Krummacher, Gottfried Daniel - Die Wanderungen Israels durch die Wüste nach Kanaan (Mathana)

Siebenundsechzigste Predigt.

Text: 4. Buch Mosis 21, 19.

Da ist der Brunnen, den die Fürsten gegraben haben; die Edlen im Volk haben ihn gegraben, durch den Lehrer und ihre Stäbe. Und von dieser Wüste zogen sie gen Mathana.

Der Herr hat noch mehr, als dieses ist, das er dir geben kann, sagte der Mann Gottes zu dem König Amazia, nach 2. Chron. 25, 9. Diese Worte stellen uns Gott als den Reichen vor, der uns in jeglicher Beziehung, im Leiblichen, sonderlich aber im Geistlichen, größere Wohltaten erweisen und vortrefflichere Gaben schenken kann, als wir uns im Voraus vorstellen mögen. Was den Amazia betrifft, so hatte er nicht nur ein ungeheures Heer aus seinem eigenen Volke ausgehoben, sondern auch Hilfsvölker in Sold genommen, welche ihm hundert Zentner Silber kosteten. Gott billigte das nicht, weil Amazia sein Vertrauen allzu sehr auf seine Armee und allzu wenig auf Gott gründete. Er ließ ihm deswegen durch einen Propheten befehlen, die in Sold genommenen Truppen zu entlassen, und ihm bemerken, bei Gott stehe die Kraft, zu helfen und fallen zu lassen, er solle sich deshalb nicht zu kühn in den Streit machen, es möchte ihm anders übel bekommen und der Herr ihn, seines großen Heeres ungeachtet, vor seinen Feinden fallen lassen. Nun meinte Amazia, dann wären ja die hundert Zentner wie weggeworfen und umsonst ausgegeben. Darauf sagte der Prophet: Der Herr hat noch mehr, denn das ist, was er dir geben kann.

So ist es. Gott ist überschwänglich reich über uns in Christo Jesu und kann ungleich mehr tun, als wir bitten oder verstehen. Allerdings werden von demjenigen, der selig werden, der ein Christ sein, der Jesu nachfolgen will, sehr wichtige Opfer und Verleugnungen erwartet und gefordert. Jedoch ist dabei zweierlei zu bemerken.

Erstens: Jesus selbst macht dazu tüchtig und reicht dasjenige dar, was dazu erforderlich ist. Wir sehen doch noch immer erfreuliche Beweise an mehreren Menschen, dass sie ihren Sinn ändern, dass sie ein ganz anderes Leben anfangen, dass sie ihre gewohnten Sünden meiden und fliehen, dass sie ihre bisherigen Gesellschaften, die ihnen so lieb waren, wie ein rechter Fuß, dass sie ihre bisherigen Ergötzlichkeiten, die ihnen das Leben ihres Lebens waren, fahren lassen, meiden und fliehen, dass sie sich übler Nachrede, Spott und Verfolgung willig hingeben, ja wohl mit Freuden. Wie sollte das doch möglich sein, wie sollte das ausgeführt werden können, wie sollte es Stand halten, wenn nicht Jesus das verliehe, was dazu erfordert wird, wenn er das Herz nicht losmachte und es anders regierte? Er tuts aber durch seine kräftige Gnade.

Andernteils aber ersetzt der Herr das, was man so um seinetwillen fahren lässt, unendlich, zum Teil schon in dieser Welt mit Verfolgung. Statt der vorigen Freunde z. B. bekommt einer andere, bei weitem liebere; statt der vorigen bekommt er solche Freude zu genießen, wogegen alle, ihm bisher bekannte nichts als Last sind, solche Neuigkeiten aus dem Evangelium zu hören, wogegen alles andere nicht anhörenswert ist. Und was ist doch das nicht wert, ohne Furcht, ja mit Freuden in alle Ewigkeit hineinschauen zu können!

Lasst uns jetzt einige teure Gaben des Evangelii von der Gnade Gottes erwägen.

„Von dieser Wüste,“ so beginnen unsere Textworte. Die vorige Lagerstätte gestaltete sich fröhlich; wir hörten die reisenden Israeliten einen munteren Wechselgesang anstimmen: Spring, Brunnen, spring! Ein Gesänge in der Wüste mag selten gehört werden; doch, er gibt Gesänge auch in der Nacht, wie Hiob sagt. Man kann auch Nachts seine Wahrheit rühmen, wie des Tags seine Güte, durch den Glauben kann man auch ohne Furcht durch das Tal der Todesschatten wandern, und ein rotes Meer durchschreiten. Paulus und Silas sangen um Mitternacht im Gefängnis, wund geschlagen, die Füße im Block. Habakuk wollte, wenn auch der Feigenbaum nicht grünte, und kein Gewächs war am Weinstock, wenn auch die Arbeit am Ölberg fehlte, und die Äcker keine Nahrung bringen, wenn die Schafe aus den Hürden geschleppt werden, und kein Rind mehr im Stalle ist, doch sich freuen in dem Herrn, und fröhlich sein in Gott, seinem Heil. Und wie wollte er dies fertig bringen? Der Herr, Herr ist meine Kraft, und wird meine Füße machen wie Hirschfüße, und mich in die Höhe führen. Israel war noch in der Wüste, wo es eigentlich heult und nicht singt. Aber es hatte seinen Gott bei sich, und der kann die Wüste Wüste sein lassen, und doch das Herz in einen Lustgarten umwandeln. Spring nur, Brunnen, spring, so wollen wir schon uns freuen und singen. Auch das Weinen hat seine Zeit. In der Welt habt ihr Angst. Jeder Tag hat seine Plage. Nehmt euer Kreuz auf euch täglich, sagt Christus, und Paulus sagt: Leide dich als ein guter Streiter Jesu Christi, und durch viele Trübsal müssen wir ins Reich Gottes gehen; ja im Himmel heißt es noch: Sie sind gekommen aus großer Trübsal. Auf ein Arnon pflegt ein Ar zu folgen, und diesem ein Mathana, d. i. Gaben, zu Deutsch, - aus lichtvollen Überschattungen der Freundlichkeit des Herrn wird die Seele wohl wieder in große Beraubungen geführt, und danach wieder reichlich beschenkt. Habt kein Wohlgefallen an euch selbst, freut euch nicht so sehr der Gaben, als des Gebers. Dieser bleibt, jene wechseln.

Dieser Lagerplatz hat den Namen Mathana, auf Deutsch: Geschenke, Gaben. So kommts Psalm 68 vor: Du hast Gaben empfangen für die Menschen, auch die Abtrünnigen, dass Gott der Herr dennoch daselbst bleiben wird, welche Worte der Apostel Ephes. 5, 8 so ausdrückt: Er hat den Menschen Gaben gegeben.

Betrachten wir denn den Geber, die Haupt- und Nebengabe, die Nehmer und die besondere Zeit und Orte des Empfangens. Der reiche und große Geber ist Gott. Wenn wir alles Gute, Kleines und Großes zu seinem Ursprung zurückführen, wie wir sollen, so ist dieser Ursprung Gott. Von ihm kommen nicht nur alle Vollkommenheiten, sondern auch alle gute Gaben. Außer ihm ist nichts. Niemand kann sich selbst etwas nehmen, es werde ihm denn vom Himmel gegeben. Wir sind nicht einmal tüchtig, aus uns selbst etwas zu denken, und sind wir dazu tüchtig, so ist es Gott, der uns dazu tüchtig macht. 2. Kor. 3, 5. Sonnenschein, Regen und fruchtbare Zeiten sind seine Gaben, so viel Speise und Freude, wie viel mehr die geistlichen Güter. Wenn Christus von seinen Jüngern rühmt: Ihr vernehmt das Geheimnis des Himmelreichs, so sagt er dabei: Euch ist es gegeben, den Andern ist es nicht gegeben. Wenn Paulus zu den Philippern sagt, sie glaubten nicht nur an Christus, sondern litten auch um seinetwillen, so vergisst er nicht, hinzuzusetzen: Euch ist es gegeben. Den Korinthern nennt er im 12ten Kapitel neun verschiedene Gaben, welche er aus der nämlichen Quelle des Heiligen Geistes herleitet. Von einer jeglichen aber sagt er: wird gegeben, so wie er überhaupt fragt: Was hast du, o Mensch, das du nicht empfangen hättest? Dies wohl zu erwägen, ist sehr nötig und heilsam, um zu verhüten, dass wir uns nicht selbst erheben, dass wir nicht ein Wohlgefallen an uns selbst haben, dass wir nicht meinen, wir wären etwas, womit wir uns selbst betrügen würden, da wir doch nichts sind; dass wir nicht Andere neben uns verachten, welches Alles Gott sehr missfällige Dinge sind. Dies dient dazu, uns bei dem Gefühl unsrer weitläufigen und großen Armut und Unvermögenheit bei gutem Mut zu erhalten, da der allgenugsame reiche Gott uns ja gar bald überschwänglich reich kann machen. Er kann ja überschwänglich tun, über Alles, das wir bitten und verstehen. Er hat ja noch mehr, denn das, was er uns geben kann. Warum denn so verzagt? Nicht also. Gott ist reich, und dabei mildtätig. Diese Betrachtung soll auch dazu dienen, unser Herz zusammenzufassen, dass wir uns nicht, wie Martha, viel und mancherlei Sorge und Mühe machen, von Einem aufs Andre fallen, sondern auf einen Punkt gerichtet sein, bedenken, dass nur Eins Not ist, und dass dies Eine Jesus selbst ist; auf dass sie vollkommen seien in Eins. Unsere Augen sehen auf dich. Ich hoffe auf dich. Was wir bei ihm nicht finden, suchen wir überall vergebens, und was wir sonst überall vergeblich suchen, mögen wir bei ihm finden. Darum aus der Vielheit in Eins, aus der Mannigfaltigkeit und Zerstreutheit in die Einfalt. Es dient endlich dazu, Gott allein die Ehre von Allem zu geben, dem Kleinen sowohl wie dem Großen, es liegt ja Alles an seinem Willen und Erbarmen, nicht an unserm Wollen und Laufen. Tut er seine milde Hand auf, so sammeln wir; zieht er seinen Odem zurück, so werden wir Staub. Wir sind nichts, und unser Tun ist aus nichts. Er ist es, der das Licht schafft, und machet die Finsternis. Er macht zu nichts, was etwas ist, und rufet dem, das nichts ist, dass es sei. Er stellt sich schon dem Hiob als ein solcher dar, der gute Gedanken gibt. David preist ihn als denjenigen, der es schafft, was ich vor und hernach tue, und Paulus als denjenigen, der in uns schafft beides, Wollen und Vollbringen. Sind sogar Käfer und Heuschrecken sein großes Heer, das Er sandte, was wäre dann übrig, worin wir sein Walten nicht anerkennen sollten? Von ihm und durch ihn sind alle Dinge, deswegen sind sie auch zu ihm. Gott, der dreieinige Gott ist der Geber, ists allein, und sonst keiner. Verlass dich auf ihn, und sonst auf nichts. Leere dich aus, damit Er dich fülle. Stirb, damit Er in dir lebe. Werde nichts, damit Er Alles in dir sei. Lass deinen Augen die der Eigenliebe so empfindliche Offenbarung deiner Nichtigkeit sehr gut gefallen, denn derjenige, der dich deine Nichtigkeit sehen lässt, wird dir auch seine Herrlichkeit zeigen.

Lasst uns jetzt zweitens die Hauptgabe und einige Nebengaben Gottes erwägen. Dieser Hauptgaben sind nur zwei, aber es sind zwei Gaben, die alles erdenkliche Gute der allervortrefflichsten Art in sich schließen. Sie sind so groß, so vortrefflich, ihr Wert an sich ist so unermesslich, ihre Wirkung so überraschend, ihre Frucht so süß, dass man sich wirklich versucht fühlen sollte, zu zweifeln, ob es mit diesen Gaben ein wahrer Ernst sei, wenn es nicht der Gott Amen wäre, der sie darböte, und der unsre Zweifel vorhersehend, seinen Ernst beschwört, und ihnen dadurch allen Grund wegnimmt, aber auch zugleich als eine schwere Sünde stempelt. - Es sind zwei Gaben, wodurch wir überschwänglich reich geworden sind. All unser Elend und Sünde und Strafe werden dadurch verscheucht, alles Heil, Freude und Seligkeit dadurch herbeigeführt. Wer diese zwei Gaben hat, der braucht außer und neben denselben nichts mehr, begehrt auch nichts mehr; wer sie nicht besitzt, hat nichts, und wäre die ganze Welt sein Eigentum.

Zwei Gaben sind es, mit denen es sich namentlich in der Beziehung unvergleichlich viel besser verhält, als mit irdischen Gütern. Diese letzteren nämlich kann jemand ungemein lebhaft begehren, ohne sie zu erlangen. Was gäbe dieser nicht darum, seine Gesundheit herzustellen, und sein und der Seinigen Leben zu fristen; was wäre jenem willkommener, als ein ansehnliches Vermögen. Aber umsonst. So verhält sich's aber bei dieser Gabe nicht. Wer sie begehrt und sucht, der erlangt sie auch gewiss, ja, er hat schon etwas davon, wie sein Suchen und Begehren beweist. Und wer da hat, dem soll gegeben werden, dass er die Fülle habe, wer aber nicht hat, dem soll auch genommen werden, das er hat. Auch dauern diese ewig, wie jene vergänglich sind.

Wenn wir nun diese Gaben näher beschauen wollen, so begeben wir uns wie auf einen Ozean, dessen Weite und Tiefe, wie auf einen Berg, dessen Höhe wir nicht zu messen im Stande sind; oder lieber in ein Paradies, wohin keine Schlange kommen kann, wo eine Frucht die andere an Schönheit, Wohlgeschmack und Gedeihlichkeit übertrifft, von welchen allen es heißt: Esst, meine Lieben.

Die erste Gabe nun, die wir mit Erstaunen, mit Ehrfurcht, mit Freude und billig mit völligem Vertrauen uns vorhalten, welche ist die? Es ist diejenige, von welcher es dort zu jenem Weibe hieß: Wenn du sie erkenntest und wüsstest, wer der ist, der mit dir redet, du bätest ihn, und er gäbe dir lebendiges Wasser. Es ist der eingeborene Sohn Gottes, derjenige, in welchem alle Fülle der Gottheit wohnt. Gott hat die Welt also geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab. Er hat seines eigenen Sohnes nicht verschont, sondern ihn für uns dahin gegeben, wie sollte er uns mit ihm nicht Alles schenken? Da die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn. Was dem Gesetz unmöglich war, das tat Gott, und sandte seinen Sohn in der Gestalt des sündlichen Fleisches, und verdammte die Sünde im Fleisch durch Sünde, auf dass die Gerechtigkeit, vom Gesetz erfordert, in uns erfüllt würde. Alles ist hier ebenso bewundernswert, als erfreulich, die Gabe an sich wie die Absicht und Wirkung derselben. Was ich von der Vortrefflichkeit und Beschaffenheit dieser Gabe sagen soll, weiß ich nicht, so viel wäre davon zu rühmen. Gott aber sei Dank für seine unaussprechliche Gabe. 2. Kor. 9, 15. Durch Verleihung derselben ist der einzige Weg gebahnt, um trotz aller Hindernisse zu der sonst unerreichbaren Herrlichkeit zu gelangen, zu welcher es sonst keinen, nun aber einen sehr leichten und bequemen Weg gibt, auf welchem selbst Lahme und Krüppel laufen können. Diese Gabe ist das Mittel aller Mittel, wodurch das Unmögliche möglich, das Schwere leicht, und was nicht ist, wirklich wird. Blinde werden dadurch sehend, Lahme gehend, Aussätzige werden rein, und die Tauben hören, die Toten stehen auf, und den Armen wird das Evangelium gepredigt. Mit dieser einigen Gabe sind uns zugleich unzählige andere geschenkt.

Bedürfen wir's um beispielsweise das Eine und Andere zu nennen, bedürfen wir's, dass unsre Unwürdigkeit beseitigt, bedeckt und übersehen wird: hier ist die goldgestickte Decke, wodurch das bewirkt wird. Ist uns Kraft nötig, Kraft zum Leiden, zum Meiden, zum Tun, zum Streiten, zum Siegen: hier ist sie im Übermaß, mehr als wir je brauchen, so dass uns alle Dinge dadurch möglich werden. Wollen wir in den beglückenden Stand versetzt werden, wo alle unsere begangenen Sünden, wie schwer, wie mannigfaltig, wie zahlreich auch, in den Stand, wo unsre sündliche Art, womit wir unser Leben lang zu streiten haben, wo weder der Teufel, noch seine Engel, wo weder Menschen, noch sonstige Kreaturen, wo weder Trübsal noch Angst, oder Verfolgung, oder Hunger, oder Blöße, oder Fährlichkeit, oder Schwert uns im geringsten schaden, ja, uns nicht einmal beunruhigen will, geschweige schrecken können: bei dieser Gabe ist's anzutreffen.

Bedürfen und begehren wir das, was zum allerhöchsten Not tut, dies nämlich, dass wir kein Gericht mehr zu scheuen nötig haben und wirklich nicht mehr fürchten, dass wir, als gereinigte Aussätzige, uns dem Gesetz und dem Priester zeigen dürfen, ja eine Freudigkeit haben auf den Tag des Gerichts selber, dass wir mit aufgerichtetem Haupte des Richters vom Himmel gegenwärtig sein können, sodann - mit Einem Wort bedürfen und begehren wir eine Gerechtigkeit, die wirklich vor Gott gilt, und mit welcher bekleidet, wir alsdann bestehen können, wenn wir alle offenbar werden müssen vor dem Richterstuhl Christi sie ist da, hier ist sie.

Begehren wir züchtig, gottselig und gerecht zu leben in dieser Welt und zu verleugnen das ungöttliche Wesen und die weltlichen Lüste; begehren wir all unseren Fleiß zu tun, unsere Berufung und Erwählung fest zu machen; wünschen wir völlig im Glauben, in der Liebe und in der Hoffnung zu sein, ist etwa eine Tugend, ist etwa ein Lob: hier ist die reiche Quelle davon. Wollen wir gern dem alten Menschen, samt den Lüsten und Begierden, tödliche Streiche beibringen, und uns ohne unerträglichen Schmerz ärgernde Hände und Füße abhauen; wollen wir einen kräftigen Trost genießen: dies Eine ist not. Ja, dieser Schatz will nicht außer uns, er will in uns sein, in uns wohnen und wandeln, so dass es nicht viel Rennens und Bemühens bedarf, und wir nicht fragen dürfen: Wer will hinauf gen Himmel fahren, das ist nichts anders, als Christum herabholen, oder wer will hinab in die Tiefe fahren, das ist nichts anders, als Christum von den Toten holen, sondern es ist dir nahe, in deinem Munde und in deinem Herzen; wiewohl wir diesen Schatz in irdenen Gefäßen haben, auf dass die überschwängliche Kraft sei Gottes und nicht von uns. Wohl, wohl mochte daher Christus sagen: Wenn du erkenntest die Gabe Gottes und wer der ist, der zu dir sagt: Gib mir zu trinken; du bätest ihn und er gäbe dir lebendiges Wasser. Haben wir sie so mögen wir in einem ganz anderen Sinne, wie dort der Engel der Gemeine zu Laodicea, sagen: Ich bin reich und habe gar satt und bedarf nichts, dabei wohl wissend, dass wir in uns selbst arm sind, elend, jämmerlich, blind und bloß. Aber wir kaufen Gold bei ihm, das mit Feuer durchläutert ist, dass wir reich werden.

Indessen was wäre diese Gabe, aller ihrer Kostbarkeit ungeachtet, hätte der reiche Gott und Vater nicht die zweite, ebenso kostbare Gabe damit verknüpft, ohne welche die soeben angedeutete uns doch nichts hilft. Es war uns gut, dass Jesus hinging zum Vater, weil er uns die andere, genau damit verbundene und doch davon verschiedene Gabe zusenden wollte. Ohne diese zweite Gabe kennten wir die erste, nämlich Jesum Christum, gar nicht, wir fragten nicht danach, wir begehrten sie nicht, wir glaubten nicht, wir beteten nicht, ja, wir kennen uns selbst nicht einmal, nicht unsere Sünde, nicht unser Elend, nichts, sondern wären und blieben eben blind und tot. Die Sonne schiene zwar, aber die Augen mangelten, sie zu sehen. Wein und Milch wäre da, aber kein Durst und kein Mund. Und was ist diese zweite Gabe? Sie ist nicht weniger kostbar wie die erste. Sie hat uns freilich nichts erworben, aber sie teilt uns das durch Christi Blut erworbene Heil mit, eignet es uns zu. Sie hat dem Sohn Gottes den Leib in der Jungfrau Maria zubereitet. Sie gebiert ihn aber auch in uns und macht, dass er in uns eine Gestalt gewinne. Sie zieht uns den neuen Menschen an, wie einst Gott dem Adam den von ihm selbst bereiteten Rock; sie vereinigt uns mit Christo zu Gliedern an seinem Leibe, zu Reben an diesem Weinstock, und schenkt Erkenntnis des Heils in Vergebung der Sünden und all des Guten, so wir haben in Christo Jesu, und erzeugt so den Glauben. Sie ist eins mit dem Vater und Sohn. Es ist der Heilige Geist. Dies ist der Wind, welcher bläst, wohin er will, wir wissen aber nicht, von wannen er kommt und wohin er fährt. Also ist ein jeglicher, der aus dem Geist geboren wird. Es sei denn, dass jemand geboren werde aus dem Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen. Dieser Geist ist uns als eine Frucht der Verdienste Christi geschenkt, dass wir wissen können, was uns von Gott gegeben ist. Die Welt kann ihn freilich nicht empfangen, denn sie kennt ihn nicht und sieht ihn nicht. Ihr aber kennt ihn, denn er bleibt bei euch und will in euch sein. Ich will euch nicht Waisen lassen, ich komme zu euch. Der Geist ist aber da, denn Jesus ist verkläret. Wer denn nun will, der komme und nehme das Wasser des Lebens umsonst. Wer Christi Geist nicht hat, der ist nicht sein. So aber ihr, die ihr doch arg seid, könnt dennoch euren Kindern gute Gaben geben; wie viel mehr wird euer Vater im Himmel den h. Geist geben denen, die ihn bitten. Alsdann, wenn dieser Wind bläst, wird er euch lebendig und Jesu Joch sanft und seine Last leicht machen. Leicht wird's euch werden, an ihn zu glauben, zu ihm zu beten, euch selbst zu verleugnen, euch zu reinigen von aller Untugend, euch zu freuen, getrost und heilig und herrlich zu sein ewig.

Dies sind die zwei Haupt-Gaben. Ich habe auch der Neben-Gaben gedacht. Damit meine ich solche, welche nicht so sehr zum Wesen als zum Wohlstande des Christentums gehören, mehr angenehm als durchaus notwendig sind, deren Dasein höchst erwünscht, deren Abwesenheit aber doch kein wirkliches Unglück ist. - Als solche Neben-Gaben bezeichne ich beispielsweise nur folgende: Befreiung von irgendeinem besonderen Druck, welcher auf dem Herzen lastete; mehr Sieg über Busensünden; Entfernung quälender Zweifel, welche bisher immer und immer wiederkehrten, besonderer Anfechtungen, die nicht weichen wollten, eines Steinchens aus dem Schuh, das das Wandeln erschwerte; Mitteilung einer helleren Einsicht in das Wort, Zuwachs im Glauben, reichlicherer und beständigerer Trost; Erfüllung eines besonderen Wunsches, Aushilfe aus einem aparten Gedränge; eine größere, lang ersehnte Tüchtigmachung zu der Bundesübung; Freudigkeit, Mut, Geduld, Gelassenheit und dergleichen köstliche Mitteilungen aus dem allgenugsamen Gnadenschatze, die besser sind als Leben.

Auch eine wiedergeborene und vom Herrn geliebte Seele kann wohl eine Zeitlang in der Dürre wandeln.

Der Sonnenglanz ihr dann gebricht,
Der Sonne, die mit Gnadenlicht
In unverfälschte Herzen strahlet.
Sie muss durch dürre Wüsten gehen
Und kann selbst keinen Ausweg sehen. 1)

Es kann geschehen, dass sie auf die Frage: Kinder, habt ihr hier was zu essen? ein betrübtes Nein! antworten müssen. Wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen. Sie können Zeiten haben, und haben sie wirklich, wo sie sind wie eine Haut im Rauch, obschon sie seiner Zeugnisse nicht vergessen; wo ungerechte Dinge die Oberhand haben; Zeiten, wo die Gnadenmittel wenig oder keine Kraft an ihnen erweisen, ja, wo sie im Finsteren wandeln und es ihnen nicht scheint. Aber diese Zeiten ändern sich auch wieder auf eine höchst erwünschte Weise, wo der Herr seine milde Hand auftut und sättiget alles, was da lebt, mit Wohlgefallen, wo er das Herz tröstet, das man läuft den Weg seiner Gebote. So wechselt auch im Geistlichen Winter und Frühling, Frost und Hitze, Tag und Nacht, welche in ihrer Verbindung ebenso nützlich als nötig sind.

Haben wir nun Einiges von dem Geber und von den Gaben und Nebengeschenken gestammelt, so fragen wir nun noch nach den Empfängern und Nehmern. Wem gelten denn diese Gaben? Darauf lassen sich mehrere Antworten geben. Jesus sagt uns aber, die Armen seien es, denen die frohe Botschaft gepredigt werde, und seine Mutter sagt: Die Hungrigen füllt er mit seinen Gütern und lässt die Reichen leer. So ist es die Lehre der ganzen Heiligen Schrift.

Sind es im bürgerlichen Leben die Armen, denen Gaben ausgeteilt werden, im Reiche der Gnade verhält es sich nicht anders. Wer will den reichen Leuten was schenken? Man müsste ja besorgen, man beleidigte sie nur. Ihr reichen Leute, d. h. ihr, die ihr in eurer Verblendung meint, ihr hättet viel Verstand, viel Kraft, viel Tugend, und ihr Wohlhabenden, die ihr euch einbildet, ihr hättet ziemlichen Verstand und ziemliche Kraft und ziemliche Tugend und gute Eigenschaften ihr geht leer aus, ja endlich wird euch auch das genommen, was ihr meint zu haben. Ihr seid betrogene Leute und reich. in falscher Münze, wenn auch mit gutem Gepräge. Euer Verstand ist Unvernunft, eure Kraft ist Unkraft, eure Tugend eine Abgötterei und Verleugnung Christi. Ja, so lange wir in unseren eigenen Augen noch nicht Narren, Gottlose und Tote worden sind, können wir auch die rechten Nehmer nicht sein. Niemand hat aber auch Ursache zu denken, er sei, von Gott und allem Guten gar zu weit entfernt, als dass er denken und glauben dürfte, er sei Einer von denen, welche mit dieser Gabe gemeint sind. O! nein, auch du, ja, du bist besonders gemeint. Nimm und iss. Glaube nur, so wirst du erhalten. Nimm umsonst, was dir umsonst von einem Gott dargeboten wird, der nicht lügt.

Endlich wollten wir noch besonderer Zeiten und Orte gedenken, die mit besonderem Nachdruck, Mathans: Geschenke genannt werden mögen. Die Meisten unter den Gläubigen haben ihre besondere Bochims oder Tränentäler, wo ihre Zeit ist zu weinen, zu ringen und durch das Meer der Angst zu gehen. Sie haben auch ihre Pniels, wo ihnen wie Abraham ein Lachen bereitet wird. Beides vergessen sie nie. Sie können mit David sagen: Da vergabst du mir die Missetat meiner Sünde, können den Tag, die Stunde und die Umstände genau angeben, wann und wo ihnen die Sonne aufging. Jedoch der eigentliche Ort ist ihre obere Heimat und die eigentliche Zeit tritt für sie dann ein, wenn keine Zeit mehr ist. Hier wandeln sie noch im Glauben, dann im Schauen, hier im Stückwerk, dann in der Vollkommenheit, hier unter den Verheißungen, dann in der Erfüllung, hier Streit, dort Ruhe.

Aber Alles fließt aus der Einen Gabe. Gott aber sei Dank für seine unaussprechliche Gabe, und verleihe es uns, dass wir aus dieser unerschöpflichen Quelle nehmen Gnade um Gnade, bis wir seine Herrlichkeit sehen, die Herrlichkeit des Sohnes Gottes, voller Gnade und Wahrheit. Amen.

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