Harnack, Theodosius - III. Die zwiefache Wirksamkeit des heiligen Geistes.

Predigt am vierten Sonntage nach Ostern, Cantate.

Die Gnade unsres Herrn Jesu Christi, die Liebe Gottes des Vaters, und die trostreiche Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit Euch Allen. Amen.

Text: Joh. 16,7-15.
Aber ich sage euch die Wahrheit: Es ist euch gut, dass ich hingehe. Denn so ich nicht hingehe, so kommt der Tröster nicht zu euch. So ich aber hingehe, will ich ihn zu euch senden. Und wenn derselbige kommt, der wird die Welt strafen, um die Sünde, und um die Gerechtigkeit, und um das Gericht. Um die Sünde, dass sie nicht glauben an mich. Um die Gerechtigkeit aber, dass ich zum Vater gehe, und ihr mich hinfort nicht seht. Um das Gericht, dass der Fürst dieser Welt gerichtet ist. Ich habe euch noch Viel zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht tragen. Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, kommen wird, der wird euch in alle Wahrheit leiten. Denn er wird nicht von ihm selbst reden, sondern was er hören wird, das wird er reden, und was zukünftig ist, wird er euch verkündigen. Derselbige wird mich verklären, denn von dem Meinen wird er es nehmen, und euch verkündigen. Alles, was der Vater hat, das ist mein; darum habe ich gesagt: Er wird es von dem Meinen nehmen, und euch verkündigen.

Geliebte Gemeinde! So verschieden auch die Lebenskreise sein mögen nach Alter und Geschlecht, Beruf und Stand, Bildung und Geburt, denen wir für dieses irdische Leben in der Zeit angehören, für das Leben in der Ewigkeit gibt es nur zwei Reiche oder zwei Klassen, in welche nach der Anschauung und dem Urteil Gottes das ganze Menschengeschlecht schon hienieden zerfällt. Das eine ist das Reich der Welt, das andere das Reich Christi. Das eine ruht auf der Lüge, es ist gegründet von dem Teufel, dem Vater der Lüge und dem Menschenmörder von Anfang, und es ist in die Welt eingeführt worden durch den Fall des ersten Adam. Das andere ruht auf der Wahrheit, ist gegründet in dem ewigen Ratschluss des wahrhaftigen, dreieinigen Gottes, und ist in dieses irdische Leben hineingestiftet durch die Auferstehung des zweiten Adam, unsres Herrn Jesu Christi. An dem einen haben wir Teil von Geburt durch den Unglauben; und wo es ist, da herrschen Sünde und Ungerechtigkeit, Knechtschaft und Tod. In das andere gehen wir ein durch Wiedergeburt und Glauben, und wohin es kommt, da bringt es mit sich Gerechtigkeit, Freiheit und Leben.

Einem dieser beiden Reiche gehört jeder von uns eben so gewiss nach seinem innern Leben, als er nach seinem irdischen Dasein und Wirken einer bestimmten Volks- und Berufsgemeinschaft einverleibt ist. Steht aber das fest, so kann und darf es uns auch keineswegs gleichgültig sein, als welches der beiden Reiche Genossen wir im Leben und im Sterben erfunden werden. Abgesehen von allem anderen, muss es uns deshalb schon aller ernsten Beherzigung wert erscheinen, weil der Herr uns feierlich versichert: „ich sage euch die Wahrheit: es ist euch gut, dass ich hingehe; denn so ich nicht hingehe, so kommt der Tröster nicht zu euch.“ Das muss ein großes und für die Ewigkeit entscheidendes Gut sein. Denn um desselbigen willen ist der ewige Sohn Gottes herabgekommen in unser Fleisch und Blut, und ist als Gottmensch durch seinen Tod und seine Auferstehung wieder hingegangen zum Vater, um sich zu sehen zu seiner Rechten, und von ihm die Herrschaft und die Regierung zu erhalten, kraft deren er nun Recht und Macht hat den heiligen Geist in diese unheilige Welt zu senden: den Geist der Wahrheit und des Lebens in die Welt der Lüge und des Todes; den Geist, dessen unausgesetzte Wirksamkeit einzig und allein darin besteht, Alle, die dem Reiche der Welt angehören, durch sein kräftiges Zeugnis herauszuretten aus demselben, und sie hineinzuversetzen in das Reich Jesu Christi, und Alle, die dem Reiche Christi untertan sind, in demselben zu befestigen und zu erhalten bis an ihr Ende. Er tut das Eine, indem er die Welt straft, um sie zu überführen von der Sünde, und der Gerechtigkeit, und dem Gericht; er übt das Andere, indem er die Überführten in alle Wahrheit leitet, und ihnen Christum verklärt.

Lasst uns diese zwiefache Wirksamkeit, die der Eine heilige Geist durch das Eine und selbige Zeugnis ausübt, auf Grund unsres Textes näher betrachten. Gott der Herr aber gebe in Gnaden, dass wir Alle daraus den Ernst und die Notwendigkeit einer unbedingten Entscheidung für Christum und sein Reich erkennen, dass wir nicht als solche erfunden werden, die da widerstreben dem Zeugnis des heiligen Geistes, sondern, dass wir mit willigem Herzen zu unsrem Heil aufnehmen und bewahren, was der Geist den Gemeinden sagt.

1.

Wenn derselbige Geist kommen wird, spricht der Herr, der wird die Welt strafen um die Sünde, und um die Gerechtigkeit, und um das Gericht. Das ist die erste, die strafende und überführende Wirksamkeit des heiligen Geistes. Um sie zu erkennen, müssen wir uns zunächst vergegenwärtigen, was die Schrift unter der Welt versteht. Ist es etwa nur die große Zahl derer, die außerhalb der Christenheit sich befinden, und die entweder noch gar nichts von Christo gehört haben, oder die es verschmähen an ihn zu glauben und seinen Namen zu tragen? Sind es etwa innerhalb der Christenheit nur die Vielen, die in Lastern und Verbrechen dahin leben, die mit Sünden und Schanden gezeichnet sind, und deren Lebenszweck darin aufgeht, den mannigfachen, groben Lüsten und Begierden ihres Fleisches zu frönen? Diese sind es gewiss, aber sie sind bei weitem nicht die Einzigen, und nicht jedes Mal sind sie die Schlimmsten. Zu der Welt gehören auch die, die in Ehrbarkeit und Rechtschaffenheit ihren Wandel führen nach dem Urteil der Menschen, deren Herz aber ferne ist von dem lebendigen Gott, weil es dient dem Geiste der Welt und der Zeit. Von ihm sind ihre Kräfte beherrscht, von ihm alle ihre Gedanken erfüllt, ihr Dichten und Trachten bestimmt, darum sind sie Kinder der Welt und ihres Fürsten. Da gehen die Einen der Gott entfremdeten Weisheit der Welt nach, während die Andern den verfeinerten Genuss preisen, und aufgehen entweder in der Bewunderung weltlicher Schöne und Herrlichkeit, oder in dem Jagen nach weltlichen Ehren und Würden. Die Einen reiben sich auf in dem geist- und herzlosen Treiben der Gesellschaft, die Andern sind ganz eingenommen von den Geschäften ihres irdischen Berufs. Aber so verschieden sie auch unter einander seien, darin sind sie alle eins, sie kleben an der Erde, suchen das Irdische und das Ihre, gehören darum auch dem einen Reiche der Welt, und dienen Einem Fürsten.

Doch der Weltsinn kleidet sich nicht bloß in das Gewand äußerer Rechtschaffenheit und Ehrbarkeit; er kann sich auch mit einem Heiligenschein umgeben, mit frommen Worten und Gebärden, mit christlichem Tun und Wirken. Darum wo die Schrift von der Welt redet und sie verurteilt, da lasst uns nicht bloß denken an die lasterhafte Welt, sondern auch an die ehrbare und anständige, und nicht bloß an diese, sondern auch an die fromme und heilige Welt. Ja da greife vor allen Dingen jeder in seinen Busen, denn die Welt ist nicht bloß unter uns, sondern sie ist auch in uns, und so lange wir hier wallen, sollen wir führen unsren Wandel in Furcht, wissend, dass wir, wenn wir ihn haben, den köstlichen Schatz des Glaubens in zerbrechlichen Gefäßen tragen.

Seht, das ist die Welt; ihr Reich erstreckt sich so weit die Erde geht. In allen Landen, Reichen und Gemeinden, in allen Ständen und Würden hat sie zu ihren unzähligen Gliedern alle offenbaren, alle selbstgerechten, alle sicheren und heuchlerischen Sünder. Und zu dieser abtrünnigen, verlornen und verurteilten Welt sendet Christus seinen Geist, auf dass er durch seinen Odem die Totengebeine wieder lebendig mache, und ihm aus der Welt Glieder berufe und sammle für sein Reich der Wahrheit und des Lebens. Er braucht nicht Gewalt, um uns zu zwingen; er will nicht, dass wir wider Willen in sein Reich eingehen. Darum beginnt der Geist sein Amt in dieser Welt damit, dass er sie straft, d. h. sie zu überführen und zu überzeugen sucht von ihrem Verderben und von dem einigen Weg des Heils und der Errettung. Darum geht der heilige Geist der Welt nach, folgt ihr auf allen ihren Wegen, antwortet ihr auf jede Ausflucht, und schneidet ihr jede Ausrede ab; damit er sie entweder für Christum gewinne, oder damit es klar und offenkundig werde, dass jeder, der ewig verloren geht, es nur der eigenen Schuld, dem eignen Nichtwollen zuzuschreiben hat, nach dem Wort des Herrn: Wenn ich nicht gekommen wäre, und hätte es ihnen gesagt, so hätten sie keine Sünde; nun aber können sie nichts vorwenden ihre Sünde zu entschuldigen.

Der erste Schritt zum Heil besteht aber darin, dass wir unsre Sünde erkennen. Darum straft auch der Geist die Welt zunächst um die Sünde. Doch als ein guter Arzt und Erzieher hält er sich nicht bei der Oberfläche unsres Zustandes auf; er kennt unsern Schaden durch und durch, fasst unsre Krankheit bei ihrer Wurzel, und offenbart uns den Unglauben gegen Christum als den eigentlichen Grund unsres verderbten Herzens. Nicht darum sendet der Herr seinen Geist, damit dieser uns erst offenbare, was gut und böse, was Sünde und was Tugend sei, das wissen auch die Heiden; auch nicht darum, damit er uns unsre einzelnen Sünden und Übertretungen vorhalte, in denen wir täglich sündigen; denn das sagt uns schon unser Gewissen, mehr noch Gottes geoffenbartes Gesetz. Der Geist wird die Welt strafen, heißt es, nicht um ihre Sünden, sondern um die Sünde; um die Sünde, welche die Hauptsünde ist, welche bewirkt, dass alle Sünden, die wir täglich und stündlich in Gedanken, Worten und Werken begehen, nicht vergeben werden, sondern uns behalten bleiben auf den Tag des Zorns und der Offenbarung des gerechten Gerichtes Gottes; um die Sünde, um welcher willen allein der Mensch verloren geht, trotz dessen, dass uns die heilsame Gnade Gottes erschienen ist, welche will, dass allen Menschen geholfen werde. Das ist die Sünde, welche von einer Vergebung nichts wissen will; die Verachtung der Gnade Gottes selbst, die Verwerfung des einigen Grundes und Ecksteins unsrer Seligkeit, die Sünde des Unglaubens gegen Jesum Christum. Mit dem Glauben beginnt aller Anteil am Reiche Gottes, mit dem Unglauben sagen wir uns selbst von ihm und seinen Rechten los. Von dieser Sünde aber überführt uns allein der heilige Geist. Denn einerseits achtet die Welt den Unglauben nicht als Sünde; an Christum nicht glauben, ihn hochmütig verspotten und verwerfen, oder wenigstens gleichgültig an ihm vorübergehen, und sich nicht um ihn kümmern, das ist ihr ja das Zeichen eines großen, freien, aufgeklärten Geistes, damit meint sie Gott einen besondern Dienst zu erweisen. Andrerseits macht sie aus dem Glauben eine Sünde; denn sie weiß nicht, was glauben heißt, hält ihn für ein Menschenwerk, und darum entweder für eine Sache menschlicher Erkenntnis, oder für ein unnennbares Etwas des Gefühls, in beiden Fällen aber für etwas Willkürliches, das bei dem Einen so, bei dem Andern anders sich gestalte; zuletzt komme es, so meint sie, doch auf die guten Werke an. Bezeugt aber dagegen der heilige Geist, dass der Glaube nur Einer sei, schließt er also alle Glaubensverschiedenheit aus, spricht er nur dem Glauben und nicht auch den Werken unsere Rechtfertigung vor Gott zu; dann ist der Glaube der unduldsame, der lieblose, der unsittliche, kurz dann wirft die Welt ihre ganze Sünde auf den Glauben, macht ihn sogar selbst zur Sünde, und erklärt ihn wohl gar für die Quelle alles Unheils im Leben.

Geliebte in dem Herrn, lasst Euch nicht betören von dem Gerede der Welt, sondern lasst Euch überführen von dem Zeugnis des heiligen Geistes. Erkennt vielmehr darin das Wesen und das Verderben des Unglaubens, der nicht aus dem Verstande, sondern aus der tiefen Abneigung des menschlichen Herzens gegen Gott und sein Wort kommt. Derselbe Unglaube und Hochmut, durch welchen wir Alle gefallen sind in Sünde und Schuld, der ist es auch, der die errettende Gnade Gottes in Christo verwirft. Und wo er im Herzen wohnen bleibt, da bleibt auch die Sünde, da bleibt auch auf uns liegen der Fluch und das Gericht Gottes; wie der Herr sagt: So ihr nicht glaubt, dass ich es sei, so werdet ihr sterben in euren Sünden. Darum lasst uns Raum geben der Zucht des heiligen Geistes; lasst uns beten: Herr, hilf mir vom Unglauben, und gib mir Glauben, und es wird uns geschehen wie wir bitten; der Geist wird uns unsre Sünde aufdecken, aber er wird auch weiter sein Amt an uns üben, und uns überführen von der Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, und die darin besteht, dass Christus zum Vater geht und wir ihn hinfort nicht mehr sehen.

Wenn die Welt dem Wahrheitszeugnis des heiligen Geistes wider ihre Sünde nicht mehr widerstehen kann, dann flüchtet sie sich in die Selbstgerechtigkeit, und sucht außer und neben Christum in ihren Taten und Werken eine eigene Gerechtigkeit aufzurichten, mit der sie ihre Sünde vor Gott meint verantworten zu können. Aber der Geist Christi geht ihr auch hierher nach, um ihr leichtes Gewebe eigener Heilserwerbung zu zerreißen, alles Vertrauen auf eigne Gerechtigkeit zunichte zu machen, und ihr die Gerechtigkeit Christi zu offenbaren, die allein vor Gottes Gericht besteht. Und das freilich ist der Welt aufs neue eine anstößige Predigt. Dennoch, geliebte Gemeinde, steht das fest: um gerecht zu sein vor Gott und selig bei ihm, müssen wir auch heilig sein, wie er ist. Wer aber ist so rein unter den Unreinen, und so heilig unter den Unheiligen? Das ist nur Einer, auf dessen Hingang zum Vater durch Tod, Auferstehung und Himmelfahrt uns der Geist weist. Seht, hier steht es mit so dürren und klaren Worten: der Geist wird die Welt strafen um die Gerechtigkeit, dass ich zum Vater gehe und ihr mich hinfort nicht seht. Unsre Gerechtigkeit vor Gott ist also nicht unser Tun und Lassen, unser Gehen und Laufen, sondern allein Christi Werk, sein Hingang zum Vater. Das, und sonst nichts andres, soll der Grund unsrer Rechtfertigung sein. Nicht des Wegs, den wir gehen, sollen wir uns getrösten, sondern dessen, den Christus gegangen ist für uns, im vollkommensten Gehorsam. Und das macht erst unsre Rechtfertigung vor Gott so gewiss und fest, dass sie ganz und gar außer uns gesetzt ist auf Christum allein. Darum ist es uns gut, dass er zum Vater gegangen ist, und uns den Tröster gesandt hat, der uns jeglichen Ruhm der Werke nimmt, uns aber Christi Werk verkündigt, und in uns den Glauben an sein Werk gründet; den Glauben, der alle Werke der Welt verachtet, und Christo allein die Ehre gibt.

Denn nur im Glauben, nicht im Sehen, haben wir die Gerechtigkeit Christi, da der Herr unserm leiblichen Auge entrückt ist und nicht anders als im Glauben von uns ergriffen. werden kann. Daraus aber, dass es eine Gerechtigkeit für den Glauben ist, erkennen wir aufs neue, wie sie nicht eine von uns geleistete, noch in uns bewirkte sein kann. Denn hätten wir sie in uns selbst, so würden wir sie an uns sehen und erfahren, und bedürften nicht des Glaubens; nun sie aber nicht anders als im Glauben unser wird, so muss sie auch eine von außenher kommende und uns geschenkte sein.

Darum lasst uns, Geliebte in dem Herrn, uns nicht der Welt gleichstellen, und weder die Gerechtigkeit da suchen, wo sie nicht ist, nämlich in uns statt in Christo, noch nach der Gerechtigkeit Christi so trachten, wie sie nicht unser wird, nämlich durchs Sehen, statt durch den Glauben. Glaube an den Herrn Jesum Christum, den du nicht siehst, öffne dein Herz dem überführenden Zeugnis des heiligen Geistes, damit er diesen Glauben in dir wirken könne, und du bist vor Gott gerecht und in Gnaden angenommen.

Aber freilich darauf kommt es an, dass wir Christo uns von Herzen und ganz und gar ergeben. Denn das Christentum ist nichts Halbes, ist auch keine Sache des Kopfes bloß, besteht auch nicht darin allein, dass wir das Wort Gottes für wahr halten; noch weniger darin, dass wir zwar Christi Gerechtigkeit anerkennen, aber nur als die notwendige Bedingung, ohne welche wir uns selbst vor Gott nicht gerecht machen können. Das ist ein selbstbereiteter, toter Buchstabenglaube. Dabei ist noch immer die böse Wurzel im Herzen geblieben; wir gelten dabei noch etwas vor unsren Augen, und wollen das auch vor Gott geltend machen. Aber es trete ab von aller Ungerechtigkeit, wer den Namen Christi nennt. Soll Christus unsre Gerechtigkeit sein, so müssen wir auch in seinen Tod unser ganzes Sein und Wesen dahingegeben haben, so muss auch unser Herz und Gewissen gefangen und gebunden sein vom Worte Gottes ganz und gar. Es gilt in Kraft des heiligen Geistes einen Bruch und einen Kampf mit der Sünde und der Welt, in welchem es sich offenbare, dass die Sünde keine Macht hat über uns, sondern wir über sie, und dass der Satan, der Fürst dieser Welt, gerichtet ist auch für uns.

Denn siehe, geliebte Gemeinde, die Welt, die von sich selbst nicht lassen will, und sich doch nicht dem Zeugnis des heiligen Geistes von der Gerechtigkeit Christi ganz entziehen kann, sie kleidet sich endlich in den Schein des Glaubens; sie meint, sie hätte Christum und sein Wort, wenn sie den Buchstaben vor sich hinstellt, und dann ausgeht den Geist zu suchen in der Höhe und in der Tiefe ihres eigenen Geistes; oder sie meint, sie hätte Christi Gerechtigkeit, wenn sie damit wie mit einer Decke ihr totes Herz bedeckt, aber unter derselben nach wie vor den bösen Bund des Gewissens mit der Sünde bewahrt. Doch auch hierher folgt ihr das mahnende Zeugnis des heiligen Geistes, indem er die Welt überführt von dem Gericht, dass der Fürst dieser Welt gerichtet ist.

Wer Christum sein nennen darf im Glauben, an dem hat auch der Fürst dieser Welt kein Recht mehr; der soll aber auch mutig, fröhlich und getrost in den Kampf gehen wider Sünde, Welt und Teufel, des gewiss, dass Christus diese Mächte gerichtet und ihre Gewalt gebrochen hat, und dass sein Geist, der in den Gläubigen ist, stärker ist, denn der Geist der Welt. Freilich an jedem nicht in Christo gerechtfertigten Sünder hat auch der Fürst dieser Welt sein Recht, und in ihm sein Werk; sie sind seine Sklaven, ob sie auch sich gar frei dünken, weil die Kette, an welcher er sie gebunden hält, ihnen freie Bewegung innerhalb seines Reiches gestattet. Aber versucht es nur dem Ruf des Geistes zu folgen, und Ihr werdet bald die Bande, die Euch umschlingen, kennen lernen; die Bande, die Euch fesseln an Eure gewohnten und gehegten Vorstellungen und Urteile, an Eure Lieblings-Neigungen und Sünden; die Bande, die Euch verknüpfen mit der Gunst und dem Urteil der Welt, mit ihren Ehren und Gütern; die Bande, welche den letzten und stärksten Widerstand bilden, den wir dem überführenden Zeugnis des Geistes entgegenstellen. Hier ist der entscheidende Punkt. Darum kehren auch Viele, sehr Viele, wenn sie bis hierher dem Geiste gefolgt sind, wieder um, denn das Alte ist ihnen zu süß, die Verleugnung dünkt ihnen zu schwer, sie gehen dahin mit geschlagenem Gewissen, und ihr Wesen wird oft ärger, denn es zuvor war. Das gibt dann jene Christen, an denen unsre Tage reicher sein mögen, als wir meinen. Sie haben den Namen zu leben und sind doch tot; den Schein des Christentums, aber nicht das Wesen; denn es sind taube Blüten, die keine Frucht ansehen.

Dennoch gilt es entschieden auszugehen aus der Welt, wenn wir eingehen wollen zur Freiheit der Kinder Gottes. Und wir können es auch; denn nicht wird uns zugemutet, dass wir diese Bande in eigner Kraft zerreißen, wir könnten es nimmer; wir sollen nur darein willigen, dass es der Geist dessen in uns tue, der den Fürsten dieser Welt schon gerichtet hat, und der ihm die Macht genommen, also dass er mit seinem Zorn und Drohen uns nicht schaden kann.

Der Fürst dieser Welt,
Wie sauer er sich stellt,
Tut er uns doch nichts;
Das macht, er ist gericht't;
Ein Wörtlein kann ihn fällen.

Und ist der Fürst dieser Welt gerichtet, so ist mit ihm auch die Welt gerichtet. Was haben wir darum von ihr zu erwarten oder zu fürchten? Sei auch ihre Zunge jetzt fast schärfer als das Schwert, das sie ehemals brauchte, zünde sie auch an das Feuer der Feindschaft und des Hasses; dennoch sollen wir wohl bewahrt bleiben, denn der Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat. Und wo wir von unsrer eignen Sünde versucht und gereizt werden, da sollen wir des gewiss sein, dass der Geist Christi sie nicht herrschen lässt in unsrem sterblichen Leibe, sondern uns immerdar straft, und unser Gewissen reinigt von den toten Werken, zu dienen dem lebendigen Gott. So macht uns der heilige Geist allewege freudig, mutig und sieghaft durch das Zeugnis von dem Gericht, dass der Fürst dieser Welt gerichtet ist.

Höre denn, geliebte Gemeinde, und nimm zu Herzen dieses dreifache Zeugnis des heiligen Geistes, mit dem er unausgesetzt und zur Stunde wirksam ist an unser aller Herzen. Erkenne, wie er mit großer Treue und Liebe uns nachgeht auf allen Wegen, auf denen wir ihm entrinnen wollen. Denn wenn wir, überführt von der Sünde des Unglaubens, entweder uns selbst rechtfertigen wollen, oder auch uns sagen: ich darf nicht eingehen in Christi Reich, meine Sünde ist zu groß; dann verweist er uns auf die Gerechtigkeit Christi, als den einzigen, festen und vollgültigen Grund unsrer Errettung. Und wenn wir unser Herz teilen wollen zwischen der Welt und Christo, und solche Halbheit mit unsrer Ohnmacht beschönigen, die da spricht, ich kann mich nicht losreißen von der Welt, so hält er uns entgegen das Gericht, das über den Fürsten der Welt ergangen, und damit die übermächtige Kraft, die, wo wir nur wollen, uns ganz herausretten kann aus der Welt, und uns hineinversetzen in das Reich des Glaubens, der Gerechtigkeit und der Freiheit. Wenn wir uns aber dennoch nicht überführen lassen, so bleibt uns keine andere Ausrede übrig, als das uns verurteilende Geständnis unsres eignen Nichtwollens. Mahnend und richtend spricht dann der Herr über uns, wie einst über jene Stadt: Jerusalem, Jerusalem, die du tötest die Propheten, und steinigst, die zu dir gesandt sind! Wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne versammelt ihre Küchlein unter ihre Flügel; und ihr habt nicht gewollt. Wenn du es wüsstest, so würdest du auch bedenken zu dieser deiner Zeit, was zu deinem Frieden dient. Aber nun ist es vor deinen Augen verborgen! - Barmherziger Gott, lass uns nicht entfallen von des rechten Glaubens Trost.

2.

Wenn es aber dem heiligen Geist gelungen ist, uns zu überführen von der Sünde und der Gerechtigkeit und dem Gericht, und in uns den lebendigen, rechtfertigenden Glauben zu wirken, der uns zu Untertanen des Reiches Christi macht, dann setzt er treu seine Wirksamkeit an uns fort, und befestigt, erhält und fördert uns immerdar mit der ganzen gläubigen Christenheit in Christo Jesu im rechten einigen Glauben, indem er uns in alle Wahrheit leitet, und Christum uns verklärt.

Alle Wahrheitserkenntnis, aller Fortschritt in der Wahrheit ruht wesentlich darauf, dass wir im Glauben vor Gott gerecht seien. Das ist der Schlüssel zu ihrem Verständnis. Wie unser Auge, so lange und so weit es noch Teil hat an der Finsternis, die Sonne nicht schauen kann, sondern selbst licht sein muss um das Licht zu erkennen; so ist es auch mit unsrem Herzen. Um in der Wahrheit befestigt und weiter geführt zu werden, müssen wir selbst erst aus der Wahrheit sein. Aller Unglaube aber, für so aufgeklärt er sich auch halte, ist aus der Finsternis; er ist der schwarze Star des Herzens, den allein Gottes Geist durch sein Machtwort heilen kann. Nur der Glaube, weil nicht ein Werk unsrer Vernunft noch Kraft, ist Licht vom Licht, Wahrheit aus der Wahrheit, darum führt er auch weiter in alle Wahrheit. Haben wir nur Ein Samenkörnlein der Wahrheit wirklich in unser Herz aufgenommen, ist nur einmal ein Wort Gottes in uns wahr und wirklich geworden, machen wir vollen Ernst nur mit einem einzigen der Hauptsprüche der heiligen Schrift, dann brennt der Funke weiter und erleuchtet uns immermehr; denn in jedem Gotteswort ist, wie in dem Samenkorn der Baum, keimartig das ganze Wort enthalten, und unter der Leitung des heiligen Geistes wächst es in uns und leitet uns in alle Wahrheit. So erfuhren es die Jünger, die auch damals noch nicht Alles tragen und verstehen konnten, was der Herr zu ihnen redete, die aber nach der Verheißung Christi in alle Wahrheit geleitet wurden durch den heiligen Geist; und was sie auf seinen Antrieb niedergeschrieben, das ist Wahrheit. Hier in den evangelischen und apostolischen Schriften, da haben wir die Wahrheit, nicht Irrtum, nicht Lüge; aber auch nicht halbe, verhüllte Wahrheit, noch unsichere und wandelbare Meinung und Überzeugung der Menschen; sondern die gewisse, klare und volle Wahrheit zur Gottseligkeit.

Ja dies Wort ist das Mittel, dessen sich der heilige Geist bedient, um die sündige Welt zu Christo zu bekehren, und um die Bekehrten bei Christo zu erhalten. Durch dies Wort, durch die lautere Predigt desselben, hat er von Anfang an sein Amt in der Welt ausgerichtet, und bis zur Stunde die Gemeinde der Gläubigen in alle Wahrheit geleitet; und durch dies Wort wird er so lange wirken, bis der letzte gerettete Sünder eingehen wird in das ewige Reich Jesu Christi, und bis es heißen wird: die Tür ward verschlossen. Darum sind aber auch alle diejenigen immerdar in große, seelengefährliche Irrtümer geraten, die außer dem Wort den Geist erhaschen wollten, und die neben dem Wort die Menschensatzungen oder die Menschenvernunft als Quelle der Wahrheit geltend machten.

Erkennt daran, Geliebte in dem Herrn, wie alles Wachsen und Fortschreiten gebunden ist an das Wort, und wie nur die christliche Erkenntnis und Erfahrung eine vom Geiste Gottes gewirkte ist, die einfältig und treu festhält am Worte der heiligen Schrift. Lasst Euch darum nicht hintergehen durch angebliche Fortschritte, die mit teilweiser Umgehung oder Umdeutung des Wortes Christi beginnen. Es sind Rückschritte, nicht gewirkt durch Christi Geist, sondern durch den Geist der Sünde und der Welt; und wo man darin fortgeht, da endet man mit völliger Verleugnung des Worts. Daran sollt Ihr immerdar Christi Geist erkennen, dass er Euch treibt in das Wort, in das ganze volle Wort; dass er Euch nicht zumutet, eine Wahrheit desselben geringer zu achten, denn die andere, und dass er nicht gestattet weder etwas hinzuzutun, noch hinwegzutun von dem Worte Gottes. Darum, geliebte Brüder, wollt Ihr zur Wahrheit gelangen und in der Wahrheit stehen und wachsen, so sucht sie nirgend anders, denn im Worte Gottes, und der heilige Geist wird Euch in alle Wahrheit leiten. Und wollet Ihr eine Anleitung haben bei dem Suchen und Forschen, so vertrauet Euch der Leitung des heiligen Geistes in der christlichen Kirche; so nehmet das Bekenntnis unsrer evangelisch-lutherischen Kirche, und lernt aus ihm, was es heißt, gefangen nehmen alle Vernunft unter den Gehorsam der Wahrheit, und sich ganz unterwerfen dem strafenden, lehrenden, überzeugenden Amt des heiligen Geistes. Denn den Gottesruhm soll dieser, von ihren eignen Kindern deshalb geschmähten Kirche niemand. nehmen, dass sie ein gutes und reines, im apostolischen Wort fest gegründetes, und im Leben bewährtes Bekenntnis abgelegt hat vor vielen Zeugen. Ihr wollet doch Gebildete sein, Ihr wollt ein selbstständiges Urteil haben in Sachen des Glaubens, Ihr hört so viel reden, und redet vielleicht selbst über die Bekenntnisschriften und gegen dieselben. Habt Ihr sie wirklich gelesen; habt Ihr sie gelesen mit der Liebe treuer Söhne der Kirche? Habt Ihr geforscht in ihnen und sie verglichen mit dem Wort der heiligen Schrift? Wahrlich, das ist die gerechteste und geringste Forderung, die die evangelische Kirche an ihre mündigen Glieder stellen kann!

Wenn aber Christi Geist die Gläubigen durch das Wort in alle Wahrheit leitet, so hat er bei dieser Wirksamkeit keinen andern Zweck, als den, Christum uns zu verklären, indem er Alles, was er redet, nicht von ihm selber redet, sondern es von Christo nimmt, und uns immerdar nur Christum verkündigt. - Lernt hieran aufs neue den wahren Geist von dem falschen unterscheiden. Weil der falsche Geist an dem geschriebenen Wort vorbeigeht, so ist auch der Inhalt und Zweck seiner Verkündigung ein anderer. Der falsche Geist redet von sich selbst gar hoch und groß; er stellt eine Weisheit, Gerechtigkeit und Heiligkeit auf neben Christum; er weiß viel von menschlicher Kraft und Weisheit zu reden und zu rühmen, und will sich selbst und seine Gläubigen verklären, dass sie sich spiegeln in ihrem Glauben und Wissen, in ihrer Demut und Geduld, in ihrer sittlichen Kraft und Größe, in ihrer Heiligkeit und Liebe. Nicht also der Geist Christi. Was er redet nimmt er allein von Christo, wovon er redet ist Christus allein, wozu er redet, ist Christi Ehre und Ruhm. So verklärt er Christum vor uns und in uns; wir müssen immer mehr abnehmen, Christus aber muss zunehmen. Dazu tut er seinen Gläubigen immermehr die Schätze der Weisheit und Erkenntnis Christi auf, um sie bei Jesu Christo zu erhalten bis an ihr Ende. Ihr Ruhm, ihr Werk, ihre Ehre soll immermehr zunichte, und Christi Werk und Verdienst ihr Ein und Alles werden. Und je mehr sie erkennen den überschwänglichen Reichtum und die Kraft der Gnade Gottes in Christo, je mehr erfahren sie auch, welches da sei die Wirkung seiner Kraft an den Gläubigen; um so gewisser werden sie ihres Gnadenstandes, um so freudiger getrösten sie sich der Gotteskindschaft, um so kennbarer offenbart sich in ihrem ganzen Leben das Wesen Christi, und um so friedevoller befehlen sie im Tode ihre Seele in die Hände des heiligen Geistes, der sie durch sein Zeugnis von der Sünde, der Gerechtigkeit, und dem Gericht aus der Welt berufen und errettet, der in ihnen den Glauben gewirkt, sie in alle Wahrheit geleitet, und sie bei Jesu Christo im rechten einigen Glauben bis an ihr Ende erhalten hat. Eingegangen in ihres Herrn Freude, werden sie dort angetan mit der hellleuchtenden Klarheit und Herrlichkeit Jesu Christi, schauen ihn von Angesicht zu Angesicht, und erfahren nun nicht mehr im Glauben, sondern im Schauen und Haben, dass der Herr Wahrheit geredet, als er sprach: „es ist Euch gut, dass ich zum Vater gehe.“

Geliebte in dem Herrn! Damit der Hingang Christi auch uns gut sei, damit das überführende Wahrheitszeugnis des heiligen Geistes auch uns Allen, die wir es heute gehört haben, zu solchem seligen Ende dienen möge, damit es ihm gelinge, uns zu erretten aus dem Reiche der Welt, und uns hineinzuversetzen in das Reich Jesu Christi, dazu lasst uns ernstlichst und aufrichtig mit einander ihn anrufen:

O heil‘ger Geist, du wertes Licht, gib uns Deinen Schein, Lehr uns Jesum Christum kennen allein; Dass wir an ihm bleiben, dem treuen Heiland, Der uns bracht hat zum rechten Vaterland. Erbarme Dich unser. Amen.

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