Brenz, Johannes - Sonntag Trinitatis.

1548.

Joh. 3, 1-15.1)
Es war aber ein Mensch unter den Pharisäern, mit Namen. Nikodemus, ein Oberster unter den Juden; der kam zu Jesu bei der Nacht, und sprach zu ihm: Meister, wir wissen, dass du bist ein Lehrer von Gott gekommen; denn Niemand kann die Zeichen tun, die du tust, es sei denn Gott mit ihm. Jesus antwortete, und sprach zu ihm: Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Es sei denn, dass Jemand von neuem geboren werde, kann er das Reich Gottes nicht sehen. Nikodemus spricht zu ihm: Wie kann ein Mensch geboren werden, wenn er alt ist? Kann er auch wiederum in seiner Mutter Leib gehen und geboren werden? Jesus antwortete: Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Es sei denn, dass Jemand geboren werde aus dem Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen. Was vom Fleisch geboren wird, das ist Fleisch; und was vom Geist geboren wird, das ist Geist. Lass dich's nicht wundern, dass ich dir gesagt habe: Ihr müsst von neuem geboren werden. Der Wind bläst, wo er will, und du hörst sein Sausen wohl; aber du weißt nicht, von wannen er kommt, und wohin er fährt. Also ist ein Jeglicher, der aus dem Geist geboren ist. Nikodemus antwortete, und sprach zu ihm: Wie mag solches zugehen? Jesus antwortete, und sprach zu ihm: Bist du ein Meister in Israel, und weißt das nicht? Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Wir reden, das wir wissen, und zeugen, das wir gesehen haben; und ihr nehmt unser Zeugnis nicht an. Glaubt ihr nicht, wenn ich euch von irdischen Dingen sage, wie würdet ihr glauben, wenn ich euch von himmlischen Dingen sagen würde? Und Niemand fährt gen Himmel, denn der vom Himmel hernieder gekommen ist, nämlich des Menschen Sohn, der im Himmel ist. Und wie Moses in der Wüste eine Schlange erhöht hat, also muss des Menschen Sohn erhöht werden, auf dass Alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.

Am heutigen Tage ist zu reden von der Dreieinigkeit.

Durch diesen Namen wird bezeichnet, dass nur Ein Gott da ist, aber drei Personen in der Gottheit sind. Und es ist notwendig, dass die Kirche darin recht unterwiesen wird, damit wir nicht der Gottlosigkeit der Juden und Türken oder der Heiden beistimmen. Denn die Juden und Türken meinen, es gebe in der Einheit der göttlichen Natur nur Eine Person; sie glauben nämlich nicht, dass der Sohn und der Heilige Geist Personen der Gottheit sind. Die Heiden aber haben gemeint, es gebe nicht nur einen Gott, sondern viele, unzählige. Allein das Christentum hat die rechte Meinung von Gott, nämlich, dass nur Ein Gott ist, nur ein göttliches Wesen, in dieser Einheit jedoch drei Personen sind: der Vater, der Sohn und der Heilige Geist. Darüber müssen wir nun Etliches reden, und zwar der heiligen Schrift gemäß, da es sich hier nicht, wie man sagt, um das Aussehen des Esels handelt, sondern um unseren höchsten Glaubensartikel.

Und zwar müssen wir zuvörderst im festen Glauben dafür halten, dass nur Ein Gott ist, oder dass es schlechthin nur eine ewige Gottheit gibt. 5. Mose 6,4-9: „Höre Israel, der Herr, unser Gott, ist ein einiger Herr, und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieb haben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allem Vermögen.“ Und diese Worte werden aufs strengste anbefohlen: „Diese Worte sollst du zu Herzen nehmen, und sollst sie deinen Kindern schärfen und davon reden, wenn du in deinem Hause sitzt oder auf dem Wege gehst, wenn du dich niederlegst oder aufstehst; und sollst sie binden zum Zeichen auf deine Hand, und sollen dir ein Denkmal vor deinen Augen sein, und sollst sie über deines Hauses Pfosten schreiben und an die Tore.“ Und siehe zu, dass du sie nicht vergisst, wenn du satt geworden bist (5. Mose 32,15). Siehe zu, dass ich es allein bin, und außer mir kein Anderer ist. Jes. 44,6: „So spricht der Herr, der König Israels und dein Erlöser, der Herr Zebaoth: Ich bin der Erste und ich bin der Letzte, und außer mir ist kein Gott.“ 1. Korinther 8,4: „Wir wissen, dass ein Götze Nichts in der Welt sei, und dass kein anderer Gott sei ohne der einige.“

Da hast du offenbar Zeugnisse, dass es nur ein göttliches Wesen gibt. Es ist aber nicht nur eine Person, sondern die Heilige Schrift stellt uns in dieser einen göttlichen Natur oder diesem Wesen drei Personen vor, nämlich den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist, und, ob Solches auch den Frommen im Alten Bunde bekannt gewesen ist, so ist's doch im Neuen deutlicher offenbart worden. In der Taufe, da Christus von Johannes getauft wird, stellen sich uns offenbar drei Personen dar. Matth. 3,16.17 wird die Stimme des Vaters vom Himmel gehört, der Sohn wird getauft, und der Heilige Geist zeigt sich in Gestalt einer Taube. Und Matth. 28,19 befiehlt Christus den Aposteln, zu taufen im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Hier werden die Personen nicht bloß aufgezählt, sondern es wird ihnen auch die gleiche Majestät, selig zu machen, zugeschrieben. Ob es aber schon leicht erscheint, dass man gemeinhin sagt, es gebe drei Personen der Einen Gottheit, so ist doch, wenn man erwägt, was eine Person ist, kein menschlicher Verstand auf Erden, der dieses Geheimnis fassen könnte. Eine Person nämlich ist ein verständiges, unteilbares und nicht mitteilbares Wesen, wie wir sagen, drei Menschen, Petrus, Johannes und Jakobus, seien drei für sich bestehende Personen. So pflegen wir auch gewöhnlich zu sagen2): „Wie viel Personen mögen ob dem Tische sitzen? wie viel Personen hast du geladen?“ Und zwar, wie unter den Menschen drei Personen verschieden sind, so sind's auch drei Wesen, oder drei Menschen, von denen jeder sein eigenes Wesen hat. In der Gottheit aber sind zwar drei Personen, sind jedoch nicht drei Götter, sondern nur ein Gott und nur ein göttliches Wesen. Das ist wunderbar in unseren Augen und für keinen menschlichen Verstand begreiflich. Daher müssen wir zufrieden sein mit den Zeugnissen der Schrift, und das Verständnis dieses Geheimnisses aufsparen für das zukünftige Leben, inzwischen aber solch Geheimnis im Glauben ergreifen.

Man wird aber sagen: „Kann dieses Geheimnis von uns nicht verstanden werden, warum ist's in der Schrift vorgebracht, zumal es so viele Irrtümer und Ketzereien veranlasst zu haben scheint. Denn es gibt keine Sache, worüber größerer Streit unter den Menschen auf Erden entstanden ist, als über Gott, da die Einen behaupten: es gebe nur einen Gott und eine Person, Andere aber: mehrere Götter und mehrere Personen. Wäre es nicht besser gewesen, nur einen Gott zu lehren und indessen von den Personen zu schweigen bis auf die zukünftige Welt?“ Es lässt sich nicht leugnen, dass viel schreckliche Ketzereien wegen der Dreizahl entstanden sind, aber um den Missbrauch der Gottlosen durfte die Wahrheit nicht verschwiegen werden. Und es hat seine Gründe, weshalb es der Heilige Geist für notwendig erachtet hat, dass nicht nur die Lehre von der Einheit Gottes, sondern auch die Lehre von den drei Personen offenbart würde.

Der erste Grund ist, auf dass die Schöpfung recht verstanden werde; denn es ist nach der Schrift offenbar, dass Gott Alles im Himmel und auf Erden geschaffen hat; allein wie? Hier ist notwendig die Kenntnis der drei Personen in der Gottheit. Der Vater hat nämlich durch sein Wort geschaffen, welches der Sohn ist, und der Heilige Geist hat es besiegelt oder bekräftigt, dass durch den Sohn vom Vater geschaffen ward. So redet Moses alsbald zu Anfang des ersten Buches: „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.“ Wie? Das folgt nun; „Gott sprach: Es werde Licht.“ Da hörst du es, Gott schafft durch das Wort. Und es wird hinzugefügt: „Der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser.“ Und Psalm 33,6: „Der Himmel ist durch das Wort des Herrn gemacht und alle sein Heer durch den Geist seines Mundes.“ Du siehst, um nur einigermaßen die Schöpfung zu verstehen, war die Offenbarung der drei Personen notwendig.

Der zweite Grund ist, dass wir unsere Wiederschöpfung oder unsere Erlösung recht verstehen; denn es ist offenbar, dass uns Gott von allen Übeln erlöst und uns das ewige Leben gibt; allein wie? Der Vater sendet seinen Sohn in diese Welt; der Sohn nimmt den Menschen an und alle menschliche Schwachheiten, und sühnt der Menschen Sünden durch seinen Tod, und ersteht wiederum vom Tode, um die Menschen vom Tode zu befreien; der Heilige Geist aber, oder der Gesandte Beider, des Vaters und des Sohnes besiegelt und bekräftigt, was der Sohn vollbracht hat, weil er den Jüngern bewundernswürdige Gaben bringt, damit das Evangelium über den ganzen Erdkreis verbreitet werde. Du siehst also, dass zur Erkenntnis der Art und Weise unserer Erlösung die Kenntnis der drei Personen notwendig ist.

Der dritte Grund ist, dass wir erkennen, wie wir Gott in Wahrheit anrufen. Denn es ist offenbar, dass man Gott allein anrufen muss, aber nicht lebendige oder verstorbene Menschen. Allein wie muss man Gott anrufen, damit er wahrhaft und recht angerufen werde? Denn auch die Juden, die Muhamedaner und die Heuchler wollen den Anschein haben, als riefen sie Gott an; sie rufen ihn aber nicht wahrhaft an. Wie also wird er wahrhaft angerufen werden? Hier ist die Kenntnis der drei Personen notwendig; denn man muss den Vater anrufen; jedoch wodurch, oder durch wessen Verdienst? Durch den Sohn und um des Sohnes willen. Und was soll man vom Vater durch den Sohn erbitten? Den Heiligen Geist oder die Gaben des Heiligen Geistes. Eine jegliche Person zwar kann insonderheit angerufen werden, allein das ist die eigentliche Ordnung der Anrufung, dass ich den Vater anrufe durch den Sohn, auf dass er den Heiligen Geist gebe. Joh. 15,16: „So ihr den Vater bittet in meinem Namen, wird er es euch geben.“ Und Luk. 11,13: „Der Vater im Himmel wird den Heiligen Geist geben denen, die ihn bitten.“

Was sollen wir also sagen? Wird es uns nicht erlaubt sein, den Vater durch den Sohn anzurufen, dass er uns die Notdurft des leiblichen Lebens gebe, sondern nur, dass er uns gebe den Heiligen Geist? Erstlich reden wir hier von den Gütern des ewigen Heils, zu denen uns die Gaben des Heiligen Geistes notwendig sind. Zweitens wird es uns zwar erlaubt sein, um leibliche Dinge zu bitten, wie im Gebete des Herrn: Unser täglich Brot gib uns heute!“ Solche leibliche Dinge aber werden dennoch entweder nicht erlangt, wenn dir der Heilige Geist fehlt, oder, werden sie erlangt, so wirst du ihrer nicht genießen ohne den Heiligen Geist. Denn wenn wir sagen: man müsse vom Vater den Heiligen Geist erbitten durch den Sohn, so verstehen wir den kindlichen Geist, durch welchen wir rufen: Abba, lieber Vater“ (Röm. 8,15. Gal. 4,5). Fehlt uns aber dieser Geist, so können wir nicht recht beten; haben wir ihn jedoch, so wird uns Nichts von geistlichen und leiblichen Dingen mangeln.

Da hast du ein Weniges, aber Notwendiges in Betreff der Dreieinigkeit. Gott also wolle uns seinen Heiligen Geist geben um seines Sohnes willen, auf dass wir ewiglich mit ihm selig werden. Amen.

1)
Kein Text ist angegeben
2)
Steht deutsch im lateinischen Texte.
Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/b/brenz/evangelien-predigten/brenz_evangelienpredigten_trinitatis.txt · Zuletzt geändert: von aj
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain