Harms, Ludwig - Am Vierten Sonntag des Advents

Gnade sei mit uns und Friede von Gott dem Vater und unserm HErrn Jesu Christo. Amen.

Text: Ev. Joh. 1,19-34. Und dies ist das Zeugnis Johannis, da die Juden sandten von Jerusalem Priester und Leviten, dass sie ihn fragten: Wer bist du? Und er bekannte, und leugnete nicht; und er bekannte: Ich bin nicht Christus. Und sie fragten ihn: Was denn? Bist du Elias? Er sprach: Ich bin es nicht. Bist du ein Prophet? Und er antwortete: Nein. Da sprachen sie zu ihm: Was bist du denn? Dass wir Antwort geben denen, die uns gesandt haben. Was sagst du von dir selbst: Er sprach: Ich bin eine Stimme eines Predigers in der Wüste: Richtet den Weg des HErrn; wie der Prophet Jesaias gesagt hat. Und die gesandt waren, die waren von den Pharisäern und fragten ihn, und sprachen zu ihm: Warum taufst du denn, so du nicht Christus bist, noch Elias, noch ein Prophet? Johannes antwortete ihnen, und sprach: Ich taufe mit Wasser, aber Er ist mitten unter euch getreten, den ihr nicht kennt. Der ist's, der nach mir kommen wird, welcher vor mir gewesen ist, des ich nicht wert bin, dass ich Seine Schuhriemen auflöse. Dies geschah zu Bethabara, jenseits des Jordans, da Johannes taufte. Des andern Tages sieht Johannes Jesum zu sich kommen, und spricht: Siehe, das ist Gottes Lamm, welches der Welt Sünde trägt. Dieser ist es, von dem ich gesagt habe: Nach mir kommt ein Mann, welcher vor mir gewesen ist, denn er war eher denn ich. Und ich kannte ihn nicht; sondern auf dass Er offenbar würde in Israel, darum bin ich gekommen zu taufen mit Wasser. Und Johannes zeugte und sprach: Ich sah, dass der Geist herab fuhr, wie eine Taube, vom Himmel, und blieb auf Ihm. Und ich kannte ihn nicht; aber der mich sandte zu taufen mit Wasser, derselbe sprach zu mir: Über welchen du sehen wirst den Geist herab fahren, und auf Ihm bleiben, derselbe ist es, der mit dem heiligen Geist tauft. Und ich sah es, und zeugte, dass dieser ist Gottes Sohn. Unser heutiges Evangelium enthält das herrliche Zeugnis Johannes des Täufers von Jesu. Das ging so zu. Als Johannes in der Wüste so gewaltig Buße predigte, und alles Volk aus den Städten und vom Stande zu ihm eilte, Vornehme und Geringe, Bürger und Bauern, Kriegsleute und Zöllner zu ihm strömten, um seine Predigt zu hören und sich von ihm taufen zu lassen, da schickte der hohe Rat von Jerusalem, welcher die höchste geistliche Obrigkeit im Land war, Abgesandte zu Johannes, welche Ihn fragen sollten: wer bist du? und woher hast du das Recht, zu predigen und zu taufen? Daran tat der hohe Rat recht, das war seine Pflicht. Ich will den Fall nehmen, es käme hier auf einmal in diese Gemeine ein unbekannter Mensch und finge an zu predigen und zu taufen, ohne dass man wüsste, wer er wäre und wer ihn gesandt hätte, da würde ich ja gottlos handeln, wenn ich nicht alsbald zu ihm ginge und ihn fragte: wer bist du? wer hat dich gesandt? Denn es könnte ja ein Sektierer, ein Irrlehrer sein, der die Leute mit gottloser Predigt verführen wollte, und das dürfte ich ja nicht dulden, wenn ich ein treuer Hirte sein will. Es war also in der Ordnung, dass der hohe Rat Abgesandte schickte, den Johannes zu fragen: aus wessen Macht tust du das? Und es war auch recht, dass sie eben Priester und Leviten zu ihm sandten, also Leute, die es beurteilen konnten, weil sie selbst Gottesgelehrte waren, im Dienst der jüdischen Kirche. Ich warne euch daher ernstlich, meine Lieben, nehmt euch in Acht vor den Sekten und umherstreifenden Landläufern, die kommen und niemand hat sie gesandt, die kommen nur die Gewissen zu verwirren. Sollte ein solcher zu euch kommen und euch predigen wollen, dann kommt als eine treue Gemeine zu mir, euerm Pastoren und zeigt es mir an, dann will ich kommen und ihm auf die Zähne fühlen und fragen, wer ihn gesandt habe, ob Gott oder der Teufel! Als nun jene Abgesandten zu Johannes kommen, da hält Johannes nicht hinter dem Berg, weicht auch nicht aus, sondern gibt gerade, redliche, aufrichtige Antwort, die jedermann verstehen kann, und worin er zeigt, dass Gott ihn gesandt habe und er deshalb zur Predigt göttlichen Beruf habe. Der Evangelist nennt diese Antwort ein Zeugnis des Johannes, und das ist es auch. In diesem Zeugnis kriegen wir nun auch Antwort auf die Frage, welche uns alle diese Adventssonntage beschäftigt hat: wie soll ich Jesum empfangen? Und deshalb ist von der Kirche dieser Text heute vorgeschrieben. Darum bitte ich euch herzlich, hört andächtig zu. Tut das um so mehr, da heute der letzte Adventssonntag ist. Denn seht, an allen bisherigen Adventssonntagen hat es geheißen: Jesus kommt. Heute aber heißt es: Jesus steht vor der Tür. Es sind nur noch ein paar Tage hin, so ist Weihnachten. Und ich wollte so gern, dass ihr die volle, selige Weihnachtsfreude hättet. Wie könnt ihr es aber, wenn ihr euch nicht bereitet, Jesum zu empfangen? Mir steht heute, am letzten Adventssonntag, den ganzen Tag das Gleichnis des HErrn Jesu von den klugen und törichten Jungfrauen vor Augen. Heute noch steht die Weihnachtstür offen, heute noch schallt der Gnadenruf in eure Ohren: der Bräutigam kommt! Brennen nun eure Lampen, so geht ihr mit Jesu in die selige Weihnachtsfreude ein; verlöschen eure Lampen, so seid ihr von der seligen Weihnachtsfreude ausgeschlossen. O darum bitte ich euch mit der herzlichsten Liebe, ich bitte euch durch die Liebe Jesu Christi, ich bitte euch um eurer eigenen Seligkeit willen, heute, da ihr noch einmal Seine Stimme hört, verstockt eure Herzen nicht. Der HErr Jesus ist ganz nahe, Er steht vor der Tür, Er hat Seine Liebesarme nach euch ausgestreckt, Er klopft an. O habt ihr bisher noch nicht gehört, heute hört doch und bereitet euch, Ihn zu empfangen. Den letzten Ruf wenigstens nehmt noch zu Herzen, auf dass Jesus und mit Jesu die ganze selige Weihnachtsfreude bei euch einkehre, und für keinen von euch die Weihnachtstür zugeschlossen werde. Lasst uns denn noch einmal nach Anleitung unsers Evangeliums fragen: Jesus kommt; wie sollen wir Ihn empfangen? Antwort: demütig, als Gottes Sohn und Gottes Lamm.**

Zuvor aber lasst uns beten: Lieber HErr Jesu Christe, ich bitte Dich, lass uns nicht gleich sein den törichten Jungfrauen, deren Lampen erloschen, und sie kamen zu spät zu der Gnadentür, konnten nicht mehr hinein. Lass uns gleich sein den klugen Jungfrauen, deren Lampen brannten, und sie konnten den Bräutigam empfangen und mit Ihm eingehen in die Tür der Gnade. Siehe, die Weihnachtstür steht offen, HErr ich will hinein, aber ich wollte so gern alle diese mitbringen. So gib uns denn Deinen heiligen Geist, der unsere Herzen durch das Wort zu Dir ziehe, dass unser keiner draußen bleibe. Lass Dein Wort sein einen Hammer, der Felsen zerschmeißt und ein Feuer, daran das Eis schmilzt. Nimm uns in Gnaden an, wir alle versammelt kommen zu Dir. Bereite uns, dass wir die ganze, volle, selige Weihnachtsfreude schmecken, Du hast ja selbst gesagt: kommt, schmeckt und seht, wie freundlich der HErr ist! Barmherziger und gnädiger Heiland, wir wissen es wohl und bekennen es, dass unser Herz eine viel zu schlechte Hütte für Dich ist, dass wirs nicht wert sind, dass Du bei uns einkehrst und Wohnung machst. Aber wir halten Dir vor Dein Wort: gib Mir, Mein Kind, dein Herz. Weil Du es denn selber haben willst, so komm und schäme Dich der armen Hütte nicht. Amen.

l. Wir müssen Jesum demütig empfangen.

Als die Abgesandten des Rates zu Johannes kamen, war die erste Frage, die sie an ihn taten: bist du Christus, der verheißene Heiland? Das war recht eine Frage, einem armen, sündigen Menschen den Kopf schwindlig zu machen. Wie gewaltig muss doch Johannes gepredigt haben, dass eine solche Frage an ihn geschehen konnte! Aber auch welche Versuchung lag darin für ein hochmütiges Menschenherz. Denn der Mensch will so gern für etwas Rechtes gehalten werden vor den Menschen, will so gern größer, besser, herrlicher angesehen sein, als er ist und kann nie Ehre genug bekommen. Solcher Hochmut ist ja recht der Teufelsschaden, den wir von Mutterleib durch die Erbsünde an uns haben. Eben deshalb erkennt nun aber auch an Johannes, dass er ein wahrhaft frommer Mensch gewesen ist, denn er ist von Herzen demütig geworden durch die Gnade. Ich kenne in dieser Hinsicht kein schöneres Bild, als diesen lieben Johannes. Sehet, dieser starke, furchtlose, gewaltige Mann, der den Menschen gegenüber anzusehen ist wie eine eherne Mauer, der Priestern, Schriftgelehrten, Kriegsleuten, ja Königen mit Donnerworten ins Gewissen schlägt, der das Gefängnis und den Tod nicht fürchtet, wo es die Wahrheit gilt, wie klein, wie gering, wie demütig ist er vor Gott! Ohne sich einmal zu bedenken, bekennt er frei, leugnet nicht, bekennt frei heraus: ich bin nicht Christus. Er will keine Ehre haben, die ihm nicht zukommt. Und dass er das so ohne alle Winkelzüge aussagt, dass man deutlich sehen kann, er habe nicht einmal einen geheimen Kitzel über jene Frage in seinem Herzen gehabt, sondern wendet sich augenblicklich mit Abscheu von jener Zumutung zurück, das zeigt der Evangelist eben an durch die gehäuften Worte: er bekannte, er leugnete nicht, er bekannte! Aber die Abgesandten lassen ihn noch nicht los; sie meinten, wenn er denn auch nicht Christus wäre, so könne er doch wenigstens keiner von den gewöhnlichen, jetzt lebenden Menschen sein, Gott habe etwa den großen Propheten Elias, der vor vielen hundert Jahren auf feurigem Wagen gen Himmel gefahren war, wieder vom Himmel herabgesandt, um den Leuten Buße zu predigen, wie denn die Juden damals aus dem Propheten Maleachi überzeugt waren, dass Elias noch einmal wieder kommen würde auf Erden (Mal. 4,5). Deshalb fragen sie: bist du denn Elias? Denn, wollen sie sagen, ein gewöhnlicher, sterblicher Mensch kannst du doch nicht sein, dazu ist deine Predigt zu gewaltig, dein Leben zu heilig, bist du etwa Elias? Aber auch diese Ehre lehnt Johannes augenblicklich von sich ab. Ich bins nicht, sagt er, ja er will gar nicht einmal für einen Propheten gehalten werden, hält sich viel zu gering für solche Ehre, obgleich Jesus im letzten Evangelio geradezu erklärt, er sei mehr, als alle Propheten des alten Bundes. Das sind die wahrhaft Demütigen, die sich nicht selbst ehren, sondern von Gott sich ehren lassen.

Und als die Abgesandten nun weiter in ihn dringen und ihn fragen: wer bist du denn? dass wir Antwort geben denen, die uns gesandt haben, da antwortet er: ich bin eine Stimme eines Predigers in der Wüste, wie der Prophet Jesaias gesagt hat: richtet den Weg des HErrn! Es gibt eine falsche Demut, dass die Menschen auch das nicht sein wollen, was sie wirklich sind. Dahinter steckt immer ein verkappter Hochmut. Johannes ist auch darin so wahrhaftig demütig, dass er weiß, was er ist, und das auch sein will, was er ist, nämlich die Stimme eines von Gott gesandten Predigers. Damit zeigt er denn zugleich den Abgesandten recht deutlich, dass er kein Sektierer, kein Landläufer sei, der aus eigner Macht komme, sondern dass Gott selber ihn gesandt habe und durch ihn nun die Weissagung des Propheten Jesaias, auf welche er die Abgesandten hinweist, erfüllt sei. Indem er aber sich bewusst ist, dass er ein von Gott gesandter Prediger sei, und das auch ohne Zögern und ohne falsche Demut ausspricht, gibt er doch wieder damit in rechter Demut dem HErrn die Ehre. Denn hat Gott ihn berufen und gesandt, kommt er in Gottes Namen, so will er eben damit nicht in seinem eigenen Namen kommen, sondern bekennt, dass der Gott, der ihn gesandt habe, dass er predigen soll, ihm auch gebe, was er predigen soll, ihm also das Wort der Predigt in den Mund lege. Er will also gar keinen Ruhm, als nur den, ein gehorsamer Knecht, ein geringes Werkzeug seines Gottes zu sein. Und selbst das, dass ich predige, fährt er mit rührender, herzgewinnender Demut weiter fort, dass ich meinen Gott und Heiland Jesum Christum, auf den ich hinweise, durch meine Predigt verherrliche, das ist Gnade, das ist so ganz über all mein Verdienst und Würdigkeit, dass ich bekenne: ich bin nicht wert. dass ich Jesu die Riemen Seiner Schuhe auflöse. Er hat mich aus Gnaden zu Seinem Knecht berufen, aber ich bin nicht wert, Ihm die niedrigsten Knechtsdienste zu tun. O welch ein beschämendes Beispiel für uns stolze hochmütige Leute. In unsern betrübten, elenden Zeiten streckt alles die Hände nach oben und der Hochmutsteufel geht durch alle Stände. Man weiß jetzt kaum mehr, wer Bauer oder Knecht, Frau oder Magd im Hause ist, man sieht es keinem mehr an, ob er Bürger, Bauer oder Edelmann ist, hoch sprechen sie alle, und Samt und Seide haben sie alle an, die Kinder brauchen keine Eltern, die Untertanen keine Obrigkeit und die Gemeinen keine Prediger mehr, sie haben die Weisheit schon mit aus Mutterleib gebracht. Und so wollen wir zu Weihnachten uns bereiten? so den allerdemütigsten Jesus empfangen, der der Allerhöchste war und ist der Allerniedrigste geworden? der den Thron und die Herrlichkeit des Himmels verließ und ist der Ärmste, Geringste und Unwerteste auf Erden geworden, so verachtet, dass man das Angesicht vor Ihm verbarg? Wissen wir es denn nicht, dass der allmächtige Gott den Hoffärtigen widersteht und den Demütigen Gnade gibt? haben wir es denn nicht gelernt, dass der HErr spricht: Ich mag des nicht, der stolze Gebärden und hohen Mut hat? Siehe, Ich wohne im Himmel und Heiligtum, spricht der HErr, aber auf Erden bei denen, die zerbrochenen Herzens sind und zerschlagenes Gemüt haben. Darum erkennt doch: nur bei den Demütigen kann Jesus Weihnachten einkehren, nur die demütigen Herzen kann Er zu Seiner Krippe und Wohnung erwählen. O meine Lieben, sind wir besser, als der treue, große, gewaltige Johannes, der seinen Leib kleidete in ein grobes Gewand von Kamelhaaren und seinen Hunger stillte mit Heuschrecken und wildem Honig? sind wir mehr, als er, der bekannte, er sei nicht wert, seinem Heiland die Schuhriemen aufzulösen? Glaubt es mir, darum ist die Treue, die Redlichkeit, der Gehorsam, die selbstverleugnende Liebe verschwunden im Land, weil der Hochmutsteufel herrschend geworden ist. Nur der Demütige setzt seinen höchsten Ruhm darin, seinem Heiland aufs Wort gehorsam zu sein und sollte es Leib und Leben kosten. Darum lasst uns beten und flehen, insonderheit zu dieser Zeit um ein demütiges Herz, sonst muss Jesus an uns vorüber gehen, weil Er einen Ekel hat an den Hochmütigen. Und das wollt ihr doch wohl nicht, dass Jesus Weihnachten an euch vorüber gehe?

Doch wir kehren zu unserm lieben Johannes wieder zurück und freuen uns an seiner Demut noch weiter. Die Abgesandten sind nun soweit aus Johannes Antwort zufrieden gestellt, dass sie erkannt haben, er habe das Recht zu predigen, weil er ein Gesandter Gottes sei. Aber eine Frage haben sie noch auf dem Herzen: warum taufst du denn, wenn du nicht Christus bist, noch Elias, noch ein Prophet? Sie wollen damit sagen: die Taufe, die du verrichtest, ist etwas Neues; Elias hat nicht getauft, die Propheten auch nicht und Christus ist noch nicht da, wie kannst und darfst du denn einen neuen Religionsgebrauch einsetzen? Sie fürchten offenbar, er habe es darauf abgesehen, eine neue Religion, einen neuen Glauben aufzubringen. Johannes antwortet: ich taufe mit Wasser. Er will sagen: mein Taufen, eben weil es bloß ein Taufen mit Wasser ist, ist keine Religionshandlung, durch die ein neues gegeben wird; sie ist bloß ein sinnbildlicher Gebrauch, durch den ich anzeige, dass der natürliche Mensch mit seinen Sünden und Gräueln begraben werden muss in wahrer Buße und Reue. Die wahre Taufe, die ein Sakrament ist, die den heiligen Geist gibt, die den Menschen also zu einer neuen Kreatur macht, die kann erst Jesus bringen, der Jesus, auf den wir warten und der schon mitten unter euch getreten ist, obwohl ihr Ihn noch nicht kennt. Auf diesen Jesum weise ich euch hin mit meiner Predigt, auf diesen Jesum weise ich euch hin mit meiner Taufe, der ists, der mit dem heiligen Geist und mit Feuer tauft! So will Johannes denn wiederum nichts besonders sein, er will nur der Finger sein, der auf Jesum hinweist, und damit eben ist er der größte aller Propheten, damit ist er der herrlichste aller Prediger gewesen. Denn das ist rechte, wahre, seligmachende Predigt: hinweisen auf Jesum. Wer von Jesu getauft ist, der empfängt den heiligen Geist, wer an Jesum glaubt, der ist selig. Darum zu Jesu wollen wir uns weisen lassen von dem lieben Johannes, zu Jesu euch zu weisen, das habe auch ich von Johannes gelernt und der HErr hat es mir geboten, da Er mich ins Predigtamt gesetzt hat. Darum hört weiter, soll Jesus bei euch einkehren an diesem Weihnachten, so

II. müsset ihr Ihn empfangen als den ewigen Gott, der Mensch geworden ist.

Ja, als den ewigen Gott, der Mensch geworden ist, das drückt Johannes also aus: der ist es, der nach mir kommen wird, welcher vor mir gewesen ist; denn Er war eher, denn ich. Er kommt nach mir, sagt Johannes, Er ist also später geboren, als Johannes, ist jünger, als Johannes. Und doch bezeugt Johannes von diesem jüngeren, später geborenen: Er ist vor mir gewesen, war eher, denn ich. Was ist das für eine seltsame, rätselhafte Rede, Jesus ist jünger gewesen, als Johannes und doch vor ihm gewesen, eher, denn er! Ihr seht, war Jesus weiter nichts, als ein bloßer Mensch, wie das jetzt eine gemeine Rede ist bei der ungläubigen Welt und sogar von gottlosen Predigern auf der Kanzel gepredigt wird, war Jesus weiter nichts, als ein bloßer Mensch, so ist Johannis Wort nichts als purer Unsinn, und Johannes muss wahnsinnig gewesen sein, wenn er so etwas sagen wollte. Wenn ich mir vorstelle, da stände ein junger Mann von etwa 30 Jahren vor mir und sagte: du bist zwar älter als ich, aber ich bin doch vor dir gewesen, da würde ich denken: dem ists nicht richtig im Kopf, dass er so dummes, unsinniges Zeug spricht! Und nun sagt selbst, sieht Johannes, dieser treue Knecht Gottes, der bis zum Tode treu war, dieser mächtige Bußprediger, der eben durch die schlagende Wahrheit seiner Predigt solche Macht über die Menschen übte, sieht der aus als ein Wahnsinniger? Also, was folgt daraus? Dass dieser Jesus, der da steht bei Johannes und bei dem Volk in der Knechtsgestalt eines Menschen, dass dieser Mensch Jesus Christus der wahrhaftige, ewige Gott ist, der in das Fleisch gekommen ist, der dich so geliebt hat, dass Er Mensch wurde, und du kannst nun deinen Gott deinen Bruder nennen. Darum freue dich, du glückseliger Christ, zu dieser teuren Weihnachtszeit, nun kannst du es glauben, dass Jesus Weihnachten zu dir kommen, in deinem Herzen Wohnung machen, in dir aufs neue geboren werden will, nun kannst du es glauben, denn Jesus ist Gott! Aber nun ist das auch lauter Licht und Klarheit, was Johannes sagt. Jesus ist nach Johannes gekommen, denn Er wurde ein halbes Jahr später als Johannes, von Maria geboren; der menschlichen Geburt nach also ist Jesus jünger, als Johannes. Aber weil dieser Jesus, ehe Er der Menschensohn wurde, Gottes eingeborner Sohn war, der von Ewigkeit in des Vaters Schoß war, darum ist Er vor Johannes gewesen, und eher als er. Und was Johannes da bezeugt, die ewige Gottheit Christi, dasselbe bezeugen auch schon die Propheten des alten Bundes der Reihe nach. Höret nur einige Stellen an. Der Prophet Jesaias nennt den Heiland, der kommen soll, Ewigvater und Immanuel, d. h. Gott mit uns, und dieser Ewigvater und Immanuel, sagt er, soll von einer Jungfrau geboren werden. Der Prophet Micha, als er weissagt, dass der Messias soll in Bethlehem als ein Mensch geboren werden, setzt hinzu: des Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist. Und David weissagt von Jesu, dem Heiland, der kommen soll: das ist eine Weise eines Menschen, der Gott der HErr ist.

Aber, woher weiß es denn Johannes, der doch selber sagt, er sei kein Prophet, und woher weiß er, dass eben dieser Jesus der verheißene Gottmensch sei? Er kannte Jesum ja nicht, Er hatte Ihn ja niemals gesehen, denn Jesus war in Nazareth in Galiläa erzogen, Johannes dagegen in Judäa, wohl 20 bis 30 Meilen von da, dazu sagt Johannes ja zweimal in unserm Evangelio: ich kannte Ihn nicht! Erkennt eben daraus: Gott hat es ihm geoffenbart. Das erzählt Johannes selber also: ich kannte Ihn nicht, sondern auf dass Er offenbar würde in Israel, darum bin ich gekommen, zu taufen mit Wasser. Und ich kannte Ihn nicht; aber der mich sandte zu taufen mit Wasser, derselbe sprach zu mir: über welchen du sehen wirst den Geist herabfahren und auf Ihm bleiben, derselbe ist es, der mit heiligem Geist und mit Feuer tauft. Und ich sah es und zeugte, dass dieser ist Gottes Sohn. Also, als Jesus da vor Johannes stand, und begehrte von ihm getauft zu werden, da tat sich der Himmel auf, der heilige Geist fuhr herab sichtbar, wie eine Taube vom Himmel und blieb auf Jesu; denn es musste ja erfüllt werden, was von Jesu geschrieben stand im Propheten Jesaias: der Geist des HErrn HErrn ist über Mir, darum hat Mich der HErr gesalbt usw. Und dazu rief Gottes Stimme vom Himmel: das ist Mein lieber Sohn, an welchem Ich Wohlgefallen habe, den sollt ihr hören. Das ist also zwiefaches Zeugnis, das sichtbare Zeugnis des heiligen Geistes, der auf Jesum kam, und das hörbare Zeugnis Gottes des Vaters der da sprach: das ist Mein lieber Sohn! Sind denn das wirkliche Worte gewesen, die Gott geredet hat? hat Gott denn einen Mund? Lass dich, o Christ, nicht irre machen, wenn du vielleicht solchen Einwurf aus dem spöttischen Munde irgend eines Ungläubigen hörst - solche Leute dünken sich klug, sie sind aber entsetzlich dumm. Frag du solchen Narren doch, woher er denn den Mund habe, mit welchem er redet. Und wenn er dir dann sehr weise antwortet, den Mund habe ihm Gott gegeben, so frage du nun ihn: der das Ohr macht, sollte der nicht hören? und der den Mund macht, sollte der nicht reden? Die Götzen haben Augen und sehen nicht, Ohren und hören nicht, einen Hals und geht keine Stimme durch ihren Hals. Unser Gott aber ist kein Götze, sondern der lebendige Gott. Und was die Propheten bezeugen, was Johannes bezeugt, was Gott der Vater und Gott der heilige Geist bezeugen, das hat der HErr Jesus selber nachher wohl hundertmal bezeugt, als: Ich und der Vater sind eins, wer Mich sieht, der sieht den Vater usw.

Und also haben die sämtlichen Apostel geglaubt und bekannt wie geschrieben steht Joh. 6: HErr, wohin sollten wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens und wir haben geglaubt und erkannt dass Du bist wahrhaftig Christus, der Sohn des lebendigen Gottes. Und also hat die ganze christliche Kirche von Anfang an, also haben auch Luther und unsere frommen Väter bekannt, also bekennen auch wir noch heutiges Tages in jedem Gottesdienst, bei jeder Taufe, bei jeder Konfirmation, bei jedem Dreieinigkeitsfest: ich glaube an Jesum Christum. Gottes eingebornen Sohn, unsern HErrn Und diesen Glauben, den der dreieinige Gott selbst bekannt hat. den Propheten, Apostel, die ganze Kirche. Luther und unsere Väter und alle Mitglieder der lutherischen Kirche allzeit bekannt haben, den wir noch bekennen bis auf den heutigen Tag, und den wahrlich die Pforten der Hölle nicht überwältigen können, den sollten wir uns rauben lassen von einem gottlosen Buben, von Kindern des Unglaubens, die da sind Kinder des Teufels? Nein wahrlich, ich will lieber Gut und Blut. Leib und Leben hingeben, als von diesem Glauben auch nur einen Tüttel fahren lassen. Dieser Jesus, wahrer Gott und Mensch, soll meine Freude im Leben und mein Trost im Sterben und meine Seligkeit im Himmel sein. Das walte Gott in Gnaden!

Und nicht wahr? nun ist uns Weihnachten erst ein rechtes Weihnachten! Ja was sollte uns auch Weihnachten, wenn das nicht wäre? was sollte uns Weihnachten, wenn wir da den Geburtstag eines bloßen Menschen feierten? Wir feiern ja in unserer teuren Kirche keines Apostels Geburtstag, wir feiern nicht unsers Vaters Luther Geburtstag, und das waren doch wohl die größten und gesegnetsten Menschen, die auf Erden gelebt haben. Und warum tun wir das nicht? Nun eben weil sie Menschen, bloße Menschen waren, und es schickt sich nicht, dass in der Kirche Gottes Geburtstage der Menschen gefeiert werden. Aber Jesu Geburtstag, den feiern wir in der christlichen Kirche, und der soll in der christlichen Kirche gefeiert werden, so lange es eine Zeit gibt. Denn wenn dies Wunder der Liebe nicht gefeiert werden sollte, dass der wahre Gott Mensch geworden ist, dann wüsste ich nicht, was noch zu feiern wäre. Darum freue ich mich, wie ein Kind, auf Weihnachten, darum singe ich schon jetzt alle Tage: Gelobet seist Du Jesus Christ. Darum schaue ich schon jetzt immer so sehnsüchtig nach der Weihnachtskrippe in Bethlehem und kann mich nicht satt sehen an dem lieben, teuren Jesuskind, welches in der Krippe Raum hat und doch Himmel und Erde in Seiner Hand trägt. Und jedes Mal, wenn ich daran denke, dass Gott ein Kind wird, dann muss ich innerlich jauchzen vor Freude, Jubel und Anbetung, kann nicht ausdenken dies Wunder der göttlichen Liebe und Erbarmung; aber hier im Herzen kann ich es glauben und fühlen, und hier im Herzen kann ich Ihn lieben, und ich kann Ihm geloben, dass ich Ihm treu sein will bis in den Tod, ja in alle Ewigkeit. Und das tue ich auch täglich, denn ich weiß, an wen ich glaube und was ich an meinem Jesu habe. Ich habe es erfahren, dass ich ohne diesen Jesum ewig verloren wäre, dass nur Seine starke Gotteshand mich errettet und erlöst hat und dass ich in diesem Jesus selig bin, der da ist der wahre ewige Gott, und Mensch geworden. Nun, meine lieben teuren Christen, dem tut nun auch ihr eure Herzen auf zu diesem nahen Weihnachtsfest und versäumt nicht die Gnadenzeit. Es ist heute der letzte Advent und der HErr Jesus steht vor eures Herzens Tür und spricht: siehe, Ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wer Mir auftut, zu dem will Ich einkehren und Wohnung bei ihm machen und das Abendmahl mit ihm halten und er mit mir. Lasst Ihn ein, die Krippe war Ihm nicht zu schlecht, euer Herz ist Ihm auch nicht zu schlecht, wie sündig und böse es auch sein mag.

Er kommt, Er kommt mit Willen,
Ist voller Lieb und Lust,
All Angst und Not zu stillen,
Die Ihm an euch bewusst.

Ich frage euch auf euer Gewissen: wollt ihr selig werden? Ich denke doch, ihr wollt es! Nun so lasst Jesum durch den Glauben in euerm Herzen wohnen und durch die Liebe eingewurzelt und gegründet werden. Dann wird er einst auch von euch sagen: Vater, Ich will, dass wo Ich bin. auch die bei Mir seien, die Du nur gegeben hast, dass sie meine Herrlichkeit sehen, die Du Mir gegeben hast, denn Du hast Mich geliebt, ehe denn der Welt Grund gelegt ward.

III. Wir wollen Jesum empfangen als das Lamm Gottes, das der Welt Sünde trägt.

Wir lesen in unserm Text: des andern Tages sieht Johannes Jesum kommen und spricht von Ihm: Siehe. das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünden tragt! Dass er Jesum damit meint, das sehen wir leicht ein; aber warum gebraucht er gerade diesen Ausdruck: warum nennt er Jesum das Lamm Gottes? Du sagst vielleicht: damit drückt er aus die unendliche Liebe. Sanftmut und Geduld des HErrn Jesu der wie ein stilles, sanftes Lamm, sich nie wehrte, nie böse ward, nie auch bei den schauderhaftesten Misshandlungen und Beleidigungen nur einen Gedanken des Hasses oder Zornes hegte, sondern willig bereit war, ohne Widerrede und ohne Widerstand, Alles zu tragen, Alles zu leiden, selbst den bittersten Tod. Und in der Tat kommt auch ein Vergleich in der heiligen Schrift vor, wie es z. B. heißt: still wie ein Schaf, das verstummt vor seinem Scherer, und wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird, also hat Er nicht aufgetan Seinen Mund. Aber kann der HErr Jesus deshalb auch richtig mit einem Lamm verglichen werden, so kann Er deshalb doch nicht das Lamm Gottes genannt werden. Sondern bei den von Gott angeordneten Opfern der Juden wurde ein Lamm geschlachtet, wenn jemand gesündigt hatte, und mit dem Blut dieses Lammes wurde die Sünde des Missetäters versöhnt, indem dies Blut teils auf den Altar Gottes, teils auf den Sünder gesprengt wurde. Nun kann aber Tierblut keine Sunde wegnehmen. Daher war das jüdische Opfer nur ein Vorbild auf Christum. Jesus ist, weil wir gesündigt haben, als Gottes Lamm, als das rechte Opfer, für unsere Sünden geschlachtet worden. Wenn der Jude mit dem Opferlamm vor Gottes Altar trat, so legte er seine Hand auf das Tier, um damit anzudeuten, er lege seine Sünden auf das Lamm, so dass nun das Lamm als der Stellvertreter des Mannes angesehen wurde. Mit den Sünden des Mannes beladen, wurde nun das Lamm anstatt des Mannes geschlachtet, so dass das Lamm büßte, was der Mann verbrochen hatte. Des Lammes Blut wurde vergossen anstatt des Mannes Blut, das Lamm wurde getötet anstatt des Mannes. Das alles aber war, wie gesagt, nur ein Vorbild auf Christum. Christus ist das wirkliche Lamm Gottes auf Ihn hat Gott all unsre Sünde gelegt, Ihn hat Gott als das wahrhaftige Opfer für unsere Sünde auf dem blutigen Altare des heiligen Kreuzes schlachten lassen, auf dass Sein reines Blut das Lösegeld würde für unsere Missetat. Die Sache ist also diese: Ich habe gesündigt; nun nimmt Jesus alle meine Sünde auf sich, und ich bin ihrer los. Ich sollte sterben um meiner Sünde willen; nun stirbt Jesus für mich, ich bin also los vom Tod. Ich sollte gerichtet und verdammt werden; nun lässt Jesus sich für mich richten und verdammen, ich bin also los von Gericht und Verdammnis. Darum ist Jesus, das Lamm Gottes, denn Er ist für mich geopfert und ist mit Seinem für mich vergossenen Blut eingegangen in das Allerheiligste des Himmels, dort zu erscheinen vor Gott für mich. Das muss ich glauben, und wenn ich das glaube, weil Gott es gesagt hat, so wäscht das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, mich rein von aller Sünde. Und gesagt hat es Gott, wie geschrieben steht: Gott warf unser aller Sünde auf Ihn, und abermal: Er ist um unserer Sünde willen dahin gegeben. Darum ist eben dieser Name Lamm Gottes der rührendste, schönste Name des Heilandes, und auch Johannes kann diesen Namen gar nicht wieder vergessen, er wiederholt ihn zu mehreren Malen. Und ich bekenne auch, mein Herz wird jedes Mal in seinen innersten Tiefen bewegt und ergriffen, wenn ich bete und singe:

O Lamm Gottes unschuldig
Am Stamm des Kreuzes geschlachtet,
Allzeit befunden geduldig,
Wiewohl du wurdest verachtet.
All Sünd hast Du getragen,
Sonst müssten wir verzagen,
Erbarm Dich unser, o Jesu!

Aber ich habe so viel gesündigt, ich habe von Mutterleib an Tag für Tag gesündigt und also die Sünde gehäuft, dass sie nicht zu zählen ist, alles Dichten und Trachten meines Herzens ist böse gewesen von Jugend auf, grundböse, und doch soll ich glauben, dass das Blut dieses Lammes alle meine Sünden tilgt? So fragst du vielleicht, armes, bekümmertes Herz! Aber ich antworte dir getrost: ja, alle deine Sünden, ob sie gleich blutrot sind, ob ihrer gleich mehr ist als der Haare aus deinem Haupt, alle deine Sünden tilgt dieses Lammes Blut, denn höre, hier spricht Johannes ausdrücklich: dies Lamm trägt die Sünden der ganzen Welt! Aus diesen Worten musst du doch deutlich einsehen: ist dies Blut ein genugsames Lösegeld für die Sünden der ganzen Welt, so ist es doch gewiss tausendmal genugsam für die Sünden deiner einzelnen Person; denn du bist doch nur einer von vielen tausend Millionen.

Aber wie ist das möglich, fragst du abermals, dass eines Menschen Blut genugsam sei zu tilgen alle Sünden so vieler tausend Millionen Menschen? O da erkenne wieder den Grundpfeiler der christlichen Lehre, dass der Mensch Jesus Christus der wahrhaftige, ewige Gott ist. Dies Blut Jesu Christi ist Gottes Blut, wie ausdrücklich steht Apostelgeschichte 20: Gott hat die Gemeine durch Sein eigen Blut erworben; darum, darum allein ist es genugsam für die Sünden der ganzen Welt, denn Gott ist größer, als die ganze Welt. Ja wäre Jesu Blut das Blut eines bloßen Menschen, dann wäre es sein Friedensbrief für dich, dann könnte es nicht eine einzige deiner Sünden tilgen. Aber weil Gott dich mit Seinem eigenen Blut erkauft hat, darum brauchst du nun nicht mehr zu zagen, du kannst nun getrost dein armes Herz mit himmlischer Freude und mit himmlischem Frieden erfüllen lassen. Ob du gleich ein verlorener und verdammter Sünder bist, stille dich, denn Jesu Blut macht die böse Sache gut, drum sei dein Trost der Erwürgte, der für dich beim Richter bürgte. Denn so groß deine Sünden und die Sünden der ganzen Welt sind, es sind doch nur die Sünden der Geschöpfe, und siehe der Schöpfer hat für die Geschöpfe Sein Blut vergossen. Ist nicht der Schöpfer tausendmal größer als die Geschöpfe? Nun, darum ist auch ein Tropfen von dem Blut des Schöpfers ein überflüssiges Lösegeld für alle Geschöpfe, für der ganzen Welt Sünde. Darum singen wir auch:

O Wunder ohne Maßen,
wenn mans betrachtet recht,
Es hat sich martern lassen
Der HErr für Seine Knecht.

Es hat sich selbst der wahre Gott für uns verlorene Menschen gegeben in den Tod! Und dieses Lamm Gottes, dessen Blut dich mit Gott ausgesöhnt hat, das will jetzt in diesem Weihnachten wieder bei dir einkehren, das kann und will alle deine Sünden tilgen und dich schneeweiß waschen, wie schon Daniel weissagt: alle Sünde soll zugesiegelt, alle Schuld erlassen, alle Missetat versöhnt sein und die ewige Gerechtigkeit dir geschenkt werden. Und du wolltest nicht dein ganzes Herz weit auftun, das Lamm Gottes zu empfangen? Du wolltest nicht mit Tränen rufen, ja mit heißen Sehnen schreien:

Komm, mein Herze steht dir offen,
Zeuch, mein Heiland, bei mir ein.
Lass mich nicht vergeblich hoffen,
Lass mich ganz Dein eigen sein.
Tilge Du all mein Verbrechen,
So kann ich stets fröhlich sprechen:
Du bist mein und ich bin Dein,
Allerliebstes Jesulein!

O lass Weihnachten nicht vorübergehen, lass in Weihnachten die Gnade nicht vorübergehen; wer weiß, ob sie dir noch einmal angeboten wird! Bist du nicht ein Sünder? ein verlorener Sünder? Und Jesus, das Lamm Gottes, will dir deine Sünden vergeben, und du wolltest keine Vergebung der Sünden haben? Hast du denn etwa einen andern Heiland? gibt es einen andern? Nein, es ist in keinem andern Heil, ist auch kein andrer Name gegeben, weder im Himmel noch auf Erden, darin du könntest selig werden, als allein der hochgelobte Name Jesu Christi, des Lammes Gottes, das der Welt Sünde trägt. Denn, sagt Luther, es ist kein andrer vom Himmel gekommen, als allein Jesus Christus, wahrer Gott und Mensch; darum gibt es auch keinen andern Mittler zwischen Gott und den Menschen, als allein Jesum Christum. O, und wer geschmeckt hat die Not und Bitterkeit der Sünde, wer das erfahren hat: meine Sünden gehen über mein Haupt, wie eine schwere Last sind sie mir zu schwer geworden, wer mit Paulo hat rufen gelernt: ich armer, elender Mensch, wer will mich erretten von dem Leib dieses Todes! und wer dann wiederum erfahren hat, welch ein seliger Himmelsfriede das Herz erfüllt, wenn man glauben kann durch den heiligen Geist aus Gottes Wort und Sakrament: alle meine Sünden sind mir vergeben, der allmächtige Gott selber erklärt mich für gerecht, der tauscht mit der ganzen Welt nicht und mit allen ihren Herrlichkeiten, denn wer Vergebung der Sünden, die gewisse Vergebung der Sünden hat, der hat den Himmel in seinem Herzen, denn er ist von Jesu Armen umfangen und ruht an Jesu treuer Brust. Und zu diesem allem hast du das Anrecht, weil du getauft bist mit dem heiligen Geist, und durch dies Bad der Wiedergeburt und Erneuerung ein Kind Gottes geworden bist, wenn du anders dies Gnadenrecht nicht selbst mit Füßen von dir stößt. Nun so greif zu mit Glaubenshänden und nimm, was Gott dir schenkt in Jesu Christo, Seinem lieben Sohne, damit du das Leben und volle Genüge habest und das Weihnachtsfest alle seine Himmelsgaben über dich ausschütte.

Lasset uns beten: Lieber HErr Jesu, Gottes und Marien Sohn, komm, wohne in unsern Herzen und mache sie zu Deinem Tempel. Siehe, wir kommen, arm, elend und demütig als die armen Sünder, die von sich selber nichts haben, als Sünde. Aber wir glauben, dass Du Gottes eingeborner Sohn bist, der in das Fleisch gekommen ist, alle Sünden der Welt auf Dich zu laden, und wir glauben, dass Du Gottes Lamm bist und hast durch Dein einiges, wahrhaftiges Opfer alle unsere Schuld gebüßt und unsere Strafen getragen. Nun gib uns Deinen heiligen Geist, dass der es uns versiegele in unserm Geist durch Dein teures Wort und Sakrament im wahren Glauben: die Sünd ist uns vergehen, durch Ihn geschenkt das Leben; im Himmel sollen wir haben, o Gott, wie große Gaben! Und so lass uns alle ein seliges Weihnachten feiern, komm zu unserer Gemeine, komm zu Deiner ganzen Christenheit, gehe auch ja bei keinem, weder bei großen noch bei kleinen vorüber, auf dass wir alle in seliger Freude singen können: Er ist auf Erden kommen arm, dass Er unser sich erbarm und in dem Himmel mache reich und Seinen heiligen Engeln gleich. Hallelujah, Amen.

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