihnen, mehr um ihret- als um seinetwillen: aber der Himmel ist verschlossen, Gott hört nicht, seine Hand scheint verkürzt, - da erwacht in den beiden Schwesterherzen die Hoffnung, die Gewissheit: Einer, ja Einer, und nur dieser Eine, kann und wird helfen, unser Meister: Jesus Christus. Sie lieben ihn ja so innig, dass Maria den Herrn wohl schon jetzt gesalbt hätte, und nicht erst um der Auferweckung ihres Bruders willen dies später tat. Er wird ihre Not ansehen. Sie senden den Boten hin mit den kurzen Worten: Herr, siehe, den du liebst, der ist krank. Sie bitten nicht, sie berichten nur; Glauben, Zuversicht, Vertrauen, Demut, dringende Not ist darin ausgesprochen. Heil, Heil euch, ihr Seelen, wenn auch euch die Not, das Gedränge im Herzen, der Schmerz des Leibes, der Seele zu Gott hintreibt, und nicht in die Finsternisse des Verzagens, oder der Abgestumpftheit oder der Kreuzesflucht in Leichtsinn und Zerstreuung; Heil euch, wenn das ungewisse, wankende, unbestimmte Suchen nach Gott und seiner Hilfe zu dem klaren, gewissen, festen Suchen Gottes in Christo, zum Glauben an den Sohn Gottes geworden ist; selig der, der die Boten seines Herzens, Gebete zu Jesu, dem Herrn, sendet und mit dem heißen Wunsche: ach wäre doch Jesus da! zu Ihm, dem Unsichtbaren, seine ganze Not, den Druck über sein Herz ausspricht, gewiss, vertrauend, dass der Unsichtbare ihm, wie den Schwestern der Abwesende, die Not abwenden, tragen helfen, zum Frieden auflösen werde. - O nur kurz, nicht mit vielen Worten lernen wir hier beten zu Ihm. Er selbst lehrt es uns ja auch, dass unser Vater im Himmel weiß, was wir bedürfen, ehe wir bitten; aber bitten, zu ihm, dem Erlöser, kommen, das müssen wir, Teure, Geliebte. Hat Jemand ein Leiden unter euch, der bete! Bittet den Herrn, so wird euch gegeben werden, suchet bei Ihm, so werdet ihr finden, klopfet an, so wird euch aufgetan werden.

3.)

Die Hilfe kommt vom Herrn, aber sie muss gesucht werden! Der Bote kam, berichtete und empfing die Antwort: „Diese Krankheit ist nicht zum Tode, sondern zur Ehre Gottes, dass der Sohn Gottes durch dieselbe geehrt werde.“ So antwortete Er, um der Jünger, um der Schwestern, um Lazarus, um des Volkes, um unsertwillen, damit wir erkennen, weswegen Lazarus litt, wozu wir leiden müssen, um uns zu trösten und zu segnen. Hier sehen wir nun in das Herz unsers Heilandes, der Macht über Leben und Tod hat; hier eröffnet sich uns der Blick in Gottes Liebe und Allmacht. Jesus spricht, wie nur Gott reden kann: diese Krankheit ist nicht zum Tode! Er weiß wohl, dass Lazarus sterben muss und doch nicht tot bleibt; nicht zum Tode, aber doch durch den Tod zum Leben, geht es mit dieser Krankheit. Seliger Blick der Gottheit, in dem jede Dunkelheit zum Lichte, jede Verwirrung zur Klarheit, jedes Leiden zum Frieden, jede Not zum Segen, zur Erlösung, jede Trennung zur Wiedervereinigung, jede Zerstörung zum neuen Bau, jeder Tod zum Leben sich schon aufgelöst hat. Gott, der Herr, sieht den armen Menschen zerknickt, er hört ihn wimmern, seufzen, er vernimmt sein Klagen und Zagen, schaut diesen auf seinem Krankenlager schlaf- und erquickungslos sich umherwälzen. Er weiß, wie ein anderer getroffen ist von dem heißesten Schmerze, durch Verlust des Liebsten, was er hatte, oder durch Undank und Verrat der nächsten Herzen; wie der Bessere durch Unterdrückung und Verkennung oder Hohn der Schlechteren gehemmt, gedrückt, verkümmert ist: aber der selige Gott, Jesus, der seine Brüder liebt, innig liebt, bleibt in seiner Seligkeit ungestört und unverletzt, er schaut das Ende der Trübsal. O als ein Lichtstrahl aus dem Himmel senke sich allen Leidenden dieses sein Wort ins Innerste der Seele: diese Krankheit, dieser Schmerz, dieser Schlag, der euer Herz traf, und wenn er der verwundendste, schmerzlichste, geistangreifendste wäre, ist doch nicht zum Tode. Er ist ja der Erlöser, der Wiederhersteller von allem Zerrütteten, der Sucher und Finder und Seligmacher alles Verlornen. In Ihm sind alle Rätsel unsers Lebens aufgelöst, - das Ende wird gewiss die Ehre Gottes sein, auf dass der Sohn Gottes durch die Leiden geehrt werde: aber wacht auf, ihr Glücklichen und Betrübten, dass die Ehre des Vaters und des Sohnes nicht durch das Gericht, das über euch kommt, sondern durch eure Seligkeit geoffenbart werde. Ach es werden viele Krankheiten hier geheilt, viele Leiden in Freud oder doch Trost aufgelöst, wobei Gott die Ehre nicht gegeben wird; aber er wird sie sich einst auch dafür nehmen, wie sie ihm gebührt: aber hier bei der Krankheit des Lazarus soll Gottes Ehre und seines Sohnes Ehre jetzt schon gepriesen werden; und so kann sie noch heute bei euerm Kranksein und Unglück verherrlicht werden. Haltet euch nur an Gott und den Heiland, da lernt ihr ihn im Leiden immer besser kennen und lieben. In der Not erprobt man den besten Freund, und der ist der Herr für die Seinigen: da fällt alle Hilfe, die man von sich und den Menschen erwartet hat, ab, auch alle Brunnen des Trostes, die von daher geflossen waren, sind versiegt, hilflos in allem Leiblichen, noch hilfloser in der Seele liegen wir unter der uns aufgelegten Last darnieder! - werft euch nur im Glauben vor den Herrn hin, und seine Größe, seine Allmacht, seine Barmherzigkeit wird sich offenbaren: wo Keines Kraft mehr hinreicht, um zu trösten und zu erquicken, da reicht die seinige hin, er gibt dem Gläubigen Geduld und Ergebung; wo Alle ermüdeten, ermüdet er nicht im Wohltun und lässt nicht ab, dem leise aufmerkenden Dulder Gebet um Gebet zu erhören. Zur Ehre Gottes dient dir dein Schmerz: und der Sohn wird geehrt, weil du dann es erfahren wirst, wie du nur zum Frieden, zur Ruhe, zum vollen Segen kommen kannst, wenn du dich an Ihn hältst, um Vergebung der Sünden und Zuversicht deiner Kindschaft bei Gott zu empfangen. Die Krankheit des Lazarus soll nicht zum Tode sein, weil er nicht von seinen Schwestern weggenommen werde, obwohl er zuvor sterben musste; und Jesus ward dadurch geehrt, weil er dann Gelegenheit fand, in herrlichem Glanze seine göttliche Macht zu offenbaren, so dass nun entschieden seitdem die Feinde auftraten, und die Wohlwollenden sich inniger und vertrauender an ihn hielten, und dass es kund wurde, dass die Ehre des Vaters und des Sohnes Eins ist, auf dass Alle den Sohn ehren sollen, wie sie den Vater ehren, und wer den Sohn nicht ehret, auch den Vater nicht ehre, der ihn gesandt hat. Nun aber, teurer Zuhörer, auch deine für Menschen unheilbarste Krankheit, das innere geistige Elend, die Sünde soll ja auch nicht zum Tode sein, denn Gottes Ehre kann auch da verherrlicht werden; wenn du glaubst an den Mensch gewordenen und für uns gekreuzigten und auferstandenen Sohn Gottes, so wirst du aufstehen aus dieser Krankheit und diesem Tode zu einem neuen Leben, zu göttlicher Gesundheit; der Sohn Gottes führt dich durch; und wenn dich jetzt die Last der Sünde schwer drückt, wenn dir Verderben und Trostlosigkeit nahe ist, richte dich auf und befestige dein Herz in der Zuversicht, es wird nicht zum Lode sein, die Ehre Gottes und seines Sohnes erfordert es, dass allen Kranken und Sündern, die sich an Ihn und seine Gebote, seine Verheißungen halten, geholfen werde - o glaubt, er täuscht euch nicht, und dankt dann, gebt Ihm laut die Ehre, dem Vater und dem Sohne, wenn er euch getröstet und erquickt und erlöst hat!

4.)

Nun aber erzählt Johannes gar bedeutungsvoll weiter, dass Jesus die Martha und ihre Schwester und Lazarus liebte: - dem ungeachtet er sie liebte, blieb er doch auch nach der Botschaft noch zwei Tage an dem Orte, wo er war. - Der Herr liebte diese Menschen, die ganze Familie, jedes einzelne Glied derselben. Selige Familien, von denen dieses Zeugnis im Ganzen und im Einzelnen gilt! wo sind sie, dass wir hingehen können und es ahnen lernen, welche Fülle der Freude in diesem Geliebtsein vom Herrn der Herrlichkeit ist. Es ist das Größte, was von einem Menschen ausgesagt werden kann. Wenn sonst Niedrigkeit und Nichtachtung bei Menschen uns zu Teil geworden ist, und das uns oft will wehe tun, und wir wohl auch das Streben nach menschlicher Höhe und Ehre in uns sich regen fühlen, o wissen wir, dass Jesus uns liebt, so haben wir ja Ehre bei Gott und seinen Engeln, und für jene Entbehrungen sind wir bald getröstet; wenn auch Krankheit und Elend eingezogen ist in unser Haus, hat der Herr der Gnade, der Friedensfürst uns lieb, so sind wir doch selig und geduldig und freudig. Jesus hat uns lieb, sein Herz neigt sich erbarmend uns entgegen, aber lasst ab von der Sündenliebe, denn diese scheidet uns von Ihm. Er hat uns auch lieb und will über Bitten und Verstehen beseligen, nur sucht euch diese treue, ewige Liebe des Sohnes Gottes zu gewinnen, wie jene teuren Menschen, durch Buße und Glauben und durch Jagen nach der Heiligung. Besseres, können wir ja nicht wünschen als von dem Treuen, Heiligen geliebt zu werden, es gibt keine größere Stärkung. Leidender, halte fest das Wort: Er liebt dich! Aber dann fasse in diesem Vertrauen auch deine Seele in Geduld. Der Herr bereitet denen, die er lieb hat, nun durch allerlei Demütigungen und Leiden, die zu ihrem Seelenheile nötig und überaus vorteilhaft sind, die seligsten Freuden. Wen der Herr lieb hat, den züchtigt er.

5.)

Jetzt, sollten wir denken, eilt der Herr hin zu den Bekümmerten, um sie zu trösten und ihnen Mut einzusprechen, oder wohl das Geringste, das er tun werde, ist nach unsern Gedanken das, dass er ihren Glauben, der nicht einmal bittet, belohne und durch Ein Wort der Allmacht, noch in seiner Abwesenheit, den kranken Lazarus gesund mache: aber seine Gedanken sind nicht unsere Gedanken; er will helfen, aber anders, als sich jene Herzen es vorstellten. Er zögert. Er vernimmt die Botschaft und bleibt noch zwei Tage an demselben Orte; der Bote kommt heim und findet den Lazarus noch krank, aber nun sind die betrübten Herzen neugestärkt durch die Botschaft: diese Krankheit ist nicht zum Tode, Gott und der Sohn Gottes werden sich verherrlichen an ihm. Sie trösten nun den Leidenden, sich selbst unter einander: sieh! der Herr hat's gesagt! er wird kommen, es wird also geschehen; von neuem pflegen sie ihn, mit Liebe und Ausdauer, wohl wissend, dass, was sie dem Geringsten der Seinigen tun, er ansieht, als ob es Ihm selbst getan sei. Aber die schweren Stunden eilten langsam, wie Jahre dahin, und doch so schnell, so reißend, unaufhaltsam schnell, denn Lazarus wird immer kränker und schwächer vertraue, armer Bruder! Jesus wird kommen, sagen ihm die liebenden Schwestern, und trocknen seinen Angstschweiß ab; sie können sich kaum selbst noch im Glauben aufrecht halten, und doch dürfen sie nicht zweifeln, sie müssen den Leidenden aufrichten: endlich schlägt die Stunde, und Lazarus ringt den letzten Kampf, er ist tot! - Die tief verletzten Schwestern stehen an seiner Leiche; ach nicht nur den teuren Bruder haben sie verloren, sondern mehr noch zu verlieren haben sie Gefahr: Jesum, ihren Meister, ihren Herrn, ihr Vertrauen: er hat gesagt, die Krankheit soll nicht zum Tode sein, und nun ist Lazarus tot, welche Dunkelheit, welch Abgrund des Zagens, Klagens, Unglaubens öffnet sich ihnen! „Wärest du hier gewesen“, sagen sie nachher dem Herrn, aber eben er war nicht da! und darum in ein heißes, dunkles Gedränge kam ihr Herz, aus dem sie sich nicht herausfinden konnten. Liebt er uns auch? ist er der Sohn Gottes? Kann er, was er von sich rühmt?

Ach warum kam er nicht? Da steht vor dem Schmerze dieser Menschen, die wie wenige vom Herrn betrübt wurden, still. Leidende, gedenkt der zwei Tage, die Jesus dort blieb aber sie, die Hilfe kommt vom Herrn gewiss, zögert, zögert oft lange, lange. Ja der Herr hat ihrer nicht vergessen, und gewiss hat er unsichtbar ihre Herzen auch in der tiefsten Dunkelheit gestärkt, dass sie die Versuchung aushalten konnten Andern hat er schnell geholfen, denen, die er so liebt, die ihn so lieben, hilft er nicht. - Es gibt solche Fälle viele, wo die treueste Liebe, die Liebe Jesu unerforschlich handelt. Die Not steigt oft am höchsten, ehe der Herr hilft, was wir wünschen, geschieht nicht, wir bitten, und er erhört nicht. Er versagt uns Hilfe, aber gewiss nur, um doppelt zu segnen. Er will der Seele durchhelfen durch die enge Pforte, sie zunichte machen, um zum ewigen Leben zu führen. Wenn auch die Stunden zu Jahren werden, die Angst zum Jammer, er prüft nur und verlässt nicht in der Prüfung; kein Tropfen mehr Wermut fällt in die Schale, als Er will. Wenn auch dunkel um dich ist, verzage nicht an der Vatertreue Gottes; wenn auch das heißeste Gedränge über dich kommt, verzage nicht an Jesu erbarmender Liebe. Hast du ihm Zeiten bestimmt, wo er helfen soll, und er half nicht: ergib dich und von neuem harre. Er wird das bitterste Leid auflösen. Solche Liebende, Geliebte betrübte Er so, und doch liebt Er sie und hilft ihnen; wirst du dich wohl verhalten, er wird kommen. Der Herr führt in die Grube und wieder heraus! Harre, glaube, sei still. Höre, jetzt sagt er: Lasst uns wieder nach Judäa reisen. Er kommt, Er kommt! - Die Hoffnung erwacht wieder, so lange diese in uns ist, können wir immer leben. Er wird kommen und helfen! Amen.

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