Thomasius, Gottfried - Am Karfreitag.

Es ist vollbracht.

O Lamm Gottes, unschuldig,
Am Stamm des Kreuzes geschlachtet,
Allzeit erfunden geduldig,
Wie sehr du wardst verachtet!
All Sünd hast du getragen,
Sonst müssten wir verzagen,
Erbarm dich unser, o Jesu!

Wenn ein Mensch auf Erden seinen Lauf vollendet hat, und seine Seele nach hartem Kampf aus dem Leib geschieden ist, so sehen ihn seine Freunde noch einmal an unter vielen Tränen, und das Herz tut ihnen weh vor großem Schmerz; wissen sie auch von ihm, dass er selig gestorben ist, so betrübt sie doch sein Verlust, und sie preisen nur trauernd die Hand, die ihn zum Frieden eingeführt hat. Heute aber, am stillen Freitag, heute feiern wir das Gedächtnis eines Todes, der der ganzen erlösten Menschheit eine Ursache ewigen Dankes und ewiger Freude ist, das Gedächtnis des Todes Jesu Christi unseres Herrn. Freilich wenn wir erwägen, dass es die Sünden der Welt gewesen sind, die auf ihm lagen, dass es unsere Übertretungen und Missetaten waren, die ihn ans Kreuz gebracht und in den bitteren Tod getrieben haben, dann trauern wir billig über unsere Schuld und klagen über die Größe unseres Verderbens. Und das ist auch allein die rechte Stimmung, in welcher dieser Tag begangen sein will. Mit dem Bekenntnis unserer Sünden, mit dem tiefen Gefühl der Buße im Herzen sollen wir uns versammeln um das Kreuz des Erlösers, und die Predigt hören, die von da herab an die verlorene und doch begnadigte Welt ergeht. Diese Predigt aber ist keine andere als die: „Gleichwie Moses eine Schlange erhöht hat in der Wüste, also muss des Menschensohn erhöht werden“; keine andere als die: „Jesus Christus hat unsere Sünden selbst geopfert an seinem Leib auf dem Holze.“ Seit achtzehn Jahrhunderten ist diese Predigt durch die Welt gegangen, und hat überall, wo sie Eingang fand, aus verlorenen Kreaturen Kinder Gottes, aus betrübten, geängsteten Gewissen fröhliche, in der Gnade Gottes selige Herzen gemacht. Sie hat den Tod und den, der des Todes Gewalt hat, überwunden, und Tausenden die Freudigkeit gegeben, in der letzten Stunde ihres Lebens getrost und ruhig der Ewigkeit entgegenzusehen. Dort erfahren sie erst ganz die Kraft der Erlösung durch das Blut Jesu Christi, und lobsingen dem Lamm, das erwürgt ist und würdig geworden ist, zu nehmen Preis, Ehre und Kraft! Von dem Segen dieser Predigt werden auch wir, Andächtige, heute etwas erfahren, wenn anders unsere Herzen durch Buße und heilsame Traurigkeit zum guten Boden zubereitet sind. Schaffe du sie selbst in unseren Seelen, himmlischer Vater!

Joh. 19,30.
Da nun Jesus den Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht; und neigte das Haupt, und verschied.

Dieses Wort des scheidenden Erlösers „Es ist vollbracht,“ ist ein Wort der seligsten Freude für alle gläubigen Herzen.

Denn sage ich, indem ich die Bedeutung desselben auseinander zu legen suche:

I. Der Kampf ist ausgekämpft.

Und es war ein langer, heißer Kampf. Zwar sind es nur drei Jahre, dass er öffentlich als Heiland der Welt auf Erden wandelte, aber in diesen drei Jahren hat sich Alles wider ihn zusammengedrängt, was Hass der Welt, was Feindschaft wider Gott, was Anfechtung der Sünde und des Satans heißt. Denn wenn es überhaupt die Art der Welt ist, das Licht zu hassen und der Wahrheit aus Gott zu widerstehen, hier, wo die Wahrheit und das Leben selber persönlich in ihrer Mitte erschienen war, wo der Heilige Gottes, wo der Sohn des lebendigen Gottes in Knechtsgestalt in ihr wohnte, hier musste sich die ganze Macht ihres ungöttlichen Wesens ihm gegenüber offenbaren, und darum hat auch Keiner so viel von ihrem Hass erlitten als Er, Keiner so sehr ihren Undank, ihre Herzenshärtigkeit, ihren Widerspruch erfahren als Er. Auf jedem Schritt seines Weges trat er ihm entgegen. Wenn er sein Volk um sich her versammeln will, wie eine Henne versammelt ihre Küchlein unter ihre Flügel, so wollen sie nicht; wenn er ihre Sünden straft, so sagen sie: Du bist ein Samariter und hast den Teufel; wenn er zu den Armen und Elenden sich herablässt, so heißt es, er ist der Zöllner und Sünder Geselle; wenn er die Werke des Satans zerstört in seiner göttlichen Allmacht, so lästern sie: „Er treibt die Teufel aus durch Beelzebub, der Teufel Obersten,“ und wenn er Gott seinen Vater nennt, so heben sie Steine auf und rufen: „Er lästert Gott“. Selbst über die Jünger muss er klagen: „O du ungläubige und arge Art, wie lange soll ich euch tragen“! Und nun erst die letzten Tage und Stunden seines Lebens, der Kampf im Garten, wo er Gebet und Flehen mit starkem Geschrei und Tränen geopfert und mit der Schwachheit des eigenen Fleischs bis aufs Blut gekämpft hat, sein Zittern und Zagen unter der Last unserer Sünden, die Klage: „Meine Seele ist betrübt bis in den Tod,“ das Urteil des hohen Rats, das: „Kreuzige“! des Volkes, die Misshandlungen unter den Händen der Kriegsknechte, der Gang nach Golgatha unter der Last des Kreuzes, und zuletzt noch sein ganzes tiefes Leiden am Kreuz, der Schmerz des Leibes, der von Nägeln durchbohrt am Holz hängt und aus tausend Wunden blutet, der Schmerz der Seele, die den Fluch unserer Sünden trägt und das Gericht des göttlichen Zornes empfindet, die Klage seines zerbrochenen Herzens: „Eli, Eli, lama asabtani?“ wahrlich, Freunde, man fühlt, dass es ein Kampf ohne Gleichen gewesen ist. Nun aber heißt es: Es ist vollbracht! Der Kampf ist aus, das müde Haupt neigt sich zur Ruhe, in Frieden schließen sich die Augen zu; Er ist aus der Angst und aus dem Gericht hinweggenommen. „In deine Hände befehle ich meinen Geist, du hast mich erlöst, du getreuer Gott!“ O wie wohl wirds dem armen zerschlagenen Leib gewesen sein, wie wohl wirds der todesmüden Seele getan haben, dass sie zu ihrer Ruhe gekommen ist. Es ist ja nun Alles erfüllt, was die Schrift von dem Leiden und Sterben des Menschensohnes zuvor bezeugt, Alles vollendet, was nach dem Rat des Vaters zum Heil der verlorenen Welt geschehen sollte, das ganze große Werk vollbracht. Kein Tropfen ist in dem bitteren Leidenskelch zurückgeblieben, der Kampf bis aufs Letzte durchgekämpft und auf den Kampf folgt die Krone, auf den Tod das Leben, auf die Schmach. die Herrlichkeit, die ihm das prophetische Wort verheißen hat (Jes. 53,8-14.). Diese Verheißung ist nun an ihm erfüllt; mit Preis und Ehre gekrönt sitzt er, der Gekreuzigte und Auferstandene, zur Rechten des Vaters in der Höhe und hat einen Namen empfangen, der über alle Namen ist, also dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen alle derer Knie, die im Himmel, auf Erden und unter der Erden sind, und alle Zungen bekennen, dass Jesus Christus der Herr sei, zur Ehre Gottes des Vaters. Und wir seine Erlösten, wir stehen noch mitten in der Arbeit, im Streit des Lebens und will uns oft bange werden unter der Last, die wir tragen, und unter dem Kampf, der uns verordnet ist; denn es ist unser Christenberuf mit Christo zu leiden, und aus dem Kelch zu trinken, aus welchem er getrunken hat; aber, Brüder! was wir erfahren, das hat er selbst im vollsten Maße empfunden, und weil er so aus eigener Erfahrung weiß, wie einem armen, angefochtenen Menschenherzen auf Erden zu Mute ist, so ist er barmherzig geworden und hat Mitleid mit unserer Schwachheit. Nun kämpfen wir niemals alleine den großen Streit: Er steht uns unsichtbar zur Seite und hilft uns durch; nun rufen wir niemals umsonst aus der Tiefe, Er hört unser Schreien und gibt uns zu jedem Kampf die Kraft und den Sieg; denn als er am Kreuz rief: „Es ist vollbracht,“ da war der Kampf bis zum Sieg durchgekämpft, und sagen wir

II. das Opfer dargebracht.

Zur Erlösung der sündigen Welt war Jesus Christus ins Fleisch gekommen; aber die Erlösung forderte ein Opfer; denn unmöglich kann Gott der Heilige den Fluch, der um der Sünde willen auf der Menschheit lag, hinwegtun, ohne dass dem Gesetz, das ihn ausgesprochen hat, sein Recht geschehe, unmöglich den Sünder mit sich versöhnen, ohne dass seiner Gerechtigkeit genug getan werde. Wo bliebe denn sonst seine Heiligkeit, die alles ungöttliche Wesen ausschließt und tilgt? wo seine Wahrheit, die da gesagt hat: „welche Seele sündigt, die soll sterben,“ wo seine Liebe, die, weil sie die göttliche ist, auch das Böse hasst und nur das liebt, was rein und heilig ist? Ja, Andächtige, die Schuld und Sünde der Menschheit forderte, wenn sie vergeben werden sollte, ein Opfer; sie kann nur getilgt werden durch Sühnung und Versöhnung; und ohne Blutvergießen geschieht kein Opfer und keine Vergebung, sagt die Schrift (Hebr. 9,22.). Darum sehen wir von Anfang an in Israel Priester und Opfer verordnet, um des Volkes Sünde zu sühnen, insbesondere das große Opfer, das alljährlich am Passahfest von dem Hohepriester dargebracht wurde (Leviticus 16.). Allein was konnten solche Priester, die selber Sünder waren und darum immer erst der eigenen Reinigung und Versöhnung bedurften, was konnten solche Opfer der Tiere, die in sich selbst keine versöhnende Kraft hatten, bewirken, als eine äußerliche Reinigung und Entsündigung? Erlassung der zeitlichen Strafe, die im Gesetze gedroht war, Wiederherstellung der Volksgemeinschaft mit Gott, aber die Schuld der Sünde vermochten sie nicht zu tilgen; die Gewissen von den toten Werken reinigen, eine Vergebung der Sünden, einen bleibenden Trost dem Sünder vermitteln, das konnten. sie nicht. Sollte eine wahre, ewige Erlösung erfunden, sollte die Welt mit Gott versöhnt werden, so bedurfte es eines anderen, größeren Hohepriesters, nämlich eines solchen, der da heilig, unschuldig, unbefleckt, von den Sünden abgesondert und höher denn der Himmel wäre, und eines bessern Opfers, das durch seine eigene Kraft die Sünden tilgen, durch seinen eigenen Wert der göttlichen Heiligkeit genügen könnte; ein Leben musste eingesetzt, ein vollkommenes göttliches Leben musste in unserem Namen dem Vater geweiht und in völliger Selbstverleugnung hingegeben werden, wenn wir ihm wieder angenehm gemacht werden sollten. Dieses Leben aber konnte kein anderer dargeben, als der, welcher selbst das ewige Leben ist, Jesus Christus, der menschgewordene Sohn des lebendigen Gottes. Und er hat es getan; am Kreuz hat er die Strafe der Sünden für uns gelitten, am Kreuz sein Blut vergossen, und so in seiner Person unser verlorenes Geschlecht Gott aufs Neue angenehm gemacht. Sechs Stunden hat da seine Seele gearbeitet unter der Last unserer Missetaten, sechs Stunden hat er im Gericht des Allmächtigen gestanden, dann rief er laut: Es ist vollbracht, und indem er sein Leben in den Tod gab, war das Opfer vollendet. Dieses Opfer aber ist groß genug, um die ganze Welt mit Gott zu versöhnen, dieses Blut, es ist teuer genug, um alle Sünde zu tilgen; denn es ist das Blut Jesu Christi, von dem er selbst bezeugt hat: „Das ist mein Blut des Neuen Testamentes,“ von dem Johannes sagt: „Das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, macht rein von aller Sünde.“ Darum bedarf es nun auch keines weiteren Opfers mehr; denn das Eine Opfer des großen Hohepriesters reicht mit seiner Kraft hindurch durch alle Zeiten rückwärts bis an den Anfang, vorwärts bis an das Ende der Welt, herab zu allen Gläubigen der streitenden Kirche auf Erden und hinauf zu den Seligen im Himmel, die in Kleidern der Gerechtigkeit am Thron des Lammes stehen. O meine Brüder, und wir haben ja Alle auch schon seinen Segen und seine erlösende Kraft erfahren; in unserer Taufe hat es uns von der Schuld des angeborenen Verderbens gereinigt und von der Befleckung des Fleischs, die von Natur an uns haftet; im Sakrament des Altars hat es uns Vergebung und göttliche Lebenskräfte verliehen, und was uns immer an Trost der Gnade, an Gerechtigkeit und Friede bisher zugeflossen ist - ihr, die ihr an seinen Namen glaubt, wisst, dass es uns aus dieser Quelle, um dieses Opfers und Todes willen zugekommen ist. So hebt denn heute eure Hände auf und dankt ihm für die große treue Liebe, in der er selbst sein Leben nicht zu teuer geachtet hat, um euch mit Gott zu versöhnen; dankt ihm für diese Gnade, der wir ganz und gar unwürdig sind, für seine Arbeit um unsere Seelen, für seinen Schmerz, für seine Wunden, für seinen bitteren Tod, und fasst sein Verdienst im Glauben; denn als er am Kreuz rief: „Es ist vollbracht“, da war das Weltversöhnungsopfer dargebracht, und sehe ich hinzu

III. das Heiligtum aufgetan.

Wenn Israels Hohepriester am großen Versöhnungsfeste das Opfer geschlachtet hatte, ging er mit dem Blut desselben ins Allerheiligste hinein und besprengte damit die Lade des Bundes und den Gnadenstuhl und alles Gerät des Heiligtums, um dem Volk den Zugang zu Gottes Gnade offen zu halten. So ist nun auch Jesus Christus, der Hohepriester des Neuen Bundes, nachdem er am Kreuz gestorben war, durch die Kraft seines Bluts ins obere Heiligtum, in den Himmel, eingegangen, zu erscheinen vor dem Angesicht Gottes für uns. Dort macht er die Kraft seines Verdienstes fortwährend für uns geltend, dort vertritt er uns als Mittler bei dem Vater und wendet uns die Fülle seiner Gnade zu. Darum riss auch bei seinem Tode der Vorhang im Tempel mitten entzwei von oben bis unten, und der Blick ins Heiligtum, in welches früher keinem Menschen zu schauen vergönnt war, tat sich auf, zum Zeichen, dass nun der Zugang zur Gnade frei und offen stehe und die Tür zum Herzen Gottes aufgetan sei. Und so trete ich denn her an diese offene Tür, ein Diener Jesu Christi, meines Herrn, und rufe euch allesamt in seinem Namen herzu. Wer ein Sünder ist und die Last seiner Sünde fühlt, der komme und lege am Gnadenthron die Bürde nieder; wer ein betrübtes, ein bußfertiges Herz hat, der komme und hole hier Trost und Erquickung; wer nach Gnade sich sehnt, wer nach Gerechtigkeit hungrig und durstig ist, der komme mit Freudigkeit herzu und fasse im Glauben das Verdienst des Erlösers; er darf es, und wäre sein Elend noch so tief, seine Last noch so schwer; denn der Zugang steht Allen, steht heute noch Allen, die da kommen, offen. Noch hat Er, der die Schlüssel des Todes und der Hölle hat, nicht zugeschlossen, noch redet sein Blut für Alle um Vergebung und Gnade, und so lange das für uns redet, wird keiner abgewiesen, der heilsbedürftig und heilsbegierig herzutritt, keiner ausgeschlossen, der Heilung für die Wunden, die ihm die Sünden geschlagen, Kraft zur Reinigung und Heiligung sucht. Es ist vielmehr des Herrn Jesu ausdrücklicher Befehl, dass Jeder komme; es ist sein bestimmter Wille, dass Jeder, wer er auch sei, Barmherzigkeit nehme und Hilfe finde; wer sich weigert, der achtet den Preis der Erlösung für gering, der verschmäht das Blut des Neuen Testamentes - und ihr wisst das Urteil, das jene Gäste traf, welche die Boten des Königs von sich abgewiesen haben, die sie zum Abendmahl luden. Und so fahre ich denn fort zu rufen und zu ermahnen: Wen da dürstet, der komme, und wer da will, der komme und nehme das Wasser des Lebens umsonst,“ trete aufs Neue mit meiner Predigt zu einem jeden unter euch hin und bitte: „Lasst euch versöhnen mit Gott“; denn jetzt ist die gnadenreiche Zeit, jetzt ist der Tag des Heils. Seitdem der Erlöser am Kreuz gerufen, es ist vollbracht, steht das Heiligtum Allen offen, ist Heil und Leben Allen bereitet, die daran glauben. In meines Herrn Namen biete ichs euch an und ihr wolltet der Stimme seines Boten den Gehorsam weigern? weggehen, heut am Karfreitag weggehen, unbußfertig, unversöhnt, auf die alten gewohnten Wege der Sünde? Ist das die Antwort, die ihr auf meine Bitte, das der Dank, den ihr für seine Liebe habt? Sagt, was soll ich meinem Heiland antworten, der mich heute zu euch gesandt hat, den Frieden der Versöhnung zu predigen? Soll ich ihm antworten: siehe, deine Brüder und Schwestern, die du mit deinem Blut erkauft hast, wollen nicht? Sie haben die Welt zu lieb, die Sünde zu lieb, sie sind so satt und reich, dass sie deines Trostes, deiner Gnade nicht bedürfen? O lasst ihn nicht vergebens rufen, seht vielmehr zu, dass ihr kommt; aber kommt in der rechten Weise, nämlich, wie der Apostel sagt, mit wahrhaftigem Herzen und völligem Glauben und los vom bösen Gewissen; denn nur den Aufrichtigen, nur den Bußfertigen steht der Zugang offen. Wer es wagt, mit frechem Herzen, mit stolzem, hoffärtigem Sinn sich zu nahen, tritt das Blut der Versöhnung mit Füßen; wer seine Fleischeslüste, seine Eitelkeit, seinen alten Menschen nicht ablegen will, bleibe lieber weg; denn er holt sich außerdem nur das Gericht. Heute, am Todestag des Herrn, muss es mit zwiefachem Ernst der Gemeinde gepredigt werden, was Paulus an die Hebräer schreibt: „Wenn Jemand das Gesetz Mosis bricht, der muss sterben ohne Barmherzigkeit durch zwei oder drei Zeugen;“ „wie viel, meint ihr, ärgere Strafe wird der verdienen, der den Sohn Gottes mit Füßen tritt, und das Blut des Testamentes unrein achtet, durch welches er geheiligt ist und den Geist der Gnade schmäht? Denn wir wissen den, der da sagt, „Die Rache ist mein, Ich will vergelten, spricht der Herr; und abermals: der Herr wird sein Volk richten. Schrecklich ist es, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen.““ Das Blut Jesu Christi will uns nicht nur die Sünde vergeben, sondern auch von der Sünde reinigen und unsträflich darstellen vor dem Angesicht seines Vaters. O so lasst uns denn heute, meine Lieben, all unsere Untugenden an seinem Kreuz niederlegen, all unsere argen Lüste und Begierden ihm zum Opfer bringen und den Kampf mit der Welt und dem Satan aufs Neue beginnen, umso mehr, als uns jetzt der Sieg in die Hände gegeben ist; denn als Jesus Christus am Kreuz verschied, war nicht nur das Heiligtum aufgetan, sondern auch

IV. der Satan überwunden.

Seitdem die Welt steht, hat dieser alte Feind wider die Menschen gestritten, und hat sie vor Gott verklagt um ihrer Sünden willen, und sie mit starken Banden in seinem Reich gefangen gehalten. Niemand konnte ihm dieses Recht abstreiten; denn unsere Sünden haben es ihm gegeben; Niemand ihm diese Macht entreißen; denn die Menschheit hat sich freiwillig in seinen Gehorsam begeben. Aber Jesus Christus hat es getan. An ihm fand der Satan nichts zu beschuldigen, nichts zu verklagen, wie sehr er auch mit allen Waffen der List und Gewalt, mit Schrecknissen des Todes und großer Versuchung ihn angegriffen hat; an dem Panzer dieses Gerechten glitten seine feurigen Pfeile ab: „Es kommt der Fürst dieser Welt und hat nichts an mir.“ Mit Geduld, mit Glauben, mit Stillesein, mit Gebet und Tränen hat er alle seine Anläufe abgewiesen, und im Tod, als sie eben meinte, ihn überwunden zu haben, da hat er der alten Schlange den Kopf zertreten. Nun liegt der Feind zu Boden; nun ist der Verkläger seiner Brüder gerichtet, sein Harnisch ihm ausgezogen, seine Macht gebrochen. Zwar, wie eine Schlange, auch wenn ihr der Kopf bereits zertreten ist, doch noch lange sich krümmt und die Unvorsichtigen tödlich verwunden kann, so hat der Satan noch immer Macht und List genug, die Seelen zu verführen, die sich von ihm verführen lassen. Aber er kann Keinen mehr in seinem Reich gefangen halten, der dem Reich Gottes sich lieber zuwenden will, Keinen mehr überlisten und verführen, der mit den Waffen des Wortes gegen ihn streitet. Darum, meine Lieben, kühn und getrost in den Streit wider den alten Widersacher, der noch heute umhergeht und sucht, welchen er verderbe. Es soll ihm nicht gelingen - der Herr ist mit uns; in seiner Kraft wollen wir stehen, unter der Fahne seines Kreuzes wollen wir zusammenhalten, mit Gebet, mit Wachen und Flehen den Anläufen der Sünde, des Fleischs, der Welt und der Hölle Widerstand tun, und im Glauben aushalten bei unserem Erlöser bis zum letzten Kampf und Strauß. Denn als Jesus Christus am Kreuz verschied, da war der Satan überwunden, und, sagen wir

V. dem Tode die Macht genommen, Leben und unvergängliches Wesen ans Licht gebracht.

Der Tod, meine Brüder, ist der Sünden Sold. Er hat seit dem Tage des Abfalls über die Welt geherrscht und heißt mit Recht der letzte Feind. Denn es ist eine große und ernste Sache um den Tod; es kostet einen heißen Kampf, bis sich die Seele von dem Leib scheidet, bis das Band zwischen beiden zerrissen ist, bis die letzten Kräfte brechen und das Leben allmählich entweicht; wer jemals an einem Sterbebett gestanden ist, hat das erfahren. Was aber den Tod erst recht bitter macht und sein eigentlicher Stachel ist, das ist die Sünde und das Gesetz; denn auf den Tod folgt das Gericht, und die Sünde zeugt wider uns im Gericht, das Gesetz verklagt uns vor Gott. Ach, meine Brüder, wie muss es dem Sterbenden zu Mute sein, wenn er im Angesicht des nahenden Todes nichts anderes hat, als den armseligen Trost, mit dem sich die Welt betrügt, den Trost ihrer hochberühmten Tugend und das Zeugnis eines ehrbaren Wandels, wenn er daliegt auf seinem Lager und die Sünden seiner Jugend und seines Alters vor sich auftauchen sieht aus langer Vergessenheit, eine nach der anderen um ihn dahin zu begleiten, wo er von seinem Leben Rechenschaft tun muss? „Großer Gott, wo soll ich hinfliehen vor deinem Geist, wo soll ich hingehen vor deinem Angesicht? führe ich gen Himmel, siehe, so bist du da, bettete ich mich in der Hölle, siehe, so bist du auch da“ und es ist schon Mancher in solcher Angst seines Herzens dahin gefahren. Aber auch für diese Not, für die letzte Not, ist der Trost bereit. Als der sterbende Mittler sprach, es ist vollbracht, da hat sich das alte Wort erfüllt: Tod, wo ist dein Stachel, Hölle, wo ist dein Sieg!

Seitdem das in der Welt gepredigt wird, hat sich der Tod für die Gläubigen in eine selige Heimfahrt, der letzte Feind in einen Friedensengel verwandelt; er ist ihnen der Übergang aus dem Leiden dieser Zeit zur ewigen Herrlichkeit geworden. Tausende haben seitdem auf Krankenlagern und Sterbebetten fröhlich zum Kreuz aufgeblickt, und wenn die letzte Stunde kam, in ruhiger Zuversicht mit dem Heilande gebetet: In deine Hände befehle ich meinen Geist; du hast mich erlöst, Herr, du getreuer Gott. - Begehrt ihr solch ein Ende, lieben Freunde? Nun, so lebt dem, der für uns gestorben und auferstanden ist. Das ist der sichere Weg zu einem seligen Tode. Ist Christus unser Leben, so ist auch Sterben uns Gewinn. Halleluja. Lob und Preis dem Todesüberwinder, dem Lebensfürsten, der dem Tod die Macht genommen und Leben und unvergängliches Wesen ans Licht gebracht hat. Amen.

Thomasius, Gottfried - XIII. Am Osterfest.

Das Zeugnis des Auferstandenen von sich selbst.

Herr unser Gott, der du von den Toten ausgeführt hast den großen Hirten der Schafe, Jesum Christum, durch das Blut des ewigen Testamentes, lass uns heute die Kraft seiner Auferstehung an unseren eigenen Herzen erfahren, auf dass wir, los von den Banden der Sünde und des Satans, aus der Knechtschaft zur Freiheit, aus dem Tod zum Leben empordringen, und also an uns selber die siegreiche Kraft der Auferstehung deines Sohnes erfahren, der da tot war und lebendig geworden ist und lebt in Ewigkeit, Halleluja, Amen.

Offenb. Joh. 1,17 u. 18.
„**Fürchte dich nicht. Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige. Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit, und habe die Schlüssel des Todes und der Hölle.“

Dies, meine Geliebten, ist die Auferstehungspredigt, welche der Herr selber, nachdem er längst zu seiner Herrlichkeit eingegangen war, getan hat. Er spricht diese Worte zu Johannes. Johannes aber ist der Jünger, den Jesus lieb hatte, der beim Abendmahl an seiner Brust gelegen und hernach auf Golgatha unter seinem Kreuz gestanden ist. Da hat ihn der Herr noch einmal mit dem vollen Blick seiner Liebe angesehen und ihm die Sorge für seine betrübte Mutter anvertraut. Danach sprach er: „es ist vollbracht“, und neigte sein Haupt und verschied. Seitdem sind nun viele Jahre vergangen und der Jünger ist ein Mann in dem Herrn, ja bereits ein Greis geworden; aber seine Liebe zu dem unsichtbaren Freund, der unterdessen den Himmel eingenommen, war mit den Jahren nicht erkaltet, sondern glühte noch eben so frisch und warm, wie damals, als er nach Emmaus mit ihm gewandelt hatte. In dieser Liebe hat er denn auch unablässig sein Wort gepredigt und willig die Gemeinschaft seiner Leiden geteilt, die er hernachmals erfahren musste; denn er ward in der ersten Christenverfolgung, die von den Heiden ausging, nach der Insel Patmos verbannt. In stiller Einsamkeit lebte er hier, von der Welt ausgestoßen, in einer Felsenhöhle am Ufer des Meeres, und hier nun - doch wir hören ihn lieber selbst die große Offenbarung erzählen: „Ich war im Geist, schreibt er, an des Herrn Tag, und ich hörte hinter mir eine große Stimme, als einer Posaune. Und ich wandte mich zu sehen nach der Stimme, die mit mir redete, und als ich mich wandte, sah ich sieben güldene Leuchter, und mitten unter den Leuchtern einen, der war wie eines Menschensohn, angetan mit einem priesterlichen Gewand, und begürtet um die Brust mit einem goldenen Gürtel, sein Haupt aber und sein Haar war licht wie der Schnee, und seine Augen wie Feuerflammen und seine Stimme wie das Rauschen großer Wasser.“ Leibhaftig, persönlich steht der Herr vor ihm, im Glanz seiner Majestät, im königlichen und priesterlichen Schmuck, die Krone auf dem Haupt, die Geistesmacht in seiner Hand, in seinem Mund das Schwert des lebendigen Gottes, das Wort. Und Johannes sieht ihn mit seinen eigenen Augen. „Und da ich ihn sah, fährt er fort, fiel ich zu seinen Füßen wie ein Toter.“ Ach, was muss das für ein Anblick gewesen sein, wenn ihn selbst der Jünger der Liebe, der doch sonst an seiner Brust gelegen war, nicht zu ertragen vermochte; was für eine Herrlichkeit, wenn sie selbst einen Johannes in den Staub niederwirft und fast des Lebens beraubt. Aber der Herr, welcher tötet, macht auch wieder lebendig; er demütigt, aber er hebt den Gebeugten in großen Gnaden empor. „Und er legte, heißt es weiter, seine Hand auf mich und sprach: „Fürchte dich nicht, ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige; ich war tot, und siehe, ich bin lebendig geworden, und lebe in Ewigkeit, und habe die Schlüssel des Todes und der Hölle.“„

Dieses Wort des Herrn lasst uns heut am Osterfest betrachten, und daraus die Herrlichkeit des Auferstandenen kennen lernen, um uns zu seinem Lob zu ermuntern. Es ist aber ein großes Wort, vielleicht das größte und tiefste in der Schrift. Lasst mich aus seiner Fülle für unsere Andacht schöpfen, und lege Gott seine Gnade auf das arme Zeugnis, das ich von dieser Herrlichkeit zu geben vermag; sind uns einst die Augen zum Schauen geöffnet, dann werden wir sie besser verstehen und würdiger preisen. Bis dahin begnügen wir uns am Stückwerk.

Das Zeugnis Jesu Christi, des Auferstandenen, von sich selbst.

Es ist aber ein dreifaches Zeugnis.

I. Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige.

„Ich bin,“ so redet der Herr seinen Jünger an, und man merkt es schon diesem Wörtlein an, dass dies nicht die Rede einer gewordenen und sterblichen Kreatur, sondern die Sprache eines Mannes ist, welcher Gott der Herr ist. Denn: „ich bin,“ so kann kein Wesen von sich sagen, das aus Staub geworden ist und das nichts durch sich selber ist und hat; aber Gott bezeugt von sich: „Ich bin der Herr und sonst keiner mehr, kein Gott ist ohne ich; ich bins alleine, und außer mir ist kein Gott.“ Ja dieses: „Ich bins“ ist nichts geringeres als des Herrn eigner Name; denn also spricht er zu den Vätern: Jehova, das ist mein Name; Jehova aber heißt: ich bin, der ich bin. Wir sehen also, dass hier der Auferstandene als den seienden, lebendigen Gott sich darstellt. Und was sagt er nun weiter von sich? „Ich bin der Erste und der Letzte.“ Der Erste und der Letzte; das weist uns auf den Anfang und auf das Ende der Dinge. Wo ist aber der Anfang, meine Brüder? „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde,“ beginnt die Schrift, und bezeichnet damit den Zeitpunkt, da es dem Herrn gefiel, diese sichtbare Welt aus Nichts ins Dasein zu rufen und durch das Wort seiner Allmacht zu gründen. Dieser Zeitpunkt liegt jedoch bereits sechstausend Jahre hinter uns - und war also auch damals schon der Hohe und Erhabene, der in unserem Text redet, als die Morgensterne mit einander den Herrn lobten und jauchzten alle Kinder Gottes in der Höhe, ehe denn die Berge wurden, und die Erde und die Welt geschaffen wurde; denn er spricht: Ich bin der Erste. Doch was ist ein Zeitraum von sechstausend Jahren gegen dieses Wort? Das reicht noch weiter als Himmel und Erden, es reicht hinaus über die Tage der Schöpfung, hinaus bis in die Zeit, da noch keine Zeiten waren, bis auf den Anfang, der keinen Anfang genommen hat, in jenen ewigen Anfang hinein, von dem Johannes sagt: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort, dasselbige war im Anfang bei Gott.“ Seht da, Geliebte, es ist der Ewige, der hier von sich redet; wie er in den Tagen seines Fleischs von sich gesagt hat: „Ehe denn Abraham war, bin ich,“ so jetzt nach seiner Auferstehung: Ich bin der Erste, oder, wie es auch sonst heißt: der Anfang selber. Und weil er der Erste ist und der lebendige Anfang, so ist auch Alles durch ihn geschaffen, was im Himmel und auf Erden ist, beides, das Sichtbare und Unsichtbare, die Thronen und Herrschaften, Fürstentümer und Obrigkeiten, es ist Alles durch ihn und zu ihm geschaffen. Ich bin der Erste und der Letzte. Das weist uns auf das Ende. Wo ist aber das Ende der Dinge? Die Schrift weiß von einer Zeit, da Himmel und Erde werden vergehen, da die Grundfesten dieser alten Welt in sich zusammen brechen und die Elemente im Feuer des Gerichts zerschmelzen. Dann wird es wüste und leer auf der Tiefe sein, wie ein großes Grab voll Grauen und Zerstörung. Aber auch dann wird Er als Sieger über den Trümmern des Weltbaus stehen, als der Lebendige auf dem weiten Feld des Todes und des Untergangs; denn er sagt: Ich bin der Letzte. Doch Andächtige, das Ende dieser Welt ist nur der Anfang einer anderen; wir warten eines neuen Himmels, und einer neuen Erde, auf welcher Gerechtigkeit wohnt, und diese neue selige Welt wird dann nicht wieder ein Ende nehmen, sondern in unvergänglicher Herrlichkeit stehen. Aber wie lange sie auch währe: Er bleibt immer der Letzte, wie der Anfang, so das Ende, das kein Ende hat, also von Ewigkeit zu Ewigkeit. Und wie er im Anfang alle Dinge gemacht hat, so trägt er auch alle Dinge durch sein kräftiges Wort und gibt ihnen Bestand und Leben. Denn er ist ja der Lebendige, d. h. das Leben selber, das ewige, wahrhaftige, göttliche Leben, das alles Lebens Quell und Ursprung ist; „denn wie der Vater hat das Leben in ihm selber, so hat er auch dem Sohn gegeben, das Leben zu haben in ihm selber.“ Darum steht er hier und zeugt: Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige. Doch, Andächtige, es ist mir das zu hoch und zu groß; meine Gedanken durchdringen jene Tiefen und Höhen nicht, darum sinke ich in Ehrfurcht mit Johannes nieder und bete ihn an. Herr, Herr, du ewiger König, du Fürst des Lebens, der du bist und der du warst und der du kommst, der Allmächtige, was ist der Mensch, dass du sein gedenkst und des Menschen Kind, dass du sein so achtest, und hast uns Sünder geliebt, und erlöst mit deinem Blut und uns zu Königen und Priestern gemacht vor Gott deinem Vater; Dir sei Ehre in Ewigkeit.

Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige, spricht der Herr, und fährt er fort:

II. Ich war tot und siehe, ich bin lebendig und lebe in Ewigkeit.

„Ich war tot,“ spricht der Erste und der Letzte und der Lebendige; Ich war tot - wie wunderbar, wie außerordentlich! Kann denn der Ewige sterben? Kann der Herr und Fürst des Lebens der Gewalt des Todes anheimfallen, welcher doch erst durch die Sünde in die Welt gekommen ist? Freilich wir, die wir von Eitelkeit und Vergänglichkeit umringt kaum den Blick über den Staub zu erheben vermögen, wir finden das so befremdlich nicht; uns dünkt es, wenn wir die Lebens- und Leidensgeschichte des Herrn betrachten, fast natürlich, dass er am Ende auch den Weg alles Fleischs dahingeht; aber von dieser Höhe, von dem Licht unseres Textes aus angeschaut, da erscheint das als das größte aller Wunder, viel wunderbarer noch als die Auferstehung danach; denn wenn das nicht wunderbar ist, dass das ewige Leben stirbt, dass der den Tod, den Sold der Sünde, leidet, der aller Dinge Grund und Ursprung, aller Wesen Anfang und Ende ist dann weiß ich nicht, was überhaupt noch wunderbar ist. Aber das ist eben jenes selige Geheimnis der sich selbst entäußernden erbarmenden Liebe, welche in die Tiefen unsers Elends sich hereinbegeben, und unser Fleisch und Blut an sich genommen, ja unsere Schuld und Sünde auf sich genommen, und bis aufs Blut mit unserem Tod gerungen hat; bis zum Tod am Kreuz. Da wir sehen noch einmal mit stillem Dank auf den Karfreitag zurück, - da hat der Herr das große Opfer der Versöhnung dargebracht, da hat er den Fluch unserer Sünde bis zur Gottverlassenheit erduldet und nachdem er den ganzen Rat seines Vaters zu unserem Heil erfüllt, neigte er sein Haupt und starb. Und der Jünger, der ihn liebte, hats mit eigenen Augen gesehen, und hernach in seinem Evangelio wörtlich also bezeugt: „Da nun Jesus den Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht; und neigte das Haupt und verschied. Die Juden aber, dieweil es der Rüsttag war, dass nicht die Leichname am Kreuz blieben den Sabbat über, baten sie Pilatum, dass ihre Beine gebrochen, und sie abgenommen würden. Da kamen die Kriegsknechte, und brachen dem ersten die Beine und dem anderen, der mit ihm gekreuzigt war. Als sie aber zu Jesus kamen, da sie sahen, dass er schon gestorben war, brachen sie ihm die Beine nicht, sondern der Kriegsknechte einer öffnete seine Seite mit einem Speer, und alsobald ging Blut und Wasser heraus. Und der das gesehen hat, der hat es bezeugt, und sein Zeugnis ist wahr; und derselbige weiß, dass er die Wahrheit sagt, auf dass auch ihr glaubt.“ Der Herr aber drückt das Siegel darauf, und spricht: Ich war tot. O meine Brüder, welche Tiefen der göttlichen Gedanken tun sich hier vor uns auf; was könnten wir aus diesen Worten lernen über die unendliche Größe der göttlichen Erbarmung, die ihr eigenes ewiges Leben für uns zum Opfer bringt, und über die Kraft, die solch ein Opfer haben muss. Doch dies führte uns auf den Karfreitag zurück. Heute am Osterfest richten wir unsere Blicke höher, über Tod und Grab hinweg, und hören, was der Herr weiter zu seinem Jünger spricht: Ich war tot, sagt er, und siehe ich bin lebendig. Siehe als wollte er sagen: Sieh mich an, du bist einst an meinem Kreuz gestanden und hast mich sterben sehen unter großen Schmerzen; ich, derselbe Jesus, bin lebendig geworden aus dem Tod und lebe, und stehe als Zeuge meiner eigenen Auferstehung in meiner Herrlichkeit und Glorie vor dir; du siehst es mit deinen eigenen Augen: ich war tot und siehe, ich lebe. Ja, das ist die große Freudenbotschaft, die bereits am dritten Tag nach seinem Kreuzestod den Seinigen ertönte, und ihre erschrockenen Herzen wieder tröstete, ihre Traurigkeit in große Freude verkehrte. Das ist das Wort, das die Frauen am Ostermorgen vernahmen, als sie zum Garten kamen und sahen, dass der Stein vom Grab abgewälzt war, und gingen hinein und fanden den Leib des Herrn nicht; aber der Engel des Herrn sprach zu ihnen: Was sucht ihr den Lebendigen bei den Toten? er ist auferstanden und ist nicht hier, wie er gesagt hat; kommt und seht die Stätte, da der Herr gelegen hat, und geht eilend hin und verkündet es seinen Brüdern, dass er auferstanden ist von den Toten.“ Das ist das Wort, das die beiden Wanderer nach Emmaus vernommen, als der Auferstandene unerkannt mit ihnen wandelte und ihren Kleinglauben strafte und aus der Schrift so gewaltig widerlegte, dass das Herz ihnen brannte, bis sie ihn hernach an seinen durchbohrten Händen erkannten, als er das Brot mit ihnen brach; da eilten sie nach Jerusalem zurück und fanden die Elf versammelt und sprachen zu ihnen: „Der Herr ist wahrhaftig auferstanden.“ Seit jenem Tage geht dieses Zeugnis wie ein Triumphlied durch die Welt und hat der Welt eine neue Gestalt gegeben; es hat einen Glauben in ihr gestiftet, welcher den Tod überwindet, und eine Kirche gegründet, die mit ihrem Leben die Auferstehung ihres Hauptes verkündigt und heute am Osterfest, wie Ein Mann, lobpreisend singt: Jesus, meine Zuversicht und mein Heiland ist im Leben. Er aber, der im Himmel thront, spricht das Amen zu ihrem Bekenntnis: „ich war tot und siehe, ich bin lebendig und lebe in Ewigkeit.“ So nun aber Christus gepredigt wird, er sei vom Tod erstanden, was ist denn das für eine Torheit, dass gleichwohl ihrer etliche noch immer an dieser Tatsache zweifeln? was für eine Frechheit, dass noch heute die Weisheit der Welt dieser ganzen Wolke von Zeugnissen zu widersprechen und das Alles für ein Märchen auszugeben wagt, gegenüber der einstimmigen Predigt der Apostel und Propheten, ja gegenüber dem eigenen Zeugnisse des Herrn und seiner ganzen Kirche? Es wird doch wahrlich sein Wort vom Himmel noch mehr wert sein, als der Wahn einer fleischlichen Weisheit von unten, die weder von dem Geheimnisse der Versöhnung, noch von dem Zusammenhang des Werkes mit der Person des Versöhners weiß. Wie wäre es auch nur möglich gewesen, dass ihn, der das Leben ist, die Bande des Todes, welchen er freiwillig für uns übernommen, gefangen gehalten hätten, wie möglich, dass seinen Leib, den Leib des unbefleckten Menschensohnes, des heiligen Gottessohnes, die Verwesung zum Raub nehme, dass seine heilige Seele der Todesmacht unterliege? Hat er nicht schon in den Tagen seines Fleischs allen seinen Feinden und Verächtern dieses Wunder zum Zeichen gesetzt? und wenn nun der Vater sein Wort und Werk bekräftigt, wenn der gerechte Gott seine Sache, die Sache seines lieben Sohnes ans Licht bringt und den Wahn der Ungläubigen durch die Tat zu Schanden macht; wenn der Sohn selbst sechzig oder siebzig Jahre nach seiner Auffahrt zu Johannes spricht: Ich bin der Erste und der Letzte, ich war tot, und siehe, ich bin lebendig in Ewigkeit, da sollten Christenherzen noch zweifeln können? haltet eure Seelen nicht mit solchen Bedenken auf, sondern freut euch lieber heute über dies große, mit allen Siegeln Gottes beglaubigte Wunder, und fasst den Trost, der in seiner Auferstehung für uns liegt. Was aber das für ein Trost sei, das sagt er uns selbst, indem er fortfährt:

III. Ich habe die Schlüssel des Todes und der Hölle.

Hier hören wir es aus seinem eigenen Mund, meine Geliebten, die Auferstehung des Herrn ist der Sieg über Tod und Hölle. Gibt es furchtbarere, mächtigere Feinde für unser Geschlecht als die beiden? Ist nicht der Tod der Sünden Sold, nicht die Macht, die uns leiblich und geistig in das Reich der Finsternis, unter die Obrigkeit dessen beschließt, welchen die Schrift den Fürsten des Todes nennt? O blickt hinein in die Welt, geliebte Brüder, ob nicht die Macht des geistigen Todes wie ein Bann auf ihr liegt und alle Regungen des wahren Lebens niederhält; hinein in euer eigenes Herz, ob da nichts von jener totenähnlichen Kälte wohnt, die keine Glut der Liebe, keinen Ernst der Buße, keinen Eifer zum Guten aufkommen lässt, sondern das ganze innere Leben in Schlummer wiegt. Wie leer und stumpf sind die Seelen der meisten Christen, wie gleichgültig gegen die Sünde, wie kalt für alles, was unsere Seligkeit betrifft? Es ist, als wenn der alte Lebensbaum der Menschheit bis ins innerste Mark hinein erstorben wäre; überall viel dürres Holz, das längst weder Blüten noch Früchte mehr treibt und von dem warmen Frühlingsodem, der das Tote neu beleben könnte, fast keine Spur. Wie die Eisdecke, die unsere Felder bedeckte, liegt es auf den Herzen, wie ein tiefer Schlummer auf den Augen der Menschheit; und wo ist einer unter uns, der nicht mitlitte an dieser gemeinsamen Erstorbenheit? Das aber ist ein bedenklicher Zustand; umso bedenklicher, als er von den Meisten, die ihm anheimgefallen sind, gar nicht empfunden wird; umso gefährlicher, als er am Ende in den anderen Tod übergeht und den Menschen, gleichsam schlummernd und träumend in die Hölle hinabzieht, wofern er nicht noch bei Zeiten aus demselben erwacht. Und wer unter uns ist im Stande, diese Todesmacht in sich zu überwinden, wer will hingehen, diese Bande zu lösen, dieses Reich zu zerstören, welches uns immer fester zu umschlingen droht? Ach, es kann das Niemand tun; es kann der Mensch den Tod im eigenen Herzen nicht besiegen; wer es jemals mit Ernst versucht hat, der weiß es aus Erfahrung. Aber siehe, da steht der Auferstandene und seine Stimme tönt wie ein Triumph und spricht: Ich habe die Schlüssel des Todes. Denn wie er in seinem Tod unserer Sünden Schuld getilgt, so hat er durch seine Auferstehung den Tod überwunden und Leben und unvergängliches Wesen ans Licht gebracht. Für sich selbst zuerst; denn in der Auferstehung hat er die Herrlichkeit, die er um unsertwillen dahingegeben, wieder erlangt, die Machtvollkommenheit und Lebensfülle überkommen, die er vor Grundlegung der Welt bei dem Vater gehabt hat. Sie ist die Verklärung seiner Person. Nachdem er aber so das Leben aus dem Tod genommen, kann er es auch mitteilen und schenken, welchem er will. Und wer es aus seinen Händen empfängt, der erlangt damit die Macht, die Knechtschaft der Sünde in sich zu brechen, die Gewalt des Satans zu überwinden und zur seligen Freiheit der Kinder Gottes hindurchzudringen. Das ist die Kraft seiner Auferstehung, die sich an allen denen erweist, die an seinen Namen glauben. O dass wir sie Alle im Herzen trügen, geliebte Brüder, dass wir aus eigner Erfahrung von ihren erneuernden Wirkungen zu reden wüssten! Aber, wenn auch nicht aus eigener Erfahrung gehört habt ihr doch jedenfalls von den Wundern der Wiedergeburt, welche mitten in der Finsternis der alten Welt ein Reich des Lichtes geschaffen haben, ja gehört müsst ihr haben von den Scharen derer, die einst in Sünden tot und erstorben, aus Knechten des Fleischs und des Satans Heilige und Geliebte Gottes, aus verlorenen Sündern neue Kreaturen geworden sind, fleißig und fruchtbar in guten Werken. Und ich sage dir, mein Bruder, wie traurig und leer es auch in deinem Innern aussieht, und wie ohnmächtig, wie kraftlos, ja wie tot du dich selber fühlst, Er vermag dich siegreich und mächtig herauszuführen aus dieser Todestiefe, Er kann ein neues Leben, eine neue Liebe in dir wecken, ja einen neuen Geist dir schenken, der den dürren Baum deines Lebens wieder fröhlich grünen und blühen macht; denn Er, welcher tot war und lebt, hat die Schlüssel des Todes. Hoffe also du nur auf ihn, müde Seele, fasse du nur seine Hand im Glauben, an ihm wird es nicht fehlen; „Ich bin, so spricht er, die Auferstehung und das Leben, und wer an mich glaubt, der hat das Leben.“

O wie wohl, meine Brüder, wäre uns geraten, wenn wir allesamt also täten. Denn dieser Gekreuzigte und Auferstandene, der die Schlüssel des Todes hat, hat auch die Schlüssel der Hölle. Beides gehört zusammen. Denn die Hölle ist das traurige und dunkle Reich, zu welchem der Tod hinabführt, der Ort der Verworfenen, wo keine Gnadensonne scheint, kein Lob des Höchsten ertönt, kein Licht des Lebens scheint, wo keine Liebe, sondern Gottes Zorn in Trübsal und Angst die Seelen füllt. Was das für ein Zustand sei, lässt sich eher fühlen, als mit Worten aussprechen; die Heilige Schrift hat einen Schleier darüber gebreitet - und gebe Gott, dass wir niemals mit eigenen Augen schauen, was er bedeckt. Nun weiß ich zwar wohl, dass die Welt dieses Wortes nur lacht; die Hölle ist ihr längst zum Spott geworden und wer noch davon zu reden wagt, den nennt sie einen Toren. Aber mag da lachen und spotten, wer immer will; da steht der Auferstandene und spricht: Ich habe die Schlüssel der Hölle. Er kann diese Pforten öffnen und schließen, denn er ist zum Richter der Lebendigen und Toten von Gott verordnet; in seinen Händen ruht das künftige Geschick aller Menschen, und ich sage euch, wen er dereinst in jenes finstere Reich beschlossen hat, den wird keine Gewalt und Autorität auf Erden, keine Fürbitte, kein Opfer mehr daraus erlösen, und vor wem er seine Pforten zugeschlossen hat, den wird weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fürstentum, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes, noch irgend eine Kreatur wird ihn scheiden von der Liebe seines Heilandes und von der seligen Gemeinschaft seines Reiches. Selbst was von uns am Schluss der Zeit der Grabestiefe anheimfällt, dieser Todesleib, in dem die Sünde wohnt, dieses gebrechliche Haus unserer Wallfahrt, Er wird es nicht der Verwesung zum Staube lassen; wie ein Weizenkorn, das in die Erde gesät ist, wird ers aufs Neue hervorsprießen lassen, wenn die Frühlingszeit der neuen Welt anbricht. Durch seine Auferstehung hat er uns bereits das Unterpfand dafür gegeben; mit dem Triumph des Hauptes ist auch schon für die Glieder der Sieg gewonnen; mag also immerhin dieser arme Todesleib zum Staub zurückkehren und im Grab vermodern, ich weiß, dass mein Erlöser lebt; er wird zu seiner Stunde auch diese Pforte öffnen, meinen nichtigen Leib verklären zum Bild seines verklärten Leibes. Er hat die Schlüssel des Todes und der Hölle.

Doch, meine Brüder, eine Auferstehung zum Leben wird uns die dereinstige Wiederherstellung des Leibes nur dann, wenn wir hier schon mit Christo geistlich auferstanden und lebendige Glieder an ihm, dem Haupt geworden sind. Und so sei denn das am heutigen Tag unser Bund vor ihm. Wir wollen Fleiß tun, uns selber und allem Bösen und Argen in uns abzusterben; Er schenke uns in Gnaden die Kraft seiner Auferstehung, und lasse sein heiliges Leben sich reichlich über uns und über seine ganze Kirche ergießen, damit wir lebendige Zeugen seiner Auferstehung werden. Gelobt sei sein Name, Amen.

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autoren/t/thomasius_g/zeugnisse/thomasius_zeugnisse_karfreitag.txt · Zuletzt geändert: von aj
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