Der Bauernschaft Beschwerung und Begehren, in 12 Artikel verfasset.

Der Bauernschaft Beschwerung und Begehren, in 12 Artikel verfasset.

Dem christlichen Leser Friede und Gnade Gottes durch Christum.

1. sind viele Widerchristen, die jetztund von wegen der versammelten Bauernschaft das Evangelium zu schmähen, Ursach nehmen, sagend: Das sind die Früchte des neuen Evangelii, niemand gehorsam sein, an allen Orten Empörung sich heben, und aufbäumen: mit großer Gewalt zu Haufe laufen und sich rotten, geistliche und weltliche Obrigkeit zu reformiren, auszureuten, ja vielleicht gar zu erschlagen.

2. Allen diesen gottlosen frevelichen Urtheilern antworten diese nachbeschriebenen Artikel, zum ersten, daß sie diese Schmach des Worts Gottes aufheben, zum andern die Ungehorsamkeit, ja die Empörung aller Bauern, christlich entschuldigen.

3. Zum ersten ist das Evangelium nicht eine Ursach der Empörung oder des Aufruhrs, dieweil es eine Rede ist von Christo, dem verheißenen Messias, welches Wort und Leben Nichts denn Liebe, Friede, Geduld und Einigkeit lehret; also, daß Alle, die an diesen Christum glauben, lieblich, friedlich, geduldig und einig werden. So denn der' Grund aller Artikel der Bauern (wie denn klar gesehen wird), das Evangelium zu hören, und dem gemäß zu leben, dahin gerichtet ist: wie mögen denn die Widerchristen das Evangelium eine Ursache der Empörung und des Ungehorsams nennen?

4) Daß aber etliche Widerchristen und Feinde des Evangelii wider solche Anmuthung und Begehrung sich lehnen und aufbäumen, ist das Evangelium nicht Ursach, sondern der Teufel, der schädlichste Feind des Evangelii, der solches durch den Unglauben in den Seinen erwecket, hiemit, daß das Wort Gottes (so Liebe, Frieden und Einigkeit lehret,) unterdrückt und weggenommen werde.

5) Zum andern: Denn klar lauter folget, daß die Bauern in ihren Artikeln solches Evangelium zu Lehre und Leben begehrend, nicht mögen ungehorsam, aufrührerisch genennet werden. Ob aber Gott die Bauern (nach seinem Wort zu. leben ängstlich rufend,) erhören will: wer will den Willen Gottes tadeln, wer will in sein Gericht greifen, ja wer will seiner Majestät widerstreben? Hat Er die Kinder Israel zu ihm schreiend erhört, und aus der Hand Pharao's erledigt, 2. Mos. 3, 7., mag Er nicht noch heute die Seinen erretten, und in einer Kürze Luk. 18, 8. Derohalben, christlicher Leser, solche nachfolgende Artikel lies Mit Fleiß, und nachmals urtheile.

Folgen die 12 Artikel der Bauernschaft.

I. Zum ersten ist unsere demüthige Bitte und Begehr, auch unser Aller Wille, und Meinung, daß wir hinfort Gewalt und Macht haben wollen, eine ganze Gemeinde soll einen Pfarrherrn selbst erwählen und kiesen, auch Gewalt haben, denselben wieder zu entsetzen, wenn er sich Ungebührlich hielte. Derselbige erwählete Pfarrherr soll uns das heilige Evangelium lauter und klar predigen, ohne alle menschlichen Zusatz, Lehre und Gebot; denn uns den wahren Glauben stets verkündigen, gibt uns eine Ursach, Gott um seine Gnade zu bitten, und denselben wahren Glauben einbilden und in uns bestätigen. Denn wenn seine Gnade in uns nicht eingebildet wird, so bleiben wir stets Fleisch und Blut, das denn nichts nütz ist; wie klärlich in der Schrift stehet, daß wir alleine durch den wahren Glauben zu Gott kommen können, und alleine durch Barmherzigkeit selig müssen werden. Drum ist uns ein solcher Vorgeher und Pfarrherr von Nöthen, und diesergestalt in der Schrift gegründet. '

II. Zum andern, nachdem der rechte Zehente aufgesetzt ist im Alten Testament, und im neuen alles erfüllet; nichts desto minder wollen wir den rechten Kornzehnten gern geben, doch wie sich's gebühret. Demnach soll man ihn Gott geben, und den Seinen mittheilen: gebührt es einem Pfarrherrn, so klar das Wort Gottes verkündiget, sind wir des Willens, daß hinfort diesen Zehenten unsere Kirchpröpste, so denn eine Gemeinde setzt, sollen einsammeln und einnehmen, davon einem Pfarrherrn, so von einer ganzen Gemeinde gewählet wird, seinen geziemlichen genugsamen Aufenthalt geben, ihm und den Seinen, nach Erkenntniß einer ganzen Gemeinde; und was überbleibt, soll man armen Dürftigen (so in selbigem Dorfe vorhanden sind,) mittheilen nach Gestalt der Sachen und Erkenntnis einer Gemeinde.

Was überbleibt, soll man behalten, ob man reisen müßte von Landes Noth wegen; damit man keine Landsteuer dürfte auf den Armen anlegen, soll mans von diesem Ueberschusse ausrichten. Auch ob Sache wäre, daß eins oder mehr Dörfer wären, die den Zehenten selber verkauft hätten, aus etlicher Noth halben;. dieselbigen, so darum zu zeigen in der Gestalt haben von einem ganzen Dorfe, der soll es nicht entgelten, sondern wir wollen uns ziemlicher Weise nach Gestalt und Sache mit ihm vergleichen, ihm solches wieder mit ziemlicher Ziel und Zeit ablösen. Aber wer von keinem Dorfe solches erkauft hat, und ihre Vorfahren ihnen selbst solches zugeeignet haben wollen, sollen und sind wir ihnen Nichts weiter schuldig zu geben, allein wie oben steht, unsern erwählten Pfarrherrs damit zu unterhalten, nachmal ablösen; oder den Dürftigen mittheilen, wie die heilige Schrift inne hätte; sie seien geistlich oder weltlich. Den kleinen Zehenten wollen wir gar nicht geben. Denn Gott der Herr hat das Vieh für den Menschen geschaffen; daß wir einen unziemlichen Zehent geben, den die Menschen erdichtet haben, darum wollen wir ihn nicht weiter geben.

III. Zum dritten ist der Brauch bisher gewesen, daß man uns für ihre eigene Leute gehalten habe; welches zu erbarmen ist, angesehen, daß uns Christus Alle mit seinem kostbarlichen Blutvergießen erlöst und erkauft hat, den Hirten gleich als wohl als den Höchsten, Keinen ausgenommen. Drum erfindet's sich mit der Schrift, daß wir frei sind und wollen sein. Nicht daß wir gar frei sind, keine Obrigkeit haben wollen, lehret uns Gott nicht. Wir sollen in Geboten leben, nicht in freiem fleischlichen Muthwillen, sondern Gott lieben als unsern Herrn, in ihm unsern Nähesten erkennen, und Alles das, so wir auch gern hätten, das uns Gott am Nachtmahl geboten hat zu einer Letze, darum sollen wir nach seinem Gebot leben; zeigt und weiset uns dieß Gebot nicht an, daß wir der Obrigkeit nicht gehorsam sein; nicht allein der Obrigkeit, sondern wir sollen uns gegen Jedermann demüthigen, daß wir auch gern gegen unsere erwählte und gesetzte Obrigkeit (so uns von Gott gesetzt) in allen ziemlichen und christlichen Sachen gehorsam seien; auch ohne Zweifel, ihr werdet uns der Eigenschaft, als wahre und rechte Christen, gern erlassen, oder uns im Evangelio das berichten, daß wirs seien.

IV. Zum vierten ist bisher ein Brauch gewesen, daß kein armer Mann Gewalt gehabt hat, das Wildpret, Gevögel oder Fische im fließenden Wasser zu fahen, welches uns ganz unziemlich und unbrüderlich dünket, sondern eigennützig und dem Worte Gottes nicht gemäß sein. Auch an etlichen Orten die Obrigkeit das Wild zu Trotz und mächtigem Schaden haben will, uns das Unsere (so Gott dem Menschen zu Nutz erwachsen hat lassen) die unvernünftigen Thiere zu unnütz verfressen, muthwillig leiden müssen, dazu still schweigen, das wider Gott und den Nächsten ist. Wann, als Gott der Herr den Menschen erschuf, hat er ihm Gewalt gegeben über alle Thiere, über den Vogel in der Luft und über den Fisch im Wasser, 1. Mos. 1, 28. 30. Darum ist unser Begehren, wenn einer Wasser hätte, daß ers mit gnugsamer Schrift beweisen mag, daß man das Wasser wissentlich also erkauft hätte, begehren wir ihm Nichts mit Gewalt zu nehmen, sondern man müsse ein christlich Einsehen darinnen haben von wegen brüderlicher Liebe. Aber wer nicht gnugsam Anzeigung darum kann thun, soll es einer Gemeinde ziemlicher Weise mittheilen.

V. Zum fünften sind wir auch beschwert der Beholzung halben; denn unsere Herrschaften haben sich die Hölzer alle allein geeignet, und wenn der arme Mann Etwas bedarf, muß er's um zwei Geld kaufen. Ist unsere Meinung, was für Hölzer es feim, es habens Geistliche oder Weltliche inne, die es nicht erkauft haben, sollen einer ganzen Gemeinde wieder anheim fallen, und einer Gemeinde ziemlicher Weise frei sein, einem Jeglichen seine Nothdurft ins Haus zu brennen, umsonst lassen nehmen. Auch wenn vonnöthen sein würde zu zimmern, auch umsonst nehmen, doch mit Wissen derer, so von der Gemeinde dazu erwählet worden. So aber keines vorhanden wäre, denn das, so redlich erkauft worden, soll man mit denenselbigen brüderlich und christlich vergleichen, wenn aber das Gut am Anfang aus ihnen selbst geeignet wäre worden, und nachmals verkauft worden, soll man sich vergleichen, nach Gestalt der Sachen und Erkenntniß brüderlicher Liebe und heiliger Schrift.

VI. Zum sechsten, ist unsere harte Beschwerung der Dienste halben, welche von Tag zu Tag gemehret werden, und täglich zunehmen: begehren wir, daß man ein ziemlich Einsehen drein thue, uns dermaßen nicht so hart beschwere, sondern uns gnädig hierinnen ansehe, wie unsere Aeltern gedienet haben, allein nach Laut des Wortes Gottes.

VII. Zum siebenten, daß wir uns hinfort eine Herrschaft nicht weiter wollen lassen beschweren, sondern wie es eine Herrschaft ziemlicher Weise einem verleihet, also soll er's besitzen, laut der Vereinigung dieses Herrn und Bauern. Der Herr soll ihn nicht weiter dringen noch zwingen, mehr Dienste noch anders von ihm umsonst begehren, damit der Bauer solches Gut ohne Beschwerde, also ruhlich brauchen und messen möge. Ob aber des Herrn Dienste vonnöthen wären, soll ihm der Bauer willig und gehorsam vor andern sein; doch zu Stunde und Zeit, daß dem Bauer nicht zum Nachtheil diene, und ihn um einen ziemlichen Pfennig den thun.

VIII. Zum achten, sitzen wir beschwert und derer viel, so Güter inne haben, daß dieselbigen Güter die Güld nicht ertragen können, und die Bauern das Ihre darauf einbüßen und verderben, daß die Herrschaft dieselbigen Güter ehrbare Leute besichtigen lasse, und nach der Billigkeit am Zinsegeld erschaffe, damit der Bauer seine Arbeit nicht umsonst thue, denn ein jeglicher Tagewerker ist seines Lohnes würdig.

IX. Zum neunten sind wir beschwert der großen Frevel, so man stets neue Satzung machet: nicht daß man uns straft nach Gestalt der Sache, sondern zu Zeiten aus großem Neid und zu Zeiten aus großer Gunst: ist unsere Meinung, uns bei alter geschriebener Strafe zu strafen, darnach die Sache gehandelt ist, und nicht nach Gunst.

X. Zum zehnten sind wir beschwert, daß Etliche haben sich zugeeignet Wiesen, dergleichen Aecker, die denn einer Gemeinde zugehören: dieselbigen werden wir wieder zu unsern gemeinen Händen nehmen, es sei denn Sache, daß mans redlich erkauft habe; wenn mans aber unbilliger Weise erkauft hätte, soll man gütlich, brüderlich sich mit einander vergleichen, nach Gestalt der Sache.

XI. Zum eilften wollen wir den Brauch, genannt den Todfall, ganz und gar abgethan haben, den nimmer leiden, noch gestatten, daß man Witwen, Waisen, das Ihre wider Gott und Ehren also schändlich nehmen und berauben soll, wo es an vielen Orten (mancherlei Gestalt) geschehen ist, und von denen, so sie beschützen und beschirmen sollten, haben sie uns geschunden und geschadet, und wenn sie wenig Fug hatten gehabt, hätten dieß gar genommen; das Gott nicht mehr haben will, sondern soll ganz ab sein, kein Mensch Nichts hinförder schuldig sein zu geben, weder wenig noch viel.

XII. Zum zwölften ist unser Beschluß und endliche Meinung, wenn einer oder mehrere Artikel, als hier gestellt, so dem Wort Gottes nicht gemäss wären (als wir denn nicht vermeinen), dieselbigen Artikel, wo man uns mit dem Wort Gottes für unziemlich anzeigen, wollten wir davon abstehen, wenn man uns mit Grund der Schrift erkläret, ob man uns schon etliche Artikel jetzt zuließe, und hernach sich befünde, daß unrecht wären, sollen sie von Stund' an todt und ab sein, nichts mehr gelten. Dergleichen, ob sich in der Schrift mit der Wahrheit mehr Artikel erfunden, die wider Gott und Beschwerung des Nächsten wären, wollen wir uns auch vorbehalten und beschlossen haben, und uns in aller christlicher Lehre üben und brauchen. Darum wir Gott den Herrn bitten wollen, der uns dasselbige geben kann und sonst Niemand. Der Friede Christi sei mit uns Allen, Amen!

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