Krummacher, Gottfried Daniel - Die Wanderungen Israels durch die Wüste nach Kanaan (Ijim)
Vierundsechzigste Predigt.
Siebenunddreißigste Lagerstätte: Ijim.
Text: 4. Buch Mosis 21, 11.
Und von Oboth zogen sie aus, und lagerten sich in Ijim, am Gebirge Abarim1), in der Wüste gegen Moab über, gegen der Sonnen Aufgang.
Es ist ein köstliches Ding, dass das Herz fest werde, welches geschieht durch Gnade, schreibt der Apostel Hebr. 13, 9. Er redet zugleich von einem Umgetriebenwerden von mancherlei Lehren, dem er dies Festwerden entgegenstellt. Es ist also eine Befestigung des Herzens, sonderlich in der Lehre, und diese besonders in unseren Tagen ein großes Bedürfnis. Der gegenwärtig herrschende Zeitgeist will kaum etwas Festes und Entschiedenes gelten lassen, sondern Alles so in der Schwebung und Unentschiedenheit erhalten. Man soll nicht bestimmt sagen, es verhalte sich so, aber auch nicht sagen, es verhalte sich nicht so. Jeder soll so seine Ansicht haben und dulden und geduldet werden. Daraus entsteht ein ungewisses Wesen, ein allgemeines Schwanken. Ist der Mensch dermaßen verderbt, dass er untüchtig ist zu einigem Guten, oder ist noch etwas Gutes in ihm übrig? Man weiß es nicht, neigt sich aber zum Letzteren. Was kann der Mensch? Alles, nichts, oder etwas? Nun was denn? Man weiß es nicht. Soll alles aus dem Glauben herfließen, oder muss der Mensch vieles aus sich selbst verrichten? Ist's aus Gnaden oder ist's aus den Werken, oder aus beiden etwas? Ist's bloß Christi oder bloß unsere Gerechtigkeit, oder eine Zusammensetzung aus beiden? Heute gibt man dieser Ansicht Beifall, morgen einer andern, um nächstens wieder zu wechseln.
Festigkeit des Herzens ist köstlich. Wie köstlich ist es, wenn ein Hiob sagen kann: Ich weiß, dass mein Erlöser lebt und er wird mich hernach aus der Erde auferwecken; wenn ein David sagt: Mir wird nichts mangeln, Gutes und Barmherzigkeit werden mich gewiss verfolgen mein Leben lang, und ob Tausend fallen zu deiner Seite, und Zehntausend zu deiner Rechten; ich liege und schlafe und erwache, denn der Herr hält mich, da vergabst du mir die Missetat meiner Sünde; wenn Jesaias sagt: Er wird mir Frieden schaffen, ja er wird mir Frieden schaffen; - die Kirche: Freue dich nicht, meine Feindin, dass ich darnieder liege, ich werde wieder aufkommen;- Paulus: Ich weiß, an welchen ich glaube, und bin gewiss, dass er kann mir meine Beilage bewahren bis an jenen Tag.
Dazu gelangt man nicht durch Speisen, davon keinen Nutzen haben, die damit umgehen, sondern durch die Gnade.
In dem Reiseweg der Kinder Israel wird einer Lagerstätte gedacht, die die Köstlichkeit durch Darstellung des Gegenteils ins Licht stellt, welche der Gegenstand dieser unserer Frühbetrachtung sein wird.
Ihr vernehmt, dass die Wanderschaft der Kinder Israel ihrer Endschaft naht, denn wir sind bis zur 37. Lagerstätte vorgerückt, und ihre ganze Zahl ist 40. Diese hier heißt Ijim, zu Deutsch Haufen. So kommt das Wort Micha 1, 6. vor, wo Samaria gedroht wird, Gott wolle es zu einem Steinhausen machen, welcher Jer. 26, 18 auch angeführt wird. Dies Ijim lag an der Grenze Moabs, die durch einen Haufen Steine bezeichnet war; daher der Name der Gegend. Haufen wird diese Lagerstätte auch deswegen genannt, weil in dieser einzelnen mehrere andere waren, als Sared, Arnon, der Brunnen Mathana, Nahaliel und Bamoth, in welchen das Volk, durch Berge und Täler getrennt, gelagert war, deswegen Einige das Wort Ijim durch Haufen von Verwirrung übersetzen, weil die vorgeschriebene Weise eines großen Vierecks, worin sie ihr Lager aufschlagen mussten, hier nicht genau beobachtet werden konnte, woraus leicht eine Verwirrung erwuchs.
Unsere diesmalige Betrachtung soll denn in verschiedenen Anmerkungen über diese Lagerstätte bestehen.
Bedeutet das Wort Ijim: Haufen von Verwirrung, so haben wir - dünkt mich - Ursache zu glauben, dass wir gegenwärtig eben hier gelagert sind, sowohl in politischer als in religiöser Beziehung. Das Politische gehört sich nicht für die Kanzel, als insofern es das kirchliche und religiöse Leben berührt und darin eingreift. Bis zu einem bestimmten Punkte leitet uns das Christentum zum aufrichtigen Gehorsam gegen die Landesobrigkeit, so wie es uns, wenn es bis zu jenem Punkte kommt, zur entschiedensten Widersetzlichkeit verpflichtet. Dieser Fall tritt wohl sehr selten und nur alsdann ein, wenn die weltliche Obrigkeit uns zu etwas verpflichten wollte, was dem ausdrücklichen Worte, Gebote oder Verbote Gottes zuwider liefe. Alsdann wären wir genötigt, Gott mehr zu gehorchen, als den Menschen. Jedoch würden wir in solchem betrübten Falle uns nimmermehr der Obrigkeit durch Aufruhr und Gewalt der Waffen, sondern nur mit Bitten und Flehen, mit Geduld und mit genauer Befolgung ihrer sonstigen Befehle widersetzen,' übrigens aber fliehen, oder uns den Raub unsrer Güter und selbst unsres Lebens um des Herrn willen gefallen lassen. Der weltlichen Obrigkeit steht durchaus keine Herrschaft über unsre Überzeugung und über unser Gewissen zu. Die gebührt Gott allein. Maßte sie sich aber an, ihre Herrschaft auch bis über dies heilige Gebiet ausdehnen zu wollen, so hörte sie in diesem Punkte auf, Gottes Dienerin und von ihm eingesetzt zu sein. In allen übrigen Fällen ist das Befehlen ihre, das Gehorchen unsre Sache, so wie es ihr, der Obrigkeit, frei steht, ob sie religiöse Bekenntnisse und Formen in ihren Staaten dulden, begünstigen oder beschränken will oder nicht. Wären die Menschen das wirklich, was sie heißen, Christen, so würde gegenwärtig in politischer Beziehung nicht ein solches Ijim und Durcheinander sein. Es ist schwer und gar nicht zu ergründen, was gewisse Auswärtige in dieser Beziehung eigentlich wollen und bezwecken, als ein Chaos, ein Ijim und Durcheinander. Alles wollen sie anders, wie es ist, und können nicht angeben, was sie denn eigentlich wollen und durch was für Mittel. Es scheint, sie selber wollen alle Befehlshaber sein. Aber wenn alle befehlen wollen, was will's dann werden? Es scheint, man will gar keine Obrigkeit, gar keinen König und sonst nichts über sich sehen, dem man weiter Folge zu leisten gedächte, als mans selbst für gut findet. Und welch ein Unglück wäre das! dann hätte man zu gleicher Zeit keinen Herrn und nichts als Herren. Nur der Grimm des Allmächtigen über die Bosheit eines Landes könnte es in einen solchen Strudel geraten lassen. Diese Unsinnigen schreien ewig Krieg! Krieg! und wollen mit seiner schwarzen Pechfackel die ganze Welt also in Flammen setzen, dass niemand mehr löschen kann. Diese Leute müssen unmittelbar von der Hölle entzündet sein, und wehe der Erde, wenn Gott ihnen nicht steuert! Aber auch all das Räsonieren, was geschieht, da es Leute gibt, die sich eine Befugnis anmaßen, alles zu beurteilen, zu begreifen und zu kritisieren, als ob sie, wie Hiob sagt, die Leute wären, mit welchen die Weisheit sterben würde. Unsere Zeit liefert absonderlich den Beweis, dass auch das Volk ein ungestümes Meer ist, das durch keine Macht in seinen Schranken gehalten werden kann, als durch die nämliche Allmacht, welche dem natürlichen Meer gebietet und zu ihm sagt: Bis hierher sollst du kommen und nicht weiter; hier sollen sich legen deine stolzen Wellen.
Dies Ijim zeigt sich auch offenbar in einem bedenklichen religiösen und kirchlichen Durcheinander. Ehemals wurden die symbolischen Bücher hochgehalten und die Prediger darauf eidlich verpflichtet, denselben gemäß zu lehren; die Lutheraner auf die Augsburgische Konfession und Lutherischen Katechismus, die Reformirten hiesiger Lande auf den Heidelberger Katechismus. Wollte nun jemand wissen, was in diesen Kirchen geglaubt und gelehrt wurde, so brauchte er zu dem Ende nur ihre Bekenntnisbücher einzusehen. Wer Prediger oder Professor sein wollte, musste denselben gemäß lehren oder abdanken, oder er bekam seinen Abschied. Aber was ist's jetzt? An vielen Orten ist es schon so weit gekommen, dass denselbigen nicht mehr gemäß gelehrt werden darf, und die Prediger sind von solcher Art, dass auch Juden und Mohammedaner sie ohne Anstoß, heilsbegierige Christen aber sie ohne alle Nahrung hören werden. Dennoch nennen. sie sich Christen, und reden und predigen, was sie wollen, nur das Evangelium nicht. Oft trifft man auf Personen, die man für wirklich christlich halten sollte. Ehe man sich's aber versieht, hört man sie ganze Teile der Heiligen Schrift verwerfen und einzelne Grund- und Fundamental-Lehren ableugnen, die das Wesen der evangelischen Lehre betreffen, dass man nicht weiß, was man denken oder sagen soll. Dabei machen sie die enge Pforte so weit, dass, ich weiß nicht was alles, recht gut mit hindurchpassiert, so dass Christus Unrecht haben müsste, wenn er sie einem Nadelöhr verglich. Schon seit lange her kann man nicht daraus klug werden, ob nicht der freie Wille es am Ende allein sei, wodurch unser Heil bewirkt wird, indem ihm die Gnade höchstens eine hilfreiche Hand reicht, keineswegs aber auch zugleich das Wollen samt dem Vollbringen schafft. Luther bestritt zu seiner Zeit mit Eifer den Lehrsatz der Scholastiker, der Mensch müsse tun, was an ihm ist und fragt, ob er, sich selbst überlassen, denn etwas anders tun könne, als sündigen. Zu unserer Zeit aber wird diese pelagianische Behauptung als das Fundament des ganzen Gebäudes geltend gemacht, und man dünkt sich sehr weise, wenn man sagt: Wirke so, als ob alles auf dich allein ankäme, und bete so, als ob Gott alles allein wirken müsste, wodurch das Eine wie das Andere ganz unsicher gemacht würde. Man dünkt sich sehr weise, wenn man rät: Tue das, was du kannst, so wird Gott das tun, was du nicht kannst, gerade als ob wir ohne ihn doch noch was denken, ja tun könnten, was ihm wohlgefiele. Warum mochte denn Paulus sich am liebsten seiner Schwachheit rühmen, damit die Kraft Christi bei ihm wohne, welche nur in den Schwachen mächtig ist? Die herrliche Lehre von der ewigen Erwählung, welche wohl wider die Gerechtigkeit aus den Werken, aber durchaus nicht wider den Glauben ist, die Lehre von der Versiegelung darf gar nicht mehr berührt werden, wenn sich nicht Fromme und Gottlose dagegen auflehnen sollen, selbst unter uns Reformirten nicht, die sich doch zu diesem Lehrsatz bekennen. Nach den Bemühungen, die Heilige Schrift zu verbreiten, zu urteilen, sollte man wohl meinen, es müsste ein ungemeiner Hunger nach dem Worte Gottes im Lande sein. Meine Augen sind aber nicht scharfsichtig genug, ihn zu sehen, und ich muss dabei mehr an Christi Wort denken, wo er sagt: zum Zeugnis über sie. Zwar teilen sich die heutigen Protestanten in zwei Hauptabteilungen, wovon die zahlreichste sich Rationalisten nennt, d. h. solche, die nicht die Heilige Schrift, sondern nur die Vernunft geltend machen, und also eigentlich Heiden und außerhalb der christlichen Kirche sind, obschon sie die meisten Kanzeln und Lehrstühle ganz widerrechtlich besetzen und inne haben. Die Andern heißen Supernaturalisten und Offenbarungsgläubige, welche sich wieder in mehrere Zweige teilen. Wer mag aber darin etwas anders als ein Ijim, ein unerhörtes Durcheinandersein finden, da es außer diesen auch noch solche Heuchler gibt, welche noch evangelische Redensarten brauchen, z. B. von Dreieinigkeit, von Jesus, als dem Sohne Gottes, von seiner Himmelfahrt und sogar von Rechtfertigung predigen, aber diesen Wörtern einen ganz andern Sinn unterlegen, worin namentlich ein Abkömmling eines unserer ehemaligen Prediger, der eine Zeitlang ein arger Schwärmer war, ein großer Meister sein und wunderbare Schleier machen soll. Wer kann es demnach leugnen, dass wir wirklich in Ijim gelagert sind. Möge unser Ijim, wie das der Israeliten, in der Nähe Kanaans und des tausendjährigen Reiches liegen, und die zweite Bedeutung dieses Namens, welche ein Wegtreiben anzeigt, in Kürze so in Erfüllung gehen, dass alle Irrung und Verwirrung wie Nebel vor der Sonne der Gerechtigkeit weggetrieben würde.
Aber das Volk Gottes wird auch mehrmals in seinem Innern sich in Umstände versetzt finden oder befunden haben, wo es mit dem Dichter ausrufen musste:
Siehst du nicht des Herzens Höhle,
Wie sie ist Verwirrung voll.
In dem tiefsten Grund der Seele
Glänzt es noch nicht, wie es soll.
Ach, wann soll denn einst dein Glanz
Meinen Geist verklären ganz? \
O dass einst möcht' alles sterben,
Was dein Licht nur kann verderben! 2)
Liegt in dem stufenweise fortschreitenden Schöpfungswerke ein Vorbild der Erlösung, auch der inneren Erlösung, so gehts in beiderlei Beziehung auch durch mehrere Scheidewege, wodurch das vorhergehende Durcheinander geschieden, gesammelt und geordnet wird. Gott schied das Licht von der Finsternis, die Wasser ober der Veste von denen unter derselben; das Nämliche wird sich auch in der innerlichen Führung nachweisen lassen. Was gehört nicht bei den meisten Seelen dazu, ehe ihnen der Unterschied zwischen Werk- und Gnadenbund, Gesetz und Evangelium einleuchtet, bis ihnen der Gegensatz von Natur und Gnade klar wird, bis ihnen das seltsame Neben- und Widereinandersein des Fleisches und Geistes, des alten und neuen Menschen, der Sünde und Gnade in der nämlichen Person verständlicher wird und bleibt!
Auf wie vielerlei Rätsel stoßen sie, die unauflöslich scheinen, sowohl was Begriffe, als Übung, Ratschläge und Erfahrung angeht. Wollen wir aus der Begriffswelt einige solcher Rätsel anführen, so seien es diese: Jesus, der sich doch nie irret, spricht Joh. 14 zu seinen Jüngern: Den Weg wisst ihr, und Thomas antwortet in der Übrigen Namen: Herr, wir wissen den Weg nicht, und wie könnten wir ihn wissen? Wusste also Thomas etwas, das er, so viel ihm bewusst war, nicht wusste? Wie mag's Paulus meinen, wenn er Röm. 7 sagt: So tue nun ich dasselbige nicht, sondern die Sünde, die in mir wohnt. Welche seltsame Unterscheidung seines Ichs von seiner Person! Wie kann er sagen: er tue das nicht, was er doch tat. Wie erklärte er sich so geschieden von der Sünde, von welcher er doch zugibt, sie wohne in ihm. Wie sind die seltsamen Worte zu verstehen, womit er das seltsame Kapitel beschließt, wenn er sagt: So diene ich nun mit dem Gemüte dem Gesetz Gottes und mit dem Fleisch dem Gesetz der Sünde. Wie kann er so widersprechende Dinge, als Freude und Trauer, als nichts und alles haben, als schwach und stark sein, als nichts und alles vermögen, als in derselben Person nicht nacheinander, sondern als zugleich und in dem nämlichen Augenblick vorhanden, und ohne dass das Eine das Andere aufhebt, anwesend vorstellen, wie er doch tut, wenn er sagt: Als die Traurigen und allezeit fröhlich, als die Armen, aber die doch viele reich machen. Spricht nicht Johannes auch sehr seltsam, wenn er erst sagt: So wir sagen, wir haben keine Sünde, so verführen wir uns selbst und die Wahrheit ist nicht in uns, und gleich darauf: Wer aus Gott geboren ist, tut nicht Sünde; wer sündigt, ist vom Teufel. -
Das sind offenbar Rätsel, die uns nur der Heilige Geist auflösen kann, so dass wir in der scheinbaren Unvereinbarkeit lauter Wohlklang finden. Diese und ähnliche Rätsel aber können einer Seele viel Anstoß bereiten und sie nach Ijim führen. Ebenso geht's auch in den Übungen und Ratschlägen. Wie lässt sich zu gleicher Zeit das Warten und Eilen üben, welches Petrus empfiehlt? Wie verhalten wir uns denn eigentlich, wenn wir den Rat Christi in Ausübung bringen wollen: Wirkt Speise, die nicht vergänglich ist, sondern die da bleibt in das ewige Leben, welche euch des Menschen Sohn geben wird, oder den des Apostels Pauli: Schafft, dass ihr selig werdet mit Furcht und Zittern, denn Gott ist es, der in euch wirkt das Wollen und Vollbringen. Er, der anderswo sagt: Wer nicht wirkt, glaubt aber. Wie sind die Ratschläge so viele und entgegengesetzte, und in welche Verlegenheit kann dadurch eine Seele geraten, die gerne heilig und selig werden will, deren Herz aber noch nicht fest geworden ist, welches geschieht durch Gnade. Sie werden durch die verschiedenen Ratschläge nach Ijim gejagt. Dieser spricht: Wirke, wirke; wirkt, dieweil es Tag ist, es kommt die Nacht, da niemand wirken kann, tut allen euren Fleiß, widersteht bis aufs Blut im Kämpfen wider die Sünde - und sollte er nicht Recht haben? Der aber sagt: Stellt das eigene Wirken ein, und werdet stille und dadurch stark. Was soll die Arbeit, da ihr nicht satt von werden könnt, so ihr stille bliebt, würde euch geholfen werden. Meine Seele ist stille zu Gott, der mir hilft. Die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden. Und ist nicht auch dieser Rat ganz schriftgemäß?
Ein Dritter empfiehlt uns aufs Nachdrücklichste die Treue, ohne uns genau anzugeben, worin sie bestehe: Sei getreu bis in den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben. Wenn er uns nur hat treu befunden, singen wir, usw. Warum wurde jenem Manne alles genommen? Darum, weil er mit seinem Talent nicht gewuchert und es also nichts gewonnen hatte.
Ein Anderer hebt den Nutzen des Kreuzes also hoch, dass er's als die Beste aller Gaben Gottes vorstellt und für weit besser erkläret, als alle Tröstungen, Erquickungen, Versicherungen; denn der Vater der Geister züchtigt uns ja eben. deswegen, auf dass wir seine Heiligung erlangen. Und wenn die Züchtigung in ihrem Dasein gleich Traurigkeit ist, so wirkt sie doch eine friedsame Frucht der Gerechtigkeit denen, die dadurch geübt werden.
Ein Fünfter empfiehlt vor allen Dingen, zu wachen und zu beten; der stellt die Liebe als das Größte dar, ohne welche alles nichts nütze ist. Denn wenn ich mit Menschen- und Engelzungen redete, und hätte der Liebe nicht, so wär' ich ein tönend Erz, oder eine klingende Schelle.
Liebt, liebt! Gott der gibet
Sich den Liebenden umsonst;
Da verschwinden alle Sünden,
Wie ein Strohhalm in der Brunst. 3)
Endlich wird der Glaube als das Fundament von Allen angepriesen. Glaube an den Herrn Jesum, so wirst du selig. Durch den Glauben werden wir gerecht, durch den Glauben wird unser Herz gereinigt. Wer glaubt, kommt nicht ins Gericht, wird nicht verdammt, wird selig.
Wer könnte gegen diese sieben Ratschläge etwas einwenden, wer müsste nicht vielmehr von ihnen allen überhaupt, wie von jedem einzelnen insbesondere gestehen, er sei nützlich, er sei schriftmäßig? Aber wird denn einem Kranken gerade durch die Menge seiner Ärzte geholfen? So lange nun eine Seele noch ein Leben in ihrer eigenen Hand hat, wird sie nicht müde und zerarbeitet sich in der Menge ihrer Wege, kommt nach Ijim. Aber was nutzt denn die Menge der Ratschläge dem, der keinen einzigen in Ausübung zu bringen weiß und ausrufen muss: o! ich elender Mensch gebt mir keinen Rat mehr, der ich keinen zu befolgen weiß, denn meine Kraft hat mich verlassen und mein Vermögen ist dahin. Und wird nicht derjenige Alles in Einem gefunden haben, der das Kindlein, der den Sohn hat kennen gelernt, der Rat und zugleich Kraft heißt, und an welchem sich haltend, er aller sonstigen Ratschläge leichtlich entbehrt, da er deren Summa besitzt. Insofern aber jene Ratschläge an die Menschen selbst als solche getan werden, beweisen sie deutlich, wie sehr derjenige, der sie erteilt, selbst des Rates bedarf.
Das Vierte, wodurch jemand sein Lager in Ijim, im Haufen von Verwirrungen, aufgeschlagen bekommen kann, sind die Erfahrungen, die er in und von seinem Innern macht und von denen es ihm schwer wird, sie mit einander und mit den Aussprüchen des göttlichen Wortes zu reimen und in Einklang zu bringen. Die inneren und äußeren Erfahrungen wechseln und das Thermometer derselben zeigt bald auf warm, bald auf kalt. Die Meisten sind geneigt, von ihrem ganzen Stande nach Maßgabe ihrer Empfindungen zu urteilen, welcher nach ihrem Dafürhalten mit denselben wechselt. Steht es gut, so meinen sie, es werde nun so bleiben, und so denken sie auch, wenn's nicht gut steht. Das eine Mal glauben sie, Gott sei ihnen gnädig, weil sie es empfinden, und das andere Mal zweifeln sie stark daran, weil ihnen die angenehme Empfindung davon mangelt. So ist nichts Gewisses in ihren Wegen. Sie wollen Gott gewisse Bedingungen vorschreiben, unter welchen sie glauben wollen. Hätten sie wirkliche Liebe, meinen sie, so würde sich dieses darin zeigen, dass dies geschähe, jenes aber nicht. Kommt sich's so nicht, so verwirrt sie das. Ist der Herr mit uns, warum widerfährt uns denn das? fragt ein Gideon. Wie würde es ihm wohl gegangen sein, hätte er Hiobs Proben durchwandern müssen, von dem wir doch nicht einmal merken, dass er an seinem Gnadenstande gezweifelt habe, wie schrecklich es ihm auch ging. Wer aber ist wohl je für sich in der Anfechtung bestanden, außer dem Einigen? Abraham selbst fürchtete einen gewaltsamen Tod, ehe noch die Verheißung an ihm erfüllt war, und suchte sich durch ein Mittel zu sichern, das nicht recht war. Aber 18 Jahre später bewies er einen Glauben an die Macht und Treue Gottes, welcher der Gegenstand der Bewunderung aller Jahrhunderte bleiben wird. Sein Enkel Jakob rang mit erstaunenswürdigem Mute mit Gott selbst und siegte; später klagt er: Es geht alles über mich! und dem Pharao gegenüber scheint sich in das Bekenntnis seiner Hoffnung noch in seinem 130. Lebensjahre ein Wölklein des Unmuts zu mengen, wenn er die Zeit seiner Wallfahrt schlechthin böse nennt. -
In welches Ijim musste David geschleudert sein, als er in seinem Zagen sprach: Alle Menschen sind Lügner; ich bin von dem Angesicht des Herrn verstoßen, und Jeremias, als er es beklagte, geboren zu sein, und Elias nebst Jonas, als sie flohen, der Eine von Jesabel, der Andere gar vor Gott aufs Meer.
Es ist oft schwer, die Wege, die ein Christ gehen muss, mit den göttlichen Zusagen in Übereinstimmung zu bringen, und der Erfolg entspricht oft den Erwartungen gar nicht, und sich in solchem Falle nicht verwirren und entmutigen lassen, ist nichts Geringes. Was soll ein Mühseliger und Beladener denken, wenn er der Einladung Jesu gemäß zu ihm kommt und doch nicht erquickt wird; wenn er aufs Licht hofft, und siehe! es wird finster; wenn das Gute, das er hatte, sich wieder verliert; wenn er eben der Flut entrissen, wieder zurücksinkt? Was soll er denken, wenn die Verheißung sagt: Sie werden wachsen, wie die Zeder auf dem Libanon, und er wimmern muss: Ach! wer bin ich, mein Erlöser, täglich böser sind ich meiner Seelen Stand.
Muss er nicht denken, die Verheißung gehe ihn nicht an, oder es sei nicht rechter Art bei ihm. Und sind solche Gedanken nicht sehr geeignet, ein Durcheinander in der Seele zu erzeugen, wo man mit David ausrufen möchte: Ich heule von Unruhe meines Herzens. Solche Lagerstätten fallen auch vor.
Es ist aber ein köstlich Ding, dass das Herz fest werde, dass es sich nicht mehr wägen und wiegen lasse von jeglichem Wind der Lehre oder der Anfechtung, sondern wisse, an wen es glaubt und gewiss sei, dass er mir kann meine Beilage bewahren bis an jenen Tag. Aber das geschieht durch Gnade, nicht durch Speise oder sonst was. Gott, Gott ist es, der uns befestiget samt euch und versiegelt, und uns das Pfand, den Geist, gegeben hat. Israel ist nicht wie Moab, der einem Weine gleichet, der auf seinem Hefen ist liegen geblieben, sondern der von einem Fass ins andere ist gegossen worden, und nicht wie ein Kuchen, der nicht umgewendet wurde, und also halb verbrannt, halb ungar ist, sondern den das Feuer von allen Seiten getroffen hat.
Selig ist der Mann, der die Anfechtung erduldet, denn nachdem er bewährt ist, wird er die Krone des Lebens empfahen, welche Gott verheißen hat, denen, die ihn lieb haben. Amen.