Krummacher, Gottfried Daniel - Melchisedech

Krummacher, Gottfried Daniel - Melchisedech

Aber Melchisedech, der König von Salem, trug Brot und Wein hervor. Und er war ein Priester Gottes des Höchsten. Und segnete ihn und sprach: Gesegnet seist du, Abraham, dem höchsten Gott, der Himmel und Erde besitzet.
1. Mose 14,18.19

Wer sollte es erwarten, daß diese Worte eigentlich und hauptsächlich von Christo handeln, und doch ist nichts gewisser, als das. Diese Worte stehen da wie hingeworfen, und doch liegt hier eine Fundgrube der allerwichtigsten und geheimnisvollsten Wahrheiten. Lot, Abrahams Neffe, hat sich von ihm getrennt und sich in Sodom niedergelassen. Der König von Sodom wird von vier andern Königen überfallen, geschlagen und niedergelegt, Lot aber gefangen mit weggeschleppt. Abraham erfuhr dies durch einen Flüchtling, rüstete auf der Stelle dreihundert und achtzehn Knechte, die er hatte, wozu sich noch andere gesellten, eilte den Siegern nach, überfiel sie, schlug sie in die Flucht, nahm ihnen ihren Raub und setzte seinen Neffen in Freiheit. Auf seinem Rückzuge kam ihm der König von Salem, Melchisedech, ein Priester des Höchsten, mit Brot und Wein entgegen, damit er und seine Leute sich erquicken möchten. Und was ist das nun weiter, möchte man fragen, Melchisedech und Abraham sind Freunde, und so ist alles ganz natürlich und hat nichts sonderliches? Und wirklich, wer würde hier etwas Geheimnisvolles finden, wenn uns die Heilige Schrift solches nicht umständlich anwiese? Was für ein wunderbares Buch ist doch eben diese heilige Schrift! Welch' ein Acker voller Schätze sind da, wo keiner sie vermuten sollte! Was für Schätze werden nicht noch auf allen ihren Blättern, daß ich nicht sage, in allen Wörtern, Silben und Buchstaben, mit Erstaunen und Entzücken entdeckt werden, wenn die Zeit der vollen Erkenntnis gekommen sein wird! Denn die Heilige Schrift leitet aus dieser, so wenig oder nichts bedeutenden Geschichte, die allermerkwürdigsten Schlüsse her. Erst neunhundert Jahre, nachdem sie sich zugetragen, erwähnt David des Melchisedech wieder im 110. Psalm, und nun verfließen eintausend einundachtzig Jahre, wo Paulus sie vollends und wunderbar erläutert. Das tut er Heb. 7, nachdem er vorher gesagt, er habe wohl viel davon zu reden, es sei aber schwer, weil sie so unverständig seien (Kap. 5,11). Melchisedech nun ist eine Abbildung Christi, hauptsächlich in zweifacher Beziehung:

  1. In Absicht dessen, was von ihm verschwiegen,
  2. in Absicht dessen, was von ihm gesagt wird.

I.

Nach der Aufklärung, welche uns der Apostel in dem genannten Kapitel seines Briefes an die Hebräer über den Melchisedech gibt, ist er eine Abbildung Christi: Erstens in demjenigen, was von ihm verschwiegen wird, woraus seine göttliche Natur und Eigenschaften ersehen werden. Melchisedech für seine Person war, welches keinem Zweifel unterworfen ist, ein wirklicher Mensch, nicht mehr und nichts weniger. Er steht aber in dieser Geschichte noch höher als Abraham, der doch so hoch steht. Denn Melchisedech segnet den Abraham, du der Segnende ist höher als derjenige, der gesegnet wird. Auch gibt Abraham ihm den Zehnten von aller seiner Habe und stellt durch diese Handlung den Melchisedech höher als sich selbst. Nun sollte man billig erwarten, daß uns von einer so ausgezeichneten Person auch die näheren Umstände seiner Abkunft u. dergl. mitgeteilt würden, aber das geschieht nicht. Mit einem mal tritt er hervor, und weiter hören wir nichts von ihm, nicht wie alt er geworden, nicht wann er gestorben. Melchisedech hatte so gut wie Abraham Eltern und Voreltern, einen Geburts- und Todestag. Aber diesem allen wird nichts gemeldet, da es doch von allen merkwürdigen Personen angegeben zu werden pflegt. Der Apostel macht uns auf dieses Stillschweigen aufmerksam als auf eine äußerst wichtige Abbildung Christi in seiner göttlichen Natur und Eigenschaften.

Durch dieses Stillschweigen über die Lebensumstände Melchisedechs erscheint er als ein solcher, bei dem dieselben nicht stattfinden, der also eine übernatürliche, eine göttliche Person ist, und ist eben deswegen sehr geeignet, dem Sohne Gottes verglichen zu werden. Er scheint keinen Anfang und kein Ende des Lebens zu haben, folglich immerdar zu leben und die Ewigkeit zu besitzen, welches nur der Gottheit zukommt. Er scheint keine Vorfahren, keinen Vater und keine Mutter zu haben, dies alles trifft wirklich bei dem Sohne Gottes, Jesu Christo, ein, und diese seine anbetungswürdige Eigenschaft konnte nicht wohl anders als durch Stillschweigen bei einem Menschen angedeutet werden, welcher die Ehre haben sollte, ein Vorbild dieser preiswürdigen Beschaffenheit abzugeben, wovon wir kein anderes Vorbild haben.

Melchisedech erscheint als ein solcher, der keinen Anfang hat, der also von Ewigkeit gewesen, und von dem Sohne Gottes, Jesus Christus, ist dies wirkliche Wahrheit. Zwar können wir mit Recht von ihm sagen, daß er als Mensch vor 1836 Jahren geboren sei, können selbst den Ort und die Umstände seiner Geburt angeben, aber als Sohn Gottes ist der Maßstab der Zeit viel zu kurz, um sein Dasein daran zu messen, denn er hat keinen Anfang. Im Anfang war er schon. Er ist der Erstgeborene vor allen Kreaturen. Seine Ausgänge sind nicht nur von Anfang, sondern auch von Ewigkeit. Er war nicht nur eher denn Abraham, sondern auch eher als der Himmel, der seiner Hände Werk ist, und sein Thron ist von Ewigkeit zu Ewigkeit. Diese anbetungswürdige Eigenschaft sollte durch das Stillschweigen über Melchisedechs Geburt angedeutet werden.

Er scheint auch nicht gestorben zu sein, sondern immerdar zu leben. wir wissen den Tod Jesu, und feiern auch heute in dem heiligen Abendmahl das herrliche Gedächtnis desselben. Wir wissen, aß Jesus in seinem dreiunddreißigsten Jahre des verfluchten Todes am Kreuze starb, dennoch irrten sich die Juden nicht, wenn sie nach Joh. 12 sagten: Wir wissen, daß Christus ewig bleibet; dabei mußten sie aber bedenken, wes Sohn er sei, denn als Sohn Gottes starb er nicht, sondern besiegte den Tod und hat Leben und unvergängliches Wesen ans Licht gebracht. Er lebet immerdar und kann immerdar selig machen alle, die durch ihn zu Gott kommen. Sein Tod war keine Unterbrechung oder gar das Ende seiner heilbringenden Wirksamkeit, sondern die Vollendung oder doch Begründung derselben, welche heilbringende Wirksamkeit nach seinem versöhnenden Heimgange nur noch fruchtbringender ward.

Melchisedech erscheint als einer, der keinen Vater und keine Mutter hat, und Christus hat beides nicht. Er hat keinen Vater nach seiner menschlichen, und keine Mutter nach seiner göttlichen Natur.

Diese wichtigsten Geheimnisse werden auf eine so wunderbare Weise und wie so ganz zufällig durch Stillschweigen angedeutet. Wer sollte nicht darüber erstaunen? Mögen wir auch nicht hinzusetzen, daß Melchisedech auch als ein solcher erscheine, der ohne alle Sünde ist, sowohl Erb- als wirkliche Sünde, welches ebenfalls an Jesu erfüllt ist, der von keiner eigenen Sünde wußte, doch aber zur Sünde gemacht, zum Fluch ward, und als das unschuldige Lamm Gottes der Welt Sünde trug.

Insbesondere aber macht uns das von den Lebensumständen Melchisedechs beobachtete Stillschweigen auf die Gottheit Christi aufmerksam.

Endlich bemerkt auch Paulus, daß von Melchisedech nicht angegeben werde, aus was für einem Geschlecht oder Namen er sei. Da er aber den Zehnten von Abraham nehme und den segnete, der die Verheißung hatte, so wird er über den Erzvater und folglich auch über dessen Nachkommenschaft, und namentlich über den Priesterstamm Levi erhoben, und so angedeutet, daß es ein anderes und höheres Priestertum gebe, als das von Aaron verwaltete, nämlich: Das Opfer und Priestertum Christi, der durch das abgebildet wird, was von Melchisedech nicht gesagt wird.

II.

Aber auch zweitens durch dasjenige, was von ihm gesagt wird. Und dies ist: Sein Name, seine Würde und sein Geschlecht.

Das erste, wodurch er Christum abbildet, ist sein Name. Er heißt aber erstens Melchisedech, zweitens König zu Salem. Der hebräische Name Melchisedech heißt auf deutsch: König der Gerechtigkeit, worauf der Apostel in dem mehrmals angeführten 7. Kap. an die Hebräer aufmerksam macht. Sein Name bezeichnet zugleich seine Würde. Er ist König und heißt auch so. Jesus Christus ist König dem Namen und der Tat nach. Als Pilatus ihn fragte: so bist du dennoch wirklich ein König? antwortete er: Ich bin's. Ich bin ein König der Wahrheit. Und das ist außer ihm keiner. Die Würde eines Königs in ihrem vollen Umfange ist für einen Menschen viel zu hoch. Sie führen wohl den prächtigen Titel eines Königs, sind's aber in der Wirklichkeit, in der Tat und Wahrheit nur in einem sehr eingeschränkten Verstande. Wir wollen des nicht gedenken, daß die Könige der Erde den nämlichen Zufällen ausgesetzt sind wie auch die übrigen Menschen. Sie können sich eben so wenig vor Krankheiten sichern wie die geringsten ihrer Untertanen, und gegen den Tod haben sie beiderseits kein Mittel. Sie sind Sünder wie wir auch, und vor andern her mancherlei Versuchungen ausgesetzt. Sie können auch nicht anders als aus Gnaden selig werden, um des Blutes Christi willen; ja, ihr hoher Stand macht gegen ihre Seligkeit viel Bedenken, weil nach 1. Kor. 1 nicht viel Gewaltige und Edle berufen sind.

Das schwere Amt eines Königs erfordert auch, um es wohl zu verwalten, so viele ausgezeichnete Eigenschaften und Gaben, daß man sich nicht wundern darf, wenn große Könige seltene Erscheinungen sind, weshalb es auch sehr unerlaubt ist, die Könige so leichtfertig zu tadeln. Wie häufig werden sie selbst regiert, ohne es zu merken, wie oft können sie selbst nicht durchsetzen, was sie wollen? Weil sie hoch stehen, können sie auch tief fallen, und müssen in beständiger Furcht leben, teils vor ihren mächtigen Nachbarn, teils vor ihren eigenen Untertanen und verdienen mehr Mitleiden als Neid, und man soll lieber für sie beten, als sie tadeln.

Christus aber ist, was er heißt, König. Sein Gebiet hat keine andern Grenzen, als die er sich selbst setzt, denn er hat alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Der Himmel ist sein Stuhl und die Erde seiner Füße Schemel. Doch verschmäht er nicht, bei denen zu wohnen, die zerschlagenen und demütigen Geistes sind. Durch ihn regieren selbst die Könige, und er lenkt allen Menschen, sonderlich aber den gläubigen, das Herz. Seine Macht ist Allmacht, kein Ding ist ihm unmöglich, und was er will, kann er, was er aber nicht will, vermag niemand zustande zu bringen. sein Reichtum ist unerschöpflich und unausforschlich. Er nimmt von seinen Untertanen nichts, als was ihnen selbst nur verderblich wäre, ihm aber nichts nutzt, ihr Herz, und gibt ihnen mit väterlich königlicher Milde alles, was ihnen nötig und heilsam ist. Er verschenkt augenblicklich Millionen und wird nie ärmer dadurch, sie aber bleiben stets ganz abhängig von ihm. sein Verstand ist unausforschlich und setzt ihn in Stand, ohne sich zu bemühen, selbst Haare zu zählen und Sperlinge zu schützen. Zwar bedient er sich häufig der Mitte, sowohl der Personen als der Sachen, nicht aber, weil er ihrer bedürfte und nicht allein allen Geschäften gewachsen wäre, sondern weil es ihm also gefällt, wo er zugleich den zu gebrauchenden Mitteln Kraft und Weisheit verleiht. Die Gnade dieses Königs ist das Höchste, was ein Geschöpf erlangen mag; bei derselben kann er alles andere sehr leicht entbehren und ihm endlich nichts fehlen; bei derselben muß alles ihm nützen und dienen, und nichts kann ihm schaden. Es ist auch eine ewige Gnade, welche weder der Wankelmut des Königs noch sonstige Zufälle ungewiß macht; eine Gnade, auf welche man vollkommen hoffen mag; aber so herrlich seine Gnade, so erschrecklich ist auch sein Zorn, seine Ungnade, und so sehr jene zu begehren und zu suchen, so sehr ist dieser zu fürchten. Freilich gibt dieser König Gesetze, aber so, daß er zugleich den Bittenden darreicht allerlei seiner göttlichen Kraft, was zum Leben und göttlichen Wandel dient, selbst in den Seinigen schaffet, was vor ihm wohlgefällig ist, sie durch seinen Geist auf ebener Bahn leitet und sie lehret tun nach seinem Wohlgefallen, bis er sie endlich mit Ehren annimmt. Denn er regieret insbesondere in den Herzen der Gläubigen, in welchen er wohnt und wirkt, so, daß sie endlich sagen könnten: Sie leben nicht mehr, sondern Christus lebt in ihnen. Er ist ein höchst liebenswerter König, an dem nicht zu Schanden werden, die auf ihn hoffen. Dieser König ist's wert, daß jedermann ihm mit dem größten Eifer untertänig werde, sich selbst verleugne, sein Kreuz auf sich nehme, alles für Schaden und Kot achte, Vater und Mutter, ja sein eigen Leben um seinetwillen hasse. Wer sollte dich nicht fürchten, Herr, dir sollte man ja gehorchen, denn es ist unter allen Weisen der Heiden und in allen Königreichen deinesgleichen nicht. Es werden ihm auch allerlei Leute geboren, und endlich sollen ihm Kinder geboren werde, wie der Tau und die Morgenröte.

Er ist der König der Gerechtigkeit.

Dies will mehr sagen, als wenn es hieße: Ein gerechter König. Wenn er König der Gerechtigkeit genannt wird, so wird er als der Urheber, als der Erwerber, als der Geber aller Gerechtigkeit dargestellt. Diese Gerechtigkeit mag nun als eine innige Übereinstimmung unserer Gesinnung mit dem Gesetz Gottes, oder in ihrer, den Gottlosen, der nicht mit des Gesetzes Werk umgeht, aber glaubt, vor dem Gericht Gottes rechtfertigenden Kraft betrachtet werden, welches wir durch die Benennung Rechtfertigung und Heiligung unterscheiden. Er ist „Jehova, unsere Gerechtigkeit“, und aus diesem ewigen Brunnen fließt das reinigende Blut und Wasser der Gerechtigkeit. Er, der König hat sie erworben dadurch, daß er ein Knecht ward. Er ist es, der sie in der einen Beziehung sowohl als der andern erteilt. ER allein. sie kann und sie braucht von uns selbst nicht erworben zu werden, sie ist's in vollkommener Weise durch ihn selbst, vornehmlich da er das erlitte, dessen Gedächtnis wir heute im heiligen Abendmahl feiern. So wenig wir selbst das Brot und den Wein bereiten, die der König zu Zeichen und Siegeln verordnet hat, sondern nur unsere Hand ausstrecken, nehmen und genießen, so wenig können oder sollen wir durch eigene Bemühung, sondern nur durch Annehmen, Empfangen, Glauben und Genießen der Gerechtigkeit teilhaftig werden, die Christus erworben hat.

Herrlicher Titel: König der Gerechtigkeit, der zugleich lauter Wahrheit und kein leerer Schall ist! Köstliche Überschrift über dem Thron des Königs, der einst freiwillig ein Knecht war, und sich zur Schlachtbank führen ließ und seinen Thron zur Zuflucht geplagter Sünder macht! Erwünschte Aufrichtung des Worts von Versöhnung für alle, die sich als Sünder fühlen und alle eigene Arbeit als unzulänglich erfahren und alle eigene Gerechtigkeit als ein unflätig Kleid betrachten: Eine herrliche Gerechtigkeit, der nichts mangelt, ja, die eine Gerechtigkeit Gottes ist. Kommt her zu mir, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken. Es komme doch, wer Sünder heißt!

So ward Christus von Anfang an geoffenbaret. Abraham glaubte dem Herrn, und das rechnete er ihm zur Gerechtigkeit. Schon der Name, den Abrahams Freund durch göttliche Regierung führte, stellt ihn als denjenigen dar, durch welchen gerecht werden aller Same Jakobs, bis uns das Evangelium in völliger Klarheit verkündigt: Wir sind Gerechte Gottes in ihm. Der Herr lehre diese frohe Botschaft alle bekümmerten Herzen festiglich und fröhlich glauben, sonderlich diejenigen, die etwa unter der Zahl derer sind, die zum Tisch des Herrn nahen wollen, damit sie dieses Mahl als ein Dankopfer mit Loben und Freuden halten und verkündigen die Gerechtigkeit des Herrn allein! Dies ist keine so leichte Sache, wie sie sich für diejenigen ansehen mag, die kein Gefühl ihrer Sünde und ihres Elends haben, deren Glaube aber auch keinen Wert hat, welcher gleichsam auch im Stall und in der Krippe, im Jammer und Not geboren werden muß, bis ihm der Stern aufgeht, welcher ihm den Melchisedech, den König der Gerechtigkeit verklärt. Der andere Name, der seine Würde bezeichnet, ist König zu Salem. So hieß das Königreich, worin Melchisedech regierte, welches wohl nicht weitläufig war. Wahrscheinlich ist's der nämliche Ort, der nachher mit Vorsetzung der beiden Silben: Jeru, „sie wird sehen“, so lange der Hauptsitz des Reichs und des Gottesdienstes war. Doch der Apostel legt das eigentliche Gewicht nicht auf die geographische, sondern wörtliche Bedeutung des Namens Salem, welches Friede heißt, als König des Friedens. Der königliche Name kommt zweimal nacheinander vor, sowohl die Wichtigkeit dieses Königtums anzudeuten, als uns Christum als denjenigen darzustellen, dem wir nicht nur gehorchen sollen, sondern der auch bereit, mächtig genug und also imstande ist, uns zu helfen, ja, reich über alle, die ihn anrufen.

Salem.

Was ist köstlicher als der Friede, der hier genannt ist! Es gibt Fälle, wo der Krieg und Streit nützlicher als der Friede ist, dennoch wird jener nur darum geführt, um diesen zu erlangen. Hier aber ist von dem allerkostbarsten Frieden die Rede, von dem Frieden mit Gott, von dem Frieden im Gewissen, das von Anklage und Verurteilung befreit, alles von Gott erwartet und nichts von ihm befürchtet, von dem Frieden im Innern, das vom heiligen Geiste bewegt, gestillt und befriedigt, nicht aber von mannigfaltigen Leidenschaften und unordentlichen Gemütsbewegungen umgetrieben wird; vom dem Frieden im Herzen, das von der Arbeit zur Ruhe, vom Suchen zum Finden, vom Darben zum Genuß und Haben gelangt, zumal wenn es sich lange und heftig in der Menge seiner Wege zerarbeitete, Wasser suchte, ohne es zu finden, und verschmachtete vor Durst, nun aber das Höckerigste vor ihm zur Ebene wird. Auf diesem Wege grausamer Kämpfe mit sich selbst, wo das Haus des inwendigen Menschen sich entzweit, und drei gegen zwei angehen, wo es Wahrheit, Gottseligkeit, Gott und Seligkeit gilt, und kämpfen muß den guten Kampf, und ergreifen das ewige Leben, wozu wir berufen sind; wo es mit Ernst um die höchste Angelegenheit der Ewigkeit geht, auf diesem Wege wird erst der Friede köstlich, da lernt man verstehen, was das Dursten nach Gott, was das Hungern nach Gerechtigkeit sei.

Wo ist aber der wahre Friede zu finden? Nicht in der Welt und ihren Lüsten. Wohl dem, der zu ihrer Freude spricht: Was machst du? und zu ihrem Lachen: Du bist toll! Nicht in der Sünde und ihrem Dienst, nicht in den Weltgütern, die den Geist nicht sättigen, nicht in seiner eigenen Rechtschaffenheit und nicht im Gesetz, dem das Fleisch nicht untertan ist, es auch nicht vermag, sondern dessen Forderungen uns nur die Größe unseres Elends und die Tiefe unseres Falles offenbaren und so heilsam den gefährlichen Frieden stören, worin man in seinem Naturzustand steckte, gleich einem, der auf dem Mastbaum schläft.

Der wahre Friede ist nur bei dem König zu Salem, Jesu Christo zu finden. Er heißt der Friedefürst, ja unser Friede selbst. Wir haben Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesum Christum. Er hat Friede gemacht an seinem Kreuz durch sich selbst in seinem Blut. Er verkündigt den Frieden beides denen, die da ferne sind und denen, die da nahe sind. Er reinigt das Gewissen von den toten Werken durch sein Blut. Sein Reich ist Friede im heiligen Geist, durch welchen wir Freudigkeit haben im Zutritt zu dem Gnadenthron, durch welchen wir rufen: Abba, lieber Vater!

Er sendet Boten aus, die den Frieden verkündigen, Gutes predigen und zu Zion sagen: Dein Gott ist König. Wo wollen, wo sollen wir uns dann hinwenden, um Gerechtigkeit und die köstliche Frucht derselben, den Frieden zu finden? O, wohl uns, wenn er uns zu einem wahren tiefen Bedürfnis geworden, zu einem Bedürfnis, das wir selbst nicht stillen können, das in uns einen Hunger und Durst erweckt, den nur dieser König zu Salem löschen kann! Er wirke dies Bedürfnis und schaffe dann Frucht der Lippen: Friede, Friede, daß er erquicke den Geist der Gedemütigten und das Herz der Zerschlagenen!

Die andere ausnehmende Würde, die dieser vorbildenden Person beigelegt wird, die sich aber nur in dem Original, Jesu Christo, in ihrer Wirklichkeit und Vollkommenheit befindet, ist die Priesterwürde: Er war ein Priester der Allerhöchsten. Eines Priesters Geschäft ist das allererhabenste, wichtigste und segensreichste, denn es besteht darin: Sünder durch ein gültiges Opfer mit der unzugänglichen Majestät des Allerhöchsten zu versöhnen und sie dadurch zu seiner allein beseligenden Gemeinschaft zurückzuführen. sodann besteht es darin, den Sünder zu segnen, das heißt, ihn wirklich in den beseligenden Besitz und Genuß der durch sein Opfer erworbenen unvergleichlichen Güter und Vorteile einzusetzen. Kann etwas Höheres sein? Zu diesem unvergleichlichen Amte war niemand geschickt als Christus, dieser Sohn Gottes und der Menschen allein. An dies sein Priestertum erinnert uns insbesondere das heilige Abendmahl, das uns in dem gebrochenen Brot, seine für uns durch den ewigen Geist zu unserer Versöhnung am Kreuz geopferte, allerheiligste Menschheit, die er selbst den Tempel Gottes nennt, vor die Augen malt, welches abbildende Brot uns zugleich als uns zu gute kommend, dargeboten wird, weil für uns sein Leib gebrochen ist. Das heilige Abendmahl vergegenwärtigt uns in dem eingegossenen Wein das allerkostbarste Blut Jesu Christi, vergossen zur Vergebung der Sünden, als den Preis unserer Loskaufung, zugleich ein Sinnbild der reichen Güter seines Hauses. Und so gleicht das Abendmahl jenen fröhlichen Mahlzeiten, welche nach vollendeten Opfern mit Danksagung gehalten wurden, denn wir begehen darin das herrliche Gedächtnis des bittern Todes Jesu Christi, als der süßen Vollendung seines ewigen und allein gültigen Opfers, durch welches er in Ewigkeit vollendet hat alle, die geheiligt werden. Um der hohen Wichtigkeit der Sache willen mußte Melchisedech zu Abrahams Zeiten und nachgehend das Aaronische Priestertum abbilden. Wir sehen derhalben auch den König von Salem den Erzvater segnen und hierin ein priesterliches Geschäft verrichten.

Aller Segen geht von Christo aus, denn er ist's, durch den alle Völker auf Erden gesegnet werden. In ihm wohnt alle Fülle nach dem Wohlgefallen Gottes, aus welcher allein Gnade um Gnade zu schöpfen ist.

Er ist der Pfleger der wahrhaften Güter und macht derselben teilhaftig. Wir sehen jüdische Mütter ihre Kindlein weislich zu Christo führen und tragen, damit er sie segne, und wen er segnet, der wird auch wohl in Ewigkeit gesegnet bleiben.

Unter seinen segnenden Händen sehen wir wenig Brot und Fischlein sich so vermehren, daß sie zur Speisung vieler Tausende hinreichen, und noch übrig ist.

Wir sehen ihn endlich mit zum Segnen aufgehobenen Händen von uns scheiden, wodurch sich seiner Apostel Herzen mit Anbetung, Freude und Lob füllen. Er segnete nachgehends derselben einfaches Wort also, daß Tausende sich bekehrten vom Satan zu Gott, zu empfangen Vergebung der Sünden und das Erbe samt denen, die geheiligt werden durch den Glauben an ihn. Er segne uns auch! Er wecke sehnliches Verlangen nach seinem Segen in uns, und mache uns seines Segens immer völliger teilhaftig! Er segne namentlich euch, die ihr heute von dem gesegneten Brot essen und aus dem Kelch der Danksagung trinken wollt, daß ihr dies Mahl mit aller Freude halten könnt! Melchisedech trug auch Brot und Wein heraus, oder ließ es ins Lager bringen, um Abraham seine Achtung und Liebe zu bezeugen und seinen ermüdeten Leuten eine Erquickung zu bereiten. Paulus erwähnt dieser Handlung nicht. Aber wenn wir ihr auch keine sinnbildliche Bedeutung beilegen wollen, so erinnert sie uns doch an jene Strophen:

Nach den Kämpfen, nach den Streiten,
Kommen die Erquickungszeiten,

und an jene Verheißung: Ich will die müden Seelen erquicken und die bekümmerten Seelen sättigen. Selig sind, die da hungern und dursten nach der Gerechtigkeit, denn sie sollen satt werden. Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke, dem will ich aus dem Brunnen des lebendigen Wassers geben. Ja, Salems König geht hervor und bringt's ihnen entgegen. Solch' ein Vorrecht haben die Hungrigen und Müden. Harret deswegen des Herrn, seid getrost und unverzagt und harret des Herrn!

Auch hier ist Brot und Wein, zu dessen Genuß wir euch an Christi statt eingeladen haben und einladen, nicht zum leiblichen, sondern zum geistlichen Gebrauch und Zweck. Welche sollen denn kommen? Etwa die, die keine Sünder sind? Sie bedürfen es nicht. Etwa die, welche es gewesen und es bleiben wollen? Die sollen es nicht. Etwa die, die sich dünken lassen, sie seinen ziemlich christliche Menschen? Sie werden nicht gerufen, sondern die Sünder. Diejenigen, die da glauben, dadurch eine besonders gute Handlung zu verrichten? Wer fordert solches von euren Händen? Oder sollen nur Gläubige hinzutreten, denen ein zuversichtlicher Glaube verliehen ist, daß sie mit Zuversicht jene gewaltigen und erfreulichen Schlüsse machen können, wozu das Abendmahl sie berechtigt, nämlich daß Christi Leib so wahrhaftig für sie am Kreuz geopfert und gebrochen, und sein Blut für sie vergossen sei, so gewiß sie mit Augen sehen, daß das Brot ihnen gebrochen und der Kelch mitgeteilt wird, und daß Christus ihre Seelen so gewiß mit seinem Leib und Blut zum ewigen Leben speise und tränke, als sie aus der Hand des Dieners empfangen und genießen das Brot und den Kelch des Herrn?

Und sollen die andern, die dies noch nicht wagen dürfen, zurückgewiesen, und sie so eines Stärkungsmittels des Glaubens beraubt werden, dessen sie absonderlich bedürfen? O nein. Auch euch, die ihr müde, hungrig und durstig seid, die ihr euch inniglich nach Christo und seinem ganzen Heil sehnet, die ihr nichts angelegentlicheres habt, als der Sünde abzusterben, Gott zu leben und der Gerechtigkeit, des Friedens und Segens teilhaftig zu werden, auch euch ist dieser Tisch bereitet, wird dies Brot gebrochen, und dabei gesagt: Das ist mein Leib, der für euch gebrochen wird; wird dieser Wein dargereicht, bei dem es heißt: Dieser Kelch ist das Neue Testament in meinem Blut. Solches tut so oft ihr's trinket, zu meinem Gedächtnis, denn so oft ihr von diesem Brot esset und von diesem Kelch trinket, sollt ihr des Herrn Tod verkündigen, bis daß er kommt. Ja, für euch insbesondere, zu denen sich Christus wie ein Vater zu seinen Kindern herabläßt, ihnen das „ich glaube“ vorzustammeln. Wollt ihr denn etwas Sinnliches, wollt ihr sehen, um zu glauben, so greift es mit euren Händen, schmeckt es mit eurer Zunge, und will auch das den Unglauben nicht bannen, so schreit dann: Ich glaube, lieber Herr, komm zu Hülfe meinem Unglauben! Ja, lehre uns glauben damit wir deine Herrlichkeit sehen! Amen.

Quelle: Krummacher, G. D. - Gesammelte Ähren

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