Lambs, Jean-Philippe - Die Jung St. Peter-Kirche in Straßburg. - §. 7. Weitere Schicksale der Jung St. Peter-Kirche bis zur Uebergabe der Stadt Straßburg an Frankreich, 1681.

Lambs, Jean-Philippe - Die Jung St. Peter-Kirche in Straßburg. - §. 7. Weitere Schicksale der Jung St. Peter-Kirche bis zur Uebergabe der Stadt Straßburg an Frankreich, 1681.

Nach vielfältigen Unterhandlungen1), die sich bis zum Jahr 1549 verzogen, kam endlich zwischen dem damaligen Bischof Erasmus von Limburg, der zu seinem Unterhändler den Probst von Selz, Georg von Wickersheim, und zwischen dem Magistrate von Straßburg, welcher den Unterlandsvogt von Hagenau, Heinrich von Fleckenstein, Freiherrn zu Dagstul, erwählt hatte, ein Vergleich zu Stande, der am 23. November 1549 bekräftigt und von beiden Theilen unterschrieben wurde2).

Nach diesem Vertrage sollten die Stiftsherrn und Geistlichen ihrer bürgerlichen Rechte und Pflichten entlassen, aber gegen ein bestimmtes Schirmgeld, von der Stadt unter Schutz und Schirm auf 10 Jahre aufgenommen werden; dem Bischof sollten zur Ausübung des Interims, das hohe Stift im Münster, die Stifter Alt- und Jung St. Peter und das Stift Allerheiligen3) wieder eingeräumt werden. Doch sollten dem alten Pfarrer in Alt St. Peter, Theobald Schwarz, von dem Stifte lebenslänglich, alle Jahre 100 Gulden, und den beiden Helfern in Jung St. Peter, Georg Fabri und Lorenz Offner, jedem 50 Gulden jährlich gereicht werden.

Am 1. Hornung wurde zufolge des Vertrags wieder in den genannten Stiftskirchen, also auch in Jung St. Peter die Vesper gesungen, und am folgenden Tage die Messe gelesen, welche vor 21 Jahren durch die Bürgerschaft war abgestellt worden. Die übrigen Kirchen, St. Thomä, St. Nikolai, St. Aurelien und St. Wilhelm, so wie die Prediger-Kirche, wurden den Augsburgischen Confessions-Verwandten überlassen4).

Unterdessen kam der Passauische Vertrag 1552 zu Stande, und durch den im Jahr 1555 erfolgten Religionsfrieden zu Augsburg, wurde, vermöge der §. 15, 18, 19, 20, 21 und 22, den Protestanten ihre Rechte und Freiheiten, so wie auch ihre Güter und Einkünfte, Kirchen und Schulen auf das Feierlichste zugesichert.

Als nun im Jahr 1559, nach Abfluß des zehnjährigen Schirms, der Bischof Erasmus abermals bei dem Magistrate um weitere Erstreckung desselben auf fernere zehn Jahre für die Geistlichkeit ansuchte, so wurde von Seiten des Magistrats die Anzeige gemacht: „daß, obgleich man niemalen gemeint gewesen, noch jemalen seyn werde, ein perpetuum aus diesem Vertrag zu schließen, noch denselben des weitern zu prorogieren, so wäre doch E. E. Rath erbötig, daß gleichwie er nicht gern wollte geschehen lassen, daß in der Stadt oder dero Gebiet jemand, wer der auch sey, mit unziemlicher Gewalt beschweret würde, also auch die katholischen Geistlichen, noch fürderhin mit ihren Leibern, Haab und Gütern vor aller und jeder Thätlichkeit geschirmet werden sollen.“5)

Dies gab nun vorläufig zu manchen Streitigkeiten und Unterhandlungen Anlaß, und es hätten sich dieselben wohl endlich zur Zufriedenheit beider Parteien lösen lassen, wenn nicht die Stiftsherrn selbst, diesem allem dadurch ein Ende gemacht hätten, daß sie ihren Gottesdienst in den Stiftskirchen und diese selbst gänzlich und freiwillig verließen6). Dies thaten zuerst die Stiftsherrn im Münster, denen die der beiden andern Stifter, Jung- und Alt St. Peter nachfolgten.

Daß sie aber ungezwungen und freiwillig auf ihre Kirchen Verzicht geleistet hatten, ergibt sich klar daraus, daß dieselbigen drei Wochen nachher sich abermals bei dem Magistrate um den Temporalschirm bewarben, und obgleich ihnen die Wiedereinräumung der Kirchen angeboten wurde, wollten sie solche nicht annehmen, sondern begehrten ausdrücklich nur Schutz und Schirm für ihre Personen und Güter, und die freie Stiftsverwaltung. Ohne Mühe erhielten sie dies, da sich der Rath schon längst eben hiezu erboten hatte, und am 23. December 1559 wurden den Stiftern neue Schirmbriefe auf zehn Jahre und gegen ein jährliches Schirmgeld ausgefertigt; doch war ausdrücklich darin gemeldet, daß man die Geistlichen schützen wolle, „außerhalb ihrer Religion und Gottesdiensts.“

Der Magistrat faßte aber erst zwei Jahre später, um dem allgemeinen Wunsche der Bürgerschaft nachzugeben, den Beschluß, die leer gebliebenen katholischen Kirchen dem protestantischen Cultus wieder zu übergeben. Die Jung St. Peter Kirche wurde am Samstag den 17. Mai 1561, zu gleicher Zeit und durch die nämliche Entschließung, wie das Münster, den Protestanten übergeben, und am Tage darauf, den 18. Mai (Sonntag vor Pfingsten), wurde wieder der evangelische Gottesdienst in derselben gefeiert7). Conrad Lautenbach hatte die Frühpredigt, und Pfarrer Lorenz Offner, von Geispolsheim gebürtig, den Hauptgottesdienst8)). Von dieser Zeit an bis zur Uebergabe der Stadt Straßburg an die Krone Frankreich, machten die Stiftsherrn keinen Gebrauch mehr vom Chor9).

Was die Lage der evangelischen Geistlichen betrifft, so wurde diese jetzt erst nach Beendigung des Interims im Jahr 1560 verbessert und definitiv geregelt. Bis dahin hatte man den Bedürfnissen derselben so zu sagen von einem Tag auf den andern Genüge gethan. Im Jahr 1560 begann der Magistrat wieder sich mit der Regulierung der kirchlichen Angelegenheiten, und namentlich mit dem Gehalte der Geistlichen zu befassen, da diese Geschäfte während der Dauer des Religionskrieges gehemmt worden waren. Von dieser Epoche an finden sich in den Protocollen der Räth und XXI eine Reihe von mehr oder weniger wichtigen Beschlüssen in Betreff des Gehaltes der evangelischen Geistlichen.

Zufolge dieser Beschlüsse bezogen der Pfarrer und seine Helfer an der Kirche zum Jung St. Peter ihren Gehalt von dem katholischen Capitel, gleich wie auch die evangelischen Pfarrer des Münsters vom Groß-Capitel und Chor den ihrigen erhielten. In dieser Maßregel lag weder Willkür noch Tyrannei, sondern dies war bloß die Vollziehung einer Verfügung des Vertrags von 1555, welche ausdrücklich sagte, daß die früher in jeder Kirche und in jeder Pfarrei errichteten Dienste und Aemter fernerhin beibehalten, und von dem Einkommen der ihnen zugewiesenen ehemaligen Kirchengüter bezahlt werden sollten, ohne Rücksicht auf die religiösen Zwistigkeiten, die sich in jeder Pfarrei haben erheben können.

Kraft dieser Verfügung mußte sich das Capitel von Jung St. Peter mit den Gehalten des Pfarrers, der Helfer, des Schulmeisters und des Sigristen beladen. Es erbot sich im Jahr 1561: dem Pfarrer 200 Gulden an Geld und 20 „Fiertel. Früchte, jedem Helfer 80 Gulden und 12 Fiertel Früchte, und dem Sigristen einen halben Gulden wöchentlich zu geben.“ Diese Anträge wurden von der Kammer der XXI in ihrer Sitzung vom 8. September 1561 verhandelt, und der Magistrat beschloß10), daß das Capitel 200 Gulden und 12 Fiertel Früchte dem Pfarrer, 100 Gulden jedem Helfer zu bezahlen, und einem jeden dieser Geistlichen ein Pfarrhaus, und dem Sigristen eine Wohnung zu liefern hätte.

Die Chorherrn von Jung St. Peter entledigten sich getreulich ihrer Verbindlichkeiten. Es erhob sich zwischen ihnen und dem Magistrate keine Streitigkeit, außer im Betreff des Gehaltes und der Wohnung eines supernumerarii oder überzähligen Helfers, den man zu verschiedenen Malen ernennen mußte, wenn der Pfarrer unfähig geworden war persönlich sein Amt zu verrichten. Das Capitel sagte, daß, da es fortfahre dem ausgedienten Geistlichen einen Gehalt und eine Wohnung zu liefern, es nicht zu den nämlichen Verbindlichkeiten gegen den Supernumerarius gehalten wäre.

Der Magistrat hingegen behauptete, daß das Capitel sich dieser doppelten Last unterwerfen müßte, kraft der Religions-Friedensverträge11), welche die Grundlage des gemeinen Rechtes in jener Zeit bildeten, und welche verfügten, daß die Aemter in den Kirchen und Pfarreien fortwährend von den Einkünften der ehemaligen Kirchengüter unterhalten werden sollten, wie man solche auch nachmals bestellen möchte. Dieser Streit wurde in den Jahren 1618 und 161912), in diesem Sinne entschieden. Er erneuerte sich im Laufe des 17. Jahrhunderts ziemlich oft, z. B. in den Jahren 1657, 1658 und 1667, und ward erst im Jahre 1668 definitiv beendigt durch die am 10/20. August 1668 abgeschlossene: „Transactio zwischen der Stadt Straßburg und dem Capitul von Jung St. Peter zu Straßburg, wegen Unterhaltung der evangelischen Geistlichen und Bedienten dieser Kirch“13) laut welcher:

„1.) Der Magistrat versprach die übliche Geldbesoldung des Pfarrers, der Diaconen, des Sigristen, des Schulmeisters, der Cantoren und des Organisten ins künftige jährlich zu bezahlen; das Holz für die Schule und die Communionkosten zu liefern; dem Pfarrer zu Gries 25 Pfund, und dem Dormenter des Stifts 25 Pfund jährlich zu geben; einen Emeritus und dessen Vikar zu besolden.
2.) Dagegen versprachen Probst, Dechant und Capitel die Fruchtbesoldung wie bisher vom Stift zu liefern; ferner die jährlichen Zinse von einem auf dem Pfenningthurm stehenden, dem Capitel gehörigen Kapitale von 13,812 Pfund oder 52,630 Liv., wovon die Zinse 639 Pfund 10 Schillinge oder 2558 Liv. ausmachten, der Stadt zu überlassen. Ein anderes Kapital von 3000 Pfund, welches jährlich 120 Pfund Zinse abwarf, wolle das Capitel behalten, um daraus das Schirmgeld von 120 Pfund der Stadt zu bezahlen.“

Ebenso lag auch dem Capitel ob, die evangelische Kirche zum Jungen St. Peter in „Gebäu, Dach, Mauern, Fenster, Orgel und vielem andern, zu erhalten.“ Alle diese Verbindlichkeiten wurden von Seiten des Capitels, die aus dieser Uebereinkunft von 1668 erfolgten, fortwährend bis 1791 vollzogen.

Die Stadt Straßburg war damals noch nach alter kirchlicher Sitte in Kirchsprengel abgetheilt. Der Kirchsprengel von Jung St. Peter begriff die ganze Gegend von der Brandgasse durch das kleine Predigergäßlein bis zum Gerbergraben; dann vom Braud ein End und Rosgartengäßlein bis zum Steinstraßerthor und Judenthor14).

Auch mag hier noch Erwähnung geschehen des würdigen Probstes zu Jung St. Peter, Mauritius Ueberheu, der ein merkwürdiges Tagebuch (Protocollum) hinterlassen hat15), der für junge Studierende das Mauritianische Stipendium stiftete, und der am Enden des 16. Jahrhunderts evangelisch wurde.

1)
Weitläufig werden diese Verhandlungen berichtet in den Protocollen der Räth und XXI zu den betreffenden Jahren, so wie auch in Schmidt, rc. Mscpt. fol. 14-33.
2)
Wenker, Archivarius, Aktenmäßiger Bericht auf was Art und Weise die Kirchen zum Jungen und Alt. St. Peter den Augsb. Confessionsverwandten zugekommen. Mscpt. fol. 2 u. ff.
3)
Königshoven, Ausg. Schilter. S. 282. Dieses kleine Stift lag im Pfarrsprengel des Jung St. Peter Stiftes. Heinrich von Müllenheim hatte die Kirche Allerheiligen (an der Steinstraße gelegen) 1327 gestiftet und dessen Nachkommen hatten sie nach und nach mit 12 Pfründen versehen, zu denen sie sich das Vorschlagsrecht vorbehielten; der Probst zum Jung St. Peter pflegte die Vorgeschlagenen dann in ihr Amt einzusetzen.
4)
Hertzog, Els. Chron. B. IV. S. 121.
5)
Wenker, aktenmäßiger Bericht x. fol. 3 u. ff. Mscpt.
6)
Friese, vaterl. Gesch. B. II. S. 289 u. ff. erzählt den Vorfall, der dazu die Veranlassung wurde. Vergl. Röhrich, B. III. S. 48 u. ff. - Guillimannus, de Episc. argentin. S. 451 sagt ebenfalls darüber folgendes: „Aedes Cathedralis, post decimum restitutionis annum, magis deserta per paucorum canonicorum et sacerdotum inanem et pudendama formidinem, quam violentia amissa aut rursus erepta.“
7)
Specklin, Collekt. B. II. fol. 87. und Silbermanns handschriftl. Nachlaß. Lade H.
8)
Anfangs und bis 1661 wurde blos eine Frühpredigt oder Frühgebet und dann der Hauptgottesdienst gehalten. In dem eben genannten Jahre wurde zum erstenmal in unserer Kirche die Abendpredigt eingeführt, und bis 1695 fortgesetzt. Da aber die französischen Soldaten sich jedesmal auf dem Kirchhof versammelten, wenn sie auf die Wache zogen, wurde sie bis zum Jahr 1707 eingestellt. Der erste Sonntags Abendprediger war: Balthasar Bebel Dr. der Theol. (Prot der Räth u. XXI. v. 1661.
9)
Dieses jedoch nur in sofern sie keinen Gottesdienst darin hielten, wohl aber jedesmal zur Installation der Canonici, oder anderen Ceremonien, so wie zur Aufbewahrung der Archive. Wenker, fol. 7.
10)
Protocoll der Räth u. XXI v. 1561. fol. 179. (Stadtarchiv).
11)
Namentlich der Interims-Declaration von 1549, dem Passauer Vertrage von 1552, dem Reichsabschied von 1555 gemäß. Bei spätern Transactionen wurden diese Verträge nicht nur zum Grunde gelegt, sondern auch durch andere eben so wichtige bestätigt, wie durch den Hagenauer Vertrag von 1604, der auf dem in Molsheim von 1602 errichteten Vergleiche beruhete, und in welchem erstern in Ansehung der Stadt Straßburg folgende Stelle enthalten ist: Daß die Stadt Straßburg für sich und ihre gemeine Burgerschaft und Angehörige, in der Stadt und auf dem Land in allem, bei ihrem Herbringen, Rechten und Gerechtigkeiten, wie es bei Bischof Johannsen Regierungszeiten, vor entstandener Unruhe, damit beschaffen gewesen, durchaus verbleiben solle… Schilter, Anmerk. XII. zu Königshoven. S. 753 u. ff. - Alle diese Verträge wurden 1648 durch den westphälisden Friedensschluß bestätigt.
12)
Protocoll der Rath u. XXI. v. 1618. fol. 296. 298 u. 301. und v. 1619. fol. 47 u. 53. (Stadtarchiv).
13)
Dieses Document findet sich im Kirchenarchiv. Siehe Beilage I.
14)
Siehe Beilage II.
15)
Straßb. Kirchenarchiv.
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