Modersohn, Ernst - Jesus - das Licht der Welt

Modersohn, Ernst - Jesus - das Licht der Welt

„Da redete Jesus abermals zu ihnen und sprach: Ich bin das Licht der Welt; wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.„
Joh. 8, 12

Die Wirkung, die von den Worten Jesu ausging, war manchmal die, daß sich das Volk entsetzte. So lesen wir, daß die Bergpredigt, die er im Anfang seiner öffentlichen Wirksamkeit hielt, bei seinen Zuhörern Entsetzen auslöste. Das waren ja unerhörte Forderungen, die er da aufstellte. Man sollte das rechte Auge ausreißen und fortwerfen, wenn es zur Versuchung wurde? Man sollte einem die andere Backe auch darbieten, wenn man auf die eine geschlagen war? Man sollte dem, der einem im Prozeß den Rock nehmen wollte, auch den Mantel lassen? Und die Feinde sollte man lieben? Unmöglich, ganz unmöglich! Wer kann solche Forderungen erfüllen? „Sie entsetzten sich,“ steht geschrieben. Wenn das der Wille Gottes sein soll, wie weit sind wir dann zurückgeblieben!

So hat er nach der großen Speisung auch Worte gesagt, die ihnen als eine harte Rede erschienen. Er hat gesagt: „Werdet ihr nicht essen das Fleisch des Menschensohnes und trinken sein Blut, so habt ihr kein Leben in euch. Wer mein Fleisch ißt und trinkt mein Blut, der hat das ewige Leben, und ich werde ihn am Jüngsten Tage auf erwecken.„

Da murrten sie, und viele, die bisher mit ihm gegangen waren, verließen ihn und folgten ihm nicht mehr nach.

Nun spricht der Herr wieder so ein Wort, das den Hörern in hohem Grade anstößig ist. Er sagt: „Ich bin das Licht der Welt; wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.“ Das spricht auch der Prophet Jesaja klar und deutlich aus in seinem 60. Kapitel, wo er das bekannte Wort sagt: „Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker; aber über dir geht auf der Herr, und seine Herrlichkeit erscheint über dir.„ So hat es der Prophet geschaut; vor dem Kommen Jesu in die Welt lag Dunkel und Finsternis über der Völkerwelt; erst mit dem Kommen Jesu ging die Herrlichkeit der Gnadensonne auf über der Welt.

Wo Jesus als das Licht noch nicht hineingeleuchtet hat in ein Menschenleben, da lebt man in der Finsternis, da lebt man in der Sünde und weiß nicht einmal, daß man Sünde tut. Das sieht man erst, wenn Jesus als das Licht aufgeht über dem Leben. In der Welt ist die Gnadensonne längst aufgegangen, es kommt nur darauf an, daß sie auch über unserm Leben aufgeht.

Ehe die Sonne aufgeht, schießen die Strahlen der Morgenröte über den Himmel dahin und vertreiben die Nacht und die Finsternis. Solche Strahlen sind vor dem Kommen Jesu längst über die dunkle Erde dahingegangen. Schon im Paradies schoß der erste Strahl über die nächtliche Erde dahin. „Ich will Feindschaft setzen zwischen dir und dem Weibe, zwischen deinem Samen und ihrem Samen. Derselbe soll dir den Kopf zertreten, und du wirst ihn in die Ferse stechen.“ Der sterbende Jakob segnete seinen Sohn Juda mit den Worten: „Es wird das Zepter von Juda nicht entwendet werden, noch der Stab des Herrschers von seinen Füßen, bis daß der Held komme, und demselben werden die Völker anhangen.„ Bileam prophezeit: „Es wird ein Stern aus Jakob aufgehen und ein Zepter aus Israel aufkommen.“ Mose tut vor seinem Tode einen Blick in die Zukunft und spricht: „Einen Propheten wie mich wird der Herr, dein Gott, dir erwecken aus dir und deinen Brüdern, dem sollt ihr gehorchen.„ Micha redet von dem Geburtsort Jesu, Sacharja von dem Einzug in Jerusalem, Jesaja von dem Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird, von dem Allerverachtetsten und Unwertesten, der so verachtet sein werde, daß man das Angesicht vor ihm verbirgt.

So schießt ein Strahl nach dem anderen über den Himmel. Sollte man nicht meinen, wenn nun Jesus wirklich komme, wenn nun die Sonne aufgehe, dann werde sich alle Welt freuen? Weit gefehlt! Als das Licht aufging, da gab es eine Krisis, und da gibt es auch heute noch eine Krisis. So ist es ja auch im Reiche der Natur. Wenn die Sonne aufgeht, dann ziehen sich die Eulen und all die Tiere der Nacht in ihre Schlupfwinkel und Höhlen zurück. Ihnen ist das Licht der Sonne zu hell und zu grell, sie können ihr Geschäft besser in der Dunkelheit betreiben. Aber während die Nachttiere sich in ihren Löchern und Höhlen verbergen, kommen die Tiere des Tages singend und jubelnd ans Licht. Die Lerche steigt lobpreisend in die Luft, und die Finken hüpfen von Ast zu Ast und begrüßen mit ihrer süßen Strophe den neuen Morgen.

So ist's in der Völkerwelt und im Menschenleben auch. Das Kommen Jesu bedeutet immer und überall eine Scheidung und Entscheidung. So war es in den Tagen Jesu, daß die einen an ihn glaubten, während die ändern ihm den Tod schwuren und nicht ruhten, bis sie ihn am Kreuze hatten. Wenn die Gnadensonne aufgeht, dann gibt es eine Scheidung und Entscheidung für oder wider den Herrn. Wer in seinen Sünden bleiben will, der lehnt ihn ab, wer es mit Jesus halten will, der muß die Sünde aufgeben. Niemand kann zwei Herren dienen. Man kann nicht Jesu folgen und der Sünde dienen.

Wenn die Sonne aufgeht, dann erkennen wir in ihrem Lichte unsere Schuld. Die haben wir vorher gar nicht so gesehen. Wir lebten ja in der Finsternis; aber nun erkennen wir, wieviel Sünde und Schuld unser Gewissen belastet. Gott sei Dank, wir brauchen nicht zu verzweifeln, wir brauchen nicht zu denken: Meine Sünde ist größer, denn daß sie mir vergeben werden möge. Nein, wir dürfen auf die Einladung hören: „Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken.“ Und wir bekommen die Erquickung, die da besteht in der Vergebung der Sünden. ,,O das ist ein andres Leben, wenn man weiß: ich bin befreit, meine Sünden sind vergeben, meinem Herrn bin ich geweiht!„ Es kommt aber darauf an, daß wir das ganze Leben durchleuchten lassen, daß wir mit unserer ganzen Vergangenheit ans Licht kommen. Wie manche schleppen sich mit einer alten Geschichte herum, die nicht geordnet ist! Man hat einmal etwas mitgenommen, was einem nicht gehörte — und hat es nicht zurückgegeben, also: gestohlen. Man hat etwas Wertvolles gefunden und behalten oder etwas geborgt und nicht zurückgebracht. Oder man hat zuviel Geld im Laden zurückbekommen, weil der Kaufmann sich geirrt hatte, man hat auf der Bahn die halbe Fahrkarte „gespart“, die man hätte für das Kind bezahlen müssen — und was dergleichen kleine Veruntreuungen mehr sind. Jedesmal, wenn in der Bibelstunde darüber gesprochen wird, daß man seine Vergangenheit in Ordnung bringen soll, weiß man ganz genau: Diese alte Geschichte meint der Herr. Aber man kann sich nicht dazu entschließen, die alte Geschichte zu ordnen. Gewiß, so ein Besuch ist unangenehm, den man machen muß, um die Schuld zu bekennen. So ein Brief ist nicht leicht zu schreiben, das weiß ich aus eigener Erfahrung, aber das weiß ich auch, daß Tersteegen recht hat, wenn er sagt: „Wenn mir's gleich noch so schmerzlich wäre, die Wonne folget nach der Pein.„ So schwer auch so ein Weg ist, wenn man hingeht, so leicht ist das Herz, wenn man zurückkommt.

Wenn das Licht Gottes jetzt auf so eine Geschichte deiner Vergangenheit fällt, dann sei gehorsam und bringe die alte Sache in Ordnung! Laß dir sagen: Wenn der Heilige Geist seinen Finger auf so eine Geschichte gelegt hat, deren Ordnung er verlangt, dann geht dieser Gottesfinger nicht eher wieder weg von dieser Stelle, bis du gehorsam gewesen bist und die Sache in Ordnung gebracht hast durch ein offenes Bekenntnis. Und so lange du das nicht tust, ist dein Friede gestört und dein Gewissen mahnt und straft dich: Du solltest endlich deine Lüge bekennen! Du solltest endlich das entwendete Gut zurückbringen! Wir müssen den Rücken frei haben gegen den Satan! Denn immer wieder höhnt der alte böse Feind: Du willst fromm sein, du willst fromme Lieder singen, und doch bist du ein Dieb und hast gestohlen! Es gibt kein fröhliches Wachsen in der Gnade, wenn dem Feinde nicht der Mund gestopft wird durch ein ehrliches Bekenntnis der alten Schuld oder durch echte reumütige Zurückerstattung des Entwendeten. Laß das Licht Gottes deine Vergangenheit durchleuchten, ich bitte dich, aber auch deine Gegenwart! Wie viele Kinder Gottes sind an dies oder das gebunden! Wie Judas ans Geld, wie Ananias und Saphira an den Ehrgeiz, wie Demas an die Welt! Ach dann trägt das Ende die Last! Judas, obwohl er einer der Zwölfe war, endete am Strick des Selbstmörders. Ananias und Saphira, obwohl sie Glieder der Urgemeinde waren, kamen im Gericht Gottes um. Demas, der ein Mitarbeiter des Apostels Paulus war, verließ ihn und verließ dann auch den Herrn. Da ist einer an Menschen gebunden in seelischer Hängerei und Abgötterei, ein anderer ist es an diese oder jene Gewohnheit, die zur Leidenschaft geworden ist, ein dritter ist gebunden an Hund und Katze, an Papagei und Kanarienvogel, an goldenen Schmuck oder an Süßigkeiten oder was es sonst sein mag. „Fühlst du dich noch gebunden? Entreiß dich nur beherzt. Das Lamm hat überwunden, was deine Seele schmerzt.“ Weg mit der Gebundenheit!

An dieser Stelle machen viele einen Fehler. Wenn sie zur Erkenntnis gekommen sind, daß sie gebunden sind, dann beten sie: „Herr, erlöse mich davon!„ Und — sie bleiben gebunden. Also hat der Herr sie nicht davon gelöst! Nein, hier heißt es nicht, um Lösung von der Gebundenheit beten, sondern hier heißt es: einen Entschluß fassen und eine Tat tun. Der Herr Jesus hat gesagt: „Ärgert dich dein rechtes Auge, dann reiß es aus und wirf es von dir! Ärgert dich deine rechte Hand, dann haue sie ab!“ Da erwartet der Herr von uns eine Tat, eine mannhafte Tat, daß wir das, was uns zur Gefahr wird, drangeben und wegtun.

Leuchtet das Licht Gottes hinein in solche Gebundenheiten deines inneren Lebens, dann sei gehorsam und denke an das Wort: „Wer nicht absagt allem, was er hat, der kann nicht mein Jünger sein!„ Verschließ dich dem Lichte Gottes nicht, wenn es dein Herz und dein Leben durchleuchtet! Bitte lieber den Herrn: „Entdecke alles und verzehre, was nicht in deinem Lichte rein!“ Dann wird sich das Wort Jesu auch bei dir bewahrheiten: „Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.„ Ein Wandel im Licht ist die selige Folge, wenn man das Leben hat durchleuchten lassen. Im Blick auf die Vergangenheit ist man getrost: „So wahr Gottes Sonne am Himmel noch pranget, so wahr hab ich Sünder Vergebung erlanget.“ Der Feind findet keine Handhabe mehr, uns wegen alter Geschichten zu verklagen, sie sind getilgt und gesühnt im Blute des Lammes. Solche sind wir gewesen, aber wir sind abgewaschen, wir sind geheiligt, wir sind gerecht geworden durch den Namen des Herrn Jesu und durch den Geist unseres Gottes. Im Blick auf die Gegenwart erfreuen wir uns eines offenen Himmels, unter dem wir leben dürfen. Der Herr hat gesagt: „Ich will dir den Weg zeigen, den du wandeln sollst, ich will dich mit meinen Augen leiten.„ Wenn wir ihm nach den Augen sehen, dann leitet er uns auch mit seinen Augen, wie er gesagt hat, und mit seinem Lichte erleuchtet er unseren Pfad: „Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege“, wie schon der Psalmist gesagt hat. Wie klar und deutlich erkennen wir in dem Lichte des Wortes unseren Weg durch die Welt. Wir dürfen wissen, daß wir mit schnellen Schritten dem Ende dieses Zeitlaufs entgegengehen und daß der Tag Christi nahe ist. Darum betet die Gemeinde des Herrn: „Amen, ja, komm, Herr Jesu!„

Wie wird das sein, wenn dann die Posaune klingt, die auch durch die Gräber dringt! Wenn dann die Toten in Christo auferstehen zuerst, ob sie in der Heimat ihr Grab gefunden haben oder irgendwo in fremdem Land, ob sie im Einzelgrab ruhen oder im Massengrab, ob sie verschüttet und verkohlt unter den Trümmern ihres Hauses liegen oder untergingen mit ihrem Schiff im Weltmeer — die Toten in Christo werden auferstehen.

Und die lebenden Gläubigen werden verwandelt werden in das Bild Jesu hinein. Und dann wird die Gemeinde des Herrn, die aus den auferweckten Toten und den verwandelten Lebenden besteht, ihre selige Himmelfahrt halten, dem Herrn entgegengerückt in der Luft, um den König zu begrüßen, der da kommt, um seine Gemeinde vom Antichrist zu erlösen und sein Friedensreich zu errichten, in dem Gerechtigkeit wohnt. Bis dahin haben wir in der Nähe Jesu zu bleiben. „Nahe bei Jesu heißt: wandeln im Licht, Satan und Sünde — hier herrschen sie nicht! Liebliches Los, bei dem Meister zu ruhn, nur noch, was er sagt, mit Freuden zu tun!“ Je länger je leichter wird es uns dann, den Willen des Herrn zu erkennen. Es ist so, wie wenn zwei Ehegatten miteinander durchs Leben gehen. Im Anfang wird die Frau manchmal fragen: „Wie hast du das gern, soll ich es so, oder soll ich es so machen?„ Aber je länger sie miteinander pilgern, um so weniger braucht sie zu fragen. Sie weiß: Das hat mein Mann gerne so, und das hat er gerne so. So ist es auch in einem Leben der Gemeinschaft mit Gott in der Nachfolge Jesu.

Man lernt ihn immer besser kennen, man lernt ihn immer mehr lieben und ihm vertrauen. Durch all die Erfahrungen unseres Lebens, durch alle Erhörungen unserer Gebete, durch alle Bewahrungen wird er uns je länger je lieber. Ja, wer ihm nachfolgt, der wandelt nicht in der Finsternis, der hat das Licht des Lebens. Gelobt sei Gott.

Quelle: Modersohn, Ernst - Was ist mir Jesus?

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