Krummacher, Gottfried Daniel - Die Wanderungen Israels durch die Wüste nach Kanaan (Sared, Arnon)

Krummacher, Gottfried Daniel - Die Wanderungen Israels durch die Wüste nach Kanaan (Sared, Arnon)

Fünfundsechzigste Predigt.

Text: 4. Buch Mosis 21, 11-15.

Und von Oboth zogen sie aus, und lagerten sich in Ijim, am Gebirge Abarim, in der Wüste gegen Moab über, gegen der Sonnen Aufgang. Von dannen zogen sie, und lagerten sich am Bach Sared. Von dannen zogen sie, und lagerten sich diesseits am Arnon, welcher ist in der Wüste, und heraus reicht von der Grenze der Amoriter. Denn Arnon ist die Grenze Moabs, zwischen Moab und den Amoritern. Daher spricht man in dem Buch von den Streitern des Herrn: Das Vaheb in Supha, und die Bäche am Arnon und die Quelle der Bäche, welche reicht hinan bis zur Stadt Ar und lenkt sich und ist die Grenze Moabs.”

Hier ist von Lagerstätten die Rede, deren Moses in dem eigentlichen, auf göttlichen Befehl angefertigten Reiseprotokoll des 33. Kapitels nicht erwähnt, weil sie zu unbedeutend waren oder auch gerade nicht das ganze Heer daselbst lagerte, sondern einzelne Abteilungen, die eine hier, die andere da. Wir können hierbei an die Verschiedenheit der Kinder Gottes bei ihrer Einheit gedenken, so wie auch an die beklagenswerte Geteiltheit in der Christenheit, welche ihre Wurzel in dem Stolze hat, wo einer sich über den andern erhebt und zu viel Vertrauen in seine eigene Ansicht setzt. Nur im Tal der Demut findet sich die rechte Einheit. Und dahin kommt das ganze Israel denn am Ende doch und lagert sich zu Bamat von der Höhe ins Tal. Zuletzt, wenn wir aus dieser Welt in den Ozean der Ewigkeit hinüber sollen, wird jeder froh sein, wenn er das einzige Brett der Barmherzigkeit Gottes in Christo Jesu ergreifen kann.

Das Verzeichnis dieser Lagerstätten, deren im 33. Kapitel nicht erwähnt wird, ist aus einem Buche entlehnt, das von den Streiten des Herrn handelte. Dies Buch haben wir nicht mehr, so wenig wie das Buch des Frommen, dessen Josua 10, 13 gedacht wird, so wie Gott es nicht für zweckmäßig geachtet hat, einige andere Bücher zu erhalten, derer im Buch der Könige und besonders 2. Chronika 29, 29 erwähnt wird, die den nämlichen Namen führten, worauf sie sich auch zuweilen beziehen, die man aber schon lange vor Christi Zeit nicht mehr besaß. Diese Bücher alle, so wie das von den Streitern des Herrn, dessen hier gedacht wird, mögen recht interessant gewesen sein, Gott hat es aber nicht für nötig erachtet, sie zu erhalten, sondern sie dem zermalmenden Zahn der Zeit überlassen, wie das meiste von dem, was Salomo geschrieben hat, verloren gegangen ist, als nämlich seine Naturgeschichte und seine 1005 Lieder. Johannes der Evangelist hätte auch viel mehr Bücher schreiben können, stand aber davon ab, und sagt am Schlusse seines Evangeliums: Es sind noch viele andere Dinge, die Jesus getan hat, welche, so sie sollten eins nach dem andern beschrieben werden, achte ich, die Welt würde die Bücher nicht begreifen und nicht fassen, welche zu beschreiben wären. Dagegen wollte er in Patmos das niederschreiben, was die sieben Donner redeten; es wurde ihm aber verboten. Übrigens hat uns Gott durch seine mächtige und gütige Vorsehung von der Heiligen Schrift hinlänglich genug erhalten, das uns unterweisen kann zur Seligkeit durch den Glauben an Christo Jesu. Möchte es nur recht gelesen und gehört werden! denn alle Schrift, von Gott eingegeben, ist nütze zur Lehre, zur Strafe, zur Besserung, zur Züchtigung in der Gerechtigkeit, dass ein Mensch sei vollkommen, zu allem guten Werk geschickt. Übrigens ist es leichter, dass Himmel und Erde vergehen, denn dass ein Titel vom Gesetz falle. Verstehst du aber auch, was du liest und hörest? und folgst du?

Es war den Kindern Israel in dieser Gegend nicht zum Besten ergangen. Die Moabiter hatten ihnen den erbetenen Durchzug durch ihr Land, um welchen sie aufs bescheidenste baten, schnöde abgeschlagen und sie dadurch genötigt, einen erstaunlich weiten Umweg zu machen. Der sollte ihnen nun aber bald reichlich vergolten werden, ihnen das nämliche Land zu Teil werden, was sie vorher nicht einmal mit ihrem Fuß berühren durften. Als ein gutes Vorzeichen war es zu betrachten, dass sie sich jetzt gegen Sonnen-Aufgang lagerten, da sonst ihre Richtung anderwärts ging. Es sollte ihnen gehen, wie ihrem Stamm-Vater Israel, dem auch die Sonne aufging, nachdem der Herr ihm zuvor die Hüfte verrenkt hatte. - Kindern Gottes muss notwendig alles zum Besten dienen. Auch im Reiche Gottes gibt es nützliche Rückzüge, vorteilhafte Hindernisse, heilsames Misslingen. Aber es ist nicht unserer Beurteilung anheimgegeben, was in besonderen Fällen vorzuziehen ist, sondern wir müssen der Leitung der Wolken- und Feuer-Säule folgen und unseren Augen seine Wege wohlgefallen lassen. Es gereichte zu einer weit größeren Verherrlichung Christi und Stärkung des Glaubens der Martha und Maria, dass es schlimmer mit Lazarus wurde, dass er starb, und von dem Tode auferweckt wurde, als wenn Christus ihn bloß von einer Krankheit gesund gemacht hätte, wie sehr die Beiden dies auch gewünscht hätten. Billig bekennen wir mit Josaphat: wir wissen nicht, was wir tun sollen, und mit Paulo: wir wissen nicht, was wir bitten sollen.

Ihre erste Lagerstätte von Ijim war am Bach oder Waldstrom Zared. Ein Waldstrom ist ein reißender Bach, der sich zu der Zeit ergießt, wenn im Frühling der Schnee auf den Bergen schmilzt oder ein Platzregen stürzt. Zared heißt Reisig, dürre Reiser besonders vom Weinstock. Moab war ein Weinland. Wenn nun ein Waldstrom daher riss, so nahm er die abgeschnittenen Reiser von den Weinstöcken mit weg, die dann da und dort haufenweise liegen blieben. Welch ein vortreffliches Gewächs auch der Weinstock und wie köstlich seine Frucht ist: so nichts bedeutend ist doch sein Holz. Man kann, wie Gott Ezechiel 15 sagt, gar nichts daraus machen, nicht einmal einen Nagel, um etwas daran zu hängen. Dieses Lager hatte also nichts Angenehmes, gab aber doch Anlass zu manchen nützlichen Betrachtungen, wozu die Werke Gottes dem, der sie betrachtet und erwägt und der Lust dazu hat, leicht veranlassen. Der Weinstock ist in der Schrift ein Bild des Volkes Israel. Du hast, sagt der 80. Psalm, einen Weinstock aus Ägypten geholt. Gott Zebaoth siehe an und besuche diesen Weinstock und halte ihn im Baum, den deine Rechte gepflanzt hat, und den du dir fest erwählt hast. Deine Hand schütze das Volk deiner Rechte und die Leute, die du dir fest erwählt hast: so wollen wir nicht von dir weichen. Lass uns leben, so wollen wir deinen Namen anrufen. Herr Gott Zebaoth, tröste uns; lass dein Antlitz leuchten, so genesen wir. Aber Gott schilt dieses Volk schon durch Mose im 5. Buche dem 32. Kapitel auch unter dem Bilde eines Weinstocks, wenn er von ihnen sagt: Ihr Weinstock ist des Weinstocks zu Sodom; ihre Trauben sind Galle, sie haben bittere Beeren. Ihr Wein ist Drachengift und wütiger Otter Galle. Denn es ist ein Volk, da kein Rat innen ist und ist kein Verstand in ihnen. O! dass sie weise wären und vernähmen solches, dass sie es verständen, was ihnen hernach begegnen wird. Dieser Reisig da hätte sie belehren können, was sie in sich waren, hätte sie warnen mögen, ihm nicht gleich zu werden. Aber es war freilich kein Verstand in ihnen. So lasst uns denn desto sorgfältiger Acht haben, wenn Jesus sagt: Einen jeglichen Reben an mir, der nicht Frucht bringt, wird er wegnehmen, sammeln und ins Feuer werfen. Bleibet in mir und ich in euch. -

Gott demütigt uns tief. Alles, was er von Adam und seiner ganzen Nachkommenschaft zu sagen weiß, besteht in den Worten: Du bist Erde, ein Klumpen, der nichts aus sich selbst machen kann, aus dem ich aber nach meinem Wohlgefallen machen kann, was ich will, ein Gefäß der Barmherzigkeit oder des Zorns. Israel wird besonders niedrig gestellt. Nicht seine Zahl, nicht seine Frömmigkeit, nicht seine Gerechtigkeit, nicht sein fröhliches Herz ist der Grund, warum sie ins verheißene Land kommen, sondern der den Vätern geschworene Eid. Sie sind dem Äußern nach das Geringste unter den Völkern, den Gesinnungen nach halsstarrig. Fürchtete Gott die Heiden nicht, er brächte sie schon jetzt um. War dem Ezechiel einst ein Gefilde voll Totengebeine ein Bild Israels, so war's auch hier das Tal voll Reisig. -

O! wohl dem, der sich selbst erniedrigt, er soll erhöht werden. Je gründlicher die Einsicht in die hilflose Tiefe unseres Elends, desto preiswürdiger wird uns die Gnade. Je mehr alles Vertrauen zu uns selbst ausgerottet wird, desto bedürftiger werden wir für den Heiland. Merkt, Sünder, woher Heil, wo Kräfte zu bekommen, wollt ihr verdorrtes Holz in Blüt' und Früchten stehen. Nur Jesum aufgesucht, nur Jesum angenommen: so wahrlich anders nicht so aber wird's geschehen. Ist Jesus nur dein Teil, so frag nach deinen Sünden: Die Antwort ist vor Gott: davon ist nichts zu finden.

Christus stellt sich ja auch selbst unter dem Bilde eines Weinstocks vor, an dem die mit ihm vereinigten Gläubigen die Reben sind, so dass Beide ein Ganzes ausmachen. Und von der wahren Kirche heißt es Hosea 14, 8: Sie sollen unter seinem Schatten sitzen und blühen, wie ein Weinstock; - und Christus sagt: Ihr habt mich nicht erwählt, sondern ich habe euch erwählt und gesetzt, dass ihr Frucht bringt und eure Frucht bleibe, auf dass, so ihr den Vater bittet in meinem Namen, dass er es euch gebe, Joh. 15, 16. Waren aber nicht jene Reiser gleichsam lauter Propheten; denn was sind die Juden schon seit Jahrhunderten anders, als das? Und dies dafür, dass sie das Licht des Lebens nicht angenommen haben. Mögen denn alle diejenigen, welche in ihre Fußstapfen treten, an ihnen sehen, wohin ihr Weg sie führt, nämlich als unnütze Reißer von dem reißenden Waldstrom dieser Zeit ergriffen, weggerafft, gesammelt und mit Feuer verbrannt zu werden.

Der zweite Lagerplatz war Arnon, auch ein Bach, die Scheidung des Moabiter-Landes von dem der Amoriter. Der Name dieses Lagerplatzes ist ebenso vortrefflich, als der des vorigen nichts bedeutend war. Non heißt eine Wohnung, Ar oder Or aber Licht, also bleibendes Licht, ewiges Licht. Ein herrlicher Name!

Wie nahe auch diese Lagerplätze bei einander liegen mochten, so himmelweit verschieden sind ihre Namen. Wie selig, wie unaussprechlich groß wird der Unterschied sein, wenn die Seelen der Gerechten vom Glauben zum Schauen, vom Streit zur Ruhe, vom Verläugnen zum Genuss gelangen, wenn sie ihr Mesech mit dem Himmel vertauschen dürfen, um da ihre beständige Wohnung in dem Erbteil der Heiligen im Licht einzunehmen. Ein Wechsel, wovon wir uns hienieden, wo wir klug sind, wie ein Kind, nur eine matte Vorstellung machen können. Jedoch gibt's auch während unserer Wallfahrt durch dies Tränental Pniels, Zeiten, wo die Gläubigen in die Vorhöfe des Himmels versetzt, einen lebendigen Vorschmack des ewigen Lebens in ihren Herzen empfinden, Arnons, wo sie unaussprechliche Dinge vernehmen, wo sie bekennen müssen, dass Eine solche Stunde Jahre von Herzeleid aufwiegt. Freilich möchte man da wohl Nons, Hütten, bauen, weil daselbst gut sein ist. Doch geht's, wie Jener sagt:

Hie und da wird man gespeist,
Und dann weiter fortgereist.

Jedoch ist es auch durch die Erbarmung Gottes gewiss, dass das Herz fest werden kann, welches durch Gnade geschieht, dass man geübte Sinne empfangen kann im Worte der Wahrheit zum Unterscheiden des Guten und Bösen. Bei einem mangelhaften Lichte fließen die Umrisse der Gegenstände in einander, dass man sie nicht wohl unterscheiden kann, und Menschen wie Bäume wandeln sieht. Bei mehr Lichte sieht man genauer. Das findet seine Anwendung auch im Geistlichen. Manche gläubige Seelen empfangen durch die Erbarmung Gottes ein Gnadenlicht, das sich leitend und belehrend über das göttliche Wort verbreitet und sie Gesetze und Evangelium, alten und neuen Menschen, Natur und Gnade, Eigenwirken und Glauben heilsam unterscheiden lehrt und bewirkt, dass sie gewisse Tritte tun mit ihren Füßen. Dies bringt einen geregelten, gleichmäßigen Gang zuwege, wo sie nicht mehr, wie der 107. Psalm redet, bald gen Himmel fuhren, bald in den Abgrund fuhren, sondern er sie ans Land brachte nach ihrem Wunsche. Jedoch gibt es keine Befestigung als von Gott, der uns befestigt in Christum. Möchte man sonst auch in seinem Wohlergehen, da Gott durch seine Barmherzigkeit unsern Beruf fest gemacht hat, sich berechtigt glauben, auszurufen: Nimmermehr werde ich darniederliegen, wie David Psalm 30 sagt, so dürfte es auch an dem Zusatz nicht lange fehlen, wo er sagt: Aber da du dein Angesicht verbargst, erschrak ich. Gott allein ist unveränderlich und macht unveränderlich.

Bei Arnon nun fing das Blatt an sich zu Gunsten Israels zu wenden. Glücklich, wenn gleich nicht ohne schwere Trübsal und harte Versündigung, hatten sie den weiten Umweg um das Land der Moabiter, welche ihnen den Durchzug verweigerten, vollendet. Hier bei Arnon aber war es, wo es nach 5 Mosis 2, 25 zu ihnen hieß: Von heute an will ich anheben, dass sich vor dir fürchten und erschrecken sollen alle Völker, daher sagte auch die Hure Rahab in Jericho, welche die beiden Kundschafter auf dem Dache unter den Flachsstengeln verbarg, zu ihnen: Unser Herz ist verzagt und ist kein Mut mehr in jemand vor eurer Zukunft. Hier bei Arnon besiegte Israel den König von Sihon und nahm ihm sein ganzes Land ab, welches diesseits des Jordans lag und das Erbteil des Stammes Ruben und Gad, und des halben Stammes Manasse wurde, da die andere Hälfte dieses Stammes sein Erbteil an der anderen Seite dieses Flusses bekam. In der Freude seines Herzens hierüber schrieb jemand das schon erwähnte Büchlein, dem er den Titel gab: Von dem Streit des Herrn, ein gottseliges Büchlein, was Gott alle Ehre gab. Dass es verloren gegangen ist, mögen wir nicht bedauern, da es uns durch die Bücher Mosis überflüssig ersetzt ist, und, wenn wir's so annehmen wollen, uns dagegen das, ohne Zweifel älteste heilige Büchlein von Hiob durch die vorsorgende Güte Gottes ist erhalten worden, was wir doch wohl sehr ungern entbehrten. Das, was Moses aus diesem Büchlein anführt, ist für uns dunkel und aus dem Zusammenhang gerissen, wir brauchen uns also auch dabei nicht aufzuhalten. Vielleicht wird es künftig noch deutlich, denn einige übersetzen die Wörtlein: spricht man, in der zukünftigen Zeit: man wird sprechen. Und welche Kriege und Siege Jehovas stehen uns noch bevor! Einige Übersetzungen, z. B. die holländische, verdolmetscht das Wort Supha, und gibt es durch das Wort Wirbelwind; eine andere setzt das rote Meer, welches Suph heißt, andere übersetzen es gar nicht, wie Luther. Das Wörtlein Vaheb lassen alle Übersetzungen unverdolmetscht, auch weiß man nicht, ob durch dieses Wort eine Person oder ein Ort verstanden werde. Es wird durch „gegeben“ übersetzt. So entspricht es den Äußerungen des Volkes Gottes, Jes. 26, wo es unter andern heißt: Wir haben eine feste Stadt, Mauern und Wälle sind Heil. Tut die Tore auf, dass hinein gehe das gerechte Volk, das den Glauben bewahrt. Verlasst euch auf den Herrn ewig; denn Gott, der Herr, ist ein Fels ewig. Wir warten auf dich, Herr, im Wege deiner Gerichte; des Herzens Lust steht zu deinem Namen, und deinem Gedächtnis. Uns, Herr, willst du Frieden schaffen, denn alles, was wir ausrichten, das hast du uns gegeben. Wohl lebt des Herrn Volk vom Geben, wovon der natürliche Mensch nicht wissen will, denn -heißt es Vers 10 - sie sehen des Herrn Herrlichkeit nicht. Und so geht's denn, wie es Vers 5 heißt: Er beugt die, so in der Höhe wohnen; die hohe Stadt erniedrigt er, ja er stößt sie zu der Erde, dass sie im Staube liegt, dass sie mit Füßen zertreten wird, ja, mit Füßen der Armen, mit den Fersen der Geringen. Dies Wort entdecken wir auch Psalm 55, 23, wo es heißt: Dein Anliegen, deine Bürde. Wirf dein Anliegen auf den Herrn, der wird dich versorgen und den Gerechten nicht ewig in der Unruhe lassen. So betete der heilige Dichter in großer Not, da derer viel waren, die an ihn wollten. Und so deutete das Wort Vaheb auf das Seufzen bedrängter Gläubigen. Es fasst auch eine Aufmunterung in sich. So riefen die Erbauer des Babylonischen Turms: Wohlauf! lasst uns Ziegel streichen und brennen. Wohlauf! lasst uns einen Turm bauen, dessen Spitze bis in den Himmel reiche. Aber darauf sprach auch der Herr: Wohlauf! lasst uns hernieder fahren, und ihre Sprache daselbst verwirren, dass keiner des andern Sprache vernehme. Und so läge in diesem Wörtlein Vaheb ein liebliches Echo des Glaubens, zu der ihnen gegebenen Aufmunterung zum Streit und Verheißung des Siegs. Wenn es zum Treffen kommt, wird das geschehen, was unter andern Sach. 10 gesagt wird: Der Herr der Heerschaaren wird seine Herde zurichten, wie ein geschmücktes Ross zum Streit. Sie sollen sein wie die Riesen, die den Kot auf den Gassen treten im Streit, und sollen streiten und der Herr wird mit ihnen sein im Streit, dass die Reuter zu Schanden werden. Und Ephraim soll sein wie ein Riese und ihr Herz soll fröhlich werden wie vom Wein. Dazu ihre Kinder sollen es sehen, und sich freuen, dass ihr Herz am Herrn fröhlich sei. Denn ich will sie erlösen. Und er wird durch das Meer der Angst gehen und die Wellen im Meer schlagen, dass alle Tiefe des Wassers vertrockne. Welcher schwach unter ihnen sein wird zu der Zeit, wird sein wie David. Also Vaheb wohlauf! Mag's dann auch ein Supha, einen Wirbelwind, geben, der alles, was nicht feststeht, umwirft, oder mag's ein rotes Meer sein, wir werden schon durchkommen, wenn wir auf den Gott trauen, der die Toten lebendig macht, welcher uns erlöst hat, noch täglich erlöst und endlich vollkommen erlösen wird. Es geht doch hin zu den Bächen Arnon, wo ein ewiges Licht strömt.

In jenem Büchlein wird noch der Stadt Ar gedacht, und die Bedeutung dieses Namens mag uns in zwiefacher Beziehung bemerkenswert sein. Ar heiß nämlich arm und bloß, das nichts trägt; kann also teils als ein Bild des natürlichen Standes des Menschen dienen, teils als ein Fingerzeig gelten, was wir von uns selbst zu halten haben. Dieser Ort heißt beim Jesaia auch Kir-Hareseth, die Stadt der Scherben. Wird nicht der Mensch überhaupt mit einer Scherbe verglichen, wenn es z. B. Jesaia 45 heißt: Wehe dem, der mit seinem Schöpfer hadert, nämlich der Scherbe mit seinem Töpfer. Was sind wir von Natur anders, als nackt und bloß; was dem Engel der Gemeine zu Laodicea gesagt wird: du bist arm, blind und bloß, das gilt von allen Menschen, und von den Meisten gilt auch der Zusatz: Du weißt es nicht. Was sind wir anders als zerbrechliche, nichts werte Scherben, die zu nichts nütze sind; als ein Ar, das mit David bekennen muss: All mein Heil und Tun, ist, das nichts wächst. Was für wahrhaft Gutes mag aus uns selbst hervorgehen können, da Gott sogar das Wollen schaffen und mit diesem Werke den Anfang in uns machen muss. Aber wie sehr es sich auch für ziemte, gar gering von uns zu halten und mehr und mehr Paulo nachsagen zu lernen: Ich bin nichts, so ganz entgegengesetzte Gedanken hat Moab und alle, die ihm gleichstehen, von sich selbst. Sie haben hohe Gedanken von sich selbst und meinen vieles ausrichten zu können.

Eigene Kraft ist der Boden, worauf sie fußen, und eigene Gerechtigkeit das Ziel, wonach sie streben, aber sie werden zu Schanden werden. Der Name Ar entblößt, was nichts hervorbringt mag uns dagegen als ein Fingerzeig gelten, was wir von uns selbst zu halten haben, was wir von uns selbst erwarten mögen, nämlich nichts Gutes. O selige friedsame Armut am Geist, wobei das Himmelreich mit all seinen Kräften und Gütern unser ist! O! nützliche Schwachheit, in welcher die Kraft Christi mächtig ist! Wer sollte es glauben, dass man im Reiche Gottes nicht anders siegen kann, als wenn alle eigene Kraft dahin ist, erst dann weise werden, wenn man zuvor ein Narr worden ist, erst dann gerecht, wenn man zuvor aller Selbstgerechtigkeit und aller Möglichkeit, sich eine aufzubringen, beraubt worden ist. Wie verhasst und gefürchtet ist dies Ar, wie ungern nimmt man da sein Lager, wie sträubt man sich dagegen. Und doch mit Unrecht. Jakob muss erst die Hüfte verrenken, ehe er gesegnet wird, ehe er Gott und Menschen besiegt. Aber nur den Elenden hilft er herrlich! Sollen wir bekleidet werden mit den Kleidern des Heils und angetan mit dem Rock der Gerechtigkeit, so müssen wir zuvor entblößt werden, ja, je mehr wir bekleidet werden, desto deutlicher leuchtet uns unsere Nacktheit ein. Ja, dann wollen wir mit David gern noch geringer werden, und mit Johannes fröhlich bekennen: Er muss wachsen, ich aber abnehmen. Bei einem solchen Sinn geht es dann, wie das Büchlein von dem Krieg Jehovas zum Brunnen, von da nach Mathana Geschenken, nach Nahahiel Gott teilt aus und von da nach Bamoth von den Höhen ins Tal und endlich vom Tode zum Leben. Amen.

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